Mittwoch, 30. Januar 2019

sich arrangieren

obwohl ich zurückhaltend bin und meine wünsche eher vorsichtig äußere, habe ich mich zeitlebens für nicht besonders diplomatisch gehalten. jedenfalls kam es schon vor, dass ich zu forsch war und anderen damit auf die füße gelatscht bin. meiner mutter zum beispiel, die mich dann gern mal verkloppt hat für dinge, die ich als kleines kind schlichtweg nicht verstanden hatte. seither habe ich immer angst, meine bedürfnisse durchzusetzen, vor allem bei menschen, von denen ich weiß, dass sie mir nicht gewogen sind.

interessanterweise komme ich mit der gespielin in sachen kompromissfindung klar. die besuchserlaubnis wurde verlängert, und ich habe sogar konkrete angaben, wann ich den besuch anmelden und mit ihr abstimmen kann. besser gehts nicht. so viel klarheit macht mich ruhig.

schwierig ist es überraschender- und auch wieder nicht überraschenderweise mit dem luxus-mann. obwohl das objekt durch den unfall vom bildschönen, muskelbepackten hünen zu einem totenblassen klappergestell mutiert ist, das kaum sprechen, nicht gehen, nicht essen und wahrscheinlich auch nie wieder ficken kann, schlägt mir unverständnis entgegen, als ich sage, dass ich es in ein paar wochen wieder besuchen will.

"ich dachte, das wär ne einmalige sache", raunzt der luxus-mann ungehalten.
"nö", sage ich frank und frei. "das wär vielleicht ne einmalige sache geworden, wenn er sich lediglich die beine gebrochen hätte oder ähnliches. aber er ist ein pflegefall! und vielleicht wird das immer so bleiben."
"seine freundin wird dir was erzählen, wenn du dich da so aufdrängst!" sagt der luxus-mann ziemlich aggressiv.
"seine freundin stellt sich nicht so an, die hats mir schon erlaubt!" pfeffere ich zurück.

der luxus-mann schaut zweifelnd.
"was stört dich denn so sehr daran, wenn ich ihn alle paar wochen mal besuche?" frage ich. "ich meine, ich zieh mich da doch nicht nackig aus und hühner mit dem rum! ich bin froh, wenn ich das verstehe, was er da so nuschelt und wenn ich bewirken kann, dass er sich freut und sich für kurze zeit mal nicht alleine fühlt."
"ich finde halt, du übernimmst dich", sagt der luxus-mann.
"inwiefern?" erwidere ich verdattert.
"du sagst, du fühlst dich schwach und schwindelig, vor ein paar wochen bist du zusammengebrochen und im krankenhaus gelandet, weil dich das objekt so stresst..."
"ich hatte nicht wegen dem objekt stress, sondern weil die situation so fürchterlich und so ungewiss war und ich bezweifelt habe, dass ich mit meinem anliegen bei seiner freundin und seiner familie durchkomme. weil ich für ihn da sein wollte und erstmal nicht konnte. inzwischen fühle ich mich ganz gut."
"ich glaube trotzdem nicht, dass seine freundin das gut findet, wenn du da dauernd hinfährst."
"das ist mir egal. wenn sie das nicht gut fände, hätte sies mir ja verbieten können. jetzt hat sie ja gesagt, und damit ist das für mich ok. über mögliche ungeäußerte befindlichkeiten zerbreche ich mir nicht den kopf. für mich zählt das wort."

der luxus-mann überlegt, aber es fehlen ihm sachliche argumente, die er ins feld führen könnte.
"wie gesagt, der kann nicht ficken", betone ich noch mal und kichere: "selbst falls sich da noch was regen würde, da steckt n katheder drin."
"man braucht ja nicht zwingend einen schwanz, um sex zu haben", merkt der luxus-mann an.
ich seufze genervt.
"versuch dir mal vorzustellen, du kannst nicht essen, nicht alleine kacken gehen, nicht rumlaufen, nicht lesen und liegst den ganzen tag nur im bett, hast nen schlauch im schwanz stecken und siehst aus wie der tod auf zwei beinen, weil du eine lungenentzündung nach der anderen hast. dann kommt eine frau und sagt, hey, lass uns fummeln. glaubst du ernshaft, dir wäre danach?"
"was weiß ich!"
"und denkst du, mir wäre danach, wenn ich diese hilflose, ausgemergelte gestalt sehe, dieser anblick, bei dem ich aufpassen muss, nicht loszuheulen?"
"du bist strange und nymphoman, dir trau ich alles zu. außerdem isses dein objekt. du liebst es."

ich merke, wie mich die diskussion ermüdet und ich aufpassen muss, nicht gleich stocksauer zu werden. schließlich bin ich auf kooperation angewiesen.
"du hast verlustängste und ich verstehe das beim objekt sogar. aber ich liebe jetzt dich und ich werde dich nicht wegen dem objekt verlassen", sage ich.
"naja, wir werden sehen", meint der luxux-mann nur angefressen.

ich fürchte, es werden also noch längere debatten zu führen sein, in der hoffnung, dass ich den luxus-mann an den gedanken gewöhnen kann, dass ich das objekt ab und an besuche.
daumendrücken erwünscht.




