Montag, 7. November 2016

in between

als ich samstag in der u-bahn sitze und zum luxus-mann fahre, schreibt mir das objekt:
"ich habs getan, ich habs getan, ich hab meine langen haare abgeschnitten!"
ich bin entsetzt:
"was?! warum???"
"war an der zeit", schreibt das objekt zurück. "jim morrison ist tot."
"will ich sehen!!"
das objekt schickt ein foto. statt der langen mähne hat es nun einen angedeuteten irokesenschnitt.
"weiß nicht, ob ich das hübsch finde, aber deine mutter freut sich bestimmt", kommentiere ich das bild.

als der luxus-mann mir die tür öffnet, stehe ich gerade mit dem handy da und drücke auf senden.
"na, wem schreibst du?"
"dem objekt", sage ich frank und frei.
"wie? wieso habt ihr kontakt?"
"warum sollten wir denn keinen haben? ab und an schreiben wir halt mal. immerhin haben wir nicht nur fünf jahre gefickt, sondern waren auch eng befreundet."
"das finde ich schräg", sagt der luxus-mann.
ich zucke die achseln.
"ansichtssache. du schreibst doch auch mit deinen exfrauen."
"ja, wegen der kinder!"
ok, ist ein argument.

wir trinken einen wein und rauchen einen joint. der luxus-mann fragt mich weiter nach dem objekt aus.
"du willst noch was von dem", sagt er ein ums andere mal.
ich erkläre ihm zum gefühlt eine millionsten mal, dass unsere liebe vergangenheit ist, dass ich es aber sehr begrüße, aktuell freundlichen sms-kontakt zu haben und mir keine sorgen mehr machen zu müssen, dass es mich auf gemeinsamen events lynchen möchte. und dass, egal was passiert, ich mich für die luxus-beziehung entschieden habe.
das alles zieht ungehört am luxus-mann vorbei. vorwürfe und wilde spekulationen hageln auf mich ein.
irgendwann schweige ich, weil ich vollkommen erschöpft und frustriert bin.
"siehst du, jetzt streitest du es nicht mehr ab!" triumpfiert der luxus-mann.
nun raste ich aus und schreie ihn an:
"weils doch scheißegal ist, was ich dir sage, du vertraust mir nicht, und verdammt noch mal, weißt du, wie sehr du damit provozierst, dass ich dir bei der nächstbesten gelegenheit so richtig grund zum misstrauen gebe?! und glaub mir, ich mach das dann nicht, weil ich so versessen drauf wäre, sondern einzig, um dir damit wehzutun!"

der luxus-mann ist konsterniert und blinzelt verwirrt, weil er solche ansagen von mir nicht kennt.
"das will ich nicht. tut mir leid, wenn ich übers ziel hinausgeschossen bin. komm, wir gehen los, du willst doch noch auf dein konzert."
ich, jenseitiger als jenseits aller party- und konzertlaune, sage:
"ich fahre jetzt nachhause."
"warum denn?" will der luxus-mann wissen.
ich schaue ihm ins gesicht, gefasst darauf, häme und zynismus zu sehen, aber er scheint ehrlich erstaunt.
"mein abend ist gelaufen, ich bin total traurig und sauer, was soll ich da auf einem scheißkonzert?"
"wieso bist du jetzt traurig?" ist der luxus-mann verblüfft.
"weil ich seit zwei stunden versuche, dir klarzumachen, was du mir bedeutest. ich gebe jetzt auf. ich kann nicht mehr. ich will jetzt meine ruhe und dich nicht mehr sehen."

der luxus-mann schaut mir mit offenem mund zu, wie ich meine sachen packe und in jacke und stiefel schlüpfe.
"aber du hast dich doch so auf das konzert gefreut", sagt er.
"ja, extrem sogar, weils eine großartige band ist. aber alles, was ich mir jetzt wünsche, ist allein zu sein und dich nicht mehr sehen zu müssen."
der luxus-mann hält mich fest.
"es bricht mir das herz, dich so traurig und verletzt zu sehen."
"wo hast du denn den spruch her, zu viel rosamunde pilcher gelesen?!" spotte ich.
dann halte ich inne. ich kann den gesichtsausdruck des luxus-mannes nicht deuten. verletzung, hilflosigkeit, nichtbegreifen. schwer zu definieren.
"oder war das jetzt ehrlich gemeint?" hake ich nach.
"finds raus", sagt der luxus-mann geheimnisvoll.

ich setze meine rucksack ab.
"gib mir einen grund, warum ich jetzt auf dieses konzert mit dir gehen sollte."
"weil ich möchte, dass es dir gut geht und du glücklich bist."
das klingt so ernsthaft und ehrlich, dass ich einknicke.
"ok", sage ich, gehe ins bad und erneuere mein make-up.
starten wir das experiment: sauer und zerstritten auf ein konzert gehen.

auf dem weg legt der luxus-mann den arm um mich.
"was ist los?" frage ich.
"ich hab ja was wieder gutzumachen", sagt er schüchtern.
der erste impuls in mir schreit: spar dir dein rumgeschleime.
der zweite flüstert mir: nimms mit, das steht dir jetzt zu. soller sich mal mühe geben.

