Donnerstag, 26. Juni 2025

elf minuten

kurz nach mitternacht. bahnsteig richtung westen. in mir betäubende müdigkeit, mächtig wie ein neutronenstern, unter dessen schwerkraft sogar das mitgebrachte heimweh pfannkuchenflach gequetscht wird.

gegenüber donnert eine s-bahn vorbei, doch die bringt mich nicht ans ziel. ich muss warten: elf minuten noch oder eine kleine unendlichkeit. 

acht junkies und obdachlose haben sich mit mir am gleis versammelt: ein spektrum erodierter persönlichkeiten, zerschlissene plastiktüten voll diffuser habe. habe, die mit "haben" nichts tun hat.

auch ich habe nichts, oder zumindest nichts zu verschenken. ach, nein, doch: eine pfandflasche. die herren lehnen ab, wollen nur cash. eine magere frau in einer zerlöcherten jacke schließlich nimmt die flasche dankend an und widmet mir freundlich nickend ein zahnloses grinsen. 

demut ist ein survival skill, der den uneitlen vorbehalten ist.

ein graues menschlein von bahnmitarbeiter schleicht derweil sachte vorbei. leeres gesicht, blick richtung fliesen, eine aura der unsichtbarkeit wie eine phalanx um sich. vielleicht teilt es mein verschwinden-wollen, mein nicht wahrnehmbares schwer-nehmen und schwer-tragen, oder es denkt gerade an käsetoast oder einfach an nichts.

dieser bahnsteig ist ein prekärer kosmos, ein ort der traurigen flüchtigkeit. dunkle energie treibt seine besucher auseinander, inmitten von wolken aus uringeruch und subjektiver verlorenheit. und wie ein vektor schießt meine bahn aus dem tunnel, um mich hinter sich zischend schließenden türen mit in ein langes schwarzes loch zu nehmen.

 



Sonntag, 22. Juni 2025

world of wahnsinn

heimatbesuch. während meines aufenthalts findet das alljährliche stadtteilfest statt - mit dem üblichen brimborium wie trachten-aufmärschen und blaskapellen-musik. etwas, das meine generation in den 90ern noch mied wie die pest. spießig fanden wir das, das allerletzte, nur für alte leute und allerhöchstens noch kleine kinder geeignet. klar gingen auch wir manchmal nach der schule zum festplatz, um am autoscooter abhängen oder ein anderes fahrgeschäft zu besuchen - aber eher, um den gegenpol zu bilden, ein spießer-schreck zu sein.

heute ist das stadtteilfest magnet unzähliger junger menschen zwischen schätzungsweise 15 und 25. mit dirndl und lederbüx uniformiert ziehen sie in riesigen scharen zum festplatz, die mädchen mit zöpfen, die jungen mit ordentlichem seitenscheitel. der rest kommt in turnvereinsbekleidung, die sportliche art der uniform. 

nachmittags der festumzug und das aufstellen des kirchweihbaums. hier kommen lokalen politiker, die uns höchstens noch faules obst und alte eier wert waren. heute marschiert die unifomierte jugend und jubelt bratwustkönig söder zu. abends machen die angetrunkenen jungs den ochsenfrosch, brüllen herum, befehligen die mädchen wie ihren besitz. 

bedenklich finde ich das alles, sehr 1932-mäßig, aufgeladen mit einer unverholenen brutalität und erstarkendem machismus. ich fürchte mich vor dieser uniformierten, scheintraditionsverhafteten jugend, die in 20 oder 30 jahren unser land regieren wird. 

*** 

daheim dreht sich wie seit vier jahren alles um meinen vater. mehrfach müssen wir in nur einer woche die sanitäter rufen, weil er stürzt oder nicht mehr vom klo hochkommt. es ist kurz vor endstation. der sanitäter, der letzte nacht in unserem badezimmer steht, merkt an, wie gefährlich die wohnsituation für meinen vater sei, vor allem die treppen. ja, was soll man machen, wir können dieses haus ja nicht komplett umbauen, und verlassen will mein vater es nicht.

mein vater ist zunehmend depressiv, leugnet dies aber vehement, wenn darauf angesprochen. er verweigert fast alles. zum spazierengehen ihn kann ich noch gerade zwingen - und wir trippeln mit dem rollator eine strecke von rund 250 metern in 40 minuten. wenn ich nicht laut seine schritte zähle oder "links, rechts, links, rechts, große schritte!" rufe, bleibt mein vater stehen und schaut zerstreut in die luft oder einem auto hinterher. dabei ermüdet er natürlich. als ich das anspreche, sagt er mir, er könne sich selbst nicht konzentrieren. er wisse nicht, was er wolle und fühle sich verwirrt. auch das sind alles anzeichen der altersdepression, wie ich weiß. aber ohne jedes krankheitsbewusstsein und mit totalverweigerung kann ich nicht helfen.

