Donnerstag, 29. Dezember 2016

bimm-bamm-bumm

noch immer am kämpfen. kopfschmerzen, tückische müdigkeitsanfälle, nervenschmerzen-attacken.
alkohol vertrage ich nur sehr bedingt, was aber nicht schadet. es ist mein alkreduziertestes weihnachten seit fünf jahren.

sonst aber muss ich nun bald wieder fit werden. denn die arbeit wartet. wie immer, wenn ich urlaub habe oder krank bin, stapeln sich freie aufträge.

samstag silvester mit dem luxus-mann. sex wird zur koordinationsaufgabe, da der luxus-mann anhaltende vollräusche angekündigt hat. den jahreswechsel selbst verbringe ich lieber allein bei der katze, weil ich weiß, wie sich kitty bei böllerei einscheißt. ich werde sie also sanft sedieren und ihr den kleiderschrank als versteck offerieren.

wofür mir immer wieder fünf cent zum euro fehlen: leute schmeißen millionen euro für feuerwerkskörper auf dem fenster.
bei den ärmeren zweifle ich am meisten an deren verstand. warum muss man, wenn man hartzen geht, böller kaufen? das argument "die kinder wollen das" verstehe ich nicht. warum erzieht man, wenn man schon selbst opfer des systems ist, kinder nicht zu verantwortungsbewussten und sozial denkenden menschen, die nicht in die konsumfallen des kapitalismus tappen?
bei reichen verstehe ich es genauso wenig. wenn sie mal ein paar euro für bildung oder kinder oder tiere spenden sollen, heißt es pauschal: nein, machen wir nicht. (zweieinhalb jahre fundraising haben mich zutiefst frustiert und mich gelehrt: reiche bleiben vor allem deswegen reich, weil sie besonders wenig abgeben.) aber für diese böller-scheiße werden unsumme ausgegeben: ich sehe porsche-papis, die ikea-tüten voller ballerkram anschleppen. weil man sich damit vor den nachbarn profilieren muss? so nach dem motto, meine rakete kann höher, weiter, schneller? weil man herzeigen muss, ja, ich bin doof und verantwortungsscheu und freue mich an der totalen sinnentleertheit dieser antiethischen konsumwelt, und erziehe meine kinder zu ebensolch bräsigen egozentrikern?

alles nicht meine welt. ich jedenfalls bin froh, wenn dieser tag dann auch vorüber ist und meine katze wieder aus ihrer schockstarre erwachen kann.



Sonntag, 25. Dezember 2016

luxus-weihnachten

am heilig abend um zehn uhr abends klingelt der luxus-mann an meiner tür und holt mich ab.
luxus-weihnachten steht an. ich bin inzwischen eher freudig-erregt denn pissig, will einen abend ohne streit. habe meine geschenke verpackt, hoffe, dass der wert angemessen ist, und schlüpfe in meine stiefel.

drunten an der haustür steht der luxus-mann, extra einen parkplatz hat er gesucht, damit er meiner schwächlichen wenigkeit beim tragen helfen kann.
dann steigen wir ins auto und eiern richtung luxus-wohnung.
"ich bin schon ganz schön besoffen, sorry, meine verwandtschaft hat echt alles gegeben... und der regen und die dunkelheit, das macht mich beim fahren sowieso immer voll wuschig", entschuldigt sich der luxus-mann für seinen fahrstil.
"mach ruhig langsam, hauptsache, wir kommen in einem stück heile an."

drinnen muss ich erstmal im hausflur warten.
"noch nicht gucken!"
der luxus-mann wuselt eine ganze weile in flur und wohnzimmer herum. dann darf ich eintreten.
"ich hoffe, es gefällt dir", sagt er.
ich betrete das wohnzimmer, das voller lichter und kerzen ist. im rahmen der großen flügeltüren hängt ein haselnusszweig, an dem glasengel, glocken und anderes gedöns in glas und silber schimmern. zwischen dem zweig und den kronleuchterhaken in wohn- und schlafzimmer sind drahtseile gespannt, an denen weiterer dekokram baumelt. alles ist wie die restliche wohnungseinrichtung exakt farblich und thematisch aufeinander abgestimmt.

unter dem weihnachtszweig hat mir der luxus-mann zwischen einem kreis von kerzen eine art gabentisch angerichtet. ein goldener karton, rote glasherzen und etwas großes, in weißes, mit aufgesprühtem glitzerschnee verziertes geschenkpapier gehülltes.
"wow", kann ich nur sagen.
"das sieht jetzt größer aus, als es ist", meint der luxus-mann bescheiden.
"wow", wiederhole ich.
"mach mal auf."
"ok."

ein bisschen benommen hebe ich zuerst den karton auf. darin ist ein kleiner engel, ein buch, das eigentlich dem luxus-mann gehört und das ich immer mal lesen wollte, sowie etwas, das auf dem ersten blick aussieht wie strümpfe, sich aber dann als cat suit entpuppt.
"du wolltest doch sowas immer", sagt der luxus-mann, als ich vor staunen kein wort rausbringe.
ich nicke wild.
"ich finde die dinger geil."
"ich auch. als ich dir den gekauft habe, habe eine eine nicht totzukriegende latte bekommen. ich musste mir danach erstmal einen runterholen."
ich reiße die verpackung auf.
"probier den mal an", fordert mich der luxus-mann auf.

ich hopple brav ins bad und ziehe mich um. der cat suit hat, und damit hat sich der luxus-mann sicherlich auch ein wenig selbst beschenkt, löcher an den entscheidenden stellen, obwohl er sonst recht viel bedeckt und eher punkig-spacig als frivol daherkommt.
ich betrete das wohnzimmer, und der luxus-mann hat schon die kamera in der hand.
"geil", sagt er.
"der sieht klasse aus", erwidere ich und gebe dem luxus-mann einen kuss.
"ich wollte nicht so einen, der aussieht wie alle, weißte, so mit spitzenkram und so. der hat mich irgendwie an lara croft erinnert."
"hast du gut ausgesucht", strahle ich.
"zieh mal deine doc martens dazu an."
ich nicke und gehe in den flur zum schrank, wo meine stiefel stehen.

