Freitag, 26. April 2024

x

manchmal gucke ich noch ganz kurz auf x formerly known as twitter, denn 2008 war das mal ein echt cooles medium. inzwischen jedoch spürt man hier besonders stark, dass der iq der menschheit beständig sinkt.

nach meinen aktuellen stippvisiten bin ich stärker denn je davon überzeugt, dass wir tatsächlich in einer simulation leben. eine, in der unsere regisseure gehirnabsaugungen vornehmen. es sind nur keine außerirdischen, leider. die hoffnung, bald in eine intelligentere und überlegene welt entführt zu werden, ist also unangebracht.

x spiegelt wie tiktok den neuen durchschnitt der bevölkerung wider. man kann nur staunen, welche blutigen snufffilme durch die schädelhohlräume derer spuken, die sich über einen klimaschützer echauffieren, in der inbrünstigen überzeugung, so die deutsche wurst zu retten. ein gangbang-hardcore-rape-porno im nachmittags-kinderfernsehen erscheint mir brav und harmlos im vergleich zu dem, was minderjährige in den social media an brutalität und gewaltverherrlichung zu lesen und zu sehen bekommen. und wer nicht mindestens drei ausrufezeichen hintereinanderpackt und dabei eine schwarz-rot-goldene flagge im profil hat, ist kein echter deutscher und wird deshalb nach den nächsten bundestagswahlen von höcke persönlich remigriert. 

manchmal glaube ich, es wäre das beste, wenn die welt zentral duch ki regiert würde. ohne religionen, ohne links-rechts-mitte-ideologien und ganz ohne emotionen. ja, so eine kalte computer-welt erscheint mir wie ein paradies - verglichen mit dem, was sich gerade anbahnt.

Dienstag, 23. April 2024

ladensterben ist das beste, was uns passieren kann

die meisten innenstädte sind identisch langweilig und monoton: läden, läden, läden. billiger ramsch und überteuerte markenscheiße, die auswahl für konsumjünger ist immens. ich selbst gehe niemals in die innenstadt, denn allein das konzept bringt mich schon zum kotzen.

nun geben einige dieser läden auf, weil sie offenbar nicht mit schlechteren zeiten gerechnet haben. macht man als kaufmann nicht eigentlich einen businessplan oder bildet rücklagen, sobald man gewinne einfährt? oder reichen dafür die mathekenntnisse unserer bwl-genies nicht mehr aus? man weiß es nicht.

ich finde ladensterben jedenfalls großartig. zumindest einige menschen scheinen die überflüssigkeit von konsum erkannt zu haben. denn ob klamotten, kosmetik oder elektronische gadgets: auf das meiste kann man in der tat getrost verzichten. all das sind lediglich incentives für das belohnungszentrum, damit man es erträgt, am nächsten tag wieder stumpf im büro zu sitzen und sinnlosen bullshit nach schema f zu machen.

der einzelhandelsverband schlägt angesichts der lage geradezu melodramatische töne an: es entstünden "geisterstädte", wenn nicht gehandelt würde. kurzum, es wird natürlich gewünscht, was in schlechteren zeiten von wirtschaftsversagern immer gewünscht wird: dass papa staat die steuerzahler anzapft und hilfen locker macht. total logisch und selbstverständlich.

mir fielen ja auf anhieb 1000 sachen ein, die man mit leerstehenden geschäften veranstalten könnte. wohnraum schaffen beispielsweise, oder raum für kunst und kultur. auch die abrissbirne hieße ich herzlich willkommen, wenn anstelle der gräßlichen betonbunker grünflächen und parks entstünden. meinetwegen sogar mit kinderspielplätzen. oder auch gemeinnützige einrichtungen wie bibliotheken, schwimm- oder sporthallen. von all dem gibt es viel zu wenig.

warum also stadt nicht mal neu denken? nein, das geht natürlich nicht! der kapitalismus schreibt die absolute gleichförmigkeit von innenstädten vor. die menschen sollen kaufen, kaufen, kaufen, damit sie am ende des tages betäubt in die kissen sinken und zu shoppingmüde zum nachdenken oder für eine revolution sind. 

ich bin so angewidert von diesem land, das sich immer noch auf den lorbeeren der wirtschaftswunderjahre ausruht und sich in jeder hinsicht in feigheit übt. und  ich sage euch, diese pleitewelle ist das beste, was uns passieren kann. ein ground zero bedeutet ausreichend platz für die entfaltung konstruktiver und zukunftsträchtiger ideen. ideen, von denen alle etwas hätten - nicht nur wohlständler und konsumsüchtige.

natürlich wird das mit den pfeifen, die unser land regieren, nicht passieren. aber träumen darf man ja wohl noch.

Dienstag, 16. April 2024

s.kalationen

meine kollegin s. ist eine mehr als vorbildliche arbeitskraft. sie strahlt 24 stunden am tag vor eifer wie ein lecker uranbehälter, sitzt bis mitternacht im büro und hat stets eine meinung zu allem, welche sie gern öffentlich auf sämtlichen inhouse- und marketingkanälen kundtut. man weiß nicht, was genau sie eigentlich den ganzen tag macht, aber ihr profil in teams steht immer auf "beschäftigt". 

s. ist darüber hinaus meine direkte vorgesetzte. sie wäre prinzipiell die richtige, um mich ein wenig einzuarbeiten. aber dafür hat sie keine zeit. sehr oft habe ich fragen, die sie am besten beantworten könnte. aber in teams steht die ampel bei ihr immer auf rot. oft frage ich trotzdem, weil es einfach nicht anders geht. entweder bekomme ich dann keine antwort, oder aber so dermaßen auf den letzten drücker, dass ich - handlungsunfähig wartend -  bereits tausend stresstode gestorben bin. am ende kann ich meine arbeit so nicht ordentlich machen, weil die sache dann in aller eile schnell hingeklatscht werden muss.

in meiner not frage ich manchmal andere. mache ich es dann so wie mir von diesen geraten wurde, ist s. selten amused und meckert mich an. sie möchte, dass es bis ins detail so gemacht wird wie sie es sich vorstellt, auch wenn sie diese erwartungen selten kommuniziert. auch für den chef sehen meine halbgaren, wenig informationsbasierten last-minute-würfe sicherlich so aus, als wäre ich unfähig.

abgesehen davon hatte ich zuletzt den eindruck, dass s. mich bei cheffe schlechtmacht. so leistete der sich zweimal spitze bemerkungen, die auf unzufriedenheit schließen lassen. so genau kann man es allerdings nicht sagen, da sich cheffe tendenziell geheimnisvoll-kryptisch ausdrückt und es gern bei andeutungen belässt.

"pass bloß auf", sagt der luxus-mann. "du bist in der probezeit, die können dich ganz einfach feuern."
"weißte was, ich glaube, ich wäre fast erleichtert, wenns so wäre", erwidere ich. "dann wars das halt. dann fange ich eben wieder von vorne an. und wenn ich mich erstmal bei budni an die kasse setze oder bei edeka regale auffülle."
"schön blöd", findet der luxus-mann. aber der hört schließlich auch in drei jahren auf zu arbeiten und muss sich um gar nichts mehr sorgen machen.

wie hoch die anspannung ist, kann ich an meiner inzwischen sieben wochen währenden schlaflosigkeit ablesen. von sonntag bis donnerstag tue ich kein auge zu. nur am wochenende lässt mich der kopf ein wenig ausruhen.

innerlich kann ich mich zwischen flucht und amoklauf nicht recht entscheiden. zugleich würde ich als friedfertiges schaf weitere eskalationen gern vermeiden. dieser job scheint jedenfalls meine persönliche nahost-krise zu sein.