als ich noch mal versuche, ihn zu einer reha zu bewegen - wenigstens versuchsweise, er könne ja jederzeit abbrechen, wird er richtig wütend. er gehe nicht "zu fremden leuten, die ihm alles mögliche antun wollten". ich erwidere, dass, wenn wir ihn in ein pflegeheim bringen müssten, sich dann den rest seines lebens fremde leute um ihn kümmerten. und dass eine reha doch nur eine vorübergehende maßnahme wäre, wieder einen gewissen stand zu erreichen, auf dem er sich vielleicht noch ein jahr oder so halten könne. das alles geht ungehört links rein und rechts wieder raus bei ihm.

da er noch auto fährt, kommt es neuerdings auch zu unfällen. nur blechschäden bislang. den führerschein will er aber nicht abgeben, meint sogar, dass er, wenn sie ihn den lappen wegnehmen würden, trotzdem noch fahren würde. und wenn du ein kind überfährst? frage ich. passiert ihm schon nicht, meint er. 

auch meine mutter hat inzwischen komplett resigniert. zwar schwingt sie weiterhin ihr zepter, aber konstruktive ansätze wagt sie keine mehr. ich habe den eindruck, dass sie nur noch auf den tag wartet, wenn mein vater endlich im heim ist. ich kann es ihr nicht verdenken. trotzdem zerreißt mir die lieblosigkeit das herz - und es ärgert mich maßlos, dass auch sie jede hilfe verweigert. eine putzfrau kommt ihr nicht ins haus, auch kein pfleger. in diesem fall kann ich also ebenso wenig unterstützen - obwohl ich maßgeblich dazu beigetragen habe, dass die neue pflegestufe erreicht und der schwerbehindertenausweis beantragt wurde. alles für den allerwertesten.

*** 

trotz allem fühle ich mich hier vollkommen zuhause. der gedanke, morgen wieder zurück nach kackstadt fahren zu müssen, ist eine fast unerträgliche qual für mich. es erwartet mich eine knallvolle woche mit drei bewerbungsgesprächen - allesamt für stellen, die höchstens so semi sind, mäßig interessant, schlecht bezahlt und mit - auf den ersten blick - nicht übermäßig freundlichen kollegen. es gruselt mich.

ach, wie ich dieses haus, diesen garten liebe! den frieden. keine psychotischen nachbarn, keine dauerlärmenden studenten, kein beständiger abgasnebel und keine nervenden ps-proleten im porsche vorm fenster. nur grün, ruhe und gute luft. für außenstehende sicherlich nicht nachvollziehbar - unser reihenhäuschen ist kein luxus, nichts besonderes und innen teils ziemlich heruntergekommen. aber es verkörpert das paradies für mich: es ist alles, was ich seit so vielen jahren entbehre.

und natürlich meine lieben freunde. menschen, auf die ich jederzeit zurückkommen kann. die mir echtes interesse entgegenbringen. bei denen ich mich nicht fühle wie ein lückenbüßer oder lästiger bittsteller. 

"es sind ihre wurzeln", sagt meine psychiaterin gerne, "und je näher das ende rückt, desto mehr spüren sie, wo sie stehen und wonach sie sich sehnen." sie selbst hat lange in der fremde gewohnt und sich nach 27 jahren entschieden, nach hamburg zurückzukehren und das haus ihrer mutter zu bewohnen. sie weiß, wovon sie spricht und kennt meinen kummer.

zum ersten mal zweifle ich, ob mich die beziehung zum luxus-mann noch in kackstadt halten kann. es gibt für uns keinen beziehungstechnischen trennungsgrund. aber das ausharren an einem ort, der mir inzwischen derart zuwider ist, ist ein großer kompromiss. einer, der mir vielleicht jetzt gerade über den kopf wächst.

ich fahre in diesen tagen stundenlang mit dem rad durch die satten, einladenden landschaften frankens, strecken ohne ampeln, endlose blechlawinen und erhöhte unfallgefahr. den alten kanal entlang, über weizenfelder, neben grasenden schafen her und durch den alten forst. ein beständiges entdecken und wieder-entdecken. ich fahre bis an den äußersten rand der stadt, wo meine großeltern einst lebten, mache ein foto von ihrem früheren haus, das ich später meinem vater zeige. er nimmt sogar ein wenig anteil, wirkt bewegt, ein zaghaftes lächeln. wunderschön ist dieser kurze moment. ich bin dankbar dafür, fast glücklich - inmitten all des wahnsinns und der hoffnungslosigkeit, die mich umgibt, politisch, wohnorttechnisch, beruflich und familiär.

