Sonntag, 25. Juni 2023

samstagsgefickt

vor 10 jahren war der sonntag der tag mit dem größten schrecklichkeitspotenzial, dicht gefolgt vom montag. freitag und samstag hatte die aufregung oberwasser: auf welche party könnte ich gehen? würde ich das objekt treffen? oder einen anderen spannenden typen? und wer von meinen freunde begleitet mich?

diesen samstag sitze ich ausnahmsweise alleine zuhause, weil der luxus-mann auf kumpelsurlaub weilt. normalerweise habe ich eine gute zeit auch ohne ihn - und tue einfach dinge, die ich mit ihm weniger gut machen kann. 

aber ohne medikamente funktioniert das überhaupt nicht. 

den ganzen nachmittag hadere ich mit mir, weil ich lust auf elektronische musik und eine durchgemachte nacht hätte. das alles wäre heute sogar im angebot. aber ich zögere, muss mich gedanklich endlos daran abarbeiten. ich funke zwei bekannte an. wenn dus nicht allein packst, hast du mit einem zugpferd bessere chancen. die beiden haben aber was anderes vor. mist.

dann fällt mir ein, dass ich gar kein bargeld mehr habe. ich beschließe, erstmal einen kleinen spaziergang zur bank zu machen, denn noch bin ich zwar nicht wild, aber doch halbwegs entschlossen.

interessanterweise haben alle für mich infrage kommenden filialen dicht. kein geldautomat weit und breit. wegen vandalismus nur noch tagsüber geöffnet, steht an den türen. ich ärgere mich schwarz. sind die banken zu blöd, das mal großflächig zu kommunizieren? unfassbar. da lebt man in einer großstadt und nach 18 uhr bekommt man kein bargeld mehr. da kann man auch gleich aufs dorf ziehen.

ich könnte natürlich in einen supermarkt gehen, unnützes zeug kaufen und dabei geld abheben. aber ich brauche nichts und habe auch keine lust, wegen unfähigen banken noch sinnlos extrageld auszgeben.

frustriert laufe ich die große straße zurück. überall sind leute in den restaurants und kneipen. sie lachen. die lachen NICHT wegen dir, sage ich mir. du bist vollkommen unsichtbar. uninteressant. keiner achtet auf dich.

ich checke mein spiegelbild in einem fenster. sehe ich nicht vielleicht doch absonderlich aus? ein bisschen? erkennen andere menschen, dass ich nichts mit ihnen gemein habe und sie mich deshalb vertreiben müssen wie einen eindringling aus der herde?

ich durchquere einen park. also das, was man in hamburg so park nennt: eine hundewiese mit 5 bäumen. da sitzen auch menschen. wie immer müssen sie schreien und gröhlen. mir wird übel von diesem menschlichen lärm. zutiefst abstoßend finde ich ihn, allen voran das schrille gegirre und gekreische  der frauen. nichts ist hässlicher als eine besoffene weiberlache, sie klingt nie glücklich oder heiter. immer nur dumm und aggressiv wie die klinge eines springmessers.

zurück in der wohnung zurück bin ich fix und alle. ich und andere menschen, das geht einfach nicht mehr zusammen. früher war ich neugierig und scannte mein umfeld nach eventuellen gemeinsamkeiten. heute ist es das gegenteil: ich nehme nur noch den unterschied wahr. das trennende, das unangenehme. ducke mich weg. will keine berührung.

in der großstadt ist das ungeheuer schwer. obwohl man theoretisch komplett anonym ist, ist man ständig unfreiwillig mit anderen menschen in kontakt, weil besonders im sommer alles permanent überfüllt ist. ich fühle mich oft zutiefst einsam, ziehe aber inzwischen diese einsamkeit meist jeder gesellschaft vor, weil ich mich alles im allem sicherer so fühle.

die wenigen anonymen begegnungen auf der straße haben mich so unter stress gesetzt, dass an party nicht mehr zu denken ist. nicht so sehr wegen der party an sich, denn da herrscht die legale droge alkohol. die party kann man sich also schönsaufen, notfalls bis zum seelenkoma. das problem ist vielmehr der weg dorthin. u-bahn fahren ist undenkbar. zu groß ist jetzt die gefahr einer panikattacke. mit dem rad müsste ich durch eine belebte gegend voller kneipen, auch da sind garantiert wie von sinnen schreiende und restlos enthemmte menschenmassen zu befürchten.

ich heule noch ein wenig, weil ich so feige geworden bin, mir nicht einmal die chance geben kann, dass es vielleicht ganz nett hätte werden können. von schön oder aufregend wollen wir mal nicht sprechen, dazu bin ich viel zu alt. aber so ein abend, auf den man zurückblicken und sagen kann: war doch gar nicht sooo schlecht, so ein wenig oberflächlicher spaß - gut, dass du mal rausgegangen bist!