Sonntag, 14. April 2024

händchenhalten

der luxus-mann und ich haben ein feier-wochenende hinter uns. wir hatten beide geburtstag, wobei mein geburtstag gleichzeitig unser kennenlerntag ist. acht jahre sind es jetzt, und alles in allem ist unser miteinander über weite strecken wunderbar - bzw. es wird noch immer besser. 

heute schlendern wir über einen flohmarkt, als ich meine hand in die luxus-jackentasche schiebe. 
"willst du mir nen hustenbonsche klauen?" fragt mich mein mann misstrauisch wie es seine art ist. 
"nö, aber meine hand ist so kalt." 
"soll ich die vielleicht ein bisschen in meine nehmen?" fragt der luxus-mann da fast schüchtern. 

ich muss grinsen, denn ähnlich wie umarmungen hasst der luxus-mann händchenhalten und andere "schleimige" gesten. aber er fragt, weil er mich liebt und möchte, dass es mir gutgeht. also lasse ich meine kalten finger in seine wie immer warme hand wandern - und genieße es, ein wenig gehalten zu werden.

beamtenhände, habe ich die unglaublich weichen luxus-hände einst einmal genannt, auch wenn der luxus-mann gar kein staatsdiener ist. 
"früher waren meine hände immer ganz rau und hart", erzählte er mir daraufhin. 
"weil du dauergeil warst und ständig gewichst hast", kicherte ich. 
der luxus-mann kniff mich in die seite: "von der arbeit auf dem hof meiner eltern, du doofe frau!"

später an einer ampel nutze ich den moment der rotphase und schlinge meine arme um die luxus-taille. "ich möchte, dass das nicht aufhört. und ich möchte bitte die zeit zurückdrehen auf freitag und das wochenende noch mal durchmachen!" "ja, das war echt richtig schön", antwortet der luxus-mann."aber nichts ist für ewig, sonst wär´s auch leider langweilig. trotzdem, mich gruselt es auch schon vor morgen, wenn ich wieder in das beknackte büro muss."

ich lächle ihm zu und spüre: dieser mensch ist ein echter anker zwischen mir und der welt, ein katalysator inmitten all der unstimmigkeiten von kackjob, suboptimaler wohnsituation und nervigen krankheiten. auch wenn wir uns nicht immer hundertprozentig verstehen und manchmal auch voneinander genervt sind, gibt es doch vieles, worin wir uns ähnlich sind - was bewirkt, dass ich mich insgesamt nur noch selten einsam fühle. 

seit dem objektiven unfall und dem gesundlichkeiten verfall meines vaters ist mir jedoch mehr als bewusst, wie fragil liebe und das menschliche leben an sich ist. ich möchte das, was wir haben, unbedingt auskosten. verschwenderisch lieben, um am ende sagen zu können: das hat sich gelohnt, mit jedem einzelnen atemzug. 

oft muss ich dabei an früher denken, wie ich nachts neben dem objekt lag und bewusst wachblieb, weil ich diesen mann so lange wie möglich ansehen, spüren und riechen wollte - so, als ahnte etwas in mir, dass unsere stunden bereits gezählt waren. 

heute weiß ich, dass all unsere stunden immer gezählt sind und ihre dauer allein vom zufall regiert wird. in diesem universellen chaos liegen tragik wie schönheit gleichermaßen, und ich bete dafür, am ende beides ertragen zu können.

Samstag, 6. April 2024

cannabislegalisierung absurd

dürfen wir jetzt alle kiffen? diese frage lässt sich mit einem eindeutigen jein beantworten.

du darfst kiffen:

- wenn du volljährig bist. 

- wenn du dich an die mengenbegrenzung hältst.

- wenn du den stoff in einem legalen laden bezogen hast. sowas gibt es nur eben leider nicht. legale läden sollen ab nächstes jahr kommen. also vielleicht. eventuell. es muss dazu natürlich erstmal ein großes, fettes bürokratiemonster geschaffen werden. ich rechne allerdings tatsächlich noch vor 2050 mit den ersten cannabis-shops in deutschland. dann kann man sich das eigene aussterben noch schönkiffen.

- wenn du in einem erlaubten bereich kiffst. in meinem stadtteil bspw. ist kiffen auf rund 95 % der fläche untersagt. man kann allenfalls in die tote reiche-pisser-gegend nebenan gehen, sich dort irgendwo mit einem klappstuhl vor eine der villen setzen und auf einen suv aschen. wäre ein experiment wert.

man kann aber auch einfach auf all die einschränkungen scheißen. gerade in kackstadt kann man sich in 99 % der fälle drauf verlassen, dass vebote ohnehin nicht kontrolliert werden. hat man schließlich in corona-zeiten gesehen: maskentragen war eine komplett freiwillige sache hier. auch sonst werden ordnungswidrigkeiten wie falschparken, mit-120-durch-die-gegend-rasen oder ruhestörung eigentlich nie geahndet, fachkräftemangel bei der polizei sei dank. es muss schon viel blut fließen oder ein toter herumliegen, damit da mal bewegung in einen uniformträger kommt.

ich für meinen teil habe noch glück: ein paar straßen weiter ist ein friedhof, der kein rot markiertes gebiet auf der bubatzkarte darstellt. vielleicht sollte ich dort später zwecks renten-zusatzverdienst einen cannabis-shop eröffnen. hilft sicherlich auch beim trauern - oder wenn man eine kleine seance abhalten möchte und sich spirituell ins richtige setting bringen will. eigentlich eine sehr geile geschäftsidee.

Samstag, 30. März 2024

weltretten durch flaschenfesseln

die eu hat beschlossen, umweltschutz endlich hardcore voranzutreiben. dafür hat sie etwas erfunden, was all unsere probleme in sachen plastikmüll sofort und radikal lösen wird: die verschlüsse von plastikflaschen sind jetzt durch eine kleine flaschenfessel unabreißbar mit der jeweiligen öffnung verdengelt. 

bestimmt ist es ihnen auch schon immer so ergangen: man öffnet zum beispiel beim spazierengehen so eine kleine erfrischende cola, und schwupps, manövriert sich der deckel zielsicher in die nächste hecke. auch in der wohnung haben alle deckel den unwiderstehlichen drang, sofort unter ein regal zu rollen, sich dort über die kommenden jahrhunderte klammheimlich zu zersetzen und sich dann als mikroplastik ins umfeld zu verflüchtigen. 

die mikroplastikbelastung der umwelt durch verschlussdeckel beträgt mindestens 90 prozent. vergessen sie plastiktüten, kunststoffe in bekleidung oder reifenabrieb von tonnenschweren suvs. vergessen sie tanker, die ganze mülldeponien ins meer kippen. all dies sind marginalitäten, wenn man mal verschlussdeckel betrachtet!

schauen sie sich diese verschlussdeckel nur an: 100 prozent reines plastik. das ist so pfui deibel wie putin, trump und hitler zusammen! und dann sind diese dinger auch noch rund, was ihnen maximale beschleunigung auf der flucht vor der zugehörigen flasche ermöglicht. studien haben nachgewiesen, dass sich ein rollender deckel schneller als max verstappen bei der formel 1 bewegt. gleichzeitig kann er sich wie bösartiger dämon vollständig unsichtbar machen.

mit der flaschenfessel hat die eu einer großer umweltkatastrophe mutig und rigide einen riegel vorgeschoben. ab sofort leben wir in einer besseren, verschlussdeckelmikroplastikfreien welt. und geben sie´s zu, nur das haben sie schon immer gewollt.

