Samstag, 22. Mai 2021

ärztlicher notdienst - version 2 punkt irrsinn

neulich nacht benötigte ich die hilfe des ärztlichen notdienstes. während man dort vor etwa einem jahr noch schnell, kompetent und persönlich unterstützung erhielt, fühlt man sich neuerdings wie in der warteschleife eines drittklassigen telekommunikationsanbieters.

es lief ungefähr wie folgt.

tüt-tüt-tüt. ein roboter geht ran.

"guten abend, hier ist der ärztliche notdienst. schön, dass sie sich für uns entschieden haben. wir freuen uns sehr, dass wir ihnen weiterhelfen können! deshalb werden wir nun unseren service für sie starten. passen sie auf, es kann sogar spaß machen! 

wenn sie gerne die aktuellen lottozahlen wissen möchten, drücken sie die 1. für den wetterbericht wählen sie die 2. möchten sie einen lebensbedrohlichen notfall melden? dann nehmen sie die 3. sie haben fragen zum thema corona und corona-impfung? in diesem fall wählen sie bitte die 4. sie möchten gerne ihr aktuelles horoskop erfahren? dann drücken sie die 5. falls sie mehr zum aktuellen stand im scheidungskrieg zwischen brad pitt und angelina jolie wissen wollen, stehen ihnen dazu informationen unter der 6 zur verfügung. für alle weiteren banalitäten wählen sie bitte die 7."

da ich "nur" extreme schmerzen habe, wähle ich die 7.

"herzlichen glückwunsch. sie haben die 7 gewählt. nun geben sie bitte über die tastatur ihre postleitzahl ein, oder nennen sie sie nach dem signalton."

ich gebe meine plz per tastatur ein.

"tut mir leid, ihre postleitzahl konnte nicht erfasst werden. wenn sie ihre postleitzahl nicht angeben, können wir ihnen leider nicht weiterhelfen. bitte geben sie nun ihre postleitzahl an."

ich wiederhole den vorgang.

"tut mir leid, ihre postleitzahl konnte nicht erkannt werden. wenn sie ihre postleitzahl nicht angeben, können wir ihnen leider nicht weiterhelfen. bitte geben sie nun ihre postleitzahl an."

die erfassung per tasteneingabe funktioniert also schon mal nicht. ganz toll. ich sage die postleitzahl also auf.

"ihre postleitzahl konnte nicht erkannt werden. bitte wiederholen sie die eingabe."

der roboter ist also auch noch schwerhörig. ich brülle die postleitzahl in den hörer.

"vielen dank, sie werden nun weitergeleitet. bitte halten sie ihre versichertenkarte bereit. bitte beachten sie, dass wir ihnen ohne eine gültige versicherung nicht weiterhelfen können."

es tutet in der leitung. offenbar komme ich nun erstmals in kontakt mit einem menschlichen wesen.

"guten abend, meine name ist herr halsabschneider vom ärztlichen notdienst", sagt da eine echte männliche stimme. 

"hallo, hier ist frau morphine und ich habe starke postoperative schmerzen!"

"nennen sie mir bitte ihre versichertennummer."

first things first, is klar.

ich nenne meine versichertennummer.

"und nun bitte die adresse."

ich nenne meine adresse.

"danke. nun bitte noch geburtstag, schulabschluss, aktueller arbeitgeber, steuer- und sozialversicherungsnummer sowie lieblingsfarbe."

nach einer viertelstunde sind wir soweit, dass wir uns dem eigentlichen problem nähern können.

"sie haben also schmerzen."

"genau. und ich habe nicht genügend oder nicht die passenden schmerzmittel. ich kann so überhaupt nicht schlafen."

"das ist jetzt aber schlecht. wir haben nämlich keinen bereitschaftsarzt da."

"und nun?"

"sie können so in 5 stunden noch mal anrufen, vielleicht ist dann einer da."

"auf gar keinen fall!"

"sonst können wir ihnen natürlich einen rettungswagen schicken. der bringt sie dann in die notaufnahme."

"wenns nicht anders geht..."

"nein."

"hmpf. ok, dann halt notaufnahme."

sowohl der rettungsdienst als auch das krankenhaus möchten sich an dieser stelle ganz herzlich bedanken. die aussage, es gäbe gerade keinen bereitschaftsarzt, halten sie für eine faule ausrede, die der ärztliche notdienst neuerdings wohl öfter bringt - mit der konsequenz, dass sich die überlastung in den notaufnahmen noch weiter verstärkt.

wenn sie also künftig hilfe benötigen, kann es einfacher sein, direkt sterben zu gehen.

