vor 10 jahren war der sonntag der tag mit dem größten schrecklichkeitspotenzial, dicht gefolgt vom montag. freitag und samstag hatte die aufregung oberwasser: auf welche party könnte ich gehen? würde ich das objekt treffen? oder einen anderen spannenden typen? und wer von meinen freunde begleitet mich?
diesen samstag sitze ich ausnahmsweise alleine zuhause, weil der luxus-mann auf kumpelsurlaub weilt. normalerweise habe ich eine gute zeit auch ohne ihn - und tue einfach dinge, die ich mit ihm weniger gut machen kann.
aber ohne medikamente funktioniert das überhaupt nicht.
den ganzen nachmittag hadere ich mit mir, weil ich lust auf elektronische musik und eine durchgemachte nacht hätte. das alles wäre heute sogar im angebot. aber ich zögere, muss mich gedanklich endlos daran abarbeiten. ich funke zwei bekannte an. wenn dus nicht allein packst, hast du mit einem zugpferd bessere chancen. die beiden haben aber was anderes vor. mist.
dann fällt mir ein, dass ich gar kein bargeld mehr habe. ich beschließe, erstmal einen kleinen spaziergang zur bank zu machen, denn noch bin ich zwar nicht wild, aber doch halbwegs entschlossen.
interessanterweise haben alle für mich infrage kommenden filialen dicht. kein geldautomat weit und breit. wegen vandalismus nur noch tagsüber geöffnet, steht an den türen. ich ärgere mich schwarz. sind die banken zu blöd, das mal großflächig zu kommunizieren? unfassbar. da lebt man in einer großstadt und nach 18 uhr bekommt man kein bargeld mehr. da kann man auch gleich aufs dorf ziehen.
ich könnte natürlich in einen supermarkt gehen, unnützes zeug kaufen und dabei geld abheben. aber ich brauche nichts und habe auch keine lust, wegen unfähigen banken noch sinnlos extrageld auszgeben.
frustriert laufe ich die große straße zurück. überall sind leute in den restaurants und kneipen. sie lachen. die lachen NICHT wegen dir, sage ich mir. du bist vollkommen unsichtbar. uninteressant. keiner achtet auf dich.
ich checke mein spiegelbild in einem fenster. sehe ich nicht vielleicht doch absonderlich aus? ein bisschen? erkennen andere menschen, dass ich nichts mit ihnen gemein habe und sie mich deshalb vertreiben müssen wie einen eindringling aus der herde?
ich durchquere einen park. also das, was man in hamburg so park nennt: eine hundewiese mit 5 bäumen. da sitzen auch menschen. wie immer müssen sie schreien und gröhlen. mir wird übel von diesem menschlichen lärm. zutiefst abstoßend finde ich ihn, allen voran das schrille gegirre und gekreische der frauen. nichts ist hässlicher als eine besoffene weiberlache, sie klingt nie glücklich oder heiter. immer nur dumm und aggressiv wie die klinge eines springmessers.
zurück in der wohnung zurück bin ich fix und alle. ich und andere menschen, das geht einfach nicht mehr zusammen. früher war ich neugierig und scannte mein umfeld nach eventuellen gemeinsamkeiten. heute ist es das gegenteil: ich nehme nur noch den unterschied wahr. das trennende, das unangenehme. ducke mich weg. will keine berührung.
in der großstadt ist das ungeheuer schwer. obwohl man theoretisch komplett anonym ist, ist man ständig unfreiwillig mit anderen menschen in kontakt, weil besonders im sommer alles permanent überfüllt ist. ich fühle mich oft zutiefst einsam, ziehe aber inzwischen diese einsamkeit meist jeder gesellschaft vor, weil ich mich alles im allem sicherer so fühle.
die wenigen anonymen begegnungen auf der straße haben mich so unter stress gesetzt, dass an party nicht mehr zu denken ist. nicht so sehr wegen der party an sich, denn da herrscht die legale droge alkohol. die party kann man sich also schönsaufen, notfalls bis zum seelenkoma. das problem ist vielmehr der weg dorthin. u-bahn fahren ist undenkbar. zu groß ist jetzt die gefahr einer panikattacke. mit dem rad müsste ich durch eine belebte gegend voller kneipen, auch da sind garantiert wie von sinnen schreiende und restlos enthemmte menschenmassen zu befürchten.
ich heule noch ein wenig, weil ich so feige geworden bin, mir nicht einmal die chance geben kann, dass es vielleicht ganz nett hätte werden können. von schön oder aufregend wollen wir mal nicht sprechen, dazu bin ich viel zu alt. aber so ein abend, auf den man zurückblicken und sagen kann: war doch gar nicht sooo schlecht, so ein wenig oberflächlicher spaß - gut, dass du mal rausgegangen bist!
ab und an mal auf alles scheißen, hatte das das objekt immer gesagt, sonst erdrückst du dich selbst. in der tat ist mir mein kopf die größte last von allen. aber schüttel mal deinen kopf ab. der ist wie eine fußfessel. kein schritt ohne. bin ich allein, stellt er ein horrorfilm-festival auf die beine: wie ich arbeitslos werde. wie ich eine verarmte, einsame rentnerin werde. bis ich dann an einem hitzschlag bei 50 grad im sommer sterbe, in einer nicht mehr besetzten notaufnahme.
alles quatsch. alles nur matrix. aber gefühlt komplett real und extrem bedrohlich. so wie eine besofffene weiberlache.