Mittwoch, 27. März 2024

daily jobwahnsinn

ich arbeite nun bereits einige wochen im unorganisiertesten unternehmen der welt. der alltag ist geprägt durch stundenlanges suchen wild in willkürlich bezeichneten ordnern auf unterschiedlichen servern abgelegter dokumente. hinzu kommen das fehlen jeglicher strategie, sinn- und endlose meetings sowie rohe chefgewalt bei beständig proklamierter gleichberechtigung. dabei soll man natürlich permanent freudig erregt springen und bei sämtlichen bis spätabends gehenden veranstaltungen und anderen dummschwätz-zusammenkünften gesicht zeigen (es ist immer freiwillig, daher sind es natürlich auch keine überstunden, aber WEHE du machst es nicht.)

kurzum, es ist ein alptraum. so verwirrt, alleingelassen und wütend habe ich mich selbst in meinem grauenvollen volontariat vor 16 jahren nur zeitweise gefühlt. 

mein alltag läuft in etwa so ab: ich bekomme eine aufgabe zugerufen und stelle erstmal fest, dass mir zugang/berechtigung/passwort fehlt. ich verbringe den halben tag damit, kollegen/der it hinterherzurennen, um an die nötigen daten zu kommen. dann mache ich mich an die aufgabe, die ich in der regel so noch nie gemacht habe. anleitungen gibt es in unserem unternehmen nicht. fragt man zwei leute, erhält man zwei verschiedene auskünfte. jeder macht seinen kram irgendwie, und irgendwie funktioniert es wohl auch, so für jeden allein. die häufigste antwort auf eine frage lautet: ja, da musst du mal schauen. sprich: viel spaß beim raten.

also mache ich meine aufgabe ebenfalls irgendwie und bitte jemanden, noch mal drüberzuschauen, bevor wir uns bspw. in den social media wegen meiner unkenntnis bis auf die knochen blamieren. in der regel kommt die rückmeldung erst dann, wenn es schon zu spät ist, oder sie bleibt ganz aus.

ich habe noch nie in meinem arbeitsleben so wenig gebacken bekommen. das macht mich vollkommen wuschig. auch wenn ich einen job kacke finde - ein bisschen ehrgeiz habe ich ja doch. ich muss nicht brillieren, aber blamieren will ich mich eben auch nicht unbedingt. es gibt auch zeiten, in denen ich einfach so dasitze und mich tatenlos langweile. zuständigkeiten gibt es nicht, einen teil meiner zeit verdödle ich sinnfrei, weil ich nicht überall proaktiv meine hilfe anbieten kann.

ich hatte schon viele arbeitgeber, bei denen der job die reinste qual war und tägliche selbstvergewaltigung erforderte. aber selbst in den miesesten agenturen hatte ich in der regel wenigstens noch ein angenehmes team, mit dem auch mal lachen konnte. hier arbeitet jeder verbissen, ohne leichtigkeit, ohne sich selbst oder den job mal aufs korn zu nehmen. das gros gehört zum typ übereifriger selbstverwirklicher, der sich pausenlos engagiert und bei jeder aufgabe "ich ich ich" ruft. grundsätzlich sind alle bis zum erbrechen pc, übermäßig höflich und furchtbar ernsthaft. jeder übt dabei durch seinen aktionismus subtilen druck auf den rest aus. komme ich überhaupt nicht mit klar. wenn meine kollegin montags reinspaziert und stolz verkündet: "ich bin heute open end da!" könnte ich sie steinigen für ihre dämliche wichtigtuerei.

von cheffe hört und sieht man oft tagelang nichts. manchmal kommt er in meetings hinzu und erteilt in seiner autistischen art und weise anweisungen, die selten ein grund zur freude sind. ich sitze in einem büro gegenüber von ihm, aber er hat es noch nicht geschafft, einen persönlichen satz an mich zu richten oder mich mal zu fragen, wie es mir als neuankömmling so ergeht. 

ich hatte mich eigentlich sehr auf den job gefreut, weil ich zum ersten mal in meinem leben einen super korrekten arbeitsvertrag habe, ein auf den ersten blick sehr anständiges gehalt und lauter extra-gedöns wie fahrkarte und altersvorsorge. das wirkte auf mich, als hätte ich endlich mal einen arbeitgeber erwischt, der zumindest grobe peilung von dem hat, was er tut und sich nicht permanent selbst geschäftsschädigt. aber irrtum. das war ein move vom regen in den gewitter-hagelsturm.

mittlerweile ist für mich klar, dass ich mich weiterbewerben werde. ein höflichkeitsjahr muss ich wohl für den lebenslauf abreißen, aber im herbst spätestens geht die jobsuche wieder los. hurrah, ich kotze.

Mittwoch, 13. März 2024

es graut so grau

nachts, wenn ich stundenlang wachliege, schwirrt mein kopf voller gedanken. keiner ist greifbar. alles wuselt wie ein termitenbau. absolutes grauen ist das mächtigste gefühl, das ich in diesem ekelhaft lebendigem berg ausmachen kann.

ein gegenstand des grauens ist der job. der neue job ist kacke, und ich hatte es nicht kommen sehen. weil im bewerbungsgespräch gefühlt eine vollkommen andere stelle verkauft wurde. endlose meetings, endlose abendveranstaltungen - von all dem war nie die rede. doch wie verlässt man einen job, den man gerade erst angefangen hat?

ein zweites thema ist mein vater. seit meinem letzten besuch ist mir bewusster denn je, wie sehr unsere tage gezählt sind. das evoziert eine schlicht nicht enden wollende sehnsucht nach zuhause, dass ich nicht ein noch aus weiß. aber mit dem neuen kackjob habe ich mich noch mehr an kackstadt gebunden. nicht mal ein urlaub ist drin bis zum herbst.

ich flüchte mich viel zum luxus-mann, wandere dort nachts in der wohnung herum, weil ich mich dann ein klitzeklein weniger gottverlassen fühle. aber es ist das klammern an eine illusion, dass das leben weniger schrecklich wird, wenn nur jemand neben dir atmet. jemand, der deinen kummer kleinredet und dir sagt: dann steigere dich halt nicht so rein.

ein drittes großes thema ist das derzeitige psychiatrische chaos. im sommer hatte ich endlich ein medikament gefunden, das mich beruhigt und meine stimmung einigermaßen stabil hält. da sich aber meine herzproblematik unerwartet verschärft hat, darf ich es nun nicht mehr nehmen. bis zum kardiologentermin in vier wochen laufe ich auf grundeis. ich schütte unmengen alkohol in das schwarze loch, was vermutlich weder dem herzen noch der psyche guttut. aber was bleibt? um mein herz mache ich mir interessanterweise am wenigsten sorgen. ich habe keine beschwerden - somit scheint die gefahr nicht real. einziges symptom wäre ein herzstillstand. und damit hätte ich es hinter mir. 

aber ich träume ja noch immer. davon, dass ich eines tages zu arbeiten aufhöre. dass ich mit tieren um mich herum lebe, an einem ort, an dem ich mich endlich geborgen fühle. und etwas in mir will dem noch immer eine chance geben. 

etwas in mir will mir noch immer eine chance geben. ohne auch nur ansatzweise zu wissen, wie.

Freitag, 8. März 2024

eine zugfahrt, die ist lustig

vergangene woche freitag gebe ich meine arbeitsmittel bei meinem exarbeitgeber im ruhrpott ab. am abend dann die rückfahrt mit der bahn nach hamburg. 

wir starten superpünktlich um 19.00 uhr. ich bin entzückt, da ich so gegen 22:30 uhr tatsächlich in hamburg sein könnte.

ich wähle ein einzelabteil. darin sitzt schon ein mann in meinem alter und tippt mit kopfhörern über den ohren in sein laptop. er blickt kurz auf und nickt flüchtig, als ich frage, ob der platz gegenüber noch frei sei. aha, ein workaholic, denke ich bei mir.

ich setze mich, döse ein bisschen und schrecke wieder auf, als eine zugbegleiterin die abteiltür aufreißt und nach getränkewünschen fragt. mein sitznachbar nimmt die kopfhörer von den ohren, lächelt ein überraschend gewinnendes lächeln und bestellt ein bier. ich wähle eine apfelschorle. 

die getränke kommen subito. der sitznachbar prostet mir mit seinem pils zu. dann nimmt er die kopfhörer, überlegt einen moment - und packt sie in seine tasche. "jetzt ist feierabend", sagt er zu mir. "diese buchhaltung kann einen echt auffressen!"

buchhaltung und workaholic passen für mich zunächst nicht zusammen, dann aber fällt der groschen: "biste selbstständig?" frage ich.
"ja", sagt der typ. er erzählt mir, dass er unternehmensschulungen für diverse softwares veranstaltet. ich höre interessiert zu, dann geben wir für einander ein paar anekdoten zu thema "als mein kunde mal nicht zahlen wollte" zu besten.

plötzlich gehen alle lichter aus und der zug macht eine vollbremsung. ich greife flugs nach dem bierglas meines abteilgenossen, das in meine richtung fliegt. dann kommen wir auf freier strecke zum stillstand.