Sonntag, 16. Mai 2021

the mercy seat

notaufnahme. schmerzen aus der hölle und fehlende schmerzmittel bringen mich sechs stunden nach entlassung ins nächste krankenhaus.
 
schwarze schmale liege, kalter fensterloser raum in orange und gelb. 

der tropft tropft. sanfte opiat-tränchen wandern tröstend durch den plastikschlauch in meine vene. ein weicher nebel in kopf und körper, auf dem ich mich ausstrecken und wegdämmern darf.

bis neben mir jemand erbärmlich schluchzt. 
die schluchzer kommen hinter einer trennwand hervor, die oben offen ist.
 
"bitte! bitte!" ruft es nun. an der stimme erkenne ich eine alte frau.
ich setze mich mühsam auf, zitternd vor kälte und benebelt vom tropf.
"bitte! bitte! hallo!"
die alte frau scheint hilfe zu benötigen.
ich strenge meinen betäubten kopf an und rufe:
"wenn sie hilfe brauchen, müssen sie den orangenen knopf drücken! den mit dem schwestern-symbol! dann kommt jemand."
 
die stimme verstummt, dann wieder leises schluchzen. 
hat die omi kapiert, was ich gesagt habe? oder ist sie vielleicht dement und verwirrt?
 
ich lausche ins halbdunkel.
"bitte! bitte! kommen sie doch mal!" tönt die stimme nach einer weile.

offenbar hat es nicht funktioniert. was nun?
 "bitte! ich muss mal! ganz dringend!" ruft die omi wieder.
 
ich fackle nicht mehr länger, sondern drücke den knopf.

eine blonde schwester kommt herein, ein bisschen mürrisch.
"was ist denn?"
"entschuldigung, nebenan ruft immerzu eine alte dame, dass sie ganz dringend zur toilette muss. können sie mal nachsehen? übrigens müsste ich auch mal, sie können mir also auch eine pfanne bringen."
die schwester tappt wie ein roboter vondannen.
 
ich höre es nebenan rumpeln und klirren. wortfetzen, das plätschern in der bettpfanne, dann scheint die omi beruhigt zu sein. 
ich strecke mich wieder aus und hoffe meinerseits, dass ich mich nicht anpinkeln muss.
 
"hallo? hallo? hiiiiilfe!" rufe es gleich darauf schon wieder.
"kommen sie bitte! kommen sie doch mal!"
das mit der omi und der klingel klappt nicht. bestimmt ist sie verwirrt oder vielleicht auch einfach nur allein und verängstigt.
 
das rufen steigert sich in lautes wimmern.
"hilfe! hilfe! hilfe! aua!"

es geht mir nah. 
ich liege seit sieben stunden auf einer harten pritsche, gefesselt durch infusionsschläuche, regelmäßiges piepen um mich herum, und ansonsten ein schauriges halbdunkel. 
ich versuche, mich auf schritte und stimmen im flur zu konzentrieren. vielleicht kommt ja doch mal ein arzt und sieht nach der alten dame oder auch nach mir.
 
die omi nebenan weint und ruft weiterhin pausenlos "hallo" und "hilfe".
ich halte mir die ohren zu.
 
nach einer weile bin ich kurz davor, auf die liege zu pinkeln, also drücke ich den knopf erneut.
 die mürrische schwester reißt die tür auf:
"was klingeln sie denn schon wieder?! klingeln sie für sich oder für die dame nebenan?"
"ich hatte vorhin gesagt, ich muss auch mal."
die schwester bringt stumm die pfanne.