Samstag, 26. Januar 2019

the visit

gegen mittag mache ich mich auf, um das objekt erstmals zu besuchen.
in der bahn ist mir schon wieder übel vor anspannung, meine hände schwitzen ekelhaft. gleichzeitig sagt eine stimme in mir: vertraue ihm. vertraue dir. vertraue auf eure basis, die ihr immer hattet.
beruhigend im ohr habe ich auch die stimme der objekt-mama, mit der ich am vortag noch telefoniert habe: "du wirst sehen, er freut sich so sehr über jeden besuch, er genießt die anwesenheit der anderen person wirklich."

zwei stunden später bin ich mit meinem gefühlsmischmasch an ort und stelle. ein gottverlassener landstrich, in nebel und nieselregen gehüllt. glücklich ist hier, wer - anders als ich - ein auto hat.

ich gehe, wie mir die objekt-mama geheißen hat, die straße zu ende, bis ich vor einem gebäude mit glastür stehe. dahinter befindet die - ebenfalls gottverlassene - anmeldung. ich stehe eine weile doof herum, bis ich einen pfleger sehe. er ist ungefähr 2 meter groß und mit einem mächtigen kolkrabenschwarzen bart ausgestattet.
ich frage ihn nach dem objekt und habe glück: der pfleger ist unter anderem sowieso auch für das objekt zuständig und nimmt mich mit.
"er weiß, dass er besuch bekommt", sagt er mir auf dem weg.
"echt? haben sie ihm das gesagt?"
"ja, aber wir wussten nicht, wann genau sie kommen."

nachdem wir mehrere flure entlang gehastet sind, kommen wir zum objekt-zimmer. die tür ist ein stückweit geöffnet, der pfleger klopft trotzdem höflich an.
"hallo, ich hab da eine junge dame für dich. der besuch, der sich angekündigt hatte."

das objekt liegt in einer art gitterbett und guckt wie ein auto.
aber es wirkt wach, klar, aufmerksam.
"hallo", sage ich erstaunlich fest, und "warte, ich hol mir mal schnell den stuhl da aus der ecke."
stuhl holen, raus aus der jacke, fummelkram, hinsetzen.
konzentration.

"so, jetzt aber", sage ich.
das objekt starrt mich an.
"kannst du dich an mich erinnern?" frage ich es.
"nee", sagt es.
der moment, an dem mir eigentlich das herz in die hose rutschen hätte müssen, doch wider erwarten bin ich gefestigt.
"das ist nicht schlimm", höre ich mich sagen, "dann erzähl ich dir einfach ein bisschen von uns... wie wir uns kennen gelernt haben und so. ok?"
das objekt guckt immer noch sehr groß, greift dann völlig überraschend nach meinen händen und zieht mich näher heran. soviel scheint also doch wieder zu funktionieren.
"du... bist süß", sagt es unvermittelt.

ich muss schallend lachen.
"na, wir fanden uns auch mal ganz attraktiv", kichere ich.
das objekt schmunzelt mit.
"schöööön" sagt es indifferent und hält immer noch meine hände fest.
ich folge meinem nächsten impuls:
"magst du dich mal drücken lassen?" frage ich.
"jaaaaaa", nuschelt das objekt.
verdammtes gitterbett.
so gut es geht, krabble ich darüber und nehme das objekt richtig in die arme.
"schöööööön", sagt es wieder. und "gut gut".
ich weiß nicht, ob "gut gut" heißt, dass es so gut ist, oder dass ich jetzt besser mal aufhören soll, also löse ich mich kurz darauf wieder aus der haltung und krabble auf meinen stuhl.

meine hände kriege ich nicht zurück.
"kalt", sagt das objekt und meint damit meine finger.
"ist ja auch ein scheißwetter da draußen", sage ich. "es regnet."
"ja."
"aber manchmal finde ich regen auch ganz schön. ich mag das geräusch, wenns pladdert, das ist beruhigend."
"gut gut", sagt das objekt wieder, und dann: "mag ich nicht."
"den regen?"
"ja."
"hm. soll ich mal dein fenster zumachen? oder ist dir zu warm?"
"ja."
"was ja? fenster zu?"
"ja."
ich mache also das fenster zu.
"danke", sagt das objekt.
"jetzt hört mans nicht mehr pladdern. regen ausgesperrt!"
"regen.... ausgesperrt", wiederholt das objekt. "gut gut."

wir sitzen da, ich streichle die objekthände, nehme eine handfläche, lege meine wange hinein. das objekt grinst selig.
"erzählen", sagt es dann. "ich will mich... erinnern."
hm, womit fängt man da an? ich entscheide mich für den chronologischen weg, erzähle von der ersten begegnung im club, gerate dann irgendwann ins erinnerungsstolpern. aber ich war so schlau, blogartikel mitzunehmen. die zahllosen begegnungen, alle für die ewigkeit, wenn kleinbloggersdorf so will. endlich, endlich kann ich behaupten, dass bloggen keine zeitverschwendung ist.

