Dienstag, 29. November 2016

schneckenhaus

der erste gemeinsame urlaub. morgen abend geht es los.
vier tage, drei nächte.
das geht kaum als urlaub durch, finden wir.

dennoch sind wir beide aufgeregt, der luxus-mann noch mehr als ich.
er verheimlicht mich seiner zweiten exfrau, aus angst, sie könnte ihm verbieten, seine tochter zu sehen.
"was mach ich, wenn sie anruft?"
"dann sagst du, ich bin nicht da."
"und wenn sie sagt, ich soll vorbeikommen, ihr irgendwas mit der kleinen helfen?"
"dann sagst du, das geht jetzt nicht."
"hm."

der luxus-mann ist nicht glücklich mit der situation.
"irgendwann wird es sowieso rauskommen. und ich denke mal, dass sie dann so richtig sauer ist, wegen deiner heimlichtuerei", mutmaße ich. "ich glaube sowieso, dass sie was ahnt. deine erste frau weiß es ja auch, und die beiden stehen in kontakt. ich würde wetten, dass die ihr ohnehin schon was gesteckt hat."
mit dieser antwort ist der luxus-mann noch viel weniger happy.

ich habe eher sorge, dass mir meine rückzugsmöglichkeit fehlen könnte.
mein iso-schneckenhaus.
von zeit zu zeit meldet sich dieses bedürfnis.
wenn wir auf dem balkon sitzen, ich rauchend, der luxus-mann in die ferne blickend.
wenn wir fernsehen, oder besser gesagt: der luxus-mann fern- und ich wegsehe.
"ich fahr mal zu mir", sage ich dann schnell, ernte meist einen erstaunten bis enttäuschten blick, aber der luxus-mann weiß ja, dass ich am wochenende oft aufträge bearbeite oder mich um kitty kümmern muss.

im urlaub kann ich nicht sagen: ich bin dann mal weg.
im urlaub bin ich zusammen.
vier verfickte tage und drei nächte.

es fühlt sich fest an. ich ersticke.
ich muss lernen, mich in dieser feste zu entspannen.
die geborgenheit gegen meine sich aufbäumende freiheit ausspielen.
der freiheit beruhigend zuflüstern, du wirst mir bleiben, du musst dich nur ein wenig kleiner machen.

du und dein immenses autonomiebedürfnis, hatte einst das subjekt gespottet
und: es scheint, als lebtest du in deiner eigenen welt, und die welt der anderen kann dir nichts anhaben, weil du gar nicht zu ihr gehörst.
meine welt.
die der anderen.
wahrscheinlich für immer inkompatibel.
aber vielleicht schaffe ich ja eine art friedliche koexistenz.
und gehe mit meinem schneckenhaus noch einmal in diesem leben vor anker.



Dienstag, 22. November 2016

prädikat: gesundheitsschädlich

"du guckst so aggro, hast du ne kettensäge dabei, mit der du mich gleich kastrierst?" fragt der luxus-mann, als ich vom letzten streit noch angepisst unter der tür stehe.
ich muss lachen.
entwaffnen kann er, der herr luxus-mann.

das morphine-antiterror-programm setzt sich mit dem obligtorischen glas wein fort - und einer hand, die sich in meinen slip schiebt.
"na, sind wir ein bisschen geil", sage ich im pluralis majestatis, eingedenk der tatsache, dass der luxus-mann seinen schwanz als eigenständiges und dominantes wesen begreift.
"ey, wir hatten eine woche keinen sex!"
"hättest ja wen anderes knallen können, warst doch unterwegs und hattest obendrein sturmfrei."
"war nix geiles im angebot. außerdem gings mir nicht so gut."
"warum gings dir nicht gut?"
"nach unserem krach am freitag hab ich die nacht nicht gepennt. danach hatte ich im fitnessstudio so ne art kreislaufkollaps."
"du bist umgekippt?"
"naja, so fast. hab mich zu glück noch selber hinlegen können."
"mann hat mir mal vorgeworfen, ich würde seine gesundheit ruinieren, da scheint ja echt was dran zu sein."
"da siehst du mal, wie du mich stresst!"

der luxus-mann nimmt mir das weinglas aus der hand, hebt mich hoch und trägt mich richtung bett.
"übernimm dich nicht", mahne ich.
"mach du dich lieber mal nackig", befielt der luxus-mann und zerrt an meinem oberteil. "und wieso hast du nen bh an, das brauchst du mit deinen mäusetittchen doch gar nicht."
ich schlage scherzhaft zu.
der luxus-mann schlägt zurück.
"ich seh schon, der widerspenstigen zähmung steht an."
er holt klebeband unter dem bett hervor und beginnt, mich bäuchlings mit händen und füßen ans bett zu tapen.
dann versohlt er mir ein bisschen den arsch, bevor er mir den schwanz in die muschi rammt.

der luxus-mann stöhnt laut. allerdings nicht aus lust, sondern aus schmerz.
"da hat was wehgetan", sagt er und zieht sich vorsichtig zurück.
ich habe mich flux aus den klebebandfesseln befreit und knipse die lampe an.
dann begutachten wir den schwanzschaden.
"der ist ganz rot... fast blutig", stelle ich fest. "war ich noch zu trocken?"
"weiß nicht."
"sorry..."
"was heißt hier sorry, deine gefräßige muschi hat nach ihm geschnappt!"