Montag, 16. Juni 2025

aushalten

wieder mal bewerbungsgespräch, hoffnungsvoll, drei runden geschafft. termine, zeit, arbeit investiert. es aus hunderten unter die ersten drei geschafft.

aber dann doch wieder nix. silver-girl forever.

es ist wie ein böser fluch, der auf mir ruht. ich möchte einfach nur aufhören, aufgeben, sterben.

es stimmt nicht, dass jeder seines eigenen glückes schmied ist. das glück muss auch ein kleines stück zu dir kommen. so wie du auch keine freundschaft aufbauen kannst, wenn vom anderen nichts zurückkommt.

inzwischen fühle ich mich wie gesellschaftlicher müll. meide meine sorgen als gesprächsthema, weil ich mich so sehr für mich schäme. und weil ich merke, wie sich andere für mich schämen und sich fernhalten - oder aber mich als negativkopie sehen: gottseidank bin ich nicht so.

auch in anderen lebensbereichen nichts gutes. mein vater, dem es immer schlechter geht. meine wohnung, in der ich mehr nicht sein mag. meine gesundheit, die eher eine aneinanderreihung von krankheiten ist.

alles ist nur noch unter den mittelschweren geschützen der pharmazeutischen industrie auszuhalten. 

sollte leben aber nicht zumindest zeitweise ein wenig mehr als nur aushalten sein? 

 

Dienstag, 10. Juni 2025

der schizo-nachbar

ich habe offiziell einen an der marmel. womit ich mich m.e. durch wenig von anderen unterscheide, weil die meisten menschen anzeichen psychischer erkrankungen zeigen, aber nicht zum arzt gehen - insbesondere männer. kurzum, es gibt für mich keinen grund, andere für ihr irrsein zu beargwöhnen oder zu verurteilen. aber hin und wieder ergreift mich dann doch ein wenig panik.

zur zeit, beispielsweise. seit mai habe ich einen neuen direkten nachbarn. männlich, jung und auf den ersten blick ganz ok. beruflich macht der wohl irgendwas im homeoffice, dachte ich, weil er den ganzen tag zuhause ist und man ihn dauernd reden hört. vielleicht tele-marketing oder so. nervig, aber nunja.

irgendwann dachte ich: nee, der telefoniert gar nicht. weil beim telefonieren gibt es ja mal pausen. oder, im falle einer videokonferenz, auch mal andere stimmen. ich aber höre den nachbarn kontinuierlich über stunden, ohne jegliche unterbrechung. mal lauter, mal leiser. zwischendurch singt er ganz schauerlich, gerne auch mal nach mitternacht.  

einmal nahm ich ein paket für ihn an, das er erst eine geschlagene woche später abholte. er konnte sich dabei nicht klar artikulieren und schaute mich an wie hannibal lecter persönlich. irgendwas stimmt nicht mit dem, dachte ich mir spontan. seltsam bis gruselig ist der, gefühlt.

ich unterhielt mich darüber mit einer befreundeten nachbarin. diese erzählte mir, sie habe ihn neulich beim aldi-markt getroffen. da stand er ganz allein auf dem parkplatz und habe mit sich selbst geredet. er wirkte unansprechbar und völlig neben sich. ob der wohl psychotisch sei? 

wir googleten den namen des nachbarn, just for fun. und stießen dabei auf diverse social media-accounts. dort gibt er wirres zeug von sich. unter anderem auch, dass er mal in der klapse war wegen schizophrenie. dass das aber alles quatsch sei, alles nur böse ärzte, die ihm schlechtes wollten. in wirklichkeit sei er nur anders wegen seines bombastisch, unvollstellbar und alle dimensionen sprengend hohen iqs. weshalb auch das auge der welt auf ihm ruhe, so im übertragenen sinne. in den videos zeigt er deshalb getrackte kommentare und insights - zum beweis, dass ihn alle beobachten, bewundern oder beneiden.