ab und an mal auf alles scheißen, hatte das das objekt immer gesagt, sonst erdrückst du dich selbst. in der tat ist mir mein kopf die größte last von allen. aber schüttel mal deinen kopf ab. der ist wie eine fußfessel. kein schritt ohne. bin ich allein, stellt er ein horrorfilm-festival auf die beine: wie ich arbeitslos werde. wie ich eine verarmte, einsame rentnerin werde. bis ich dann an einem hitzschlag bei 50 grad im sommer sterbe, in einer nicht mehr besetzten notaufnahme.

alles quatsch. alles nur matrix. aber gefühlt komplett real und extrem bedrohlich. so  wie eine besofffene weiberlache.

Mittwoch, 21. Juni 2023

daily frustration

die nachrichten sehen und wissen, dass nichts mehr zu retten ist. das klima nicht. der sozialstaat nicht. und der verstand der meisten menschen ohnehin nicht.

im job keine ideen mehr einbringen. den sinnlosen kackscheiß nur noch stumpf abarbeiten. es lohnt nicht, wenn du dich einbringst, aber permanent übergangen wirst. weil alles so gemacht werden soll wie es garantiert wirkungslos bis schädlich ist.

täglich job- und weiterbildungsangebote durchsuchen. ein wenig über den von geizigen und rückständigen arbeitgebern inszenierten "fachkräftemangel" lachen. wenig ist da, was brauchbar wäre, noch weniger, was mich auch nur ansatzweise interessiert. vermutlich würde ich mich als langzeitarbeitslose nicht einmal mehr langweilen als ich dies 8 stunden täglich im job tue.

zu stumpf für tränen oder ausuferndes selbstmitleid. bei 28 grad und maximaler luftfeuchtigkeit einfach dahindämmern. der geist schlafend, die seele in tiefer ohnmacht, der körper in maximaler lethargie.

Samstag, 17. Juni 2023

ungefiltert

meine neue psychiaterin ist kein burner. sehr nett, aber auch sehr uninformiert und vollkommen leichtfertig. im mai verordnete sie mir ein medikament und vergaß, mich darauf hinzuweisen, dass es sich überhaupt nicht mit alkohol verträgt - auch nicht mit einem klitzekleinen schluck bier. nach einem krassen horror-abend deswegen habe ich die chemische keule wieder abgesetzt und beim nächsten termin darauf hingewiesen, dass ein kleine vorwarnung nett gewesen wäre, weil nicht jeder patient automatisch in drogen-foren nach solchen infos sucht.

daraufhin bekam ich ein anderes medikament, welches sich aber nicht mit meinem glaukom verträgt und auch nicht mit meinen rückenschmerzen (es MACHT rückenschmerzen und außerdem bauchschmerzen). muss man besser einschätzen können als psychiaterin, finde ich. dafür habe ich schließlich einen endlosen anamnesebogen ausgefüllt, und sie hat den ganzen mist außerdem studiert.

im juli starte ich dann einen letzten versuch und zugleich einen weiteren bei einem anderem psychiater.

ich kann grundsätzlich schwer entscheiden, ob psychopharmaka mich voranbringen oder nicht. nehme ich sie, ist die realität auf jeden fall sehr viel einfacher. ich bin halbwegs relaxt, schlafe ganz gut, finde meinen job ganz ok, muss mich nicht permanent über diese kackstadt und ihre menschen ärgern, und ich denke nicht pausenlos nach über hätte-könnte-sollte-wäre usw.

ohne medikamente ist das vollkommen anders. mein hirn entwirft in jeder minute fluchtpläne: wie entkomme ich endlich diesem job? reicht es, sich zu bewerben? oder muss ich mich weiterbilden? komplett umschulen? ist ein englisch-konversationskurs genug? sollte ich nicht noch eine weitere neue sprache erlernen oder eine der erlernten noch perfektionieren? 

das käme wiederum darauf an, in welches land ich im falle einer erneuten ns-regierung in deutschland flüchten würde. kommen schließlich nicht so viele infrage außer den skandinavischen ländern, denn da ist ja auch noch der klimawandel! welches land dort ist am wenigsten rechts? und am billigsten natürlich? oder sollte ich vielleicht doch erstmal innerhalb von deutschland den ort wechseln und versuchen, in einer ländlicheren gegend etwas zu ruhe zu kommen? 

was mache ich dann mit meiner beziehung? auch wenn der luxus-mann in kürze in ultrafrührente geht und damit theoretisch völlig ortsunabhängig sein wird, klebt er an der kackstadt wegen der kinder. die zwar inzwischen schon super ohne ihn klarkommen, aber ich vermute, er braucht eine familie in reichweite, um nicht den eindruck zu haben, als vater gescheitert zu sein. also beziehung beenden? oder weiter diskutieren?