"ich habe viel von uns aufgeschrieben", sage ich dann zum objekt. "soll ich dir das vorlesen?"
"jaaaaa. erzählen. vorlesen. danke."
und dann lese ich ein paar bloggeschichten, während das objekt meine hände hält und streichelt und mich unablässig konzentriert anstarrt.
ein paar mal sagt es zwischendurch "gut gut", "ok" und "danke", aber ich begreife irgendwann, dass es das sagt, um mir zu signalisieren, dass es zuhört.
"soll ich weiterlesen?" frage ich zwischendurch, weil ich angst habe, es überzustrapazieren, aber das objekt nickt wild:
"weiter!"

und irgendwann drückt es meine hände sehr fest und sagt recht unvermittelt:
"ich... erinner mich."
mein herz beginnt wie ein presslufthammer zu klopfen.
"du erinnerst dich? an mich?" quieke ich aufgeregt.
"ja."
ich habe das gefühl, gleich ohnmächtig werden zu müssen.
"weißt du, wie sehr mich das freut? ich hatte solche angst, dass ich dir ganz fremd bin und du dich die ganze zeit fragst, was die komische frau da von dir will... und was die dir für seltsame geschichten erzählt" platze ich heraus.
"nee nee", sagt das objekt. "du... ich... sind vertraut."
ich bekomme tränen in den augen und muss wegschauen.
"du... bist... ein guter mensch", nuschelt das objekt angestrengt.

ich kann eine weile nichts sagen, weil ich nicht rumheulen will. da kommen mir die reste der objektiven lungenentzündung zur hilfe, es hustet, dass das bett wackelt. ich bin erfolgreich abgelenkt, in sorge, überlege, den pfleger zu rufen, anderseits: heilung dauert eben nunmal und wer gerade eine lungenentzündung hatte, darf auch rumhusten.

"gehts wieder?" frage ich, als der hustenanfall abklingt.
"ja. gut gut. weiter. vorlesen."
"ok, aber du sagst, wenn du pause machen willst oder ich gehen soll, ja?"
"du... sollst nich... gehen."
"ich gehe nicht, aber wenn du ne pause brauchst, sagst du bescheid."
"gut... zu wissen!" lächelt das objekt.
"du kannst auch einfach zwischendurch mal die augen zumachen. ich geh nicht weg, ich guck dir dann beim schlummern zu und weck dich spätestens, wenn ich los muss."
"ok. aber... wecken... bevor du gehst. ich.... du... will in den arm."
"ich geh doch nicht einfach, ohne dich in den arm zu nehmen!"
"ok. gut gut. danke."

irgendwann bin ich mit vorlesen durch, fühle mich selbst angestrengt und müde. da will das objekt musik hören, die ich ihm mitgebracht habe. also schnappe ich mir den mp3-player, schiebe dem objekt einen kopfhörer ins ohr und mir den anderen in meines und spiele ihm ein paar lieder vor, die uns viel bedeutet haben.
das objekt murmelt noch ein paar mal "gut gut" "ok" und "danke", wird dann aber ganz ruhig und macht, als ich die meinen schließe, auch mal die augen zu.
"schöööööön", sagt es, als wir durch sind und ich uns abstöpsle.
ich lächle nur und fühle mich wohl. rundherum pudelwohl. alles ist so tausendmal besser als befürchtet.

"erzählen", verlangt das objekt wieder.
"nee, warte mal ne minute. ich brauch nen moment. außerdem konnten wir auch immer super zusammen schweigen. das hat doch auch qualität."
da löst das objekt eine hand aus meiner und streckt sie aus, um mein gesicht zu berühren. langsam streicht es mir über stirn und wangen, vergräbt die finger dann in meinen haaren und streichelt weiter. das ist so wunderbar, dass ich schon wieder fast heulen muss, weil ich es so vermisst habe und nicht für möglich gehalten hätte, dass es passiert.
"ich hab dich vermisst", sage ich schließlich doch unter tränen. "ich hab dich so verdammt vermisst. und ich bin so froh, dass ich hier bin."
"ich... bin... auch... froh", stammelt das objekt.