"verdammt, das war ein kurzschluss", sagt mein begleiter. "das ist schlecht. jetzt können wir uns für die nacht hier einrichten."
"echt? meinst du?" frage ich entsetzt. 
"wenns die oberleitung war, auf jeden fall. aber auch sonst ist ein kurzschluss nicht besonders gut. wahrscheinlich müssen sie uns abschleppen und dann müssen wir den zug wechseln. ist ja noch eine ganze weile bis hamburg."
"ach du liebe zeit", sage ich.
"naja, könnte mir schlimmeres vorstellen", sagt er und blinzelt mir verschwörerisch zu. "jedenfalls hast du super reflexe." 

"hm", sage ich. mir gefällt die situation auf anhieb nicht ganz so gut, weil mir gleich so unangenehme dinge einfallen wie die elektrisch verriegelten türen, die elektrisch gesteuerte toilettenspülung und begrenzte mengen an nahrungsmitteln. "ich geh mal schnell noch auf toilette, bevor die schüssel voll ist", sage ich. mit der handytaschenlampe hangle ich mich den flur entlang.
 
als ich auf toilette sitze, gehen plötzlich die lichter wieder an. die crew hat das notstromaggregat aktiviert. ich kann problemlos spülen und hände waschen. 
 
dann endlich eine durchsage: es habe leider einen kurzschluss im triebwagen gegeben, nichts genaueres wisse man. es könne eine unbestimmte zeit dauern, bis es weitergehe.
 
ich eile zu meinem abteil zurück. dort ist mein mitreisender gerade dabei, seinen geldbeutel zu zücken.
"ich besorg uns mal noch mehr bier, bevor alles ausverkauft ist", sagt er. "trinkst du auch was mit?"
"oh, dankeschön", sage ich. "aber dann komm ich gleich mal mit und kaufe noch was zu essen."
 
die crew im speisewagen hat alle hände voll zu tun, denn wir sind nicht die einzigen mit der idee, uns ein paar kleine vorräte zu verschaffen. homo homini lupus est. mein begleiter ordert vier bier, ich kaufe zwei sandwiches und ein wenig schoki. andere speisen werden nicht mehr ausgegeben. aus gründen.
 
wir kehren in unser abteil zurück und unterhalten uns weiter. inzwischen sind 45 minuten vergangen. plötzlich ruckelt es. "oh, das war die bremse", sagt mein abteilgenosse. "das wäre ein gutes zeichen. vielleicht gehts doch gleich weiter." 
 
tatsächlich setzt sich der ice langsam in bewegung. eine weitere durchsage ertönt: dem lokführer sei es gelunden, das problem zu beheben. man sei nun guter hoffnung, es bis zum zielbahnhof zu schaffen. 

es dauert jedoch nur ungefähr 20 minuten, dann gibt es den nächsten kurzschluss. wieder stehen wir in finsterer nacht auf freier strecke. das zugpersonal meldet sich und berichtet, dass das problem leider erneut aufgetreten sei. man hoffe, den zug noch mal fit zu bekommen. danach wäre allerdings der nächste bahnhof der endbahnhof. von dort aus sollen wir in einen neuen zug umsteigen.
 
ich finde das ganze inzwischen fast amüsant und insgesamt recht spannend. das liegt nicht an der situation, sondern an meinem charmanten sitznachbarn sowie der großen menge bier, die inzwischen durch unsere blutbahnen schwappt.  
 
tatsächlich schafft es der lokführer, den ice ein zweites mal zum weiterfahren zu bringen. die crew prognostiziert derweil umsteige- und weiterfahrt-möglichkeiten am kommenden bahnhof, der gleichzeitig unsere verfrühte endstation werden soll. 
 
"mist, mein anschlusszug ist natürlich schon weg", sagt mein abteilgenosse, während er alternative verbindungen mit seinem handy recherchiert. "und sonst fährt da auch nichts mehr. so eine scheiße." 
"das ist aber jetzt keine verblümte bitte, dass ich dich mit zu mir nachhause nehmen soll", kichere ich.
"um gottes willen", sagt mein mitreisender. "ich würde mich niemals aufdrängen."
"was würde denn deine frau sagen?"
"die schläft schon. die beschwert sich aber garantiert morgen, wenn ich heute nicht mehr nachhause komme."
"nicht, weil du bei einer fremden frau schlafen würdest?"
"da sind wir eigentlich recht entspannt."
"soso. mein freund wäre da nicht so gechillt."
"jedenfalls hat er echt glück, mit einer frau wie dir."
"danke für die blumen."
 
als wir schon die lichter der herannahenden stadt unseres endbahnhofs sehen können, wird es zum dritten mal dunkel um uns. wir warten auf die nächste durchsage, die da lautet: leider sei es nun zum irreversiblen defekt gekommen. man habe zwei dieselloks angefordert, die unseren zugs in den nächsten bahnhof schleppen sollen. das würde allerdings nun wieder einige zeit dauern.
 
nach rund einer stunde beginnt sich unser defekter zug ruckelnd in bewegung zu setzen. kurz nach 1 uhr nachts kommen wir schließlich am vorläufigen zielbahnhof an.
"was machste denn nun", frage ich meinen mitfahrer.
"ich werd mir ein taxi nehmen. das müsste die bahn ja zahlen."
"gute idee."
"lieber würde ich mir ja ein hotelzimmer nehmen", grinst der abteilgenosse frech.
"aber?"
"ich will ja nichts herausfordern."
"nee, besser ist das", sage ich. "außerdem sieht das ganz so aus, als käme ich doch noch nachhause. da soll ja in 20 minuten ein neuer ice bereitgestellt werden."

der mitfahrer wartet mit mir, bis der versprochene frische und funktionsfähige zug einfährt. 
beim abschied fragt er nach meiner telefonnummer. 
"wir können doch mal in kontakt bleiben", sagt er verlegen. 
"ist ja kein verbrechen", sage ich geschmeichelt.
dann steige ich in den zug.
 
gegen 3 uhr nachts komme ich schließlich todmüde am hauptbahnhof an. ich nehme mir ein taxi - und krieche gegen halb vier zum luxus-mann in die federn. 

"was warn los?!" murmelt der im halbschlaf.
"kurzschluss im triebwagen", sage ich. "dreimal in folge, so wie ich dir geschrieben habe."
"und war da was mit dem typ?"
"nee, quatsch, der sitzt jetzt im taxi nachhause zu frau und kindern."
"das eine schließt das andere ja nicht aus, und bei dir weiß man nie."
 
ich stupse und kitzle den offenbar verstimmten luxus-mann ein wenig und spüre dann seine erektion.
"oh lala. ein bisschen fremdflirten scheint ja recht belebend zu wirken."
"gar nicht", beschwert sich der luxus-mann.
"anscheinend doch."
"egal, noch ein bisschen ficken?"
"wenn du mich dabei nicht dauernd fragst, ob ich an den typ denke."
 
und damit endete eine odyssee, die insgesamt gar nicht so schrecklich war, aber ein recht typisches licht auf die zustände der deutschen bahn wirft.