die lust ist uns vergangen.
"ich geh ihn mal waschen", sagt der luxus-mann und schlörrt ins bad.
kurz darauf schreie.
ich eile ins bad.
"was ist los?"
"jetzt hab ich ihn auch noch verbrüht!"
"wie das denn?"
"das wasser war total heiß eingestellt!"
"ich hab mir vorhin nur die hände gewaschen."

der luxus-mann blickt mich gespielt verzweifelt an:
"du bist gesundheitsschädlich! du solltest so einen warnaufkleber tragen müssen wie auf ner zigarettenschachtel: diese frau kann ihren penis verstümmeln!"
"und herz-kreislauferkrankungen verursachen."
"das auch noch. jedenfalls werden wir in den nächsten tagen keinen sex haben können."
ich nehme den luxus-mann ein bisschen in den arm.
"dann machen wir halt mal was anderes."
"was denn?"
"irgendwas, was du dir schon lange mal gewünscht hast!"
"hm... da muss ich mal überlegen!" 

mir fällt als erste etwas ein:
"du sagtest doch mal, du hättest lust, mit mir zusammen was zu kochen!"
der luxus-mann schaut skeptisch:
"dann vergiftest du mich!"
"aber höchstens aus versehen!"
"neenee, das ist viel zu riskant. außerdem ist das keine echte strafe für dich."
"na und ob das ne strafe ist. was ich koche, will keiner essen, nicht mal ich."

"ich weiß was besseres", sagt der luxus-mann. "ich brauch ne neue hose. wir gehen shoppen. am samstag morgens um halb zehn."
"ich wollte aber am freitag ausgehen."
"pech."
"können wir nicht so zwölf sagen?"
"nee. dann ist mir zu viel los."
"boah, ey, das ist echt ne strafe. ich unter lauter spießigen, konsumseibernden muttis und vaddis zwischen schreienden verwöhnten blagen..."
der luxus-mann bleibt eisenhart.
"du kannst dir aussuchen, ob du am freitagabend schon rumkommst oder dann am samstag noch früher aufstehst. wenn du freitag schon da bist, treibst du dich wenigstens nicht nächstens mit dem objekt rum."
"du bist n totalitärer spießer, jetzt zeigst du dein wahres gesicht", motze ich.
"ja, bin ich. freu dich auf den urlaub."
"bis dahin ist der schwanz aber wieder fit!"
"kommt ganz auf dich an..."


Montag, 21. November 2016

voll auf dem film

choose a life. choose a job. choose a career. choose a family. choose a fucking big television. choose washing machines, cars, compact disc players and electrical tin openers... choose dsy and wondering who the fuck you are on a sunday morning. choose sitting on that couch watching mind-numbing, spirit crushing game shows, stucking junk food into your mouth. choose rotting away in the end of it all, pishing your last in a miserable home, nothing more than an embarrassment to the selfish, fucked up brats you spawned to replace yourself, choose your future. choose life... 
but why would I want to do a thing like that?

yeah, fucking why?

trainspotting hat mich geflasht. irgendjemand hatte meine gedanken in einen film transkribiert. 
jemand, der mich gar nicht kannte, hatte mich verstanden. 
woohoo!

filme wie trainspotting werden heute nicht mehr gemacht. 

weil kino oder tv heute darauf abzielt, den zuschauer in diese beifallheischende, leistungsorientierte, familienfreundliche, ikeamöblierte matrix zu ziehen und ihn dort zu behalten. 
die sanften ungeheuer.

mal ehrlich, wenn in filmen heute eine zigarette geraucht wird, ist das doch schon bohemian.

deshalb gucke ich am liebsten nur noch horrorfilme. 
weil nur noch die monster charakter haben.
weil nur noch die monster vorbildfunktion haben.
weil in wirklichkeit die menschen die monster sind.
programmierte monster, die afd und trump wählen.
jugendliche, die ihre wahrheiten von facebook und ihre ideale aus snapchat beziehen.
gutsituierte vorstadt-faschos, die neben ihrer vordergründig scheinheilig-heilen welt nichts anderes gelten lassen.

ich kann nicht ausdrücken, wie sehr ich 99 prozent dieser menschheit verachte.
ich baue mir meine eigene welt.
ganz weit da draußen.
im kopf das paradies.



Samstag, 19. November 2016

zerrissen

verletzt. verwirrt.
ich drifte in mir wie seifiger abschaum auf dem wasser.
trudelnd in richtung abfluss.
selbstekel.
schäumende wut.
ich will mir klingen ins fleisch treiben.

der wunsch nach verständnis. wenn nicht von dir, dann von jemand anderes.
wunschdenken.
nachts träume ich vom objekt, wie wir nackt in seinem bett liegen und uns lieben.
wie fast immer spüren wir uns träumend und am nächsten morgen habe ich nachricht.
freundlich, neutral, fragend.
wie geht es dir?
keinem zweiten menschen würde ich diese frage als ernstgemeint abkaufen.
doch ich verkneife mir die antwort.

abgezirkelt.
wie ein böser zauber und medizin zugleich liegt die trauer über mir.

Donnerstag, 17. November 2016

so glücklich war ich noch nie

als er mich am flughafen abholt, schaut mich mein vater einige sekunden lang an, und noch bevor ich irgendetwas sagen kann, meint er: "so glücklich warst du noch nie. so kenn ich dich gar nicht."

tja. gut gefickt sein lässt sich schwer verbergen.