"hilfe! hilfe!" tönt es wieder hinter der wand hervor.
"ich glaube, die alte dame sitzt seit einer halben stunde auf ihrer bettpfanne. deshalb ruft sie wahrscheinlich. sie scheint nicht zu verstehen, dass sie den knopf drücken muss", wage ich anzumerken.

die schwester verschwindet wortlos. ich höre, wie nebenan die tür aufgeht.
"so, sind sie fertig?"
"ja... aber es ist was daneben gegangen. es tut mir so leid, wenn ich ihnen ärger mache", sagt die alte dame weinend.
kein wunder, denke ich, wenn man eine halbe stunde auf einer bettpfanne balanciert.
die schwester sagt nichts. es klirrt und scheppert, offenbar leert sie die bettpfanne. 
dann wird die tür geschlossen.
 
minuten der ruhe. mein tropf ist leer, die bettpfanne voll. ich stelle die pfanne vorsichtig auf den boden. 
mein magen knurrt, mir ist schwindlig. 
versuch noch etwas zu schlafen, sage ich mir. denn im schlaf merkt man den hunger und die kälte nicht. 

kaum döse ich weg, dringt wieder rufen durch die wand:
"hallo! hallo! hilfe!"
wahrscheinlich hat die oma vor allem angst, so allein in diesem fremden gruseligen raum. am liebsten würde ich hinüberkriechen, ihre hand in meine nehmen und alles weniger schrecklich machen.

"es ist alles gut, sie sind nicht allein", sage ich durch die wand.
"kommen sie doch mal bitte!" wimmert die omi.
"das geht nicht, ich bin selber patientin, ich kann nicht aufstehen. der arzt kommt bestimmt bald."
 
minuten der ruhe. 
ich bin ein bisschen sauer auf die omi, denn sie hat meinen schlaf verscheucht und den hunger so schlimmer gemacht. 
außerdem ist mir klapperkalt. der raum ist so eisig wie sein ambiente. hier gibt es nichts, woran sich das auge festhalten kann. keine weichheit, keine geborgenheit. nur sterilität und einsamkeit.

ich klingle erneut.
gottseidank kommt nicht die mürrische schwester, sondern ein junger pfleger herein. er sieht mich sehr freundlich an, sodass es mir leichter fällt, meine bitte zu formulieren:
"haben sie vielleicht eine decke für mich? mir ist sehr kalt. und ich bin ziemlich unterzuckert, glaube ich."
"oh!" sagt er. "na klar." 
 
er holt eine op-decke aus einem fach und breitet sie über mich.
"ich nehm die mal mit", sagt er mit blick auf die volle bettpfanne.
"oh ja", sage ich. "die soll hier nicht rumstehen, das ist eklig."
"ich komme gleich wieder!"

ich bete, dass er wort hält. das mit dem wiederkommen hatte der arzt vor siebenkommafünf stunden auch gesagt.
trotzdem, die decke ist gold. ich ziehe sie bis zum kinn und das zittern legt sich ein wenig.

der pfleger kommt tatsächlich wieder, in einer hand eine flasche wasser, in der anderen medikamente.
"ich soll ihnen das hier bringen. das ist noch mal was gegen die schmerzen."
 
wasser tut dringend not. mein mund ist verklebt und staubtrocken, der kreislauf im sparmodus.
"wissen sie, wann der arzt kommt?" frage ich dann. "theoretisch kann ich ja entlassen werden, das mit den schmerzen geht jetzt so."
"in einer stunde, denke ich", antwortet der pfleger. "schlummern sie ruhig noch ein bisschen."
und bevor ich nach etwas zu essen fragen kann, ist er wieder draußen.

nebenan wimmert die omi nur noch. das rufen scheint sich aufgegeben zu haben.
dann tut sich etwas. ich höre, wie nebenan die tür geöffnet wird.
"na wie geht es ihnen?" höre ich eine männliche stimme. "sie sind gestern gestürzt, stimmt das?"
"jaaaa", stöhnt die omi.
"und sie sind auf den kopf gefallen dabei?"
"jaaa... das tut so weh!"
"dann machen wir jetzt erstmal ein ct."
 
offenbar schickt sich arzt zum gehen an, denn die omi ruft: "bitte bitte gehen sie nicht weg!"
"es geht ja gleich weiter", sagt der arzt genervt.
"wissen sie.... meine kinder kommen nicht mehr... ich bin ganz allein... ich will endlich sterben", schluchzt die omi.
"das wird schon wieder", sagt der arzt belanglos und gehetzt.
"lassen sie mich doch bitte gehen. ich möchte wirklich nicht mehr leben", bettelt die omi.
ich höre, wie die tür ins schloss fällt. der arzt ist gegangen.
 
die omi weint haltlos.
mein herz springt. die situation der omi kommt mir vor wie eine zeitmaschine meines eigenen schicksals. genau so könnte es mir eines tages auch ergehen. 
 
der gedanke ist unerträglich. 
 