Mittwoch, 6. März 2024

first week in the new job

ich weiß ja noch nicht.

kollegen? nice, aber tendenziell überengagiert. der druck verteilt sich auf die schwächsten schultern.

viel chaos und zu viele meetings mit zu viel raum für dampfplauderer. nächste woche spreche ich das an. überheblich kann ich, und wer mich feuern will, soll das tun.

panikmache bei jedem projekt. kann ich null ernst nehmen. nur mein körper reagiert: nachtschlaf endet um 5 a.m.

zeit? rar. ich habe diese woche weder einkaufen noch putzen noch wäschewaschen können. phasenweise fehlte die zeit zum essen und zum trinken und um kacken zu gehen.

homeoffice? bis jetzt nicht.

anspruch? hoch. gefällt mir.

lernen? ja, immer, gefällt mir ebenfalls.

personalities? bieder. niemand, mit dem ich auch nur eine kleinigkeit gemein hätte. der chef gefällt mir am besten, der hat was.

ja. mal sehen, was kommt. 


Mittwoch, 14. Februar 2024

sex kurz vor der menopause

wahrscheinlich ist regelmäßiger sex nach acht jahren beziehung ein großer glücksfall. 

aber es ist nun mal immer derselbe sex. 

minus die leidenschaft, die uns die jahre gekostet hat. 
minus die tatsache, dass es der immerselbe, alternde körper ist.
minus die performance, die auf das immerselbe allernötigste zusammenschrumpft.
 
ich spüre, wie der mann angesichts meiner kritischen erwartungshaltung seine lust mühsam zusammensammelt. fast spöttisch beobachte ich, wie der schwanz verzweifelt blut richtung spitze pumpt. wir wollen doch nicht so sein wie paare irgendwann so sind: asexuelle vollspießer, bei denen sich nur dann noch appetit regt, wenn die frau das essen auf den tisch stellt.
 
aber mir reicht das so nicht. also quengle ich. schon während des fickens. "vergiss es, so komme ich nicht", sage ich maulig und nehme dem mann damit das allzu laue lüftchen aus den pompös geblähten segeln.

nicht, dass ich noch irgendwelche großen sexuellen ideen hätte. nicht in dieser beziehung. alles ist ausverkauft. limitiert bis zum gehtnichtmehr. letzte kümmerliche reste der lust, orgasmusfernes strohfeuer, höflich bemüht. wie es ist, ist es für den arsch, und damit meine ich nicht etwa analverkehr.

und fucking ja: dieser meine körper verfällt. sagt jedem potenziellen bespringer auf den ersten blick: fruchtbarkeit adieu, mein lieber, dein samen ist pure verschwendung in dieser austrocknenden grotte, in dieser schlaffen gebärmutter, die weder mutti ist noch wird. auch der luxus-körper sammelt immer mehr fett und graue haare, und der schwanz wird nicht mehr so steinhart wie früher.

das alles muss man theroetisch nicht sofort und absolut unattraktiv oder unerotisch finden. wir haben 2024, wir haben bodypositivity, die-40-sind-das-neue-30 und all die netten dummen lügen. 

doch wir sind pessimisten. wir sehen das, was uns fehlt, und zwar am anderen zuerst.

vielleicht fickt es uns jetzt, dass wir nie ineinander verliebt waren. nicht wie das objekt und ich, oder wie der luxus-mann und seine b. wir hatten nie den butterweichen blick, der uns einander schön erscheinen ließ. wir sehen einander ohne geschmeidigkeit, unter kühler led-beleuchtung, die hässlichkeiten dreitausendfach vergrößert. unser sex ist das überengagierte abarbeiten eines defizits, eines fehlens der person, der unsere leidenschaft eigentlich gilt.

ich verdamme diese ersatzhandlung nicht. wer sich nicht an haltlose illusionen klammern oder auf ewig verblödet hollywood-ideale proklamieren will, sollte irgendwann pragmatisch werden. aber die zeit nagt auch am frivolsten aller pragmatismen und macht ihn grau wie die schläfen eines mittfünfzigers.

nur im traum produziert mein kopf derzeit noch zustände der erregung, die meinen inzwischen ganz tief drin verborgenen, ureigensten wünschen rechnung tragen. dann flirte und knutsche ich hemmungslos mit anderen, oft viel jüngeren männern und frauen, und habe sex mit ihnen, allein, zu zweit oder zu mehreren. orgasmen im traum? oh ja, äußerst befriedigend und um längen besser als all das, was derzeit im wachzustand im angebot steht, sofern es denn steht.

liebe ist eine chemischer reaktor. eines tages brennt er aus, und sex mit ihm. was bleibt, ist ein schwarzes loch, das anregungszustände produziert, und dann.

und dann.

das war das wort zum valentinstags, to whom it may concern.

Donnerstag, 1. Februar 2024

holy spirit

samstagabend. der mann, drei luxus-freunde und ich spielen therapy. c. zieht eine fragekarte, die wir gemeinsam und übereinstimmend beantworten müssen.

"wenn außerirdische auf der erde landen würden - welche person in dieser gruppe wäre am besten geeignet, um sie zu begrüßen?" lautet die frage.
"die morphine", sagt t. wie aus der pistole geschossen.
"ja, auf jeden fall", stimmt ihm der luxus-mann zu.
"hätt ich jetzt auch gesagt", findet c., der sonst seinen intellekt gern mal als maßstab der weisheit in den vordergrund rückt. "die morphine hat den spirit für sowas."
"habt ihr gut geraten, da hätte ich wirklich bock drauf", kichere ich."auch wenns vielleicht das letzte ist, was ich in meinem irdischen leben tue."
 
viele sind verblüfft, wenn ich erzähle, dass ich theologin bin. ich bin nicht besonders christlich, kein mitglied der kirche mehr und zweifle stark an der existenz von etwas übergeordnetem, vor allem in form eines alten mannes mit rauschebart. aber ich bin zu tausend prozent überzeugt, dass menschen nur einen sehr kleinen ausschnitt einer sehr großen realität wahrnehmen, und dass diese realität unvorstellbare möglichkeiten hat. 
 
es fasziniert mich seit jeher, über dieses unvorstellbare nachzudenken. es erfüllt mich mit tiefer befriedigung - mehr als job, kohle oder anderweitiger materialistischer scheiß. über die zeit habe ich einen großteil von prof. ganteförs vorlesungen über quanten- und metaphysik konsumiert und mir auch einige entsprechende bücher zugelegt. anthropozentrisches geschwurbel wie panpsychismus ist mir dabei zuwider. ich halte mich an das, was aufgrund physikalischer erkenntnisse tatsächlich möglich erscheint. das jagt mir angenehme schauer über den rücken und lässt alles irdisch-banale für eine weile in den hintergrund rücken.
 
manchmal finde ich es schade, mich mit niemandem darüber austauschen zu können. der luxus-mann, eigentlich kein dummkopf, kann quantenphysische theorien nicht erfassen, weil er sich nicht aus seinem materialistischen weltbild lösen kann oder will. mein früherer chef als physiker wäre dafür wahrscheinlich ein guter ansprechpartner, doch er hat inzwischen den absprung aus kackstadt geschafft. 
 
das objekt wünschte mir einst, dass ich ein intellektuelles und vermögendes älteres paar kennenlernen möge, das mich (geistig) adoptiert und mir die welt und alles darüber hinaus zeigt. manchmal stelle ich mir vor, ich hätte so ein paar kluge doktoranden und professoren um mich herum. ich könnte dann so vieles fragen - und käme mir wahrscheinlich als nicht-doktorin mit minderwertigkeiteskomplexen recht dumm dabei vor. vorerst werde ich wohl mit youtube als best buddy weitermachen müssen.
 