als ich den raum wieder betrete, ist der luxus-mann schon nackt und einlochbereit.
"ich dachte, du brauchst heute auf jeden fall noch eine rute", sagt er.
"ich war ganz lieb, herr weihnachtsmann."
"das glaube ich nicht. ich habe schreckliches gehört. du hast einen penis zerfetzt und einem integren mann schlaf und energie geraubt."
"ich bekenne und bereue nicht."
"dann muss ich dich jetzt leider bestrafen..."

nach dem weihnachtsfick muss ich weiter auspacken, denn das große weiße geschenk wartet noch in seiner ecke.
"eine leinwand", sage ich begeistert, als ich es aus dem papier gepellt habe.
"damit du endlich wieder malst."
"wie cool!"
"ist nur eigennutz, ich brauch neue bilder."
ich gebe dem luxus-mann noch einen dicken kuss.
"danke für alles. du bist wunderbar."

dann packt der luxus-mann meine geschenke aus. der eine teil ist recht unkreativ und besteht aus einer auswahl außergewöhnlicher spirituosen in schwarzen flaschen. der andere ist kunst - ein monsterkopf, der aus einem schwarzen hintergrund tritt.
"ich habe den gesehen und musste sofort an dich und deine wohnung denken", erkläre ich.
"der ist extrem cool. sowas hab ich schon mal gesehen und überlegt, ob ich es mir kaufe."
"halt den mal ins licht für eine weile und mach dann licht aus."
"leuchtet der im dunkeln?"
"jepp."
"das ist ja geil."

der luxus-mann rennt durch die wohnung.
"soll ich ihn da aufhängen? oder im bad, das wär auch cool, wenn man nachts auf klo geht und dann leuchtet einem der da entgegen."
"kannst ihn ja ins kinderzimmer hängen, dann träumt deine tochter schlecht."
"auf dich sollte man keine kinder loslassen, hm?"
"besser nicht."

der luxus-mann steht neben mir im bad und hält den kopf zur ansicht an die eine und andere stelle.
"ich vermisse die kinder", sagt er unvermittelt.
"hä?" frage ich perplex.
"ist mein erstes weihnachten ohne die beiden. wir haben sonst immer alle zusammen gefeiert."
"hm", sage ich teilnahmsvoll.
"das ist nämlich das größte an weihnachten, wie sich die kinder dann über die geschenke freuen."
"kann schon sein", sage ich und fühle mich für einen moment deplatziert und überflüssig.
dann aber wird sich der luxus-mann wieder meiner gegenwart bewusst.
"aber so isses auch sehr schön. komm, lass uns noch was trinken."

dann sitzen wir auf der couch und der luxus-mann schenkt verschiedene spirituosen aus. ich trinke zurückhaltend, bekomme schnell dröhnende kopfschmerzen wie neuerdings immer, seit ich krank bin. dann gehen wir zu bett, vögeln ein zweites und in der nacht noch ein drittes mal, bis ich nicht mehr kann.

"ich glaube, ich liebe dich", sage ich sehr matt und schmiege mich an den luxus-mann
"ich fürchte, ich kanns auch schwer verheimlichen, wie sehr ich dich mag", flüstert der luxus-mann ins dunkel.
"das war ein sehr schönes weihnachten heute. du hast das alles so liebevoll gemacht, ich bin wirklich sprachlos."
"hab ich wirklich gerne gemacht, freut mich, wenn es dir gefallen hat."
"ja, sehr. du hast zwar einen hang zum kitsch, aber du schaffst es immer, alles so geschmackvoll zu drapieren... das ist wirklich eine gabe."
"einen hang zum kitsch, soso. du wirst schon wieder frech."
"frech? ach komm. sei nicht so ne pussy."
"da! schon wieder! sogar an weihnachten muss man sich beleidigen lassen..."
der luxus-mann kitzelt mich durch, bis ich quieke.
"stop", keuche ich irgendwann, "ich muss schlafen, ich bin noch krank."
"gerade noch mal davongekommen."
"uff."
"dann schlaf mal gut, kleiner seuchen-engel."
"du auch, große geile rute."



Freitag, 23. Dezember 2016

advenire

temperatur auf 37,6 grad.
das seelenfieber glimmt friedlich, keine stichflammen in sicht.
allerdings auch kein funken vorfreude.
medikamente auf minimaldosis, stand-by-betrieb.

das monster weihnachten kann kommen.





Mittwoch, 21. Dezember 2016

trippel-trip

heute ist es eine woche. das virustatikum ist durch.
ich fühle mich etwas besser und beschließe, mal einkaufen zu gehen und mein leergut wegzubringen. schon allein, weil mir so langweilig ist.

mit einer mülltüte voller leergut im geschätzten wert eines clubabends tripple ich die 500 meter zum rewe. trippeln, weil gehen kann man das nicht nennen. auf dem weg überholt mich eine omma mit so einem gehwägelchen, und ich schaue schnell zu boden. peinlich, das alles. am liebsten würde ich die leergut-mülltüte kraftlos hinter mir herschleifen, aber dann klinge ich wie ein bescheuertes brautauto, wo hinten am auspuff so dosen dran klappern und irgendwelche bänder rascheln.

im rewe ist die hölle los, natürlich auch am leergutautomaten. vier leute an jedem automaten vor mir, und zwar so mit ganzen kofferraumladungen voller flaschen und dosen. ich stehe bekloppt rum und mir wird ganz schummrig. wahrscheinlich vom trippel-spaziergang gerade. ich lehne mich ein bisschen an die bierkisten und schaue einer alten dame zu, wie sie immer wieder vergeblich versucht, eine zerknautschte wasserflasche ohne etikett in den automaten zu stopfen. zweimal kommt ein rewe-mitarbeiter und erklärt ihr, dass kein etikett = kein strichcode = kein erkennen = keine kohle. irgendwann reißt mir der geduldsfaden, ich nehme ihr die flasche aus der hand und gebe ihr eine von meinen, mit etikett.
"tauschen?"
die omma nickt begeistert und freut sich dann nen keks, dass die flasche funktioniert.
manche probleme lassen sich so einfach lösen.

als ich endlich meine mitgift los bin, schlörre ich durch den getränkemarkt. ich brauch ja so viel. wasser und saft, cola und vielleicht auch noch ein bisschen alk. doch mit zwei liter saft im arm durch den markt schlendernd fange ich an, wie hölle zu schwitzen, und mir wird klar, dass ich nicht so viel transportieren sollte, weil ich ja mit gewicht beschwert noch nach hause muss.