nicht, weil krankheit und sterben unerträglich wären, sie sind nur ein teil des lebens. sondern weil wir in einem system leben, das gnadenlos auf reinen profit ausgerichtet ist. es macht aus krankheit und tod grauenvolle monster und die angst davor riesengroß. gleichzeitig verweigert es denen, die einfach nur sterben möchten, jegliche hilfe. 
 
ich bin in der glücklichen lage, dass ich mir selbst noch gnade gewähren kann.
also drücke ich die klingel und sage der fremden schwester, die hereinkommt: 
"ich entlasse mich jetzt selbst."
sie ist nicht begeistert, aber mein wille zählt.
 
noch.

ich bete, dass ich den zeitpunkt für die entlassung aus dem leben rechtzeitig spüre. und dann selbst hand anlegen kann. 



Donnerstag, 13. Mai 2021

die krankenhaus-hölle

seit gestern liege ich nun im krankenhaus - bis morgen noch. eigentlich hätte man mich nutzlosen bettenbeleger auch nur zu gerne schon rausgeekelt. aber ich war einfach keine unkomplizierte musterpatientin.

mr. murphy hatte schon vor der op seine finger im spiel. er sorgte dafür, dass man mich in der aufnahme vergaß. dann wurde ich in mein zimmer gescheucht, sollte mich umziehen. ich hatte kaum das op-hemd gebunden, als ein pfleger reinkam. er würdigte mich keines blickes und schob mich stumm und muffelig zum op.

dort versuchte die schätzungsweise 14-jährige narkoseschwester mehrfach vergeblich, einen zugang zu legen. dabei habe ich traumvenen, sagen alle hausärzte. einmal pieken und rein ins vergnügen. jetzt war der gesamte arm blau und der zugang steckte schmerzhaft in der hand.

man schaffte es auch nicht, mir die wärmedecke ordentlich anzulegen. meine füße hingen raus. irgendwann waren meine flossen blau vor kälte. 

das lag auch daran, dass wir warten mussten. mein arzt kam fast eine halbe stunde zu spät. dann stürmte er endlich herein, ein kurzes belangloses hallo, bloß kein wort zu viel, und los ging es.

nach der op, sagte man mir, würde ich nach etwa einer halben stunde wach sein. stattdessen brauchte ich fast vier stunden. angeblich hatte ich etwas "sensibel" auf die narkose reagiert, hieß es. ich verpennte so das abendessen, das ich - völlig unterzuckert - dringend gebraucht hätte.

zunächst fühlte sich alles friedlich und schmerzfrei an. mein arzt kam rein, erklärte mir, dass er den fuß soeben noch mal örtlich mit einem "block" betäubt habe, da es in der ersten nacht erfahrungsgemäß ordentlich zwiebelt. ich bekam eine morphiumpumpe und sollte mir am besten stündlich was davon reinhauen. also wecker gestellt und gewartet.

irgendwann musste ich zur toilette. ich wollte klingeln, aber meine klingel hing in unerreichbarer ferne. also musste ich meine zimmergenossin hochscheuchen.

eine kleine albanische schwester kam rein und reichte mir krücken. ich sollte mich aufstellen - und zack, kollabierte der kreislauf. großer aufmarsch, sogar ein arzt kam rein und hielt mein gesundes bein hoch, bis ich wieder farbe im gesicht hatte und die augen aufschlug.

zwei resolute schwestern schubsten die albanische kollegin beiseite und rammten mir eine bettpfanne unter den arsch. dann stellten sie sich vor mich und warteten. ich, kaum bei sinnen, konnte so natürlich nicht strullen. großes missfallen. diese halb ohnmächtige simulantin ist zu dumm zum pissen!

nach einer halben stunde kamen drei tropfen. man entriss mir die bettpfanne und trabte zurück zum dienstzimmer. mir war zum heulen. 

ich drehte das morphium hoch und die nacht war ok. irgendwann musste ich sehr dringend zur toilette, traute mich nach dem bettpfannen-trauma allerdings fast nicht mehr klingeln. ich überlegte, ob ich alleine auf allen vieren bis zum klo robben könnte. das ging alles nicht wirklich und unter tränen klingelte ich dann doch.

herein kam ein männlicher pfleger. ich berichtete von meinem ersten toilettenversuch und musste ein bisschen weinen, so erniedrigt hatte ich mich gefühlt von den harschen schwestern.