Montag, 29. Januar 2024

hvv - hamburg voll verarscht

zwei dinge entwickeln sich beim hvv beständig auseinander: preis und leistung. ersterer steigt jedes jahr verlässlich, während man mit pünktlichkeit oder sauberkeit oder komfort niemals rechnen sollte.

eine beispiel-odyssee: freitag, 19:30, 3er-bushaltestelle richtung innenstadt. kein berufsverkehr, kein stau. eigentlich alles tiefenentspannt.

der schnellbus x3 soll in sechs minuten kommen, dann drei minuten später ein regulärer 3er und nur eine minute später nochmal ein 3er. sehr gut, möchte man meinen. echter großstadt-takt. 

ist es aber nicht.

beim x3 steht schon verdächtigerweise eine uhrzeit statt einer minutenangabe daneben. hier lehrt die erfahrung: solche busse existieren in der regel nicht. sprich, da kommt einfach keiner. auch in diesem fall habe ich recht: sechs minuten später verschwindet der x3 von der anzeige, ohne dass ein wagen die haltestelle bedient hätte.

inzwischen stehen schon recht viele leute an der haltestelle. so um die 15 people. klar, freitag gehen die leute aus. das ist scheiße. denn ich ahne: der nächste bus wird proppenvoll sein. schließlich ist der mysteriöse verschwindibus nicht gekommen. insofern ist es gut, dass als nächstes gleich zwei 3er-busse ankommen sollen. ist der erste heillos überfüllt, gibt es immerhin eine option.

die beiden 3er-busse der zukunft scheinen sogar richtig gas zu geben, denn jetzt steht an der tafel, dass beide gleichzeitig und "sofort" ankommen sollen. noch ist nichts zu sehen. "sofort" kann nach den regeln des hvv aber auch gerne mehrere minuten bedeuten, also mache ich mir keine sorgen. zeit beim hvv ist grundsätzlich relativ.

dann sehe ich licht am horizont. da kommt tatsächlich ein 3er-bus mit noch akzeptabler verspätung von vier minuten nach "sofort". wie befürchtet ist er so voll, dass nur ein teil der wartenden, sich minütlich vergrößernden menge einsteigen kann. eine weile können die türen nicht schließen, weil immer leute in der lichtschranke stehen. es dauert wieder mehrere minuten, bis der bus abfahren kann.

ich und der bestellte sowie nicht abgeholte rest starren derweil richtung horizont. schließlich müsste gleich der nächste 3er-bus ankommen, oder vielmehr schon hier an der haltestelle sein.

doch da draußen bleibt es dunkel. schließlich verschwindet der angekündigte zweite 3er-bus ebenso wie der x3 zuvor von der anzeigetafel. und ich verstehe: da ist wohl mal wieder ein fehler passiert. hvv-anzeigetafeln funktionieren ungefähr so verlässlich wie kaputte weltraumsatelliten, die ihre umlaufbahn verlassen haben und richtung mond steuern.

inzwischen stehe ich seit rund 20 minuten an der haltestelle. der nächste bus soll wieder 3er-bus sein, der angeblich in neun minuten ankommt. das heißt, ich werde voraussichtlich eine halbe stunde herumgestanden und gewartet haben, bevor ich meine kleine reise auch nur beginne. auf dem dorf kann es nicht frustrierender sein.

dann allerdings rollt plötzlich ein x3 rollt heran. völlig unangekündigt, aber der hvv steht nunmal für überraschungen in jeder lebenslage. warum nicht auch mal eine positive?

der x3 ist vollkommen leer und wir können stante pede einsteigen ohne minutenlanges tür-auf-tür-zu wegen lichtschrankenproblematiken. die fahrt kann beginnen, hurra. ein unfassbarer glücksfall. ich ignoriere, dass der bus bei jeder bremsung ohrenbetäubend laut zischt, als würde er gleich explodieren, und ich ignoriere auch den dezenten gestank von ungewaschener obdachlosigkeit im hinteren bereich.

da weder sturm noch regen noch schneefall herrschen und auch es nicht mitten am tag ist, dauert die fahrt tatsächlich nur acht minuten wie auch die obergeniale hvv-app prognostiert, die sonst nur lustige fantasieangaben macht. ich fühle mich so beglückt wie auf mdma und bin beinahe euphorisch, als ich weiter richtung schanze und luxus-hausen laufe.

denn ja, ich bin anderes gewohnt. es ist keine seltenheit, dass besagter 3er bus für meine vier stationen 50 minuten braucht. dafür muss man nur zu einer anderen tageszeit oder zu den beschriebenen wetterlagen unterwegs sein. zum vergleich: wenn ich den kompletten weg zum luxus-mann laufe, brauche ich 45 minuten. tatsächlich ziehe ich den spaziergang vor, wenn ich zeit habe und das wetter stimmt. dann spare ich mir die 2,50 €, die meine lächerlichen drei bis vier stationen inzwischen kosten.

kurzum, ob man in hamburg nun bus fährt oder einfach läuft, ist im grunde genommen schnuppe. nur der preis macht den unterschied. und der steigt und steigt. und steigt. zuverlässig wie sonst nix anderes, was mit dem hvv zu tun hat.

Sonntag, 14. Januar 2024

i think it´s love

samstagmorgen. beim frühstück rollen mir die tränen übers gesicht. das liegt am morgendlichen serotoninloch - und an der tatsache, dass ich zwar eine zusage für einen interessanten job habe, aber der neue arbeitgeber nach drei wochen immer noch nicht den arbeitsvertrag rüberwachsen lassen will. die daraus resultierende unsicherheit und anspannung killen mich und triggern meinen selbsthass.

"ich bin´s so leid, diese ewigen unverbindlichkeiten, bestimmt wollen die mich noch hinterrücks absägen", schluchze ich. 

der luxus-mann sitzt mir ruhig gegenüber und meint trocken: "frag doch am montag einfach mal nach. nach der langen zeit ist das legitim."
"ich schäm mich so", weine ich weiter und steigere mich in meine depressive hysterie.
"aber warum denn?" fragt der mann verwundert. "und warum sollten die dich jetzt noch absägen?"
"weil ich so ein nutzloses stück scheiße bin!"

ich schreie es regelrecht heraus, weil ich mir so wehtue und ich nicht begreifen kann, wie der luxus-mann so tun kann, als habe er noch nicht bemerkt, dass man mit mir keinen blumentopf gewinnen kann.

der mann seufzt undefiniert und steht dann schwerfällig auf. ich denke, er will die küche verlassen, weil er keinen bock hat, sich mein dummes geheule zu geben.
doch dann erlebe ich die überraschung meines lebens: der mann macht einen schritt auf meine seite des tisches und breitet sehr unsicher und zögerlich die arme aus.
"komm mal her", sagt er.
 
ich bin so perplex, dass ich für einige momente meine verzweiflung vergesse:
"was ist denn jetzt passiert?" frage ich.
dann schlüpfe ich vorsichtig in die dargebotenen arme, und der luxus-mann hält mich tatsächlich fest umschlungen.

ich kann spüren, wie schwer ihm diese umarmung fällt. sein körper ist steif und angespannt, so als kämpfe er mit aller macht einen immensen widerstand nieder. 
 
"ich dachte, dass du das jetzt vielleicht gerade brauchst", sagt er, während er unbeholfen meinen rücken tätschelt.
ich muss ein wenig lächeln:
"hast du drogen genommen?"
"hey, komm. ich geb mir mühe. ich weiß, das war jetzt wahrscheinlich komisch für dich. ich kann das leider nicht gut. aber du weißt ja, ich wurde nie umarmt oder so als kind."

ich schaue den mann an und bin ungeheuer gerührt. mir ist von innen warm, weil ich die größe der geste spüre und die überwindung, die sie ihm gekostet hat.
 
und wir schreiben damit geschichte: es ist das erste mal in fast acht jahren, dass mich mein mann aus eigener initiative umarmt - in einer situation, die mitgefühl erfordert. und es ist eine richtige, echte umarmung - kein kurzes pflichtbewusstes zucken der arme um meine taille. 

am abend auf dem sofa bei einem glas wein spreche ich die situation noch einmal an, um meiner wertschätzung ausdruck zu verleihen. außerdem interessiert es mich brennend, wie der impuls dazu zustande kam, wo ich auf empathie sonst so oft vergeblich warte.
 