auch wenn ich persönlich keine besonderen sympathien für die klapse hege, hatte ich nach einigen videos den eindruck: wenn einer da hingehört, dann der. denn manche der videos sind auch aggressiv und beleidigend, vor allem gegen ärzte, universitäten und frauen. 

es liegt also eine gewisse schwer einschätzbare bedrohungslage in der luft. es lässt sich erstens nicht sagen, ob der nachbar bei derart wenig krankheitsbewusstsein eventuell selbstgefährdet ist. was, wenn ihn irgendwelche stimmen einflüstern, er solle sich umbringen? oder aber, was wenn sie ihm sagen, dass er andere, die ihn ja verfolgen, töten müsse? wir gruselten uns sehr. der vorfall am hamburger hauptbahnhof liegt gerade wenige wochen zurück. zugleich läuft hier ein prozess wegen mordes - ein psychotischer mann hatte seiner mutter mit einer harpune in den kopf geschossen. die einzige frage lautet also: who will be next?!

im internet fanden wir unzählige hilferufe wegen psychotischer nachbarn, die nachts im treppenhaus herumschreien, wohnungstüren eintreten oder sonstige unangenehme zwischenfälle verursachen. dagegen machen kann man als mieter allerdings nichts - außer die polizei rufen. dann werden die personen unter umständen in die klapse eingewiesen - und nach ein paar tagen oder wochen meist wieder entlassen, weil dann die medikamente anschlagen. danach beginnt das ganze spiel von vorne. und da die betroffenen ja nicht doof sind, wissen sie in der regel auch, wem sie den klapsen-ausflug zu verdanken haben - was dann gerne mal gezielten terror nach sich zieht. scheiße deluxe also.

wir telefonierten zunächst mit dem vermieter und fragten um rat. der sagte, wir könnten ja ein lärmprotokoll anfertigen, dann würden sie den nachbarn wegen lärmbelästigung anschreiben. ich sagte, dass es uns nicht um den lärm ginge (der ist zwar nervig, aber nicht tödlich), sondern dass wir hier lediglich sicher und ohne amoklauf im treppenhaus wohnen möchten. der vermieter konnte und wollte aber nicht helfen.

rat von anderer, fachkundigerer stelle war also angesagt. ich rief beim sozialpsychiatrischen dienst an. dort referierte eine dame lang und breit über das selbstbestimmungsrecht psychotischer menschen. ich sagte, gut, aber ich hätte ja wohl auch ein selbstbestimmungsrecht und möchte nicht wegen einem potenziell gewalttätigen therapieverweigerer in angst und schrecken leben müssen. die dame meinte, ich könne ja mal die polizei anrufen und die sache erzählen. denn wenn dann "was passiert", hätten die wenigstens schon mal den namen gehört. 

ich fragte, ob das bedeute, dass sie nicht ausschließen würde, dass was passiert. sie meinte, nein, das könne sie mir natürlich nicht garantieren. nur wenige psychotiker würden gewalttätig, aber in manchen fällen halt doch. wie ich mich denn dann verhalten solle, fragte ich. da meinte die dame, ich könne den nachbarn ja mal ansprechen und mich mit ihm unterhalten, wie es ihm so ginge. ich sagte, was für eine spitzenidee, dann fühlt der sich durch mich vielleicht getriggert und weiß ganz genau, dass ich denke, dass er nicht alle tassen im schrank hat! ob sie noch andere, sinnvollere ratschläge parat habe? die dame antwortete, wir sollten halt alle etwas vorsichtiger sein. vor allem im treppenhaus, weil es da ja nur einen fluchtweg gebe. 

unendlich beruhigt legte ich schließlich auf. 

auch dieser fall zeigt wieder einmal: psychiatrische versorgung in deutschland ist derart hochschwellig, dass man sie als quasi nicht zugänglich bezeichnen kann. weder betroffene noch potenzielle künftige opfer von psychisch assoziierter gewalt werden geschützt. warum gibt es keine aufsuchenden hilfen für solche fälle? ich halte auch nichts von zwangseinweisung oder gar zwangsmedikation. aber man sollte patienten mit bestimmten erkrankungen einfach auf dem schirm haben. ihnen eine regelmäßige psychotherapeutische anbindung bieten und sie ggf. auch dazu verpflichten, sich in regelmäßigen abständen bei einer beratungsstelle zu melden, damit man ein gespräch führen und sehen kann, ob es demjenigen auch gut geht. 