"warum hat ihnen denn keiner einen rollstuhl gebracht?" wunderte sich der pfleger. schwupps, hatte er einen aufgetrieben und mich behutsam hineingehoben. der toilettengang klappte so problemlos und schmerzfrei. danach döste ich erleichtert wieder ein.

um halb sieben zerrte jemand an mir. es war eine der grausamen bettpfannen-schwestern. sie wollte mir meine morphiumpumpe wegnehmen. 

"die brauche ich, sagt der arzt", wehrte ich mich.
"für so viel schmerzmittel sind sie mir viel zu dünn", sagte der schwester, die sicherlich 300 tonnen wog. "ihre pupillen sind ganz klein!"
 
das wunderte mich wenig, frisch erwacht unter einem deckenfluter waren sicherlich jedermanns pupillen recht spitz.
die schwester brachte mir zwei ibuprofen - die ration für den gesamten tag! ich schaute sie fassungslos an. 
 
"und jetzt setzen sie sich mal hin, damit der kreislauf in schwung kommt!" zerrte sie mich richtung bettkante. dabei schlug mein operiertes bein gegen das bettende. 
ich jaulte auf.
"nix passiert, da ist ja der stiefel rum", erwiderte die schwester. "so und jetzt stellen sich sich mal auf die krücken! der kreislauf muss in schwung kommen!"
 
wie sie sich vorstellen können, ist man als vollkommen unterzuckerte, mit morphium betäubte frisch operierte nicht unbedingt in der besten verfassung, wenn man um 6.30 uhr aus dem bett gerissen wird. ich klappte also erneut zusammen.
 
"sehen sie, so viel schmerzmittel sind nicht gut für sie! die kommen jetzt weg", sagte die grauenhafte schwester und schloss meine pumpe in den schrank.
"aber der arzt..." stammelte ich schwach.
"sie müssen jetzt auf die beine kommen!"

daraus wurde nichts. nur eine stunde später schrie ich vor schmerzen. und zwar so sehr, dass ich zu hyperventilieren begann. meine hände verkrampften sich, sodass ich es nicht schaffte, die klingel zu drücken. meine bettnachbarin erbarmte sich ein zweites mal.

die beiden resoluten schwestern kamen wieder rein und stellten sich auf.
"was ist denn los", sagte die eine.
"schmerzen", stöhnte ich.
"was haben sie gesagt?"
"SCHMERZEN!!!"
"wo haben sie schmerzen?"
 
mein gott, waren die denn bescheuert? oder machte es denen spaß, mich zu quälen?
ich zeigte wimmernd richtig fuß.
"mit ihrem fuß ist alles in ordnung", sagte die schwester.
"SCHMERZEN" wiederholte ich.
 
"es ist alles gut", sagte die andere schwester. "wollen sie vielleicht was essen?"
"NEIN" brüllte ich.
"oder ein bisschen musik?"
"KEINE MUSIK!!!!"
gleich kommen diese dummen gänse noch mit globuli, fürchtete ich.
 
"nehmen sie mal ihre ibuprofen."
"hab ich schon."
"sie müssen auch ein bisschen warten können! das wirkt ja nicht sofort!"
"ich warte seit einer stunde!!!!

endlich kam der diensthabende arzt herein, stellte fest, was längst festzustellen war, nämlich dass ich hyperventilierte, kurz vorm ersticken war und dringend medikamente brauchte. er brachte mir die morphiumpumpe aus dem schrank.

"und jetzt schön drücken", sagte die fette schwester und lächelte sadistisch. sie wusste genau, dass ich mit den "pfötchen", die man vom hyperventilieren bekam, keine macht über meine finger mehr hatte. sie grinste, als sie meine vergblichen versuche beobachtete.

die andere schwester kam wieder herein und stopfte ihre wurstfinger zwischen meine lippen. 
"aufmachen! und lutschen!"
ich schmeckte tavor. ein beruhigungsmittel. mein mund aber war zu trocken vom schreien und hyperventilieren, und es konnte sich nicht auflösen.
"wasser", gurgelte ich erstickt.
die schwester hielt mir das wasserglas hin, das ich natürlich nicht greifen konnte.
"jetzt machen sie doch endlich mal die hände auf", drängte sie mich.
 
der arzt schaute noch mal rein.
"das dauert jetzt einen kleinen moment", sagte er beruhigend zu mir. "schauen sie mal, sie atmen jetzt schon gleichmäßiger. die hände werden sich gleich entspannen." 
 
dann tat er das unfassbare: er verhielt sich wie ein normaler mensch und drückte für mich die pumpe.

