Montag, 31. August 2020

die grufti-mutti

während ich mit 11 oder 12 jahren noch gerne poppig-souliges zeug hörte und jeden samstag gespannt auf die chartshow bei mtv wartete, wandelte sich mein musikgeschmack mit 13 von grund auf. über grunge und punk landete ich mit 14 oder 15 bei düsterem zeug wie sisters of mercy, the eternal afflict, silke bischoff und anderem gothic- und darkwave-kram. 

während meine mutter meine grünen haare, die kaputten jeans und die abgerockten kapuzenpullis aus meiner grunge-phase weniger gut fand, war sie von meiner hinkehr zur schwarzen szene regelrecht beglückt. meine burgfräulein-kleidchen und langen samtmäntelchen fand sie "elegant"und "süß". 

kurzum, die zeit der rebellion war schlagartig vorbei. egal, was ich ausprobierte - fast alles fand ihre zustimmung. zum geburtstag stapelten sich auf meinem gabentisch neben büchern und cds auch sachen wie netzstrumpfhosen oder schwarze unterwäsche - von meiner mutter höchstpersönlich ausgesucht. irgendwann resignierte ich und fand es sogar ganz angenehm, nicht mehr ständig streiten und kämpfen zu müssen.

eines tages war es dann soweit und deine lakaien, die ich damals sehr mochte, gastierten in meiner heimatstadt für ein konzert.

"kenn ich die", fragte meine mutter interessiert, als ich davon erzählte. 
"weiß nich", sagte ich.
"spiel doch mal eine cd von denen!"

und so nahm das unglück seinen lauf. denn meine mutter fand, der sänger habe "eine sehr schöne stimme" und sähe "interessant" aus. mir schwante übles.

kurz darauf eröffnete mir meine mutter, dass sei keine gute idee sei, wenn ich als minderjährige nachts alleine in einem finsteren industriegebiet herumtappe. ergo würde sie mich zu dem konzert begleiten!

"mama... das ist aber peinlich!"
"keine sorge, bienchen. ich stell mich schon nicht neben dich, ich nehm noch jemanden mit. aber wir fahren da gemeinsam hin und auch wieder nachhause! sonst verbiete ich dir das!"

und so kam es, dass ich zusammen mit meiner mutter auf ein deine lakaien-konzert musste. als neutralisierende begleitung hatte sie für diesen abend meinen onkel gewählt, weil der ein auto hatte und uns fahren konnte. 

rein optisch betrachtet passte mein onkel noch recht gut ins bild. er war ein exzentrischer mann mit langen weißen haaren und bart. im dunklen anzug machte er eine ausgesprochen passable figur. meine mutter allerdings stach aus der masse heraus wie ein glühwürmchen aus der finsteren nacht: sie trug wie immer ihre perlenkette und eine bunte bluse.

"boah mama, die perlenkette geht echt gar nicht", nörgelte ich.
"NEIN?! aber warum denn nicht?" war meine mutter sehr überrascht.
ich entschloss mich dazu, nicht weiter zu diskutieren und mich einfach möglichst weit weg von den beiden zu postieren.

das konzert konnte ich so jedenfalls überhaupt nicht genießen. zu groß war die angst, plötzlich auf jemand bekanntes oder gar auf einen beflirtenswerten grufti-typen zu treffen. als sich das ende des konzerts abzeichnete, schlich ich daher zu meiner mutter und bat sie, dass wir uns schon mal richtung ausgang orientierten.

"aber warum denn? ist doch soooo schön!" fand meine mutter.
"aber gleich gibts voll den stau an der garderobe!" versuchte ich, ein glaubwürdiges argument zu finden.
"nein, also WIR warten noch auf die zugaben!" blieb meiner mutter standhaft.

und so war es dann auch. meine mutter, das glühwürmchen mit der spießigen perlenkette, klatschte frenetisch und brüllte nach jedem song aus voller kehle "zugabe!!!". sie war definitiv der bessere fan von uns beiden.

im auto später seufzte sie selig und fand: "das war wirklich wunderbar. wenn die mal wieder kommen, geh ich da auch wieder hin!"

was mir als teenie wahnsinnig unangenehm war, finde ich heute sehr niedlich. sollten deine lakaien noch einmal ein konzert in meiner heimat geben und ich gerade anwesend sein, würde ich meine mutter fragen, ob sie da hin will. 
wenns sein muss, sogar mit perlenkette und bunter bluse.

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