Dienstag, 15. November 2016

karriereweib II

der ärztekongress war großartig.
dass ich so etwas einmal sagen würde, hätte ich nicht geglaubt. ist aber so.
die rede hat gefruchtet. die marketingtrategie ist angenommen. 10 zustimmungen, 3 enthaltungen, eine ablehnung. wobei die ablehnung von einem beiratsmitglied kam, das noch nie etwas zugestimmt hat, also insofern eine kalkulierbare gegenstimme war.
ich bin stolz auf mich. mein chef ist stolz auf mich. gestern rief sogar die geschäftsführung an und gratulierte mir zu meiner "sehr guten arbeit". 

"karriereweib", sagt der luxus-mann, als ich abends gegen 20 uhr endlich vor seiner türe stehe, durchnässt und ausgefroren.
"ich hoffe, das kommt jetzt nicht irgendwie schleimig rüber, dass ich mich gerade ein bisschen feiere", sage ich.
"nee, schon in ordnung, ich freu mich, wenn es dir gut geht."
"daran trägst aber du den größten anteil", rutscht mir raus und der luxus-mann grinst happy.

dann setzen wir uns und widmen uns ernsteren themen. diese hatte der luxus-mann schon am morgen in einer sms angedeutet. ich bin gewappnet.
"ich muss dir irgendwie vertrauen können", beginnt der luxus-mann, "das ist total essenziell, wenn das mit uns was werden soll."
"und du vertraust mir nicht?"
"genau. ich meine, ich hab so ein bisschen grundvertrauen, aber im hinterkopf analysiere ich ständig dinge, die vielleicht nicht zusammenpassen könnten."
"und die wären?"

der luxus-mann hat in meiner abwesenheit unsere gesamte schriftliche konversation seit unserem kennenlernen im april analysiert und beginnt mit einer art inquisition.
"es ist eigentlich total albern, und es ist mir peinlich, weil ich weiß, ich nerv dich, aber ich muss es einfach wissen."
ich beantworte die fragen, so gut es geht, nach bestem wissen und gewissen, immer in der angst, mit einem unbedachten satz neues misstrauen zu schüren. irgendwann scheint der luxus-mann halbwegs beruhigt.

"hattest du das bei anderen frauen auch, dieses misstrauen?" will ich wissen.
"nee."
ich bezweifle das.
"ich bin aber doch nicht die erste frau, der du so begegnest."
"nee, du bist wie r."
r. war die erste freundin des luxus-mannes, seine erste große liebe - die ihn jahrelang betrogen hat.
"ihr habt so viel ähnlichkeit, weißt du, ihr seid beide unheimlich direkt, sexuell aufgeschlossen und habt schon so viel erlebt. und genau wie du ist sie ständig auf partys gewesen."
"wo auch der typ rumgehühnert ist, mit dem sie dann gefickt hat?"
"genau. und bei dir ist das ja so ähnlich, mit dem objekt."
"mit dem kleinen unterschied, dass ich nicht mit dem objekt vögle."
"ich weiß! aber wenn er ankäme und ficken wollen würde, würdest du nicht nein sagen."
"ich verspreche dir, ich werde nicht mit dem objekt ficken."

nach der gefühlt teilweise fruchtbaren diskussion holt der luxus-mann zwei drinks. 
"baust du uns einen? fände ich jetzt glaub ich schön, noch einen zu rauchen."
"klar."
"wir könnten ja rausgehen, heute soll der mond so krass sein."
"du willst mit mir kiffen und dabei romantisch mond gucken?" grinse ich.
der luxus-mann zuckt verlegen die achseln.
"können wir gern machen"; sage ich warm, "aber vorhin hats geregnet und es war alles total bedeckt."
"oh, echt?"

wir drehen eine kleine runde um den block, aber es nieselt. der himmel ist gleichmäßig grau und lichtverschmutzt. es ist so feucht, dass wir nicht mal kiffen können.
"mist", sagt der luxus-mann.
"lass uns auf deinen balkon setzen, da stehen wir wenigstens nicht im regen."
"gute idee."

dann sitzen wir auf dem balkon, rauchen und gucken einander an.
"ich freu mich total auf unseren urlaub", sagt der luxus-mann etwas unvermittelt.
ich bin erstaunt.
"wirken die drogen oder meinst du das ernst?"
der luxus-mann schaut mich unsicher an, aber da bin ich schon aufgesprungen, greife nach seinem gesicht und gebe ihm einen dicken kuss.
"danke", sage ich. "ich freu mich auch schon total. und ich freu mich, dass du dich freust... und noch mehr, dass du mir das sogar sagen kannst."
"hoffentlich regnets da nicht die ganze zeit."
"ist ja nicht so, dass wir keinen plan hätten, was wir sonst machen können."
"was denn?"
"ne ganze menge. oral, anal, vaginal..."
der luxus-mann lacht.
"das hätte ich mir ja denken können, du hexe."

als der luxus-mann am nächsten morgen zur arbeit aufbricht, während ich noch ein weilchen liegen bleiben darf, fällt mir auf, auf welche beeindruckende größe meine zuneigung inzwischen angewachsen ist.
doch wie schaffe ich es, dass der luxus-mann mir vertrauen kann?