über zwei stunden sind wie im nu verstrichen und ich muss langsam los in richtung bus.
"wenn du willst, komme ich wieder", sage ich zum abschied.
"ja. bald."
"wenn deine freundin das erlaubt."
"ok."
"du weißt ja vielleicht noch, die mag mich nicht."
"ok. und... was... machen wir... bis dahin?"
"so in der zwischenzeit?"
gute frage, jetzt bin ich blank.
"du hast kein handy mehr, oder?"
"nee."
ein blick auf meines offenbart mir zudem, dass dieser tote ort zugleich eines der berühmten funklöcher ist. kein netz, nicht mal e.
"soll ich... ich könnte dir höchstens nen brief schreiben", sage ich etwas hilflos.
"brief. bitte."
"kannst du denn schon wieder lesen?"
"nee."
hmpf.
"habt ihr hier internet?"
"ja! wlan."
"aber du hast kein tablet oder so."
"nee."
"weil sonst hätte ich dir ein video machen können. wlan reicht ja für whatsapp in der regel."
"brief. video. wlan." sagt das objekt begeistert.

infrastrukturell sieht es in der einrichtung eher düster aus. ich beschließe, mich dazu lieber noch mal mit der gespielin oder t. oder der mama kurzzuschließen, bevor ich in aktionismus ausbreche, ein ipad kaufe und es dann doch kein wlan gibt, weil das objekt was verwechselt.
aber zuerst muss ich erfahren, ob ich das objekt nun öfter mal besuchen darf.  was ein harter kampf werden könnte, da ich mich hier mit der gespielin, aber auch mit dem luxus-mann arrangieren muss.

als ich gehe, bin ich nichtsdestoweniger überglücklich.


Samstag, 19. Januar 2019

haariges

der luxus-mann ist ein wenig etepetete. er kann unter anderem nicht frühstücken, ohne immer wieder zwischendurch aufzuspringen, um imaginäre flecken am herd, kühlschrank oder auf dem boden wegzuwischen.
"das macht mich ganz unruhig", behauptet er, wenn ich lache und sage, da war doch nix.
"du BIST grundsätzlich unruhig", widerspreche ich. "du musst dein inneres chaos durch immensen aufwand an äußerer ordnung unterdrücken."

zu den schlimmsten dingen, die sich der luxus-mann vorstellen kann, zählen neben blut und weiblichen exkrementen haare, die sich nicht mehr fest auf dem kopf befinden, sondern irgendwo in der gegend rum(f)liegen. sie werden einzeln mit spitzen fingern aufgesammelt und dann voller ekel zum abfalleimer getragen.

auch heute, als er im kinderzimmer das bett macht, findet er ein blondes haar seiner tochter auf dem kopfkissen. er übergibt es mir so vorsichtig wie eine dicke haarige vogelspinne und sagt:
"bringst du das bitte mal raus?"

"du bist total neurotisch", finde ich.
"gar nicht", sagt er. "ich mag es halt nur ordentlich."
"ich lass dich mal bei mir einzeln haare aufsammeln", sage ich. "mit meiner katze wirst du da in zwei jahren nicht mit fertig."
"das ist ja auch total widerlich. auf deinem sofa kann man nicht sitzen."

"jedenfalls werden wir nie zusammenleben", resümiere ich von zeit zu zeit.
"warum denn nicht", ist der luxus-mann dann immer erstaunt, "wir verstehen uns doch."
"neurotische männer mit putzfimmel hatte ich schon."
"ach ja?"
"ein exfreund von mir hat immer völlig konsterniert fast jeden abend an seinen küchenschränken rumgeschrubbt, weil er sich einbildete, da meine fingerspuren drauf zu sehen. ich meine, jut, kommt mal vor, aber ich war immer den ganzen tag auf arbeit und kam echt spät nachhause. also wenn dann warens bestimmt eher seine, aber ich wurde dafür angemault, so, als hätte ich mit voller absicht auf den teppich gekackt oder ähnliches."
"ich kann das verstehen, der ist eben auch ordentlich oder vielleicht ein bisschen spießig, so wie ich."
"der hatte ne meise, so wie du. aber wenigstens nimmst du dich dabei nicht so furchtbar wichtig, das ist schon mal ein anfang."

