Donnerstag, 18. Juli 2024

teased and bullied: mobbing in meiner kindheit

weil es im vergangenen post in den kommentaren zur sprache kam, hier ein kleiner ausflug in meine weniger schönen kindheitserinnerungen.

am tag meiner einschulung war ich stolz wie bolle: ich trug mein rosa rüschenkleidchen und lackschühchen mit weißen kniestrümpfen. dazu eine schultasche mit bunten herzen, mit passendem federmäppchen und turnbeutel. sogar meine schultüte hatte dieses design. es war alles genau nach meinem geschmack: ein 1000%-iger mädchen-traum. süß, lieb, rosarot.

ich konnte bei meiner einschulung bereits lesen und freute mich insgesamt sehr auf die schule und das lernen. ich mochte auch meine klassenlehrerin auf anhieb, eine sehr kleine, ältere dame mit einem strengen gesicht. sie strahlte keine große herzenswärme aus, aber das versprechen auf weisheit. ich verspürte bei ihr - wie so oft bei erwachsenen - sofort den drang, mich mit ihr zu unterhalten und sie in meine kleinen naturwissenschaftlichen und kinderliterarischen entdeckungen einzuweihen.

die kinder aus meiner klasse waren für mich weniger interessant. spielen mit anderen kindern fand ich schon im kindergarten langweilig. ich bevorzugte den kontakt mit meinen erzieherinnen, half in der teeküche und band den jüngeren kindern die schleifen ihrer schuhe, wenn sie nach draußen wollten. die erzieherinnen hatte meine hilfsbereitschaft und fürsorglichkeit immer begeistert. heute würde man kinder wie mich wahrscheinlich eher zum psychologen schicken.

ich weiß nicht mehr, wann es das erste mal passierte. vielleicht nach ein paar tagen oder auch wochen, nachdem die jungs mich genauer abgecheckt hatten. gesehen hatten, dass ich im unterricht mühelos mitkam und fast immer die richtige antwort wusste. verstanden hatten, dass ich wirklich immer meine rosa mädchenklamotten und niemals jeans trug. herausgefunden hatten, dass ich insgesamt eher langsam, vorsichtig und manchmal recht ungeschickt war und grundsätzlich weniger dazu neigte, in einem sich formenden freundeskreis aufzugehen.

irgendwann nach schulschluss war es soweit. sie waren zu viert oder zu fünft, meist mit zwei zweitklässern im schlepptau. sie lauerten mir hinter der turnhalle auf und stürzten sich auf mich wie löwen auf der jagd. sie zerrten mir die schultasche herunter und warfen sie in den dreck. sie rissen an meinen kleidern, schubsten mich umher und schlugen mich grün und blau. 

ich war zu schockiert von dieser brutalität, um mich zu wehren. ich war vor angst und schreck erstarrt und begann schnell zu weinen. das war natürlich eine grandiose einladung fürs nächste mal.

und dann ging es richtig los. ich war in keiner pause mehr sicher. und wenn die glocke zum schulschuss läutete, war mir kalt vor angst. ich überlegte mir jedesmal andere wege und möglichkeiten, wie ich der gang entkommen konnte - das schulgelände durch den hinterausgang oder mit der lehrerin zusammen verlassen, oder mich im schulgebäude zu verstecken, bis die angreifer keine lust mehr hatten, auf ihr opfer zu warten. manchmal klappte es. oft auch nicht. die jungs waren zu mehreren, sie konnten sich aufteilen und mich aufspüren.

meiner mutter entging nicht, was los war. wenig amüsiert über verdreckte und zerrissene kleidung begab sie sich zu meiner lehrerin in die sprechstunde. da könne sie nichts machen, sagte diese, das müssten die kinder unter sich regeln. 

meine mutter beschloss daraufhin, mich von der schule abzuholen. doch wenn sie glaubte, ihre anwesenheit würde die jungs davon abhalten, auf mich loszugehen, dann lag sie falsch. sie waren zu mehreren und scherten sich nicht weiter, dass eine erwachsene person daneben stand und hilflos "aufhören!" kreischte, während sie mich vermöbelten.

meine mutter zog ihren letzten joker. sie besuchte die mutter des anführers der gang und bat sie, ihrem sohn ins gewissen zu reden. doch die anführer-mutti war eine zarte alleinerziehende mit stressigem vollzeitjob, die keinerlei authorität besaß und ihrerseits meine mutter vollheulte, dass ihr ihr sohn nur auf der nase herumtanzte.