Mittwoch, 9. November 2016

stupid white toupee

ein irrer regiert künftig die usa und damit fast die hälfte der welt.
dann könnte ja auch ich bundeskanzlerin werden.
wenn geistig behinderte so offenbar en vogue sind.
oder?

letzte nacht um halb drei standen wir auf, um den fernseher anzuschalten.
der luxus-mann als börsianer war noch aufgeregter als ich und redete die ganze zeit von puts und calls, vom bevorstehenden börsenbeben und mit welchen finanzstrategien er auf welches szenario reagieren müsse.
"warum regiert eigentlich die angst so dermaßen die börse?" frage ich.
"alles nur psychologie", murmelt der luxusmann, während er die kurse im auge behält.
"ich dachte immer, da sitzen schlaue menschen."
"die meisten sind strohdoof und geraten ständig in panik, und das ist auch gut so, genau damit mache ich ja meine kohle."
"ich dachte, du bist sozialist."
"schon eher anarchist. wohlstand ohne arbeit, so die richtung."

zwischendurch ist mir langweilig.
"entweder wir ficken jetzt, oder ich schlafe wieder ein."
"kannst ja mal gucken, ob du ihn hochkriegst, ich bin eigentlich viel zu angespannt."
ich blase ein bisschen, weil das am besten funktioniert, und tatsächlich ist der luxus-mann kurzzeitig bei der sache, kommt aber nicht zum absch(l)uss.

gegen halb sechs dämmern wir weg. dann erschrecke ich mich, weil mir der luxus-mann einen kühlen finger in die muschi steckt.
"es ist halb acht", sagt der luxus-mann. "aufstehen."
"boahh... ich hatte voll den alptraum. trump ist präsident und du konntest nicht abspritzen."
der luxus-mann lacht.
"leider bittere wirklichkeit."
"du bist ja schon im anzug!"
"jo, muss los. der dax rauscht ab, ich fahr jetzt ins büro. kaffee steht in der küche, und ich hab dir ein brot gemacht."
"du hast mir ein brot gemacht?!"
"du sollst morgens was essen."
"mit was?"
"nutella."
"iiiiihhhhh.... und butter drunter?"
"klar."
"boah, das ist unverdaulich."
"quatsch, das ist vollkornbrot, das ist super für deine verdauung."

ich strecke mich und küsse den luxus-mann auf die wange.
"du bist süß."
"süß????!!" kreischt der luxus-mann entsetzt. "ich glaube, wir haben soeben den zenit unserer beziehung überschritten."

der luxus-mann nimmt seine tasche und eilt vondannen.
und ich bin allein mit meiner welt, einem nutellabrot mit butter drunter und einem sprechenden toupet als neuen amerikanischen präsidenten.

die simpsons hatten es übrigens schon vor jahren prophezeit:



Montag, 7. November 2016

in between

als ich samstag in der u-bahn sitze und zum luxus-mann fahre, schreibt mir das objekt:
"ich habs getan, ich habs getan, ich hab meine langen haare abgeschnitten!"
ich bin entsetzt:
"was?! warum???"
"war an der zeit", schreibt das objekt zurück. "jim morrison ist tot."
"will ich sehen!!"
das objekt schickt ein foto. statt der langen mähne hat es nun einen angedeuteten irokesenschnitt.
"weiß nicht, ob ich das hübsch finde, aber deine mutter freut sich bestimmt", kommentiere ich das bild.

als der luxus-mann mir die tür öffnet, stehe ich gerade mit dem handy da und drücke auf senden.
"na, wem schreibst du?"
"dem objekt", sage ich frank und frei.
"wie? wieso habt ihr kontakt?"
"warum sollten wir denn keinen haben? ab und an schreiben wir halt mal. immerhin haben wir nicht nur fünf jahre gefickt, sondern waren auch eng befreundet."
"das finde ich schräg", sagt der luxus-mann.
ich zucke die achseln.
"ansichtssache. du schreibst doch auch mit deinen exfrauen."
"ja, wegen der kinder!"
ok, ist ein argument.

wir trinken einen wein und rauchen einen joint. der luxus-mann fragt mich weiter nach dem objekt aus.
"du willst noch was von dem", sagt er ein ums andere mal.
ich erkläre ihm zum gefühlt eine millionsten mal, dass unsere liebe vergangenheit ist, dass ich es aber sehr begrüße, aktuell freundlichen sms-kontakt zu haben und mir keine sorgen mehr machen zu müssen, dass es mich auf gemeinsamen events lynchen möchte. und dass, egal was passiert, ich mich für die luxus-beziehung entschieden habe.
das alles zieht ungehört am luxus-mann vorbei. vorwürfe und wilde spekulationen hageln auf mich ein.
irgendwann schweige ich, weil ich vollkommen erschöpft und frustriert bin.
"siehst du, jetzt streitest du es nicht mehr ab!" triumpfiert der luxus-mann.
nun raste ich aus und schreie ihn an:
"weils doch scheißegal ist, was ich dir sage, du vertraust mir nicht, und verdammt noch mal, weißt du, wie sehr du damit provozierst, dass ich dir bei der nächstbesten gelegenheit so richtig grund zum misstrauen gebe?! und glaub mir, ich mach das dann nicht, weil ich so versessen drauf wäre, sondern einzig, um dir damit wehzutun!"