"und wie war das beim objekt, deinem über alles geliebten gott?" zieht mich der luxus-mann auf.
"das war eher unordentlich. sogar zu unordentlich für mich. außer was kochen und wäschewaschen betraf hat das mit dem haushalt bei ihm nicht so gut geklappt."
"aber mit dem wärst du zusammenzogen?"
"zumindest hat es genauso viele haare auf dem kopfkissen und im bad produziert wie ich und trotzdem keinen hysterischen anfall deswegen bekommen."
"ich bin kein bisschen hysterisch!"
"du müsstest dein gesicht mal sehen, wenn du so ein kleines haar zwischen den fingern hast! also wärs eine dicke, fette kakerlake oder sowas!"

jetzt muss der luxus-mann doch lachen.
 "na gut, vielleicht hat mich meine mutter ein bisschen zu sehr geprägt."
"aber hallo. du BIST deine mutter."
"meine mudda!" kichert der luxus-mann.
"jawoll. deine mudda!"

dann machen wir zusammen das bett.
"die kante von der dicken decke darf nicht so weit über der von der dünnen liegen", kritisiert mich der luxus-mann.
ich seufze und lege die decken so zusammen, dass sie sich berühren, ohne einander zu überlappen.
"ein bisschen darf das schon so", beginnt der luxus-mann da mein korrigiertes deckenwerk wieder auseinanderzufalten.
er wurschelt eine weile herum und zeigt dann auf die fertig zusammengelegten decken.
"guck, die müssen PARALLEL sein! sonst schaut das doch nicht aus! und den reißverschluss darf man auch nicht sehen!"

"wie hast dus eigentlich geschafft, mit deinen anderen frauen hier zusammenleben?" frage ich.
"ach, die haben auch immer chaos gemacht. egal, wie oft ich gesagt habe, das muss so und so."
"warum überrascht mich das jetzt nicht?"

der luxus-mann schaut mich liebevoll an. er hat mich aufgezogen, begreife ich.
"du bist schon ganz ok so", sagt er dann. "und schlau und lernfähig. du handelst das schon mit mir."


Freitag, 18. Januar 2019

altersvorsorge betreiben

meine altersvorsorge besteht in rauchen und kiffen sowie dem regelmäßigen konsum von alkohol in mengen, die für eine frau nicht gesund sein können. 10 jahre kostet im schnitt eine psychische erkrankung. wenn mein lifestyle da noch mal 10 draufpackt, käme ich mit meinem geld wahrscheinlich sogar hin.

der luxus-mann versucht nichtdestotrotz, mich dazu zu bewegen, mein exorbitantes vermögen ein bisschen sinnvoller anzulegen. jeder zweite satz beginnt dabei mit "wenn wir uns mal nicht mehr kennen", und ich weiß, die tage sind (ab)gezählt, ohne dass ich die tatsächliche summe je kannte.

manchmal überlege ich, ob ich hure genug wäre, mich zu verheiraten. und dabei einen mann zu wählen, dessen vermögen mir sicherheit geben könnte. der gedanke ekelt mich, aber die vernunft kennt keinen ekel.

es sind die überlegungen des alters. des dünner werdenden eises, auf dem man sich bewegt. wie lange es wohl trägt, bevor es reißt. oder ob man nicht zuvor schon ausgleitet und sich alle gräten bricht.

"intelligenz bedeutet, die unsicherheit ertragen zu können."

dass man einfach nie intelligent genug sein kann. ein ewiges sokratisches "ich weiß, dass ich nichts weiß", oder vielmehr ein "ich spüre (an meiner angst), dass ich nichts weiß". die neue vernunft als ausdruck dessen, dass man die hosen oberkanteunterlippe vollhat. ein philosophisches debakel, nicht frei von ironie.


Montag, 14. Januar 2019

bordsteinknutscher

schon im bus ist mir komisch. übel, schwindelig und so, als bekäme ich keine luft mehr.
beim aussteigen dann kommt mir das pflaster entgegen.

als ich wieder da bin, spüre ich nur mein herz wie verrückt klopfen, während mich fremde gesichter besorgt anstarren.

das übliche.

im krankenhaus werde ich auf herz und nieren durchgecheckt.
top-werte, sagt der internist, wie bei einer 20-jährigen, und empfiehlt mir scherzhaft, mehr zu rauchen.
keine anzeichen einer herz-lungen-erkrankung oder thrombose.
die schilddrüse würde er noch gern untersuchen lassen, sagt der doc, da ich an der unteren grenze des normalgewichts liege und zudem angeben hatte, dass ich unruhig sei und schlecht schlafe, aber das könne ich auch in ruhe beim hausarzt machen.

ob ich stress habe, will er dann wissen.
nicht so sehr, finde ich, aber dann fällt mir die objekt-geschichte ein und dass ich deswegen seither nicht mehr richtig geschlafen habe.
er hört mir ruhig zu und meint dann, das sei eine sehr sprechende reaktion auf die situation eines menschen, den ich im nebensatz als meinen seelenverwandten bezeichnet habe.

naturwissenschaftler, die auch auf der metaebene denken können, sind mir grundsätzlich sympathisch.

dann nehme ich mir ein taxi nachhause.

morgen dann blutprobe und irgendwie ausruhen.