mein glück war, dass eine familie in die straße nebenan zog, die einen für sein alter recht großen, bulligen sohn hatten. der kam in meine klasse und war sehr nett. mein vater - recht clever - sprach ihn eines tages an und erzählte ihm von meinen problemen. der junge war überraschend schnell bereit, mir zu helfen. mit seinen beiden schmächtigen kumpels waren wir fortan zu viert. das half, dass sich die gang nicht mehr an mich herantraute. hin und wieder konnte ich ihnen natürlich nicht entkommen und ich bekam meine abreibung. aber insgesamt wurden die attacken seltener. mein vater hatte hier eine wirklich kluge, vom glücklichen zufall befeuerte lösung gefunden.

ein echtes ende dieses mobbing-kapitels zeichntete sich in der zweiten klasse ab. wir bekamen eine neue mitschülerin. sie war dick und trug eine irrsinnig starke brille. instinktiv wusste ich, dass ich nun aufatmen konnte - und ich lag richtig. fortan war die neue das ziel der jungs. da sie hochnäsig und unfreundlich war, entwickelte ich auch kein großartiges helfersyndrom. ich hatte mich zudem inzwischen mit einigen der anderen mädels lose angefreundet und war somit mehr teil der gemeinschaft geworden. zumindest in den pausen spielten wir zusammen verstecken und gummitwist oder kästchen-hüpfen.

ein weiterer glücksfall war, dass der gang-anführer so dumm war, irgendwann ein messer mit in die schule zu bringen. das flog schnell auf und führte zu einem verweis. weniger später musste er die schule verlassen.

in der zweiten hälfte der vierten klasse begannen erneut probleme, allerdings anders geartet. diesmal hatten mich zwei jungs aus der zwei straßen entfernten hauptschule als opfer auserkoren. sie verprügelten mich nicht, klettteten aber nach schulschluss regelmäßig an mir und machten blöde sprüche über meine kleidung oder meine zahnspange. sie waren schon zwölf bzw. 13, ich erst neun. eine zeitlang hatte ich große angst, bis ich eines tages den einen der beiden alleine antraf. er wohnte auf meinem nachhauseweg. alleine machte er keine dummen sprüche, sondern war sehr nett zu mir. er war etwas dick und nerdig, und ich vermute, dass er sich deswegen einen "starken" kumpel gesucht hatte, mit dem er gemeinsam den bad boy spielen konnte. dieses kapitel endete, als ich aufs gymnasium kam und mittags nicht mehr an der hauptschule vorbeimusste.

obwohl ich äußerlich betrachtet also heil aus meiner grundschulzeit herausgekommen war, hatte ich meine lektion gelernt: ich war definitiv falsch. und dieses falschsein musste ich vor anderen kindern künftig dringend besser verbergen. am liebsten hätte ich mich ganz geändert, äußerlich und innerlich. aber da ich nicht recht wusste, was dieses "falschsein" genau ausmachte, was mich also so hassenswert machte, war tarnung nicht ganz einfach. ich machte letztlich das, was ich auch zuhause tat: mich möglichst total anpassen. je nach laune meiner mutter war ich vollständig unsichtbar, vordergründig lustig und fröhlich oder aber fleißig, mitfühlend und eine stütze im haushalt. so verhinderte ich meist recht erfolgreich wutausbrüche und sicherte mir lob und zuneigung. kein sehr empfehlenswerter weg, um sich selbst, seine wünsche und seine grenzen kennenzulernen und auch durchzusetzen.

was mir angesichts meiner fehlerhaftigkeit kraft und trost gab, waren meine träume. in meinen tagträumen konnte ich mich komplett von der welt abkoppeln. ich bekam nicht mit, wie die zeit verflog oder wenn meine eltern mich riefen. in mir war meine perfekte zuflucht. was, wie ich später erfuhr, sehr typisch für mädchen mit adhs ist.

bis heute tauche ich gerne in diese geistige welt ab - je größer die äußeren widerstände, desto intensiver. das funktioniert am besten, indem man sich ein komplett unrealistisches projekt sucht und dort sämtliche sehnsüchte hineinprojiziert. dazu ist der passende soundtrack wichtig und eine strecke, die man als hyperaktiver mensch schnell gehen oder rennen kann. nach ein bis zwei stunden tritt so etwas wie ein leichtes, schwebendes glücksgefühl ein, das nichts und niemand so schnell antasten kann. körpereigene drogen at its best.