an der kasse muss ich wieder warten. die zwei liter saft in meinen armen fühlen sich an wie 50-kilo-hanteln. hände zittern, knie wackeln, kalter schweiß läuft mir den rücken runter. hoffentlich falle ich nicht wieder plötzlich in ohnmacht wie letztes jahr. wahrscheinlich sehe ich sowieso aus wie eine junkiebraut auf kaltem entzug, da muss man nicht auch noch wegkippen.

der dicke kassierer nimmt mir die safttüten aus der hand und scannt sie ein. ich reiche ihm dem leergut-bon, der tropisch-feuchtwarm und zerknüddelt ist, als hätte ich ihn gerade aus der muschi gezogen. yummyumm. so ein kassierer ist auch nicht zu beneiden. oder vielleicht turnts ihn auch an, wer weiß, jedenfalls strahlt er mich an wie ein kaputter uranbehälter und zählt mir dann zwei euro und ein paar zerquetschte in meine schweißige hand.

mit zwei liter saft im gepäck fühlt sich das nachhause-getrippel an wie eine pilgerreise mit vier-wochen-gepäck. der wind pfeift, die augen tränen, und die beine wackeln wie auf einer ordentlichen dosis amphetamine.

zuhause hängt ein zettel an der tür, dass ein päckchen für mich beim nachbarn liegt. der nachbar wohnt nebenan, dritter stock. ich seufze. dann klingle ich. nachbar ist zuhause, also stapfe ich mit meinen safttüten in den dritten stock. dort steht ein verhutzeltes kleines männchen und drückt mir ein riesenpaket in die arme.
"gehts", fragt er noch, aber dann lässt er auch schon los. geschätze zehn kilo sacken in meine nachgebenden arme.

mit versperrter sicht wackle ich am rand einer ohnmacht wieder die treppen hinunter, rüber zu mir und dann hoch in meine wohnung, noch mal dritter stock.

drinnen lasse ich alles fallen und sinke mit jacke und schuhen auf mein bett.
das war mein kleines mittwochsabenteuer.
morgen werden wir sehen, wie es mir bekommen ist.


Samstag, 17. Dezember 2016

ich kann nicht schlafen, wenn mir so langweilig ist.

krank tag 3.

tag 2 war halbwegs produktiv, gefühlte besserung, in den budni gekrochen, desinfektionnsspray und klopapier gekauft und katzenfutter natürlich. püppi ist wichtig und darf nicht zu kurz kommen, ohne püppi wärs noch langweiliger hier. wohnung versuchsweise entkontaminiert, zum staubsaugen jedoch zu schwach.

heute erwache ich nach miesem schlaf, ständig scheiß geträumt, der aus meinem unterstimulierten hirn emporploppte wie werbebanner ohne popup-blocker. gucke mir riesenwellen auf youtube an und wie irgendwelche superhelden da drauf surfen, dinge, die ich nie machen werde, meine seelentsumanis reichen mir, aber im moment hätte ich ganz gerne jemanden zum quatschen, der mir die füße wärmt und die vom tippen kalten finger. 

der luxus-mann ruft an und verlangt von mir, dass ich frau doktor frage, wann ich wieder blasen kann.
 "ich habe gerade andere sorgen, ich musste eben fast 50 euro für rewe ausgegeben", sage ich. "jetzt bin ich 30 euro im minus für diesen monat.
"hää?!"
"ich habe mir eben wie so eine bonzen-omma lebensmittel liefern lassen."
"wieso, du kannst doch einkaufen."
"nein, kann ich nicht. zu budni gestern war schon das höchste der gefühle. und heute gehts mir schlechter."
"weil du gesoffen hast."
"ey, bitte, ein glas wein!"
"du sollst nicht saufen, wenn du medikamente nimmst."
"ich rauch schon nicht mehr, alles auf einmal kann man nicht aufgeben!"
"dann iss halt nicht so viel, dann reicht das schon."
"dann jammerst du wieder, wenn mein arsch und meine titten kleiner werden."
"na gut, ist ein argument."

wir schweigen, dann sagt der luxus-mann:
"ich hab ja wieder sauschlecht geschlafen."
"ich auch. ich glaube, ich kann nicht schlafen, wenn mir so langweilig ist."
"das ist unlogisch", sagt der luxus-mann.
"gar nicht. wenn ich nichts habe, womit ich den kopf beschäfigen kann, holt er alles raus, was geht. und dann träum ich lauter mist und liege dazwischen ewig wach, um über den mist nachzudenken."
"hm."
"du klingst nicht überzeugt."
"jaaaaa.... mann, was soll ich zu solchen theorien sagen!"

"erzähl mir mal was", fordere ich.
"fällt mir nix ein."
"so weit sind wir also schon! das ist ja wie mit deiner ex."
"neeeeiiiiiin."
"doch."
"quatsch."
"doch."
"leg dich doch noch ein bisschen hin."
"jetzt sei nicht so scheißdiplomatisch! ich will wenigstens streiten, wenn du mich sonst schon nicht unterhalten kannst."

der luxus-mann muss lachen.
ich leider auch.
"ich ruf dich nachher noch mal an", verspricht er.
"nur, wenn du mir was zu sagen hast!"
"ich lass mir was einfallen."
"na gut."
"bis später."