Donnerstag, 10. Januar 2019

die neue zerrissenheit

seit ich weiß, was dem objekt passiert ist, fühle ich mich ihm näher als dem luxus-mann. und das, obwohl ich gar nicht mit ihm sprechen kann und nicht mal weiß, ob es sich jemals an mich erinnern wird. in mir ist eine unerklärliche liebe, die bisweilen schon fast an eine manie grenzt. es fühlt sich an, als sei ich frisch verliebt. das ist eine emotion, die sich schon in den letzten monaten aufgebaut hatte, jetzt aber unerträglich präsent ist. ich bin kurz vorm totalen durchdrehen, und das trotz der dreifachen dosis antidepressiva.

auf den luxus-mann hingegen reagiere ich derzeit durchweg negativ. umständliche überlegungen, ob und wann man mal ins möbelhaus fahren könnte, was man einem bekannten zum geburtstag schenkt oder in welches ferienhaus er nächsten sommer mit seiner tochter fährt, machen mich rasend.
"lass mich mit deinem kleinlichen materialistischen scheiß in ruhe!" motze ich neulich, als er mich wieder dies und jenes fragt, was mir gerade vollkommen am arsch vorbeigeht.

an sex ist kaum zu denken. meine völlig apathie fällt dem luxus-mann aber gar nicht auf, da er selbst im wintermodus ist. vor der glotze liegen und unterschichten-fernsehen gucken, wenns hochkommt, vielleicht man eine sportschau. ausgehen will er nicht, sich bewegen will er nicht, und kultur interessiert ihn auch gerade nicht.

ich schränke die zeit ein, die ich bei ihm verbringe. das fällt ihm dann jedoch auf und er fragt nach.
"ich bin eben gerade gerne für mich", sage ich indifferent, da ich mich alleine weniger einsam als zu zweit fühle.

werde ich auch noch den luxus-mann verlieren?
es würde zu mir passen, denn wenn, dann verkacke ich ganzheitlich.

davon abgesehen hat mich der luxus-mann kürzlich erstmals angelogen.
in der silvesternacht hatte er eine frau kennen gelernt, die sich gerne mit ihm verabredet hätte.
als ich ein paar tage später nachfrage, ob er sich denn nun mal mit der trifft, sagt er:
"nö, weil das wäre ja doof. die will was von mir und ich nix von ihr. außerdem habe ich ja auch gar keine telefonnummer oder sowas."

beim besoffenen nachhausetorkeln vergangene nacht ist der luxus-mann alkoholbedingt mal wieder emotional und säuselt:
"du, ich bin ja sssso zufrien... mit unserer beziehung, ich glaub, ich brauch gaaa keine anre frau."
ich stutze:
"wie meinst du das denn jetzt?"
"ich hab so beschlosssssn.... dassich die silvester-frau doch nich anrufn werde."
zwei informationen springen mich aus diesem satz an:
1. der luxus-mann hat doch eine nummer von der tante
2. der luxus-mann hat offenbar durchaus erwogen, diese nummer auch zu nutzen.

"kürzlich hast du mir erzählt, du hast gar keine nummer von der",  konfrontiere ich den mann.
"nie im leben habch dassss... gesagt!" behauptet er daraufhin.
"doch hast du. und zwar sogar nüchtern, du kannst dich jetzt auch nicht damit rausreden, dass du besoffen mal wieder müll geredet hast!"
der luxus-mann ist so schlau, jetzt erstmal nichts zu sagen.

dann setzt er an:
"aber das wichtigste isssss.... doch... dassich von der nix will."
"das tröstet mich unheimlich", sage ich sarkastisch. "du hast gelogen."
"da wolltich.... dia sone schöööne liebes... erklärung machn... und du schätzdas gaa nich!" entgegnet der luxus-mann stur.
"erstens ist das keine liebeserklärung, sondern im rahmen unserer vereinbarung eine selbstverständlichkeit, und zweitens scheiße ich auf irgendwelches liebesgeschwafel, wenn du mich angelogen hast."

wortlos und stockbeleidigt gehen wir nebeneinander her, bis wir zuhause sind. dort fällt der luxus-mann ins bett und schnarcht.

am nächsten morgen konfrontiere ich ihn mit dem vergangenen abend.
"ich weiß nix mehr, ich war viel zu besoffen", behauptet der luxus-mann wie erwartet.
"ich glaub dir kein wort."
"ich hab dich nicht angelogen!"
"hast du doch."
"hab ich nicht."
"hast du doch."

dann muss der luxus-mann ins büro und ich bleibe alleine zurück mit mir und meinen gedanken.
und wünsche mir, ich könnte jetzt einfach das objekt anrufen.
da das jedoch nicht möglich ist, gehe ich wieder ins bett, ziehe die decke über den kopf und weine haltlos.