meine träume haben mir immer unheimlich geholfen, die realität zu überleben. sie sind aber auch nicht ungefährlich, weil sie dazu führen, dass sich mein leben nicht weiterentwickelt, weil ich grundsätzlich wenig interesse an der realität habe. das hatte mir einst auch das objekt angekreidet - womit es leider wie so oft ins schwarze traf. bis heute muss ich mich zwingen, nicht zu flüchten, sondern wirklichkeit aktiv zu gestalten - und träume so behutsam wie drogen zu dosieren.

soweit für heute. vielleicht schreibe ich noch ein kapitel zum thema mobbing in meiner gymnasialzeit. bis dahin könnt ihr mir gerne auch eure erfahrungen und gedanken schildern.

Samstag, 13. Juli 2024

befreiungsschlag

als ich gestern schon wieder verzweifelt und den tränen nahe im büro saß und zu arbeiten versuchte, nachdem mir erneut wichtige informationen vorenthalten und sogar falsche zugespielt und infolge dessen mein entsprechend fehlerhafter entwurf für die neue website in der luft zerrissen worden war, rief mich der chef zu sich.

wie es denn geht, wollte er wissen. schlecht, sagte ich, es ist immer dasselbe und es wird zunehmend schlimmer, da die angriffe durch mein team mehr und mehr auf persönlicher ebene erfolgen und ich das inzwischen als mobbing empfinde. der chef nickte wissend, er kannte die gegenseite natürlich bereits von meinem team, das wohl regelmäßig über mich herzog.

"mit den anderen beiden teams ist alles fein, das läuft, da darf ich nicht klagen", ergänzte ich, "einige setzen sich sehr für mich ein in der aktuellen situation und haben sogar die teamleitung darüber informiert, wie unfair ich behandelt werde. aber die zusammenarbeit mit meinem team ist wirklich eine qual, und innerhalb dieses unternehmens wechseln kann ich ja nicht. jeder rät mir entsprechend zu gehen. ich habe auch bereits angefangen, mich anderweitig zu bewerben."

der chef überlegte und schlug dann vor, meinen vertrag zu kündigen. er sah mich dabei so vorsichtig an, als müsse er gleich vor einer hochemotionalen reaktion in deckung gehen. aber alles, was ich empfand, war grenzenlose erleichterung - und ich stimmte zu. nur weg, einfach weg! sich dieser beständigen herablassung und demütigung bloß nicht mehr aussetzen müssen!

"gut", meinte der chef. "ich kann ja nichts negatives über dich über dich sagen. daher habe ich überlegt, ob nicht eine andere, soeben freigewordene stelle zu dir passen könnte." er fasste kurz zusammen: bildungsbereich, pionierarbeit, mehr projektleitung, weniger marketing. es hörte sich hochspannend an, passte aber strenggenommen nicht auf mein profil. ich verwieß auf dieses qualifikationsdefitzit, aber der chef meinte, er würde mich trotzdem vorschlagen, wenn ich interesse hätte - immerhin sei er dort im vorstand. also erlaubte ich ihm, dass er meinen lebenslauf an die hr-abteilung dort senden dürfe. ich rechnete mir rein fachlich keine großen chancen aus, aber wenn der chef an mich glaubte und sich so für mich einsetzte, würde ich ihn natürlich auf keinen fall daran hindern.

"hast du eigentlich noch resturlaub?" wollte der chef dann wissen. "den kannst du natürlich noch nehmen, der steht dir ja zu."

wir rechneten durch und stellten fest, dass ich - zahlreicher überstunden sei dank - im prinzip direkt gehen konnte. "das ist doch jetzt gut so, dann musst du dich jetzt auch nicht mehr mit den anderen herumärgern. soweit ich das richtig verstanden habe, ist das hier für dich kein großes vergnügen", schmunzelte der chef. "mach einfach deine übergabe und reiche das urlaubsformular ein, meine mündliche freigabe dafür hast du." "ich bin in der tat dankbar für jede stunde, in der ich nicht mehr mit meinem team zusammen sein muss", erwiderte ich frank und frei.

jetzt habe ich also einen langen spontanurlaub. und bin bald arbeitslos. aber kein bisschen träurig für den moment. ich werde durchatmen, neue möglichkeiten sondieren, mich währenddessen möglichst intensiv fortbilden - und auf bessere zeiten hoffen.