der luxus-mann ist konsterniert und blinzelt verwirrt, weil er solche ansagen von mir nicht kennt.
"das will ich nicht. tut mir leid, wenn ich übers ziel hinausgeschossen bin. komm, wir gehen los, du willst doch noch auf dein konzert."
ich, jenseitiger als jenseits aller party- und konzertlaune, sage:
"ich fahre jetzt nachhause."
"warum denn?" will der luxus-mann wissen.
ich schaue ihm ins gesicht, gefasst darauf, häme und zynismus zu sehen, aber er scheint ehrlich erstaunt.
"mein abend ist gelaufen, ich bin total traurig und sauer, was soll ich da auf einem scheißkonzert?"
"wieso bist du jetzt traurig?" ist der luxus-mann verblüfft.
"weil ich seit zwei stunden versuche, dir klarzumachen, was du mir bedeutest. ich gebe jetzt auf. ich kann nicht mehr. ich will jetzt meine ruhe und dich nicht mehr sehen."

der luxus-mann schaut mir mit offenem mund zu, wie ich meine sachen packe und in jacke und stiefel schlüpfe.
"aber du hast dich doch so auf das konzert gefreut", sagt er.
"ja, extrem sogar, weils eine großartige band ist. aber alles, was ich mir jetzt wünsche, ist allein zu sein und dich nicht mehr sehen zu müssen."
der luxus-mann hält mich fest.
"es bricht mir das herz, dich so traurig und verletzt zu sehen."
"wo hast du denn den spruch her, zu viel rosamunde pilcher gelesen?!" spotte ich.
dann halte ich inne. ich kann den gesichtsausdruck des luxus-mannes nicht deuten. verletzung, hilflosigkeit, nichtbegreifen. schwer zu definieren.
"oder war das jetzt ehrlich gemeint?" hake ich nach.
"finds raus", sagt der luxus-mann geheimnisvoll.

ich setze meine rucksack ab.
"gib mir einen grund, warum ich jetzt auf dieses konzert mit dir gehen sollte."
"weil ich möchte, dass es dir gut geht und du glücklich bist."
das klingt so ernsthaft und ehrlich, dass ich einknicke.
"ok", sage ich, gehe ins bad und erneuere mein make-up.
starten wir das experiment: sauer und zerstritten auf ein konzert gehen.

auf dem weg legt der luxus-mann den arm um mich.
"was ist los?" frage ich.
"ich hab ja was wieder gutzumachen", sagt er schüchtern.
der erste impuls in mir schreit: spar dir dein rumgeschleime.
der zweite flüstert mir: nimms mit, das steht dir jetzt zu. soller sich mal mühe geben.

am eingang zahlt der luxus-mann zwei eintritte und fragt mich dann, ob ich etwas trinken mag.
langsam nehme ich ihm die ernsthafte zerknirschtheit ab.
als wir an der bar stehen, bittet mich der luxus-mann:
"sei bitte nicht immer so sauer, wenn ich eifersüchtig bin."
"ich gebe ja zu, dass ich da sehr leicht an die decke gehe. aber ich habe diese eifersuchts-soße eben schon mal durch, ich habe mich damals so sehr eingeschränkt und war damit so unglücklich, und ich reagiere deswegen absolut allergisch darauf."
"siehst du, und ich habe eben betrug erlebt und habe zwei jahre lang ein mieses spiel mitgespielt. da reagiere ich nun mal allergisch drauf."

ich überlege angestrengt.
"kannst du mir mal ehrlich sagen, warum du dann eine offene beziehung mit mir eingegangen bist?"
"ich will da ja toleranter werden. ich muss meine gefühle unterdrücken."
"das ist doch bullshit. die gefühle sind da. das ist bei mir doch ganz genauso. die frage ist aber, was man mit diesen gefühlen macht. ob man sich verhält wie ein terrorschwein und dem anderen alles verbietet und zunichte macht, oder aber ob das in eine gemäßigte reaktion umgeleitet wird. ich verlange nicht von dir, dass du nicht eifersüchtig sein darfst, aber ich möchte, dass du dir überlegst, wie dein verhalten bei mir ankommt. ich bin leider nicht die stabilste, das weißt du, und gerade wenn ich wie jetzt auch noch beruflich unheimlich gefordert bin, dann bin ich noch dünnhäutiger als sonst.
"versteh ich."
"ich weiß ja auch drum. nervt mich selber auch. ich habe gestern wieder mit meinen tabletten angefangen."
"aber du sollst dich nicht zudröhnen."
"ich bin dann aber anstrengend."
"na und? steh doch zu dir. wenn du sauer bist, sei sauer und schrei mich an. wenn du traurig bist, sei traurig. aber drück das doch nicht weg."

dafür liebe ich dich so, denke ich und nehme den luxus-mann spontan in den arm.
"sorry", sage ich dann. "du magst das ja nicht."
"doch, ist schon ok. nur bei fickbeziehungen finde ich das überflüssig."
"heißt das, wir haben jetzt eine emotionale beziehung?"
der luxus-mann zuckt die achseln.
"ja, nein, vielleicht. gefühlt wahrscheinlich schon."
"und das heißt?"
"wenn du mich bescheißt und mir das nicht sagst, ist es aus."
mir klappt die kinnlade runter.
"ok, und wenn ich dich bescheiße und es dir sage?"
der luxus-mann windet sich.
"kann ich dir nicht versprechen, wie ich drauf reagiere. wahrscheinlich nicht positiv."
"das heißt, ich habe ja keine wahl und muss dir treu sein."
"nein, das sollst du nicht müssen, ich muss einfach toleranter werden."
"und wie soll das gehen?"
der luxus-mann schaut hilflos:
"ich bin halt nicht so locker wie du. ich wärs total gern und würde das unbedingt lernen wollen."
"naja, so wie sich die dinge entwickelt haben, bin ich da wohl kein gutes übungsobjekt mehr?!" lache ich.