am eingang zahlt der luxus-mann zwei eintritte und fragt mich dann, ob ich etwas trinken mag.
langsam nehme ich ihm die ernsthafte zerknirschtheit ab.
als wir an der bar stehen, bittet mich der luxus-mann:
"sei bitte nicht immer so sauer, wenn ich eifersüchtig bin."
"ich gebe ja zu, dass ich da sehr leicht an die decke gehe. aber ich habe diese eifersuchts-soße eben schon mal durch, ich habe mich damals so sehr eingeschränkt und war damit so unglücklich, und ich reagiere deswegen absolut allergisch darauf."
"siehst du, und ich habe eben betrug erlebt und habe zwei jahre lang ein mieses spiel mitgespielt. da reagiere ich nun mal allergisch drauf."

ich überlege angestrengt.
"kannst du mir mal ehrlich sagen, warum du dann eine offene beziehung mit mir eingegangen bist?"
"ich will da ja toleranter werden. ich muss meine gefühle unterdrücken."
"das ist doch bullshit. die gefühle sind da. das ist bei mir doch ganz genauso. die frage ist aber, was man mit diesen gefühlen macht. ob man sich verhält wie ein terrorschwein und dem anderen alles verbietet und zunichte macht, oder aber ob das in eine gemäßigte reaktion umgeleitet wird. ich verlange nicht von dir, dass du nicht eifersüchtig sein darfst, aber ich möchte, dass du dir überlegst, wie dein verhalten bei mir ankommt. ich bin leider nicht die stabilste, das weißt du, und gerade wenn ich wie jetzt auch noch beruflich unheimlich gefordert bin, dann bin ich noch dünnhäutiger als sonst.
"versteh ich."
"ich weiß ja auch drum. nervt mich selber auch. ich habe gestern wieder mit meinen tabletten angefangen."
"aber du sollst dich nicht zudröhnen."
"ich bin dann aber anstrengend."
"na und? steh doch zu dir. wenn du sauer bist, sei sauer und schrei mich an. wenn du traurig bist, sei traurig. aber drück das doch nicht weg."

dafür liebe ich dich so, denke ich und nehme den luxus-mann spontan in den arm.
"sorry", sage ich dann. "du magst das ja nicht."
"doch, ist schon ok. nur bei fickbeziehungen finde ich das überflüssig."
"heißt das, wir haben jetzt eine emotionale beziehung?"
der luxus-mann zuckt die achseln.
"ja, nein, vielleicht. gefühlt wahrscheinlich schon."
"und das heißt?"
"wenn du mich bescheißt und mir das nicht sagst, ist es aus."
mir klappt die kinnlade runter.
"ok, und wenn ich dich bescheiße und es dir sage?"
der luxus-mann windet sich.
"kann ich dir nicht versprechen, wie ich drauf reagiere. wahrscheinlich nicht positiv."
"das heißt, ich habe ja keine wahl und muss dir treu sein."
"nein, das sollst du nicht müssen, ich muss einfach toleranter werden."
"und wie soll das gehen?"
der luxus-mann schaut hilflos:
"ich bin halt nicht so locker wie du. ich wärs total gern und würde das unbedingt lernen wollen."
"naja, so wie sich die dinge entwickelt haben, bin ich da wohl kein gutes übungsobjekt mehr?!" lache ich.

zuhause setzen wir uns noch einmal zusammen auf die couch.
"pass auf", sage ich. "ich möchte, dass du dir zwei dinge überlegst, bis ich übernächste woche wieder von meinen reisen zurück bin. zum einen, ob du die offene beziehung halten möchtest oder ob du was festes brauchst. fest heißt dann aber auch, dass ich es nicht tolerieren werde, wenn du rumfickst. eine feste beziehung war nie mein ziel, aber du wärst es mir wert, dass ich mich festlege."
"und das zweite?"
"wenn du dich für was offenes entscheidest, überlege dir genau, ob du es wissen willst, wenn ich fremdgehe. wenn du es wissen willst und ich es dir erzähle, und du machst dann schluss, weil du mir nicht mehr vertrauen kannst, hat keiner was davon. dann ist es besser, wir einigen uns auf schweigendes genießen."
der luxus-mann nickt.
"das macht sinn."
"nimm dir zeit und überleg dir das die nächsten beiden wochen, in denen ich nicht da bin. vielleicht ist es ja auch eine gelegenheit, mal alleine auszugehen und irgendwo einzulochen. nur, damit du es mal hattest und mir nicht mehr dauernd in den ohren liegst, dass ich dir viel zu früh passiert bin."

im bett darf ich mich wie immer neuerdings in die armbeuge des luxus-mannes kuscheln. der luxus-mann schnarcht nach 30 sekunden, während ich eine ganze weile wachliege. dann stehe ich noch mal auf und schalte das handy aus, weil ich angst habe, dass das objekt mir noch mal schreiben könnte.

ob ich den kontakt zum objekt jetzt ganz abbrechen muss? frage ich mich. und wenn ich dies täte, wäre das dann nicht der freibrief für den luxus-mann zu verlangen, dass ich sämtliche weiteren kontakte zu meinen männlichen freunden und bekannten einschränken oder gar einstellen muss? werde ich am ende das erleben, was ich schon mal erlebt habe, wenn ich der eifersucht des anderen nachgebe?

ich habe angst um meine freiheit.
ich habe aber auch angst, den luxus-mann zu verlieren.
ich möchte nicht, dass eine banale objektive sms irgendwann unsere beziehung zerstört.
aber ich möchte mich auch weiterhin darüber freuen, dass das objekt mir ab und an schreibt. und ich möchte auf gar keinen fall meine männlichen freundschaften wie zum beispiel zur lederjacke oder zu v. aufgeben.

es wird ein balance-akt werden. irgendwo dazwischen.




1 Kommentar:

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