Freitag, 5. Juli 2024

macht endlich euren job!

profillosigkeit und bürokratie kosten der politik inzwischen viel ansehen und zugleich bares geld. denn manchmal muss man auch auf den ersten blick unangenehme entscheidungen treffen und sich akzeptanz in der bevölkerung ERARBEITEN. 

ein beispiel für eine solche unangenehme entscheidung wäre die wiedereinführung der vermögenssteuer, unter helmet kohl (cdu) im jahr 1996 ausgesetzt. 380 milliarden euro fehlen dadurch aktuell in der staatskasse. summen, die dieses land dringend braucht. summen, die investiert werden und gerechtigkeit sicherstellen könnten - für zufriedenere bürger.

aber das wort "arbeit" kennen politiker ja nicht. nur vom steuerzahler, auf dessen kosten man sein bequemes gala-leben finanziert, wird stets unendlicher fleiß gefordert. 

schade, denn unangenehme, aber glasklare gesetze und regeln für eine nachhaltige zukunft könnten der politik wieder den respekt verschaffen, den sie zum regieren nötig hätte. ich kann tatsächlich verstehen, wenn die öffentlichkeit zunehmend aggressiv auf politiker reagiert - obwohl ich solche übergriffe natürlich sehr bedenklich finde. aber sie auch nicht ganz unverdient. damit meine ich nicht unbedingt die aktuelle regierung, denn die probleme liegen überwiegend an fehlentscheidungen der vergangenen 20 jahre.

fakt ist aber: die politik muss auf die bürger zugehen, denn für diese trägt sie die verantwortung. nicht umgekehrt. und schon gar nicht ist politik dazu da, um sich bei privilegierten grüppchen wie superreichen oder lobbyisten anzubiedern. solange die politik jedoch diesen schritt auf den bürger zu nicht geht, bewegen wir uns umso rasanter richtung 1933.

also, liebe politiker: macht endlich euren scheiß job! und zwar mit eiern in der hose! und wenn ihr ihn nicht machen wollt: verpisst euch aus der politik. denn die ist nicht dazu da, sich auf tiktok mit grillwürsten oder seiner aktentasche zu präsentieren. das ist nur lächerlich und armselig - und scheißlangweilig noch dazu.

Freitag, 28. Juni 2024

when i´m dead and gone

der luxus-mann und ich wandern über unseren lieblings-friedhof. 

"wie isn das eigentlich, wenn ich nicht in der kirche bin, kann ich dann trotzdem ein grab auf einem friedhof haben? also wenn ich mich verbrennen lassen will?" will der mann wissen.
"klar. ist ja nur eine frage der kosten. wenn du verbrennung nimmst, kannst du in eine urnenwand gehen oder in so ein kleines urnengrab."
"urnenwand klingt langweilig. ich würde schon gern ein richtiges grab haben. musst mir auch keine blumen draufmachen. aber ein cooler grabstein, das wär was. kannst du das bitte mit meinen kindern so ausmachen?"
"sag das denen doch selber", finde ich. "ich hab da ja nicht viel zu bestimmen."
"ja, mal schauen, muss ich mal machen."

wir wandern weiter durch das kleine grüne paradies, in dem wir heute fast komplett alleine sind.

"weißte, was mich manchmal echt beschäftigt?", setzt der mann wieder an. "dass ich so rein gar nichts erreicht habe im leben. ich meine jetzt nicht unbedingt beruflich... das ist mir schnuppe. aber dass nichts von mir bleibt!"
"geht wohl den meisten so. deshalb auch immer dieser eifer, sich mit irgendwas zu schmücken, und sei es noch so peinlich. nur ganz wenige menschen schaffen tatsächlich etwas, das sie überdauert. gestern beispielsweise hab ich ein klavierkonzert gesehen mit einer 83-jährigen pianistin... die war so inspiriert, so lebendig... die weiß genau, wofür sie das alles macht. und sehr viele menschen werden sich noch lange an sie erinnern, weil sie ein erlebnis mit ihr hatten. ich hingegen... ich hab keine ahnung, wofür ich lebe. leben ist für mich wie eine graue, undurchdringbare wand... ich bin immer irgendwie draußen. ich weiß nicht, wie mich jemand groß bemerken oder sich gar an mich erinnern sollte."
"so ganz so trist empfinde ich das nicht. aber jetzt, wenn ich bald nicht mehr arbeite, da häng ich dann den ganzen tag zuhause rum. ich hab dann nicht mal mehr was, was ich widerwillig machen muss."
"das fehlt mir auch sehr. irgendeine form von sinn... oder befriedigung. in mir ist alles leer. du hast wenigstens deine kinder."
"die brauchen mich ja nicht."
"aber die kommen wenigstens an dein grab. das tut bei mir mal keiner. ich bin die letzte, ich bleibe übrig, ich werde ganz alleine sterben und niemanden haben, der mich in seiner erinnerung liebt. und manchmal macht mir das echt angst."
 