für mich hat die geschichte folgen - auch gesundheitlich. ich schlafe wahnsinnig schlecht, fühle mich in meiner wohnung zutiefst unwohl und vermeide jeden unnötigen gang zum briefkasten oder zur mülltonne. da ich den schizo-nachbarn tag und nacht höre, kann ich mich in diesem haus überhaupt nicht mehr entspannen. ich habe ständig magenschmerzen, die ich zunächst für nachwirkungen des norovirus hielt. aber sie bessern sich, wenn ich nicht zuhause bin.  

wer gibt mir meine lebensqualität zurück?  ja, genau: nur ich selbst kann das. niemand wird mir helfen - keine ärzte, keine polizei, kein vermieter, keine staatliche institution. ich überlege auszuziehen, habe aber dank meiner beruflichen situation derzeit keine finanziellen mittel dazu. aber ich fürchte, das wird der der nächste schritt werden, sobald ich wieder im job bin. 

Mittwoch, 4. Juni 2025

how to lose a week and 3 pounds

der luxus-mann und ich treffen uns am vergangenen montagabend, um gemeinsam das relegationsspiel zu schauen. ich trinke dabei eine cola, die mir überraschenderweise übelkeit verursacht.

"du samma, wie lange stand diese cola schon offen im kühlschrank?" frage ich den luxus-mann.
"weiß nicht, warum?"
"irgendwie ist mir jetzt schlecht. gib´s zu, du hast da schon die komplette woche draus getrunken und dabei in die flasche gesabbert."
"quatsch. die ist vielleicht zwei tage alt. aber kipp die ruhig mal vorsichtshalber weg, wenn du meinst!" 

kurz vor mitternacht legen wir uns schlafen. die cola rumort noch immer in meinem magen, aber ich schlafe relativ schnell ein.

gegen halb zwei werde ich wieder wach, denn jetzt habe ich richtig heftigen brechreiz. als ich mich aus den kissen hochrapple, bekomme ich außerdem massive kreislaufprobleme. eiskalter schweiß schießt mir aus allen poren, bis mir das schlafshirt nass am rücken klebt. ich wecke den mann.

"mit mir stimmt was nicht", sage ich.
"das ist ja nix neues, dass mit dir was nicht stimmt", frotzelt der mann noch. doch da bin ich schon richtung bad unterwegs, um die kloschüssel zu umarmen.
 
der luxus-mann steht unter der tür und beobachtet mich kritisch.
"na, is besser jetzt, wo alles raus ist?"
"bisschen."
"das war ja heftig, kam das alles von der cola?"
"weiß nicht. cola ist jedenfalls nun keine mehr im magen."
 
ich putze zähne, wechsle noch das nassgeschwitze shirt und tappe dann taumelig ins bett zurück. rund eine halbe stunde später muss ich aber schon wieder erbrechen - und zwar noch heftiger als zuvor. insgesamt achtmal scheuchen mich üble kotzkrämpfe in den folgenden sechs stunden richtung schüssel. zwischendurch bekomme ich auch noch durchfall. am ende liege ich erschöpft auf dem vorleger und bin theoretisch bereit zu sterben - wenn nur mein magen endlich aufhört, in lichtgeschwindigkeit zu routieren und dabei schmerzhaft zu kontrahieren.

mit letzter kraft schaffe ich es, ins bett zu krabbeln. dann bin ich weg und wache erst am späten nachmittag wieder auf. zu meiner überraschung steckt der luxus-mann den kopf durch die tür und fragt, ob ich etwas trinken will. er habe kamillentee gekauft.

"ich dachte, du musst heute ins büro", sage ich schwach.
"nee, ich dachte, ich bleib mal besser hier, so mies wie es dir ging."
"süß von dir. ja, ich hab voll durst, ich nehm nen tee."

die meiste zeit döse ich vor mich hin und bekomme nicht viel mit. ab und an muss ich noch mal kotzen, aber es wird weniger. am dritten tag dann fühle mich dann ein wenig besser. weil ich nach schweiß und krankheit stinke und kotzflecken auf dem shirt habe, beschließe ich, eine dusche zu nehmen. danach habe ich wackelbeine, krieche zurück in die federn und verschlafe wieder den größten teil des rests des tages.
 
gestern schrieben wir tag sechs. zum ersten mal seit der großen kotzeritis war ich unterbrechungsfrei wach und fühlte mich auch nicht mehr die ganze zeit einer ohnmacht nahe. ich habe e-mails beantwortet, mich um einen friseurtermin bemüht und sogar einen text für einen kunden verfasst. ich glaube, es geht aufwärts. das darf es dann auch gern auf die waage, die noch immer drei minuspfunde anzeigt.