Donnerstag, 15. Dezember 2016

voll in die fresse

seit vier tagen habe ich herpes. als ich am dienstag beim luxus-mann bin, sind wir zurückhaltend. bloß nicht anstecken!
"wir können ja am wochenende wieder knutschen", sage ich. "vielleicht ist es bis dahin wieder weg."
das ist eine aussicht, mit der man leben kann, findet auch der luxus-mann.

gestern nacht wache ich auf, weil ich zahnschmerzen habe. oder vielmehr wangen-zungen-schmerzen.
das gesamte linke gesicht fühlt sich komisch an. heiß und geschwollen. ich schaue in den spiegel, doch es sieht alles normal aus.
ich schreibe dem luxus-mann.
"irgendwas stimmt mit meinem gesicht nicht. wach mal auf."
lustigerweise erwacht der luxus-mann gerade aus einem alptraum.
"kann ich nix zu sagen", nuschelt er am telefon, "hab ich noch nie gehabt. aber geh mal zum doc. nicht dass du mit deinem herpes am ende ne blutvergiftung entwickelst oder sowas."

danach bin ich erstmal sehr wach. blutvergiftung! was hat man da für symptome?
fieber, oder?
ich fühle noch mal mein gesicht, es ist wirklich sehr warm. aber fieber?
da ich vergessen habe, wie man am puls die temperatur misst, lege ich mich der einfachheit halber mit coolpack auf der linken wange wieder ins bett. bis morgen werde ich es schaffen, sage ich mir. im zweifelsfall auch mit blutvergiftung.

am morgen ist die wange besser. ich habe einen ekelhaften geschmack im mund, der aber nach dem zähneputzen weg ist.
soll ich tatsächlich jetzt zum arzt? nachher habe ich einen geschäftstermin im ruhrpott. ich könnte auch einfach eine ibu reinschmeißen. oder?
just in diesem moment ruft der luxus-mann an.
"und, was sagt der arzt?"
"war noch nicht."
"dann aber dalli!"

also gehe ich zu meinem hausarzt, der gleich nebenan ist. vielleicht doch gut zu wissen, was es ist, sage ich mir.
"oh, ein herpes", sagt die sprechstundenhilfe.
"ja, ich fürchte."
"was brauchen sie denn?"
"ich hab so komische schmerzen in der wange. da puckert es so unangenehm.und die linke zungenhäfte hat gestern nacht auch wehgetan."
"das ist der herpes."
"echt?" ich bin erstaunt. "ich hatte schon mal herpes, das sah genauso aus, da hatte ich keine schmerzen."
"warten sie mal, die frau doktor kommt gleich."

eine halbe stunde später bin ich trotz derbest überfülltem sprechzimmer schon dran. wahrscheinlich, weil ich wegen meiner geschäftsreise etwas eilig getan hatte: die hektische frau mit dem spießigen blazer hat vorrang, die macht sonst stress.
"sie haben eine gürtelrose im gesicht", sagt die frau doktor sehr ernst.
"ui", sage ich ahnungslos. gürtelrose, das ist doch was mit der haut. kriegen das nicht nur alte frauen, die zu viel sitzen und zu enge strumpfhosen tragen?
"damit ist nicht zu spaßen. die geschäftsreise können sie nicht machen."
"ich hätte jetzt einfach ibuprofen genommen", erläutere ich meine pläne.
"schmerzmittel werden sie auch brauchen. aber vor allem brauchen sie ein virustatikum. ich verschreibe ihnen eins, das müssen sie alle vier stunden nehmen, auch nachts."
"so ne creme für die lippe? das hab ich selber."
"nein, tabletten. mit einer creme kommen wir hier nicht weiter."
"oh."
"sie sind übrigens hochansteckend, ich werde sie mindestens eine woche krankschreiben."
das erklärt auch, warum frau doktor zwei meter sicherheitsabstand hält.
"oh. aber ich habe gestern noch meinen freund gesehen!"
"dann hoffen sie, dass er ein gutes immunsystem hat. sie selber sollten sich jetzt unbedingt schonen. wenn wir das nicht in den griff kriegen, können sie eine gehirnhautentzündug bekommen, oder, falls das auge betroffen ist, erblinden."
"oh", sage ich zum dritten mal sehr produktiv.

dann geht alles sehr schnell. ich bekomme ein rotes rezept und einen gelben schein.
"am besten legen sie sich gleich ins bett", sagt frau doktor zum abschied. "ausruhen ist jetzt wirklich wichtig."
"ich bin auch müde", sage ich, und merke plötzlich, dass es auch so ist. die schwerkraft fühlt sich doppelt so stark an, vor den augen flimmert es, das reisefieber ist verpufft.

ich latsche brav zur apotheke, hole mir virustatika und ein starkes schmerzmittel. zum glück ist alles vorrätig, denn wir müssen jetzt schnell sein, meinte frau doktor.
ich rufe auf arbeit an und sage das meeting ab.
dann rufe ich den luxus-mann an. er ist besorgt, um sich selbst mindestens genauso sehr.
dann lege ich mich erstmal ins bett und schlafe eine stunde.

und nun drücken sie mir bitte die daumen. ich bin weder auf ein matschauge noch auf eine gehirnhautentzündung so scharf.




Sonntag, 11. Dezember 2016

die bundesliga-runde

party mit dem luxus-mann.
mr. shyguy, einer lieber bekannter und objekt-freund, hat sich zusammen mit seiner freundin angekündigt, und auch die objektexfreundin will aufkreuzen.
"heute lernst du mal ein paar leute von mir von früher kennen", sage ich auf dem hinweg zum luxus-mann.
"wann früher?"
"so von vor fünf jahren. damals hatte ich ja so eine art richtigen freundeskreis."
"ich bin gespannt."
"die objektexfreundin wird dir gefallen. die ist sehr hübsch. die sieht aus wie eine elfe, finde ich."
"das klingt ja vielversprechend."

tatsächlich ist die objektexfreundin einer der ersten menschen, die uns in den eingangshallen begegnen. wir fallen uns in die arme.
"ist das schön, dich mal wiederzusehen", sage ich. "guck mal, das ist mein mann."
am grinsen des luxus-mannes sehe ich sofort, dass ich richtig lag: die objektexfreundin beeindruckt ihn.
als die objektexfreundin nach einem kleinen smalltalk abdampft, meint er zu mir:
"mit der solltest du dich mal näher befreunden."
"du bist so uneigennützig", erwidere ich.
"ach was. die darfst du auch zum dreier einladen."
"die ist bi, aber ich glaub nicht, dass ich ihr fall bin. und bei dir bin ich mir da auch nicht sicher", lache ich.
"och, das ist aber schade."

wenig später treffe ich mr. shyguy und seine freundin im raucherraum. und siehe da, auch das objekt ist anwesend und steht bei den beiden.
ich wechsle einen kurzen blick mit dem luxus-mann.
"ist das ok, wenn ich das objekt auch begrüße?"
"ja klar. mach wie du meinst."
das klingt eher trotzig als selbstsicher, aber ich beschließe, dem luxus-mann zu vertrauen.
ich gehe auf die drei zu, nehme einen nach dem anderen herzlich in die arme und wechsle zwei, drei worte. ich spüre dabei die blicke des luxus-mannes im rücken, deshalb vermeide ich es, das gespräch mit dem objekt - das auch gleich versucht, mir einen klaps auf den po zu geben - allzu lange hinauszuzögern.