zuhause setzen wir uns noch einmal zusammen auf die couch.
"pass auf", sage ich. "ich möchte, dass du dir zwei dinge überlegst, bis ich übernächste woche wieder von meinen reisen zurück bin. zum einen, ob du die offene beziehung halten möchtest oder ob du was festes brauchst. fest heißt dann aber auch, dass ich es nicht tolerieren werde, wenn du rumfickst. eine feste beziehung war nie mein ziel, aber du wärst es mir wert, dass ich mich festlege."
"und das zweite?"
"wenn du dich für was offenes entscheidest, überlege dir genau, ob du es wissen willst, wenn ich fremdgehe. wenn du es wissen willst und ich es dir erzähle, und du machst dann schluss, weil du mir nicht mehr vertrauen kannst, hat keiner was davon. dann ist es besser, wir einigen uns auf schweigendes genießen."
der luxus-mann nickt.
"das macht sinn."
"nimm dir zeit und überleg dir das die nächsten beiden wochen, in denen ich nicht da bin. vielleicht ist es ja auch eine gelegenheit, mal alleine auszugehen und irgendwo einzulochen. nur, damit du es mal hattest und mir nicht mehr dauernd in den ohren liegst, dass ich dir viel zu früh passiert bin."

im bett darf ich mich wie immer neuerdings in die armbeuge des luxus-mannes kuscheln. der luxus-mann schnarcht nach 30 sekunden, während ich eine ganze weile wachliege. dann stehe ich noch mal auf und schalte das handy aus, weil ich angst habe, dass das objekt mir noch mal schreiben könnte.

ob ich den kontakt zum objekt jetzt ganz abbrechen muss? frage ich mich. und wenn ich dies täte, wäre das dann nicht der freibrief für den luxus-mann zu verlangen, dass ich sämtliche weiteren kontakte zu meinen männlichen freunden und bekannten einschränken oder gar einstellen muss? werde ich am ende das erleben, was ich schon mal erlebt habe, wenn ich der eifersucht des anderen nachgebe?

ich habe angst um meine freiheit.
ich habe aber auch angst, den luxus-mann zu verlieren.
ich möchte nicht, dass eine banale objektive sms irgendwann unsere beziehung zerstört.
aber ich möchte mich auch weiterhin darüber freuen, dass das objekt mir ab und an schreibt. und ich möchte auf gar keinen fall meine männlichen freundschaften wie zum beispiel zur lederjacke oder zu v. aufgeben.

es wird ein balance-akt werden. irgendwo dazwischen.




Freitag, 4. November 2016

der charakter als krankheit: warum wir (keine) diagnosen brauchen

dass ich irgendwie ein bisschen komisch ticke, war mir schon immer klar. im kindergarten hielten die anderen abstand, in der schule wurde ich gemobbt und verprügelt. kinder haben einen guten sensor dafür, wenn bei jemandem etwas nicht ganz stimmt. vielleicht mag ich deshalb keine kinder. sie durchschauen mich. sie sind grausam.

meine erste diagnose bekam ich mit 25. lebenskrise, anpassungsstörung. ich hatte handfeste probleme: starker liebeskummer und eine phase der desorientierung, weil ich merkte, dass ich nicht den beruf ergreifen wollte, auf den ich studierte. die diagnose klang logisch. nachdem der liebeskummer vorüber war und ich eine vage vorstellung von meiner zukunft gewann, war ich wieder "gesund".

nur um dann sechs jahre später erneut zusammenzubrechen. jut, man könnte sagen, ich hatte wieder reale gründe. eine berufliche odyssee mit unzähligen überstunden und menschenunwürdiger bezahlung, eine sehr fiese vorgesetzte, eine (zu späte) trennung von einer person, mit der ich mich schon ewig auseinandergelebt hatte, der umzug in eine fremde stadt, in der ich keine freunde fand, und jährlich expandierende rückenprobleme, die mir den schlaf raubten und mich manchmal wochenlang zur verzweiflung trieben - und last but not least einen höchst aufregenden aber ebenso unzuverlässigen junkie-lover, der mich abwechselnd sabbern und zappeln ließ. das kann in summe auch eine robustere person schon mal aus der bahn werfen. es heißt ja, der mensch brauche fünf säulen - wohnung, job, partner, familie und freunde. einzig eine wohnung hatte ich, die ordentlich einzurichten mir ständig das geld fehlte.

diese durchaus nicht besonders glücklichen umstände trafen in meinem fall auf eine persönlichkeit, die über wenig widerstandskräfte verfügte. der selbstwertgefühl und vertrauen in jeder hinsicht fehlten, die selbstschädigende verhaltensweisen pflegte, und die sich gerne an menschen klammerte, die ihr stark erschienen, stets in der hoffnung, dass etwas von dieser stärke auf sie abfärbte. ein trugschluss: die meisten vermeintlich stärkeren persönlichkeiten walzten mich schlichtweg platt. mit ihrer zielstrebigkeit, ihrem geltungsbedürfnis, ihren sehr konkreten vorstellungen von normalität, die mich erstickten.