Sonntag, 6. Januar 2019

die zentrifugalkraft des wünschens

mein kopf ist ein brummkreisel
auf maximalbeschleunigung
und du bist seine achse.

ein schleudergang, in dem dich einzig meine erinnerung hält.

undurchdringlich der äther, der dich umgibt
in diesem kosmos, in dem es gestern nicht mehr gibt.

die zentrifugalkraft des wünschens muss nun blind das wunder wirken.





Samstag, 5. Januar 2019

der kleinste gemeinsame nenner

und dann passiert das, womit ich nicht mehr gerechnet habe: die gespielin antwortet mir. nicht besonders freundlich, aber das wichtigste: ich darf das objekt besuchen.
zum ersten mal seit neujahr kann ich wieder essen und schlafe gleich mal 12 stunden.

ich einige mich mit der gespielin darauf, dass ich ihr bescheid sage, wenn ich das objekt besuche, damit wir uns nicht begegnen müssen. sie gibt mir noch ein paar instruktionen mit, dann haben wir das erreicht, was man wohl als kleinsten gemeinsamen nenner bezeichnet.

als alles geregelt ist, fällt mir auf, wie mich die angst befällt. bin ich stark genug für diesen besuch? ich habe kein klares bild von dem, was auf mich zukommt. "du darfst da auf keinen fall rumheulen", hatte mir auch die lederjacke eingeschärft. ich muss also irgendwie vorbereitet sein.

ich werfe youtube an und suche reportagen über schwerstverletzte menschen mit schädel-hirn-trauma. viele davon zeigen fälle, die eher als wunder durchgehen: menschen, die bis auf wenige einschränkungen wieder fast normal leben können. bei den meisten liegt der unfall weniger als 2 jahre zurück, das heißt, sie haben wesentlich rasantere fortschritte gemacht als das objekt. ziemlich entmutigend und vermutlich nicht das, was mich im objekt-fall erwartet.

ich lese auch über paul van dyk und seinen bühnensturz mit sht und doppeltem wirbelsäulenbruch, wie er im koma lag und danach monatelang nicht mehr sprechen und gehen konnte. aber paul van dyk wurde von ärztlichen koryphäen einer utrechter spezialklinik therapiert - das objekt bekommt natürlich nur die leistungen der gesetzlichen krankenkasse. paul van dyk kann wieder autofahren und musik machen, das objekt nicht einmal schlucken.

ich beschließe, dass ich beim ersten mal vielleicht besser nicht allein hinfahren sollte, sondern mit jemanden, der schon öfter da war. ich muss also t. finden, dessen nummer ich nicht habe, von dem ich aber wenigstens weiß, wo er arbeitet. mit t. würde ich mich sicher fühlen, da er ein sehr ruhiger und gefasster mensch ist. alternativ käme die objekt-mama infrage, wobei diese das objekt sicherlich zusammen mit der gespielin besucht.

wenn das alles organisiert ist, hoffe ich, dass ich auch für mich wieder normalität herstellen kann. ruhig schlafen, arbeiten und auch die beziehung mit dem luxus-mann nicht allzu sehr damit belasten.
denn auch der luxus-mann macht mir große sorgen. gestern nacht wachte er von brustschmerzen und einem engegefühl am brustbein auf.

"das ist bestimmt nur ne verspannung", behauptete er.
"geh lieber zum arzt!" entgegne ich. "das kann auch der vorbote eines herzinfarkts sein! denk an deinen vater!"
"ich hab ja eh bald wieder termin beim kardiologen."
"wann denn?"
"irgendwann ende januar."
"das ist viel zu spät!"
"das reicht schon."
"ich will aber nicht zwei pflegefälle! oder gar noch einen todesfall."
"du bist da jetzt halt etwas empfindlich."
"dann tu mir doch den gefallen und geh zum arzt. wenn dus nicht für mich machst, dann für deine kinder."
"der arzt weiß doch auch nix."

 kurzum, ich kriege den luxus-mann nicht zum doc. ich kann also nur hoffen, dass der kardiologietermin ende januar nicht zu spät kommt.


Mittwoch, 2. Januar 2019

mama

heute habe ich allen mut zusammengenommen, die telefonnummer der objekt-mama recherchiert und einfach angerufen.

die objekt-mama ist so freundlich und offen wie das objekt selbst. obwohl sie mich nicht kennt, erzählt sie mir die ganze geschichte, die so ziemlich das grausamste ist, was man sich beim thema "schwerer unfall" vorstellen kann.

kein eigenverschulden.
schwerste hirnverletzungen, keine langzeit-prognose möglich.
künstliche ernährung, dahinvegetieren von lungenentzündung zu lungenentzünung, unter morphium und andere medikamenten.
lebendig begraben im eigenen körper.

am ende weinen wir beide.