"möchtest du, dass ich euch vorstelle?" frage ich, als ich zum luxus-mann zurückkehre.
der zuckt die achseln.
"weißte, wenn ich freunde oder bekannte treffe, wärs schon schön, wenn du auch hallo sagen könntest, weil die sonst denken, mit was fürn stoffeligen spacko ist die denn jetzt zusammen."
der luxus-mann grinst.
"na gut, ich machs. für dich."
"ok. ich frag das objekt mal, ob es dabei ist. kann auch sein, dass ihm das zu doof ist. ist ja nicht sein shit, dass er son rotes tuch für dich ist."
"ok, ich geh solange mal auf klo."

just als der luxus-mann auf toilette verschwindet, kommt das objekt aus selbiger heraus.
"morphinchen!", eilt es auf mich zu. "sag, ist das dein mann??"
"ja", lächle ich.
"der ist aber hübsch", sagt das objekt.
der eindruck beruht auf gegenseitigkeit, denke ich mir.
"ja, wie isses", schaut mich das objekt etwas nachdenklich an, "kommt ihr mit raus auf ein getränk und eine kippe?"
zwei dumme, derselbe gedanke. ich bin hocherfreut, dass mir das objekt das mir etwas peinliche anliegen so locker vorwegnimmt. aber neugierig war es ja schon immer.
"sehr gern", sage ich. "ich glaube, das würde meinem mann auch gut tun. der hat so ein bisschen bauchschmerzen, weil ich ihm natürlich auch von dir erzählt habe und er weiß, dass wir uns mal sehr nahe standen... und auch, dass ich dich immer noch mag. und dass ich dich auch noch irgendwo attraktiv finde... das ahnt er sicherlich ebenfalls."
das objekt lächelt geschmeichelt.
"ich fände das schön. gibts irgendwas, was ich nicht ansprechen sollte?"
"naja... vielleicht holst du nicht so weit aus, wenn du unseren sex in allen farben beschreibst."
"ok, krieg ich hin, denke ich", lächelt das objekt beruhigend. "ich bin ganz vorsichtig und lieber etwas zugeknöpfter als zu offenherzig, versprochen."
"sei am besten du selber", sage ich. "mein mann ist wirklich jemand, der sich viel anhört, sehr reflektiert ist und selber recht offen über seine gefühle sprechen kann."
"ok. ich tu mein bestes. ich warte auf der terrasse auf euch."

das objekt bewegt sich richtung terrasse, der luxus-mann kommt zurück.
"das objekt wartet draußen auf uns", sage ich.
der luxus-mann schaut irritiert, offenbar überrascht, dass das objekt so bereitwillig einem kennenlernen zugestimmt hat. dann sagt er jedoch:
"in ordnung. ich mach das, wenn dir das wichtig ist."
"ich mach das auch für dich. damit du dich entspannst."
"musst du nicht."
"doch, ich finde schon. sonst siehst du ihn immer mit dem heiligenschein, den er eigentlich gar nicht hat."
"dann los. lass es uns hinter uns bringen."

draußen steht das objekt und diskutiert aufgebracht mit der objektexfreundin.
"haben die noch was miteinander?" wispert der luxus-mann.
"nicht dass ich wüsste. könnte aber natürlich wieder passieren, die waren mal sehr verliebt."
nach einer gefühlten ewigkeit wendet sich die objektexfreundin ab und einem anderen bekannten zu.

"boah, sorry", sagt das objekt, dreht sich zu mir und grinst. "da haben wir ja die superkonstellation heute erwischt."
"ich dachte, ihr fickt gleich noch", haut der luxus-mann raus.
das objekt schaut konsterniert und ist erstmal sprachlos.
auweiha.
"darf ich vorstellen, das ist mein mann", sage ich. "markenzeichen ist seine unverblümtheit, die er ja eben schon unter beweis gestellt hat."
das objekt entspannt sich wieder ein wenig und lächelt, streckt dem luxus-mann die hand hin.
"hallo."
der luxus-mann zögert kurz, nimmt dann die dargebotene hand und schüttelt sie kurz.

das objekt beginnt in seiner tasche zu kramen und bringt eine zigarre zum vorschein.
"das ist eine echte kubanische zigarre", sagt es, zündet sie an und nimmt einen zug. dann reicht er die zigarre an den luxus-mann weiter.
"magst du?"
ein friedenspfeifchen, denke ich. typisch objekt, jetzt auf eine geste anstatt auf worte zu setzen.
der luxus-mann nimmt die zigarre, dreht sie nach allen seiten und nimmt dann ebenfalls einen zug.
"ich weiß nicht, ob die wirklich gut ist, ich kenn mich da nicht so aus. die hat mir meine frau geschenkt", sagt der objekt schnell. "aber ich mag das aroma."
"doch, das ist ne gute. als ich in kuba war, haben wir auch immer zigarren wie diese hier geraucht. das da ist schon was hochwertigeres. da kostet eine mindestens 15 euro."
"du warst in kuba?" fragt das objekt bewundernd.
und schwuppdiwupp ist das erste gemeinsame thema gefunden.
der luxus-mann erzählt von seinen kubanischen abenteuern und der zigarrenindustrie dort, das objekt steigt daraufhin mit seinem letzten thailand-urlaub ein. dabei wandert die zigarre zwischen den beiden herren hin und her wie ein joint.