"weiß nicht, ich will ja nicht immer dieselben fehler machen", sagt der luxus-mann nachdenklich. "bei meinen kinder hab ich so viel falsch gemacht. oder damals bei b., da hab ich auch erst gemerkt, dass ich sie wirklich liebe, als sie schluss gemacht hat."
"wie war das denn damals?"
"ach... ganz beschissen. wir waren zusammen campen in irland... da hat sie es mir gesagt. ich weiß noch, es war so ein tag, arschkalt, es hat geschifft wie aus kübeln... und ich saß da in den bergen unter so einem felsvorsprung... und hab ihr einen sentimentalen brief geschrieben... so mit dem papier auf den knien...  hat aber auch nichts mehr gebracht. da war ich echt fertig... da musste ich neulich wieder dran denken."
"deshalb hast du auch so verhalten reagiert, als ich irgendwann mal meinte, wir könnten doch mal nach irland fahren?"
"kann schon sein."
ich lächle.
"ich muss da übrigens nicht hin. mir ist viel wichtiger, dass es dir gut geht."

und als wir später im bett liegen, fühle ich mich unglaublich nah und innig. 

 



Donnerstag, 11. Januar 2024

das grüne handtuch

"das gibt´s ja wohl nicht", tönt es fassungslos aus der kammer, in der die luxus-waschmaschine steht. "mein nagelneues grünes handtuch ist weg!"
 
ich komme neugierig gucken: "was n für ein grünes handtuch?"
"das habe ich zu weihnachten bekommen von der kindsmutter nummer 2", antwortet der luxus-mann.
"und wieso ist das jetzt weg?"
"ich hab es gewaschen und es hätte hier in der waschmaschine mit der frisch gewaschenen wäsche sein müssen."
"häng die nasse wäsche doch einfach auf. wenn´s dabei ist, fällt es dir schon in die hände. da ist auch bettwäsche, sehe ich, bei mir rutschen so kleinere teile oft auch mal in einen bettbezug."
 
gesagt, getan.
"mein handtuch war nicht dabei", vermeldet der luxus-mann nach dem wäschenaufhängen.
"aber waschmaschinen verschlucken doch keine ganzen handtücher" erwidere ich. "vielleicht hast du nur gedacht, dass du es in die maschine gesteckt hast und in wirklichkeit befindet es sich noch im dreckwäsche-korb?"
"das könnte sein!"
 
der luxus-mann durchwühlt den wäschekorb. doch darin befindet sich nur noch schwarze wäsche und ein paar socken, kein grünes handtuch.
"merkwürdig! spukt es hier etwa schon wieder?" fragt er kopfschüttelnd.
"vielleicht ist es irgendwie neben oder hinter die waschmaschine gefallen", sage ich.
"da hab ich schon alles abgesucht."
"mit licht? das ist ja recht finster hier."
"warte, ich guck noch mal mit meiner taschenlampe."
 
die erneute suche in den dunklen ritzen um die waschmaschine bringt ebenfalls keine ergebnisse.
"dann ist es wohl irgendwie weg", sagt der luxus-mann bedröppelt. "schade, ich fand das echt schön."
"ich könnte mir vorstellen, dass es wieder auftaucht. das ist ja nicht unbedingt selten, dass du was vermisst", stichle ich und spiele auf die vergesslichkeit des luxus-mannes an.
 
wir gehen in die küche.
dort ruft der luxus-mann erleichtert: "tatsache, da ist es ja!"
ich gucke und gucke, sehe aber kein grünes handtuch.
"mensch, da habe ich es wohl schon letztes mal mitgewaschen und hier aufgehängt!" brabbelt der luxus-mann erleichtert. "ich töffel aber auch!"
 
ich glotze immer noch irritiert durch die küche. 
"ich seh kein grünes handtuch", sage ich. 
"na, da hängt es doch!" der luxus-mann zeigt auf die haken mit den geschirrtüchern.
"hä?"
"da ganz links!"
 
ich trete näher an die geschirrtücher heran.
"da ist aber doch kein handtuch dabei. das sind alles geschirrtücher."
"ja, egal, mein ich doch. das grüne geschirrtuch."

ich zupfe am beschriebenen geschirrtuch, das links außen hängt. 
"das meinst du?"
"genau!"
das geschirrtuch ist anthrazit und trägt einen goldenen stern in der mitte.
"wo ist das denn bitte grün?!"
"so eine ART grün, meinte ich eigentlich."
"das ist dunkelgrau. anthrazit."
"naja, vielleicht ist es auch eher grau."
"wir sollten dich dringend mal auf farbenblindheit testen lassen", schlage ich vor. "und auf faser-blindheit auch."

und so klärte sich der mysteriöse fall des grünen handtuchs, das dann doch eher ein dunkelgraues geschirrtuch mit goldenem stern war.

Montag, 8. Januar 2024

kein herz für landwirte

vor meinem fenster stehen trecker-kolonnen und hupen, verpesten die luft mit ihren maschinen und machen arbeiten unmöglich. kurzum, es ist eine zumutung. ebenso eine zumutung ist es, dass ich gezwungen bin, mit meinen steuern umweltgifte wie diesel zu finanzieren - für eine berufsgruppe, die im vergangenen jahr rekordgewinne eingefahren hat und die hälfte ihres einkommens aus subventionen bezieht. 

aber es passt ins bild, wie unternehmen (ja, auch landwirte sind unternehmer und keine sklaven) denken: der staat hat die fresse zu halten und darf mir keine vorschriften machen, wenn es darum geht, die umwelt zu vermüllen und verbraucher zu bescheißen. aber wenn auch nur das kleinste problem auftritt, möchte ich sofort fett staatliche kohle dafür bekommen, und zwar für den rest meines lebens.

unfassbar nach wie vor ist für mich, dass der staat das alles mitmacht. subventionen sind an sich dazu da, vorübergehend zu unterstützen und unternehmen in die lage zu versetzen, sich zukunftsfähig aufzustellen und nachhaltig wirtschaftlich zu handeln. das passiert aber selten im nötigen umfang. unternehmen und damit auch landwirte stehlen sich stattdessen nach möglichkeit aus ihrer unternehmerischen verantwortung und betrachten subventionen als dauerhaftes nettes zusatzeinkommen, das im besten fall immer weiter steigen soll. allein diese tatsache müsste eigentlich dazu führen, subventionen jeglicher art subito einzustellen. denn werden subventionen auf diese weise missbraucht, ist dies betrug an der steuerzahlenden gesellschaft.

das muss man sich nämlich einmal grundlegend vor augen führen: steuerzahler drücken ab, damit komplett marode, nutzlose und korrupte unternehmen weiterexistieren können. offiziell heißt es dann natürlich wieder, dass so arbeitsplätze erhalten werden - reine schönfärberei, wie wir alle wissen. es wird immer wegrationalsiert, was geht, damit vorstände noch dickere boni bekommen. der steuerzahler bezahlt also kurz gesagt dafür, dass er sich eventuell weiterhin versklaven darf, damit er in der lage ist, den giftigen, krankmachenden und/oder nutzlosen scheiß, den unternehmen herstellen, zu konsumieren. während andere auf seine kosten highlife machen - und sich darüber auch noch beklagen.

wahrscheinlich denken viele bei den aktuellen protesten an den netten kleinen bio-bauern mit dem tante-emma-laden am orteingang. aber wer hier gerade stimmung macht, wer hier seine lobby missbraucht, das sind nicht nur arme kleine bauern, sondern auch riesige agrarholdings und ihre handlanger sowie große transportunternehmen. und hier gibt es für mich null toleranz - vor allem, wenn für die persönliche gier geschmackloserweise auch noch gedankengut der widerstandsbewegung weiße rose missbraucht wird. ich würde die proteste notfalls mit gewalt beenden lassen, verantwortliche finanziell für die folgekosten zur verantwortung ziehen und in der öffentlichkeit das längst überfällige ende der kuschelpolitik mit der wirtschaft deutlich machen. agrardiesel überhaupt jemals zu subventionieren, war eine politische fehlentscheidung, und es ist höchste zeit, diesen fehler zu korrigieren.