die realität bremst derweil die umsturzpläne des kopfes aus. der bewerbungsmarathon ist derzeit ausgesprochen frustrierend, die beziehung viel zu harmonisch für einen kurz- oder mittelfristigen abbruch, und dann gibts da ja auch noch ein paar beackernswerte alltagsprobleme wie panikattacken in menschenansammlungen, schlaflosigkeit wegen des verkehrs- und nachbarschaftslärms, ständige rückenschmerzen (definitiv psychisch bedingt, seit absetzen der medikamente sind sie wieder stark im vordergrund) und last but not least natürlich das ewige rekurrieren auf das gefühl kompletter sinnlosigkeit, das verlässlich suizidgedanken abruft - was dann weiteres anstrengendes geistiges intervenieren nötig macht.

ich frage mich immerzu: wiegen mich meine medikamente in falscher sicherheit, indem sie mir zufriedenheit und seelenruhe vorgaukeln, die mich dann in einen fatalen stillstand treiben? bin ich dann wirklich noch weit entfernt von selbstzufriedenen dummdeppen im konsum-koma? ist es nicht besser, dass ich so extrem merke, was mich stört - und dass ich dann alles daran setze, dies zu verändern? damit ich am ende vielleicht zu einer art wahrhaftigkeit und sinn durchbreche? oder ist meine ganze nüchtern inszenierte rödelei zum scheitern verurteilt, weil ich bei meinem aktionismus derart von angst und verzweiflung getrieben bin, dass ich sowieso nichts auf die kette bekomme (am allerwenigsten bewerbungsgespräche)?

kierkegaards antwort würde lauten: es ist egal, wie du dich entscheidest - du wirst es auf jeden fall bereuen. vielleicht eine ganz befreiende einstellung. am ende hilft sowieso nur galgenhumor. oder eben der galgen selbst.

Mittwoch, 14. Juni 2023

southern gothic

eine nervenheilanstalt voll zärtlicher mathematik.

geometrische betrachtungen des absurden.

aufrecht stehend am rande dessen, was wir ertragen oder verstehen können.

das eintauchen in eine tiefe bedeutet stets, den verstand verlieren zu müssen.

stella maris, empfehlung zum tod von cormac mccarthy.

 


Freitag, 2. Juni 2023

deutsches land ist abgebrannt

stand heute haben wir eine ähnliche politische situation wie vor rund 90 jahren. konservative und nationalistische kräfte führen in den umfragen und haben sich in ihren ideen, ihrer populistischen rethorik und ihrer argumentationsfreien hetze perfekt aneinander angepasst. sie sind ein echtes dreamteam und werden uns ab den kommenden bundestagswahlen aller voraussicht nach wieder auf 1931 zurückwerfen. gestern hitler und von papen, heute merz und irgendein afd-führer. bewährte koalitionsmodelle für den untergang.

die gesellschaftliche situation ist allerdings anders. wir haben keine massenarbeitslosigkeit, keine unkontrollierte hyperinflation. es gibt also historisch betrachtet vergleichsweise wenig, weshalb die bevölkerung frustriert sein müsste. gut, sie leidet unter dem kapitalismus. dieser hat einen haufen reicher boomer hervorgebracht, die sich an ihre verbrenner und gasheizungen klammern, und panik schieben, dass sie einen bruchteil ihres perversen wohlstand den gemeinwohl opfern müssen. auf der anderen seite gibt es die verlierer des kapitalismus, die von der daraus resultierenden sozialen ungerechtigkeit betroffen sind. beide parteien funktionieren ironischerweise identisch: sie haben den begriff der freiheit pervertiert und interpretieren ihn rein ich-bezogen. und diese grundeinstellung erklärt, warum die deutsche gesellschaft als gemeinschaft gescheitert ist.

wie irrsinnig es doch ist, dass die einst aus afrika eingewanderte menschheit (wir sind in der tat alle flüchtlinge, denken sie auch mal an die völkerwanderungen) irgendwann territoriale ansprüche erfand und begann, die schwächeren für ihre zwecke zu missbrauchen und zu versklaven. dass sie trotz ihres großen gehirns und bewusstseins und ihrer fähigkeit zu bildung nicht in der lage ist, diesen brutalen darwinismus zu überwinden und eine wahrhaftige und vielfältige gemeinschaft zu bilden, die niemanden ausgrenzt, weil er nicht der verordneten norm entspricht. dass auch noch irgendwer glauben kann, dies könne der wille gottes oder einer anderen kraft sein, ist schlichtweg absurd.

vielleicht sind menschen tatsächlich nicht in der lage zu lernen. vielleicht wiederholt sich geschichte wirklich nur nach einem traurigen modell. wir werden es in kürze herausfinden.