"wie habt ihr euch denn nun eigentlich kennen gelernt", fragt mich das objekt nach einer weile.
ich schildere kurz die begegnung des besoffenen-asyls an meinem geburtstag und die darauffolgenden treffen, bei denen sich dann recht schnell sowohl die sexuelle als auch die intellektuelle stimmigkeit herauskristallisiert hatte. irgendwann übernimmt der luxus-mann, erzählt die geschichte weiter bis zum heutigen tage und nimmt dann auch recht nahtlos den übergang:
"und weil ich jetzt was für die morphine empfinde, hadere ich halt auch immer so ein bisschen damit, wenn du ihr vor der nase rumtanzt, weil sie immer erzählt hat, wie positiv sie dich sieht, und das beruht glaub ich auch auf gegenseitigkeit, wenn ich euch hier so zusammenstehen sehe."
das objekt überlegt kurz und sagt dann zu mir:
"morphine, gehst du uns bitte mal zwei bier holen?"

die wollen mich wegschicken. fuck.
"ähm, das ist jetzt aber sehr unangenehm für mich", sage ich.
"bitte", sagt das objekt. "bundesliga-gespräche. da redet es sich leichter, wenn die frau nicht zuhört."
"boah, das ist echt unfair!" nöhle ich noch ein bisschen, nehme den beiden aber dann die leeren pfandbecher aus den händen.
"morphine, sieh das bitte nicht negativ, ich werde auch eine lanze für dich brechen, wenn es notwendig ist", sagt das objekt ernsthaft.
dann verziehe ich mich, pochenden herzens.
vertrau dem luxus-mann. er wird dich nicht verlassen, auch wenn das objekt wilde geschichten erzählen sollte. schließlich kennt er fast alle wilden geschichten schon aus deinem mund.
und hey, vertrau auch dem objekt. das hat den durchblick und wird die situation schaukeln, so wie es schon oft situationen für dich geschaukelt hat.

ich gehe auf toilette und bier holen. zehn minuten später kehre ich zur bundesliga-runde zurück.
"die morphine ist extrem intelligent", sagt das objekt gerade, "oft hab ich mich wie ein dummer bauer neben ihr gefühlt."
dann bemerken mich die beiden.
"wir reden gerade über dich", sagt das objekt.
"das hat sie schon geschnallt", hilft der luxus-mann aus.
"ja ich bin so intelligent, dass sich das objekt wie ein dummer bauer neben mir gefühlt hat", wiederhole ich grinsend die objektiven worte.
"ich finde das enorm von dir, diese kleine zusammenführung hier", sagt das objekt.
"ich dachte halt, das ist sonst für beide komisch... zunächst für meinen mann, weil er weiß, dass du hier noch rumspukst und auch manchmal in meinem kopf und er das natürlich bisweilen merkt.... und auch für dich muss es komisch sein, uns hier so zu begegnen und nicht zu wissen, soll ich hallo sagen, haut er mir dann eine, ist das ein arsch oder ein netter, und überhaupt, was weiß der von mir und was denkt der über mich?"
"das macht dich aus", sagt das objekt und schenkt mir einen warmen blick. "ich glaube nicht, dass meine frau diese offenheit aufbringen würde."
"eher nicht", sage ich einen tick zu bissig und das objekt lächelt gequält.

"ich schmeiß mal meinen marktwert auf die tanzfläche", sagt das objekt nach kurzem schweigen.
es tätschelt dem luxus-mann die schulter:
"bis nachher."
dann verschwindet es nach drinnen.
"du willst jetzt sicher wissen, was wir über dich geredet haben", sagt der luxus-mann, als das objekt außer hörweite ist.
"naja", sage ich, "natürlich bin ich neugierig, aber ich bin auch in der lage, euch euer kleines männergeheimnis zu lassen."
"auf jeden fall ist der schon interessant."
"das ist er."
"obwohl ich ja zuerst dachte, der sei oberflächlich. wie er so mit seiner ex rumstand, so breitbeinig... und einen auf dicke hose gemacht hat."
"soso."
"das ist jetzt nicht negativ gemeint."
"du, das war dein erster eindruck, und der hat seine berechtigung. du musst niemanden toll finden, nur weil ich den mag."
"ich kann jetzt jedenfalls total verstehen, warum er dir so wichtig ist."
ich bin total perplex:
"echt?"
"ja, er hat mir erzählt, wie er dich so aufgefangen hat, als es dir so schlecht ging und du so viel an suizid gedacht hast. dass es manchmal wirklich extrem schwierig mit dir war. aber dass da trotzdem immer so viel von dir zurückkam, dass es sich auch für ihn immer gelohnt hat, dein freund zu sein."
"ja, das hat er. er hat mir bestimmt zwei- oder dreimal das leben gerettet."
"und genau da hab ich respekt vor, weißt du?"
ich nehme den luxus-mann in die arme und gebe ihm einen kuss.
"das zeichnet dich aus."

der luxus-mann lehnt sich an mich und ich spüre, wie betrunken er ist.
"ich hoffe, du bist glücklich mit mir", sagt er.
"ja", sage ich. "sehr."
eine weile stehen wir so da, dann sage ich:
"wollen wir wieder reingehen, mir ist kalt."
"ja, komm, los. ich brauch noch ein bier."
"das wie vielte ist das?"
"weiß nich?"
"das zehnte oder eher das fünfzehnte?"
der luxus-mann pufft mich.
"aua."
"nicht so frech, mein frollein."

während ich den luxus-mann beobachte, wie er zur bar schwankt, geht das objekt in der ferne vorbei und zwinkert mir zu.
was auch immer es dem luxus-mann gesagt hat, es hat offenbar ein mittleres wunder bewirkt.



Donnerstag, 8. Dezember 2016

battlefields

gestern die große aussprache. konstruktiv, freundlich.
der luxus-mann hat seinen zorn hinuntergeschluckt und beschreibt seinen gedanklichen mechanismus:
"wenn die gedanken erstmal anfangen zu rattern, dann suchen sie was, was nicht zusammenpasst. eine nachricht von dir und etwas, was du mal gesagt hast, oder auch, wenn du eine nachricht mehrere stunden lang nicht beantwortest, weil du mal wieder auf piste bist und nichts mitkriegst. und wenn dann ein widerspruch gefunden ist, ist ganz klar: du hast mich angelogen und beschissen."
"aber du bist doch ein intelligenter mensch, kommst du nicht auf den trichter, dann auch über weniger schreckliche alternativen nachzudenken?"
"nee. ich steck dann total fest da drin. das ist dann eine gewissheit für mich."
"krass. aber du weißt schon, dass das echt ein bisschen irre ist?"
"naja."