"vielleicht müssen wir das mal regeln. ich brauch auch unbedingt eine patientenverfügung. das wird jetzt echt zeit", findet der luxus-mann.
"ja, unbedingt. da wir ja auch nicht verheiratet sind, kann ich im ernstfall nichts für dich entscheiden. ich müsste dann zwar deinen kindern sagen, was du dir gewünscht hast. aber die haben vielleicht noch ganz eigene interessen."
"die würden schon auf dich hören."
"aber es wäre schon praktischer, wenn du das vorher genau regelst."
"ja, ich weiß."
 
wir kommen zu einer wiese, auf der junge menschen begraben liegen. auf dem grabstein eines 17-jährigen lesen wir: "es war seine entscheidung."
"krass, der hat sich bestimmt umgebracht", sagt der luxus-mann.
"ziemliches brett, so eine aufschrift", erwidere ich. "also recht anklagend. das hätte ich als seine eltern anders gemacht."
"finde ich auch. kannst du mir bitte was schöneres draufschreiben lassen?"
"sowas wie 'beim anblick von spinnen hat er stets lustig schreckhaft gequiekt'?"
"schreib doch gleich drauf: von milch musste er immer furzen."
 
ich lache und lege den arm um meinen mann.
"wär das ok für dich, wenn ich mit in dein grab komme? so anstatt heiraten und gemeinsames eigenheim und all das?"
"klar. hauptsache du nervt dann nicht rum da drin. aber das tust du ja eigentlich nie", sagt der luxus-mann mit einem weichen, fast zärtlichen unterton.
"vielleicht sterbe ich ja aber auch vor dir", sage ich. "dann hast du noch ein paar lustige jahre, bevor du zu mir ins grab kommst und ich rumnörgle, wo du solange geblieben bist."
"mit deinen ganzen krankheiten kann das durchaus passieren."
"und was schreibst du dann auf meinen stein?"
"das muss ich mir noch überlegen. aber ich hoffe, das hat noch etwas zeit."

Freitag, 14. Juni 2024

48 stunden

wenn sich die helligkeit des morgens durch die geschlossenen lider presst, ist die noch unsichtbare welt ganz rosarot. fleischwurstrosarot, mit einer feinen prise satreschen ekels. die ersten gedanken haben die konsistenz von kühlschrankkaltem, säuerlichem wackelpudding, geschmacksrichtung mundgeruch.

der hals fühlt sich an wie nach einer langen partynacht, trocken und rau vom zigarettenrauch. dann wandert immer mehr kalt-muffige gedankengötterspeise richtung frontallappen und erinnert dich, dass du ja gar nicht mehr rauchst. dass du kaum mehr partys besuchst. und dass du nun eigentlich aufstehen musst, um den neuen arbeitstag abzureißen wie ein kalenderblatt, mit der üblichen geringschätzigen geste.

während du noch daliegst und der wunsch aufkommt, es möge etwas dazwischenkommen, meldet der körper fieber und schnodder. ein wunderbarer grund, die bettdecke bis unters kinn zu ziehen, sich noch einmal umzudrehen und die realität zum arschlecken abzukommandieren.

der fiebrige halbschlafkopf macht sich derweil auf, bühne fantastischer bewegtbilder zu werden. längst begrabene tagträume kehren kraftvoll zurück: wirklichkeitsferne wohltaten, durch körpereigene drogen befeuert. ein 48-stündiger trip, den sogar das gewissen schweigend genießt, die sonst so vorlaute fresse mit einem gelben schein gestopft.