zum zeitpunkt des zusammenbruchs gab es eine einzige person, der ich vertraute. das objekt. es brachte mich in die psychiatrie, wo ich nach vier stunden wartezeit zehn minuten zeit hatte, meine symptome (vollkommen innere starre, isolation, suizidgedanken) zu schildern. ich sagte, dass ich vermutlich depressiv sei, was dann auch gleich dankbar als diagnose übernommen wurde: mittlere bis schwere depressive episode. schmeißt man medikamente drauf und gut ist.

meine ersten medikamente waren tetrazyklika. dass sie irgendwie wirkten, merkte ich vorwiegend an den nebenwirkungen. an ständiger schläfrigkeit, dauerkopfschmerz, noch mehr innerer starre, übelkeit und kreislaufproblemen. mein appetit war schon ziemlich im arsch gewesen, jetzt hörte ich ganz auf zu essen, nur um mich dann in heftigen fressanfällen vollzustopfen. das gehörte ebenfalls zu den offiziellen nebenwirkungen meiner psychopillen. mein überlebenswille schrumpfte gegen null. meine hausärztin, eine recht vernünftige ältere dame, drängte mich schließlich, mich um eine neue medikation zu kümmern.

also ging ich wieder in die psychiatrie und meldete artig an, dass ich meine psychiaterin sprechen wolle. die hatte zu tun. ich weiß nicht mehr, wie viele stunden ich der aufnahme saß. gegen 17 uhr erwischte ich endlich einen jungen durchgangsarzt. der sagte, er habe nicht so viel ahnung, da er chirurg sei, aber er kenne ein paar depressive, die mit escitalopram gut klarkamen. wenn ich wollte, würde er mir ein rezept ausstellen, damit ich es ausprobieren könne.

escitalopram wurde meine rettung. ich lief darauf mehr oder minder stabil, wenn auch nicht absturzfrei. ich erhielt daher zusätzlich nach und nach bedarfsmedikation - antipsychotika und eine ganze stange beruhigungsmittel. ich ergatterte einen therapieplatz. damit ging der wahnsinn weiter. der psychologe sagte mir, er halte mich nicht für depressiv, sondern lediglich für hypersensibel. ich solle mich um einen platz in einer selbsthilfegruppe kümmern. er nannte mir eine homepage, auf der die symptome von hypersensibilität beschrieben waren. einige trafen auf mich zu, viele andere nicht. ich schloss mich dennoch brav einer selbsthilfegruppe an, hatte aber sehr bald das bedürfnis, all diesen mimosen in die fressen zu hauen. ich konnte diese menschen nicht verstehen, fühlte mich noch mehr alleine und unverstanden und kapierte nicht, wie man als halbwegs intelligenter mensch auf quantenheilung und ähnliches hereinfallen konnte.

im sommer 2014 zerbrach meine freundschaft zum objekt und damit zum letzten menschen in dieser stadt, dem ich vertraute. es folgte eine stationäre aufnahme wegen akuter suizidgefahr. der behandelnde oberarzt schaute 20 sekunden in meine akte und kategorisierte mich unter borderline ein - interessanterweise genauso wie fast alle frauen auf der station. ich befasste mich ausführlich mit den symptomen von borderline und machte unzählige selbsttests. ich erfüllte einige wesentliche punkte der erkrankung, andere aber auch wieder überhaupt nicht. ich fragte den oberarzt, ob er sicher sei. ich erhielt daraufhin noch eine diagnose - bipolare störung. 

vier diagnosen und unzählige medikamente später gelangte ich an den punkt, an dem ich heute noch immer stehe: ich habe symptome einer depression, einige einer borderline persönlichkeit, bin ein bisschen hypersensibel dann und wann - und habe auch hin und wieder phasen, in denen ich sehr energiegeladen und schlaflos bin und damit ein merkmal der bipolaren störung erfülle. ich bin alles, aber alles ist auch so gut wie nichts. ich habe einfach einen etwas komplexen charakter, der sich mit den platten normen dieser gesellschaft nicht verträgt. und ich weigere mich, meinen charakter als krankheit zu bezeichnen, verficktescheißenocheins.

aus ärztlicher sicht kann ich die notwendigkeit von diagnosen sehr gut nachvollziehen. als psychiater triffst du einen fremden menschen und sollst in zehn minuten kapieren, was in dessen kopf vorgeht und was er zu tun gedenkt (amok laufen, suizid begehen, sich ritzen oder mit drogen zuschmeißen). und ihn dann von all dem effizient abhalten. die richtige pille wählen. keine leichte aufgabe. 

ich habe viele junge eifrige psychiater kennen gelernt, die nach dem schema eindeutige diagnose - eindeutige medikation verfahren und die seele behandeln wie einen schnupfen. wie auch in anderen berufen gibt es da leider sehr viele idioten, die patienten nicht als menschen betrachten, sondern als reparaturbedürftige maschine. meine aktuelle psychiaterin lässt mich machen. sie stellt mir meine rezepte aus, und wenn ich sie etwas frage, bekomme ich eine antwort. eine zurückhaltende, vorsichtige, abwägende, die mir sagt, dass ich mir selbst vertrauen darf. sie weiß, dass sie nicht in meine seele schauen kann, denn selbst wenn ich sie ließe, es wäre zu wenig zeit. sie lässt mich also selber hineinschauen und vertraut mir, wenn ich ihr sage, dies und jenes wäre jetzt gut.