"ich will halt nicht, dass wir uns mal wegen so ner kleinigkeit trennen", sagt der luxus-mann. "weil ich koche dann hoch, dann beschuldige ich dich, und dann kochst du hoch, und dann denke ich, was ne dumme schlampe, soll sie sich doch nen anderen schwanz suchen."
"und hast du ne idee, wie wir das verhindern können? ich kann schon versuchen, mich nicht so aufzuregen, aber ich kann das halt immer nicht garantieren, genauso wenig, wie du mir garantieren kannst, mich nicht mehr anzumachen."
"ich hab manchmal den eindruck, du bist auch immer noch sauer auf deinen ex da."
"kann schon sein. ich gebe zu, dass mich diese beziehung in gewisser hinsicht wohl traumatisiert hat. deswegen reagiere ich vielleicht auch so über."
"warum hast du das solange mitgemacht?"
"weil ich immer dachte, ich sei schuld. weil ich nicht genug liebesbeweise erbringen konnte. dabei habe ich gar nicht gemerkt, dass mein krampfhaftes bemühen und duckmäusern nur dazu führte, dass das alles immer schlimmer wurde. als ich dann endlich frei war, habe ich mir geschworen, dass mir das nie wieder passiert. dass ich eifersüchtigen typen künftig gleich zeige, wo der hammer hängt."
"du kannst echt hart und barsch sein."
"ja, weiß ich. tut mir leid."
"ich kann dich aber auch verstehen. meine ex hat mich ja auch immer so eingeschränkt. also nicht mit eifersucht, aber so sachen, weißte, das bild da drüben zum beispiel, das musste ich wegen ihr abhängen... und meine musik hat sie gestört... und lauter so kleinigkeiten. dabei ist sie hier eingezogen, weil sie pleite war und hätte eigentlich froh sein können, ein dach über dem kopf zu haben."

"jedenfalls ist das meines erachtens der hauptgrund, warum ich so reagiere", sage ich. "meine angst, wieder so sehr meine freiheit zu verlieren. deshalb musst du wissen, dass ich auch in einer beziehung mit dir nie aufhören werden, hin und wieder alleine auszugehen oder meine freunde zu treffen. das habe ich mein leben lang so gemacht, und das werde ich nicht aufgeben."
"das will ich auch gar nicht."
"dann starte doch nicht jedes mal so eine inquisition - wer, wann, was, wo, wie, warum, weshalb."
"ich versuchs."
"und wenn du es brauchst, dann versuch doch einfach mal, mich dabei nicht wie eine schwerverbrecherin zu behandeln."
der luxus-mann schmunzelt.
"mach ich das?"
"ja. du bist ganz kalt und bedrohlich, ich bekomme dann angst vor dir."
"aber ich droh doch gar nicht und verbiete dir auch nichts."
"naja, das wär ja auch die höhe. aber wie du mich dann anschaust und wie du dinge sagst, so voller verachtung. das ist nicht gut für mich, das macht mich sehr, sehr traurig."
"das will ich nicht. du bedeutest mir doch was."
ich muss lächeln.
"das ist schön. aber ich möchte nicht, dass aus 'du bedeutest mir was' so eine ungesunde fixierung wird. geh du ruhig auch bitte mal wieder alleine aus oder mit deinen kumpels. ich finde, du vernachlässigst das. ich möchte nicht wieder zu so einem undefinierten totalen wir verschmelzen. das ist nicht mein ding."
"das ist ja auch nicht mein ding."

"und, wie sieht der masterplan nun aus?" fragt der luxus-mann.
"wir könnten uns ja so eine art brief schreiben. den lesen wir immer dann, wenn wir ausrasten und unterbrechen so die gedankenkette, dachte ich mir."
"das funktioniert doch nicht. dann denk ich bloß, was für ein schleimiger scheißbrief."
"weißt du was besseres?"
"mich würde das am meisten beruhigen, wenn wir uns dann sehen."
"von mir aus. wenn wir uns sehen, klappt das ja immer besser als mit whatsapp. aber du musst mir versprechen, dass du dann nicht irgendwas schlimmes machst."
"was denn?"
"schlagen oder sowas."
"hab ich noch nie! echt nicht! kannste alle meine frauen fragen."
"na gut. dann machen wir das. und was, wenn dir nachts um drei einfällt, dass du mich sehen musst, weil du dir was einredest?"
"dann rufe ich an."
"nee klar. da schlafe ich. dann hab ich das telefon lautlos und hör das nicht mal."
"hm."
"spatzi, ich habe den anspruchsvolleren job von uns beiden", grinse ich. "und unausgeschlafen sein wegen hirngespinsten kann ich mir nicht leisten."
"du hast nen anstrengenden scheißjob."
"nächste woche bin ich auch wieder auf geschäftsreise."
"oh nein."
"oh doch."
"wo?"
"ruhrpott. gibt aber weihnachtsfeier da."
"trotzdem kacke. ich würde nie rumreisen für meinen job."
"das musst du ja auch nicht, deine exceltabellen sind immer bei dir."
"ja, die sind wenigstens treu!"
"dann heirate die doch."
"heiraten ist was für spießer."
"dann passt das doch."
"du schreist nach einer bestrafung, hm?"
"hihi."
"dann leg dich gleich mal nackig aufs bett..."


Montag, 5. Dezember 2016

von 100 auf 0

seit unserer rückkehr vom meer läuft alles verquer. ha. reimt sich sogar, die scheiße.

obwohl der luxus-mann und ich in einer offen-festen beziehung (ich soll treu sein, am besten praktisch, er soll ficken dürfen, zumindest theoretisch) leben, habe ich gestern gewagt, einen lieben twitter-bekannten zum glühwein zu treffen.
platonischer- und angekündigterweise. ich soll ja transparent sein, damit vertrauen möglich ist. bla.
zuvor deswegen auch offen gelegt, wer das ist, wie alt, welcher beruf, familienstand, wie lange mir bekannt, in welchem ausmaß, wann wir uns treffen, wo wir uns treffen, etc.
soweit, so gut.

gegen 22 uhr - ich bin gerade auf dem rückweg - erreicht mich die erste nachricht des luxus-mannes.
ob ich denn immer noch beim glühweintrinken sei.
nein, schreibe ich zurück, gerade auf dem nachhauseweg.
ob ich es vergessen habe, fragt er.
hö? in der tat scheine ich etwas vergessen zu haben, kann mich an nichts erinnern, grüble panisch wie einst in meiner exbeziehung nach liebesschwüren, geburtstagen, zusagen und absagen jeder art.
du hast es vergessen, werde ich jetzt beschuldigt.
was denn?
du wolltest doch noch anrufen!
ich bin perplex.
wollte ich? hm. vielleicht hatte ich etwas ähnliches unbedacht in einem im potenzialis formulierten nebensatz erwähnt, also würde ich ihn halt in gottesnamen noch anrufen.

zuhause kommt mir erst mal meine mutter dazwischen, die verkündet, mein vater sei wieder im krankenhaus, aber bereits erfolgreich operiert, aus der narkose erwacht und in der lage, sich zu verständigen. ich freue mich kurz.
dann wähle ich die nummer des luxus-mannes.