"kann ich ihn mal besuchen, was meinen sie, ist das möglich?" frage ich, als ich mich wieder gefangen habe.
die objekt-mama hat nichts dagegen, ganz im gegenteil, da sie findet, dass besuch ihrem sohn gut tut und er sich immer freut. ich könne gerne mit ihnen mitkommen. sie weist allerdings darauf hin, dass die gespielin jetzt das sorgerecht hat und darüber entscheiden muss.

schlechte karten für mich, denn die gespielin, der ich immer ein dorn im auge war, wird besuche meinerseits mit gewissheit verhindern.heimlich in die klinik schleichen schließe ich für mich aus, da die objekt-mama erzählt, dass die gespielin jeden tag da ist.

die objekt-mama verspricht mir, bei der gespielin ein gutes wort für mich einzulegen und erlaubt mir, dass ich sie jederzeit anrufen darf. ich bin ihr so dankbar wie schon lange keinem menschen mehr.

später ruft der luxus-mann und fragt tatsächlich, wie es mir geht. ich kann mich nicht erinnern, dass er mir diese frage schon einmal gestellt hat.






Dienstag, 1. Januar 2019

neujahrsnacht

kurz nach ein uhr, sobald die kacknasen da draußen die meisten ihrer dämlichen böller verschleudert haben, begebe ich mich zur bushaltestelle, um den luxus-mann später auf einer party zu treffen.
mitten auf der strecke bekommt der bus plötzlich probleme, die türen lassen sich nicht mehr öffnen. ein toller start ins neue jahr, seufze ich genervt im stillen und verlasse dann wie geheißen mit den anderen fahrgästen den kaputten bus.

unter besagten fahrgästen ist auch t., der beste objekt-freund. ich habe ihn ewigkeiten nicht mehr gesehen, aber wir waren auch nie eng befreundet. wir grüßen uns und wünschen einander ein gutes neues jahr. natürlich frage ich nach dem objekt, von dem ich nun seit rund anderthalb jahren nichts mehr gehört habe.

"leider geht es ihm gar nicht gut", setzt t. an.
bitte sag, dass er sich von der gespielin getrennt hat und weggezogen ist, bettle ich innerlich, oder sonst irgendeine harmlose erklärung. doch dann erfahre ich, dass das objekt im sommer 2017 einen sehr schweren unfall hatte. seither liegt es im krankenhaus und es sieht düster aus. die hoffnung auf ein halbwegs normales leben ist minimal.

das erste perverse gefühl ist erleichterung: endlich gibt es eine eindeutige erklärung für das objektive verschwinden, und das beste: es ist nicht meine schuld.
das zweite gefühl ist kein gefühl, sondern der schock. ich merke, wie ich unkontrolliert zu zittern beginne. meine beine gehorchen mir kaum mehr, ich taumle. die nachricht haut mich um.
das dritte, was ich empfinde, ist hilflosigkeit: was darf man in so einer situation einen bekannten, mit dem man nicht befreundet war, der aber ein freund der konkurrentin ist, überhaupt fragen? t. ist auf dem weg zu einer anderen party, unsere gemeinsame wegstrecke beträgt wenige minuten.

"kann ich... darf ich dich hin und wieder anfunken und fragen, wie es ihm geht?", bettle ich irgendwann total bescheuert.
t. nickt, möglicherweise wohlwissend, dass ich ihn mangels nummer gar nicht anfunken kann, wie mir hinterher auffällt.
"wobei es da nicht viel fortschritte oder sowas geben wird", sagt er.
"und sag ihm bitte... sag ihm alles liebe und gute von mir, wenn du ihn siehst, ginge das?" stammle ich.
t. sichert es mir zu, aber ich kann nicht einschätzen, ob er es tun wird. die konstellation ist denkbar ungünstig.

dann trennen uns unsere wege und ich muss weiter zu meiner party, obwohl ich mich jetzt am liebsten verkriechen würde. in mir herrscht ein tsunami der emotionen und gedanken, die allesamt nichts mit silvester, feiern und guter laune zu tun haben.

auf der party stehe ich total neben mir und rede nur dummes, unzusammenhängendes zeug. der luxus-mann ist besoffen und baggert an einer blonden frau herum.
irgendwann nehme ich ihn einfach beiseite.
"kannst du zuhören?"
der luxus-mann denkt, ich sei sauer wegen seiner baggerei, aber es gibt wenig, was mich gerade weiter peripher tangieren würde. er nickt also und ist trotz pegel ganz ohr.
dann erzähle ich ihm einfach alles.
"das ist krass", sagt er dann ernst. "das ist so mega krass, das ist wirklich ein unfassbares unglück."
er nimmt mich kurz in den arm.
"das tut mir leid für dich. und natürlich auch für ihn und seine freundin. das muss wirklich furchtbar schwer sein."

und im arm meines mannes kommen mir zum ersten mal die tränen.