Sonntag, 9. Mai 2021

wie mich das jahr bis weihnachten zu ficken gedenkt

seit letzter woche haben wir in sachen schmerzende linke flosse klare verhältnisse: es ist eine peronalsehnenruptur. recht seltene und sehr komplizierte sache, komplexer und langwieriger als ein bruch oder ein bänderriss. natürlich, wie soll es auch anders sein bei meinem schicksal. 

mittwoch op, dann 6 wochen krücken + vacoped und 3-5 monate keinen sport.

der sommer ist also schon vorbei für mich.

und just, als ich mich so maximal gefickt fühlte, riss mir nun auch noch die sehne im rechten fuß. vermutlich aus überlastung, weil ich ja schon 6 wochen fast komplett auf rechts laufe, mangels diagnose und therapie. 

danke, hamburg, für eure lahmen ärzte. der jetzige ist so mittel, sehr profitorientiert und wenig an ursachenforschung interessiert. cool fand ich, dass das mit der op nummer eins wenigstens schnell ging. woanders wartet man wochen und monate, weil man ist ja kein lebensbedrohlicher notfall.

ich kann mir nun einen adventskalender kaufen. weihnachten besteht dann wieder hoffnung auf zumindest einen kleinen spaziergang. und das, wo körperliche verausgabung für mich immer der beste weg war, meine outraging psyche zu beruhigen.

im augenblick bin ich überraschenderweise noch nicht so richtig depressiv. das liegt daran, dass ich mit der krankenkasse um eine haushaltshilfe kämpfe sowie um ordentliche krücken. man bekommt ja immer nur nichts oder das billigste und schlechteste. 

inzwischen habe ich schon fast 400 euro ausgegeben, um mir eine vernünftige medizinische versorgung zu ermöglichen, die meine zahlreichen körperlichen gebrechen wie kaputter rücken und kaputte knie berücksichtigt. man fühlt sich sehr verarscht, but i fight for my right, auch ohne party. and that keeps me going.

ich bin nun gespannt, wie die beziehung zum luxus-mann diese sehr lange, schwere zeit übersteht. bislang geht es. er hat zumindest verstanden, dass er sich bewegen muss, wenn er mich sehen will. also holt er mich mit dem auto ab oder verbringt tatsächlich mal einen abend bei mir. immer widerwillig, immer mit dem argument, dass ihn die parkplatzsuche nervt. aber er machts. immerhin.

ich hatte überlegt, ob ich nach den ops nicht erstmal zu ihm ziehe. aber ich ahnte bereits, dass es nur diskussionen geben würde. so hätte man die seiten des bettes tauschen müssen (ich schlafe an der wand und komme da dann mit meinen krücken nicht raus), aber er denkt, dass er rechts nicht pennen kann. auch duschen wäre schwierig geworden, weil ich sitzend duschen muss und er das einfach nicht einsieht, dass ich deswegen einen hocker in die dusche stellen will. das passt nicht in seine welt.

verstehen sie mich nicht falsch. im moment bin ich froh, dass ich einen mann mit auto habe. aber was alles andere betrifft, bin ich skeptisch. deshalb werde ich nach dem eingriff auch gleich zu mir fahren. ein taxifahrer diskutiert wenigstens nicht mit mir und fällt mir nicht auf die nerven.

begeistert bin ich allerdings davon, dass mein anderweitiges soziales netz zu tragen scheint. recht viel anteilnahme und hilfsbereitschaft von verschiedensten seiten. das genieße ich sehr, denn das hatte ich so viele jahre nicht. wäre die kacke 2013 oder 2014 passiert, hätte ich mich an das objekt klammern und weinen müssen.

ich habe natürlich zunächst wieder sehr gehadert, weil ich dachte: alles, was mir wichtig ist, nimmt mir das schicksal. meine seelische gesundheit. meine körperliche gesundheit. und den mann, den ich liebe.

aber möglicherweise muss ich ja noch was lernen. also: challenge accepted. ändern kann ich eh nichts an dem, wie es ist.

p.s.: falls mich jemand in den nächsten wochen besuchen oder sonstwie aufheitern möchte: nur zu. sie können gar nicht so doof sein, wie mir langweilig sein wird.