"und?" fragt der als erstes.
"was?"
"wie wars?"
"normal."
"wie normal?"
"na ganz harmlos. total nett. wie das halt ist, wenn man freunde oder bekannte trifft."
"und sonst?"
"was und sonst?"
"was habt ihr so gemacht?"
"wir waren kurz glühwein trinken und dann noch in einer kneipe."
"kurz, das waren drei stunden!"
"wir waren ERST KURZ glühwein trinken, nicht LANGE, weils so kalt war, und sind dann noch in eine kneipe."
"was heißt kurz?"
"maaaaaaaaaann. ich hatte keine stoppuhr mitlaufen!"

angespanntes schweigen.
"war so klar, dass du wieder vergisst, was du versprochen hast!" kommt der nächste vorwurf.
"wieso? warum?"
"du wolltest anrufen!"
"kann mich nicht erinnern, etwas derartiges versprochen zu haben."
"doch."
"na gut, dann hab ich es meinetwegen vergessen. mea culpa. mein vater ist heute ins krankenhaus gekommen, da war ich möglicherweise von abgelenkt."
"war ja klar, ist ja immer so."
"du bist so konstruktiv, das liebe ich so an dir", spotte ich jetzt.
"du hast auch versprochen, dass du dir was einfallen lässt, damit ich nicht mehr eifersüchtig sein muss! und was ist? nichts."
"das ist nicht so einfach! das, was ich vorgeschlagen habe, wolltest du alles nicht. und wenn ich dir was sage, glaubst du es mir eh nicht. ich bin derzeit wirklich ratlos. ich will da mit meiner therapeutin drüber sprechen. mitkommen willst du ja nicht."
"nein. du bist krank, nicht ich."
"weißt du, viellleicht würde mir ja was einfallen, wenn du mich nicht permanent damit unter druck setzen würdest! alle paar tage fragst du: und? was ist jetzt? hast du dir was einfallen lassen? da vergeht mir echt die lust. das war aus liebe heraus gesagt, durchaus ernst gemeint, aber so schrumpft mir meine liebe weg und dann seh ich keinen grund mehr, warum ich genau wie in meiner letzten eifersuchtsbeziehung ständig was beweisen sollte. das ist zermürbend und erniedrigend, und ich lasse mich von keinem mann mehr so erniedrigen."

eisiges schweigen.
"und? wollen wir jetzt so ins bett gehen?" frage ich, denn die uhr zeigt mittlerweile fast mitternacht.
"hm."
schweigen.
"ist ja vielleicht auch quatsch, sich nach einem so schönen urlaub so zu streiten", deeskaliert der luxus-mann dann.
"find ich eigentlich auch", sage ich.
"sind ja auch nur kleinigkeiten."
"naja!"
"ich habe mich halt am samstag schon so über dich geärgert."
"warum? wir haben samstag doch noch telefoniert, da klangst du ganz entspannt."
"als du ausgestiegen bist, hast du nur deine sachen aus dem kofferraum geholt und bist dann ohne tschüß zu sagen gegangen."
"ich WOLLTE dir gern tschüß sagen, aber kaum hatte ich die kofferraumklappe geschlossen, bist du einfach weggefahren! ich hatte mich da auch kurz geärgert, weil ich es so unfreundlich und unangemessen fand. dann dacht ich, na gut, vielleicht bist du auch genervt und froh, wenn du deine ruhe hast und zuhause bist."
"ich hätte dich gern am samstagabend später noch gesehen."
"du hast gesagt, dass es dich nicht stören würde - das war deine wortwahl! danach hab ich gedacht, dann lieber nicht, bei so wenig begeisterung."
"aber du kennst mich doch."
"du erwartest von mir, dass ich dich kenne, und dass ich deine ganzen macken und despektierlichkeiten einfühlsam und wohlwollend ertrage, aber selber machst du mir permanent vorwürfe."

pause, dann:
"ich hab übrigens dienstag doch zeit", sagt der luxus-mann dann.
"ok."
"also du kannst dir überlegen, ob wir uns morgen, dienstag oder mittwoch sehen."
"ok. ich schau mal", sage ich mit recht wenig lust, den luxus-mann zu sehen.
"tschüß."
"gute nacht."

nachts wälze ich mich von einer seite auf die andere und der zorn kocht noch mal so richtig hoch in mir.
ich fühle mich gefangen.
stasiartig überwacht und verhört.
ich hätte einfach auflegen sollen!
warum lasse ich mich so unter druck setzen?
einfach ausbrechen!
lieber einsam als noch mal dieser terror.

gegen morgen ist meine wut am überkochen.
ich teile dem luxus-mann knapp mit, dass ich mittwoch vorbeischauen würde, wir dann reden können und ich ggf. meine sachen erstmal mitnehme. und dass er bis dahin nicht mit allzu viel euphorie meinerseits rechnen sollte. 
seither hageln äußerungen des unverständnisses auf mein handy ein.
ich lese sie nicht mehr, schotte mich komplett ab.
irgendwie muss ich jetzt diesen arbeitstag überstehen, ohne sichtbar vor allen kollegen zu heulen.




Samstag, 3. Dezember 2016

meer als alles auf der welt


ist dir eigentlich klar, wie sehr es mich am arsch kriegen wird, wenn das hier mal zu ende ist?
acht monate. wie im flug vergangen.
und dann dieser urlaub. wie eine welle, die über den sand schwappt und dann noch einen kurzen moment glitzert, bevor sie im grund verblubbert. ein nasser fleck, der bleibt, der dazu einlädt, mit der fingerspitze schnell ein herz hineinzumalen.