Dienstag, 4. Oktober 2016

besetzt

am samstag stehe ich im club, als mich ein typ - ungefähr in meinem alter und im curt cobain-look - anspricht.
"hey, ich kenn dich doch aus dem docks!"
ich gucke verständnislos.
"im docks war ich zum letzten mal vor sechs jahren."
der typ ist irritiert.
"doch, letztes jahr im frühjahr, da haben archive gespielt!"
"archive haben in der freiheit gespielt. da war ich tatsächlich."
"stimmt! du standest eine weile neben mir und bist dann gegangen."
"ja, neben mir stand so eine gruppe von idioten, die die ganze zeit gequasselt haben, das hat mich gestört."
curt guckt betreten.
"das waren meine kumpels. die waren damals schon ziemlich hacke. ist mir aber auch unangenehm aufgefallen. tut mir echt leid."
"ist verjährt", sage ich großzügig. "aber damals hab ich mich tierisch geärgert."
"sorry, echt, ich fand das auch ziemlich daneben, wie die sich aufgeführt haben."
"schon gut."

"trinkst du was mit", frage ich und ordere ein bier.
"ich trinke keinen alkohol", sagt curt.
"oh."
"ja, ich weiß."
"beneidenswert."
"warum? ist manchmal ziemlich schwierig, die ganzen besoffenen leute nüchtern zu ertragen."
"glaub ich dir. fällt mir besoffen schon schwer."

curt geht zur toilette. ich checke das handy. der luxus-mann hat geschrieben und ist auch gerade online.
"was für ein tier bin ich für dich", hatte ich ihn gefragt.
"ein karnickel", schreibt er nun zurück. "das sich am liebsten den ganzen tag von der ganzen herde durchnehmen lässt."
"dann bist du n rammler", antworte ich. "der super-rammler."
"gar nicht", schreibt er zurück.
"wohl!"
"gar nicht!" und es folgen ein paar wut-smilies, aber ein zwinker-smilie am ende.

curt kommt zurück. wir setzen uns in die sofalandschaft. es stellt sich raus, dass er ganz passend zu seinem nirvanaesken äußeren in der musikbranche arbeitet. ich erzähle aus meiner zeit in der musikredaktion und wir landen beim thema "miese bezahlung für viel arbeit", was wohl auch im musikvertrieb so zu sein scheint.
"schreibst du noch über musik?" will er wissen.
"nee. hab mich mit dem ressortleiter angelegt, dem passte mein musikgeschmack nicht."
"die wollten nur mainstream?"
"exakt. also es stellte sich eher so hintenrum heraus. erst hieß es, alles erwünscht, völlige thematische freiheit, und dann wurde es einfach nicht gedruckt. und dann hast du dir nen ganzen tag arbeit gemacht und bekommst nicht einen cent."
"das kann ich mir bei einer so großen zeitung gar nicht vorstellen."
"doch. das sind geschmacksfaschisten. reaktionär im inhalt, aber sehr fortschrittlich in der ausbeute der mitarbeiter. und für sowas arbeite ich nicht. ich bin dann woanders im filmressort eingestiegen und habe da zwei jahre hin und wieder gearbeitet."
"auch cool."
"ja, gibt auch nur sehr wenig kohle, aber man kommt wenigstens immer kostenlos ins kino. und kriegt jede menge goodies. ich hatte so viele 3d-brillen, das kannst du dir nicht vorstellen, ich hab da neulich einen ganzen haufen weggeschmissen."

irgendwann ist es sechs uhr morgens.
"wir schließen!" ruft der barkeeper.
dann stehen wir auf der straße.
"sehen wir uns mal?" fragt mich curt.
"können wir gern machen", sage ich. "aber ich habe so was ähnliches wie einen freund, der mir ziemlich am herzen liegt."
curt überlegt kurz.
"mit dir kann man sich gut unterhalten, ich fände das daher trotzdem schön."
"in ordnung. ich will dir bloß kein falschen hoffnungen machen."
"ist angekommen", sagt curt etwas zerknirscht, gibt mir dann aber seine telefonnummer.

zuhause schreibe ich dem luxus-mann:
"habe einen typ kennen gelernt! mit LANGEN haaren, so wie mein ex, den du so schön findest. aber ich habe ihm dann gleich deutlich gemacht, dass er gegen dich super-rammler keine chance hat."
als antwort bekomme ich ein selfie: der luxus-mann im luxus-bett seines luxus-hotels, grinsend, mit daumen hoch.


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