Dienstag, 2. Januar 2024

lichtblicke

obwohl mein heimaturlaub diesmal eher von not, wahnsinn und hilflosigkeit geprägt ist, bin ich wieder einmal erstaunt, wie gut mein gewachsenes soziales netz hier trägt. damit meine ich nicht nur die freunde, die ich noch regelmäßig treffe. auch fast vergessene kontakte kann ich diesmal reaktivieren.

am freitag besuche ich eine nachbarin, die ich aus meinen kindheitstagen kenne. sie und ihr damaliger mann waren mir einst sowas wie ersatz-eltern. ich war bei ihnen immer willkommen. als zwischen unseren häusern noch keine zäune standen, schlich ich mich am wochenende oftmals schon in aller herrgottsfrühe hinüber - wohlwissend, dass der nachbar auch sonntags bereits ab 7 uhr wach war und wir zusammen sesamstraße gucken konnten. oder er lackierte sein neues altes auto und ich durfte ihm farben anreichen. die sportliche nachbarin brachte mir indes rollschuhfahren bei und backte mit mir ihren unvergesslichen apfelstrudel. als der nachbar mit nur 32 jahren an leukämie starb, zog die nachbarin leider weg. 

seit ein paar jahren jedoch bewohnt sie mit ihrem neuen lebensgefährten wieder ihr altes haus - und lädt mich ein, damit ich ihren süßen und noch sehr wilden welpen kennenlernen kann. und obwohl 35 jahre zwischen unserem letzten kontakt liegen, sind wir einander alles andere als fremd. schnell stellt sich die vertrautheit ein, die ich schon als kleines kind immer so genoss. 

"ich werde nie vergessen, als ich damals deine eltern besucht habe, um ihnen mitzuteilen, dass mein klaus nicht mehr ist", sagt die nachbarin lächelnd. "du saßt in eurer gerageneinfahrt und hast mit kreide auf die steine gemalt." 
ich erinnere mich sehr vage: "ja, ich glaube, ich habe blumen gemalt?" 
"du hast blumen gemalt, ein haus und wolken, und auf einer wolke saß klaus." 
"echt?"
"ja, ganz sicher. das weiß ich noch ganz genau."
"aber wusste ich damals denn schon, dass klaus gestorben war?" 
"nein, aber du hast das wahrscheinlich gespürt."

ähnlich wie beim objekt und mir ist der nachbarin noch der kontakt zu den eltern geblieben. so kümmert sie sich bis heute um die inzwischen demente ex-schwiegermutter, wickelt deren bankgeschäfte ab und organsiert alles, was sie im pflegeheim braucht.

"das steht mir jetzt wahrscheinlich auch alles bald bevor. meine mutter ist ja noch fit, aber..."
"ja, dein vater... so schlimm", nicke die nachbarin.
"ich muss meine mutter künftig unbedingt mehr unterstützen. die ganzen versicherungs- und banksachen werde ich ihr wahrscheinlich komplett abnehmen, damit fühlt sie sich unsicher."
"wenn du da mit irgendwas hilfe brauchst, sag einfach bescheid."
erleichterung durchströmt mich - ähnlich wie früher in einer objektiven umarmung.
"danke. ich bin sicher, ich werde drauf zurückkommen. ich hab ja noch überhaupt keine vorstellung von all dem."

gestern dann habe ich eine verabredung mit meiner sandkastenfreundin n. unsere eltern pflegten zu kindergartenzeiten eine art zweck-bekanntschaft (kinder abwechelnd im kindergarten abliefern und später wieder abholen). meine damalige beziehung zu n. könnte man als intensive hassliebe bezeichnen - zweitweise spielten wir sehr gerne miteinander, waren aber auch immer wieder zutiefst zerstritten. als ich mit meinen eltern 3 km weiter in einen vorort zog, wurden wir jedoch beste freundinnen, die einander sehr vermissten und sich regelmäßig besuchten. nach dem abi schlief die freundschaft langsam ein: ich war bereits in die nachbarstadt gezogen, hatte eine beziehung und studierte, während n. - ein jahr später eingeschult als ich - noch zur schule ging und bei ihren eltern wohnte. mein umzug nach kackstadt gab uns dann den rest.

in den letzten monaten träumte ich plötzlich mehrfach von n. und weil ich träume so inspirierend finde, beschloss ich, ihr über unsere eltern liebe grüße und meine telefonnummer zu übermitteln. ich hatte mit nicht viel gerechnet - aber die rückmeldung kam prompt und mit unerwartet hoher begeisterung, was mich ungeheuer freute. 

wir treffen uns in der innenstadt. obwohl wir uns 20 jahre oder so nicht gesehen haben, erkennen wir uns sofort. n. strahlt immer noch so fröhlich wie früher und steckt mich wie schon damals sofort mit ihrem schlagfertigen humor und ihrer herzlichkeit an. wir suchen uns ein café und reden viel über unsere eltern. n. erzählt mir von ihrem vater, der einen herzstillstand erlitten hatte und fast gestorben wäre. nach wochenlangem koma machte er vor einem jahr die ersten kleinen schritte ins leben zurück. 

"wenn man den heute auf den ersten blick sieht, merkt man dem echt nix an", erzählt n., "aber so im alltag... so richtig viel bekommt der nicht mehr mit. er vergisst ständig alles, und manchmal denke ich, alles zieht an ihm vorbei."
"trotzdem, eigentlich ein wunder. der hätte auch wachkoma-patient werden können. oder so lauch im rollstuhl wie das objekt."
ich gebe eine kurze zusammenfassung der objekt-story und ziehe die parallelen - langes koma, sauerstoffmangel im gehirn, probleme mit dem kurzzeitgedächtnis.
"bei meinem vater ist das aber auch ähnlich", erzähle ich dann. "der schläft dauernd im sitzen ein und wenn man was sagt, weiß man nie, hat er das noch gehört oder nicht. man hat den eindruck, er lebt teilweise nur noch so in seinem kopf, ohne zeitgefühl oder ziele im alltag. ich habe gelesen, dass das symptome von demenz sind."

"das ist schon komisch, wenn eltern alt werden", fasst n. zusammen. "mir tut immer meine mutter leid, die ist ständig am brennen, weil sie jeden scheiß organisieren muss."
"ist hier ähnlich", erwidere ich. "wobei meine eher verbittert. ich glaube, sie nimmt dieses schicksal teilweise so wie eine persönliche beleidigung auf. ich kann das aber auch nicht alles auffangen, ich bin ja keine psychotherapeutin."
"nee, das geht nicht. ich bin zwar jede woche da, weil wir nur ein paar straßen voneinander entfernt wohnen, aber ich habe ja auch ein eigenes leben."

das treffen tut mir gut, merke ich. ich fühle mich wie aufgeladen, beschwingt und weniger hoffnungslos, fast als ob n.s offensichtlich gut ausgeprägte resilienz auf mich abfärbt. als ich das erste mal auf die uhr schaue, haben wir schon vier stunden verquasselt. "fuck, ich muss heim, ich muss noch mit meinem vater seine übungen machen", sage ich. "sonst erzählt er mir wieder, dass es zu spät und er müde ist. "
"ja, ich muss auch los, ich muss morgen leider arbeiten", sagt n.

als ich froh gestimmt zuhause ankomme, erlebe ich noch eine positive überraschung: mein vater hat schon mit seinen übungen angefangen, ganz ohne mehrfache aufforderungen und arschtritte. 

vielleicht wird 2024 doch ganz ok, wer weiß.