welche medikamente wirken, welche nicht? die wesentlichen medikamente sind nicht chemischer natur. sie sind die struktur, auf die du dich einlässt, wenn sie dir ein arbeitsplatz mit positivem umfeld gibt. sie sind die lebendigkeit, die aus dem austausch mit anderen menschen - wohlgemerkt den richtigen! - entsteht und dich von innen warm und stark macht. sie sind reize und impulse, die nicht stressen, sondern deinen geist anregen und ihn auf eine gute, produktive art und weise beschäftigen.

dennoch hätte ich es ohne medikamente nicht geschafft. weil ich zum entscheidenden zeitpunkt nicht über die medizin des lebens verfügte. und ich bin nicht einmal sicher, hätte sie mir zur verfügung gestanden, ob ich sie hätte annehmen können. an dieser stelle haben die happy pills meines erachtens ihre berechtigung, egal ob placebo-effekt oder nicht.

im leben kann es für mich nur darum gehen, auf eigenen beinen zu stehen. so intensiv wie möglich jede minute auszukosten, ohne etwas zu bereuen. sich allen normen zu verweigern, sich trennen von personen, die mir nicht gut tun und keinen weitblick haben, und sich alleine einen individuellen pfad durch einen noch nie begangenen dschungel zu schlagen. wenn medikamente dabei helfen, ist es für mich persönlich in ordnung.

das schönste aber, was mir mein charakter, der in den augen anderer eine krankheit ist, geschenkt hat, ist die freiheit. eine unbedingte, intensive, manchmal etwas rücksichtslose und furchteinflösende freiheit. ich schenke sie denjenigen, die mir begegnen - und vielleicht, sehr vielleicht und nach gründlicher prüfung gehe ich dann ein stück weit mit diesen menschen zusammen. in aller freiheit.


Mittwoch, 2. November 2016

working class heroine

anstehender ärztekongress. ich arbeite an meiner rede, in der ich die marketingstrategie präsentiere, die ich im laufe der letzten monate mit meinem team entwickelt habe.

"stinklangweilig", sagt der luxus-mann.
"find ich leider auch, aber es ist nun mal vorschrift", erwidere ich.
"ich würde da nicht so viel zeit reinstecken."
"es ist aber das erste mal, dass ich vor einer horde weißkittel aus aller herren länder stehe und meine leistung verteidigen muss."
"warum verteidigen?"
"weil ärzte marketing überwiegend für überflüssigen scheiß halten und teils nicht mal facebook kennen. ich bin von vornherein in der defensive, muss aber so tun, als würde ich ihnen das leben und die existenz retten. die sollen ja auch nächstes jahr ihre anteile zahlen."
"aber es ist doch in der tat überflüssiger scheiß", grinst der luxus-mann.
"fall mir jetzt nicht in den rücken, sonst gibts nachher keinen blowjob!"

der luxus-mann grinst.
"und da stehst du dann vorn so in kostüm oder was musst du da anziehen?"
"so ähnlich. und später renn ich da im abendkleid rum."
der luxus-mann kichert.
"trag wenigstens deine totenkopf-ohrringe."
"du, das mach ich auch. wenn ich schon keine geliftete dekoschnecke bin, muss ich anderweitig negativ auffallen. immer subversiv sein. und immer authentisch bleiben."
"find ich gut."
"ich auch."

als ich die arbeit für den abend beende, frage ich den luxus-mann:
"hattest du heute nicht die erste videokonferenz deines lebens?"
"jo. war kacke."
"warum?"
"hab nicht geschnallt, wann die kamera an ist. und die pisser am anderen ende des bildschirm dann immer so: herr luxus-mann, herr luxus-mann, wir sehen sie nicht!"
ich lache.
"und dann wurde es peinlich, dann stellten die lauter fragen zur it-infrastruktur, und unser it-mann ist krank und war entsprechend nicht dabei, und mein chef war auch nicht da. also hab ich halt gesagt, gut, ich notier mir das und frage den it-mann, wenn er wieder da ist. und was machen die penner? schreiben meinem chef ne mail, dass ich ja wohl nicht so motiviert sei."
"arschgeigen."
"mir kanns egal sein, das was ich machen soll, mach ich ja, und es gibt im bereich finanzen niemanden, der das kann, von daher werden sie mich nicht rausschmeißen."
"wär auch schade. so wenig arbeit für so einen arsch voll kohle und so abartig viel urlaub hast du nirgendwo anders. verkack dir das nicht."
"nee nee, ich weiß das schon zu schätzen."

"dann heute kein alk und früh zu bett?"
"jo."
"mensch, wenn du da unterwegs bist, sehen wir uns ja ewig nicht."
"fast zwei wochen."
"viel handarbeit."
"oder du gehst mal wieder alleine aus und reißt dir ein weibchen. darfst du ja."
"oder so. wenn dir das nichts ausmacht."
"nö. aber du weißt, wenn du rumfickst, fick ich auch rum. gleiches recht für alle."
"schon klar. aber keine ärzte vögeln, ja?"
"warum? die verdienen auch gut."
"aber die operieren dich dann um. so wie ihre frauen. und dann bist du nicht mehr samara."
"das würde dir doch gefallen."
"nein. bloody bitch samara ist mir schon ans herz gewachsen."
"ans herz? du meinst, an den schwanz?"
"du brauchst mal wieder haue, scheint mir."
"ein kleiner fick wär mir aktuell lieber."
"lässt sich auch einrichten."
"na dann..."