Sonntag, 26. Juli 2020

don´t feed the people!

es klingelt an der tür. draußen steht eine blonde studentin, die trotz corona noch einen job bei einem bekannten kinderhilfswerk ergattert hat. als klinkenputzerin. 

sie macht den job erstaunlich gut. in meiner firma helfen wir ja auch kranken kindern kostenlos, um unser image zu polieren. daher checkt sie schnell, dass sie mir nicht lange und dramaturgisch untermalt folgeerscheinungen von hunger bei säuglingen erklären muss. sehr sympathisch soweit.

ich bin prinzipiell gegen spendenabos, das mache ich ihr gleich klar, dazu hab ich nämlich schon zu viele im tierschutz. aber weil das projekt ganz clever klingt, erkläre ich mich spontan zu einer einmaligen unterstützung bereit.

als ich die tür wieder schließe, merke ich, dass ich mir mal wieder selbst auf den leim gegangen bin. 

denn zwei seelen wohnen, ach, in meiner brust.

seelenteil nummer eins ist der überzeugung, dass es möglichst jedem gut gehen sollte und dass "die würde des menschen ist unantastbar" bedeutet, dass man ihn, sofern man die möglichkeit hat, aus lebensbedrohlicher scheiße zieht. weil: würdeste ja auch so wollen! do ut des, auch wenn das in diesem fall wahrscheinlich nicht so klappen wird. da kommt ja nicht mal eben irgendein kind aus afrika und hält mir bei meinen luxusproblemchen das patschehändchen.

seelenteil nummer zwei sagt, hör endlich auf, den schlimmsten parasiten von allen zu füttern! wozu gibts überall schilder auf der welt: don´t feed the pidgeons? dabei stören tauben doch gar nicht, abgesehen davon, dass sie auf alles scheißen. der mensch aber, der ist ein wahrer zerstörer. 

also: don´t feed the people!

seelenteil nummer zwei war früher mal sehr klein und schwach, wächst aber immer mehr in mir. auch, weil der luxus-mann es aktiv unterstützt. "7,8 milliarden sind ungefähr 7 milliarden zu viel", sagt er oft "wir müssen die menschenheit endlich auf ein für die erde tragbares maß dezimieren." da es corona und umweltkatastrophen bislang noch nicht ausreichend tun, ist der mensch eben selbst gefragt. 

ich denke an den film "downsizing", der kürzlich im tv lief. forscher hatten eine möglichkeit entwickelt, menschen auf 12 zentimeter zu schrumpfen und sie so weniger umweltschädlich zu machen. da das in der wirklichkeit leider keine option ist, bleibt uns nur die partielle auslöschung.

ist das jetzt inhuman und unethisch?

ich denke an sophie scholl und ihre weigerung, 1942 an der sammlung von decken und wintermänteln für die in stalingrad eingeschlossenen erfrierenden soldaten teilzunehmen. sie hatte den mumm, ihresgleichen sterben zu lassen, um den krieg nicht mehr zu verlängern. 

also kann ich doch wohl auch  zu meinen prinzipien stehen. spenden für tiere: super. spenden für menschen: nö.

Montag, 20. Juli 2020

wie einem schlechtes essen den verstand rettet

ziemlich genau sechs jahre ist mein psychiatrie-ausflug nun her. 

"und wie hat dir die psychiatrie damals geholfen?" will ein bekannter von mir wissen.
"es gab so derart ekelhaftes essen, dass ich recht motiviert war, alles für meine entlassung zu tun. wirklich, wenn man das mittagsessen sah, wusste man: so schlimm kann die welt da draußen gar nicht sein!"

Freitag, 17. Juli 2020

ich krieg nen vogel

nach einem tag mit mann und kind im wildpark hetze ich nach hause, weil ich noch in zwei haushalten katzen sitten muss und die maumaus bestimmt schon hungrig warten.

als ich meine wohnung betrete, um die schlüssel zu holen, bemerke ich komische braune flecken auf dem parkett. nanu, denke ich, hab ich kaffee verschüttet und das nicht gemerkt? ich nehme klopapier und wasser und wische. zum glück geht alles leicht weg und das dunkle braun ist nicht in meinen weißen parkettboden eingezogen.

im wohnzimmer bin ich dann ein wenig entsetzt. auch hier braune flecken auf boden und an der wand. während ich noch konsterniert vor mich hinstarre, macht es plötzlich "schirrrrp schirrrrp" aus dem vorhang.

ich traue meinen augen nicht: da sitzt ein mauersegler. offenbar ist er durch das gekippte fenster in meiner wohnung gelandet.

ich nähere mich. der kleine vogel hat nicht nur boden und wand, sondern auch das komplette fensterbrett vollgeschissen. lecker.

ich öffne behutsam das fenster und nehme ihn sanft mit den händen, um ihn aus dem vorhang zu holen und ins freie zu geleiten. doch der mauersegler krallt sich derart in den stoff, dass ich keine chance habe, wenn ich ihm nicht die füßchen brechen will.

also nehme ich im zweiten versuch den vorhang, bilde eine falte um den vogel herum und bugsiere dann den gesamten schal aus dem fenster. als sich der vorhang beim loslassen öffnet, schwirrt der mauersegler davon.

ich gehe erstmal katzensitten.

als ich wiederkomme, höre ich erneut aufgeregtes "schirrrrp-schirrrrp". der mauersegler sitzt schon wieder auf dem fensterbrett im wohnzimmer! der will sich hier wohl häuslich einrichten, oder was?

ich luge hinaus. tatsächlich hängt etwas strohiges aus dem mauerwerk unterhalb der dachrinne. die bauen also ein nest über meinem wohnzimmerfenster. kippfenster ist damit nicht mehr für den rest den sommers. na toll.


da der mauersegler diesmal auf dem fensterbrett hockt, versuche ich es noch mal mit den händen. doch er tschirpt so laut, dass ich angst habe, ihm weh zu tun. also lasse ich ihn los.

in seiner panik fällt er auf den parkettboden. was für eine scheiße, weiß ich doch von meinem vater, dass mauersegler nicht mehr alleine vom boden hochkommen. ich muss ihm also aufwind geben.

irgendwie gelingt es mir, die hand unter den vogel zu bekommen und ihm einen schubs nach oben zu geben. er flattert hoch, findet zum glück gleich das weit geöffnete fenster und schwirrt vondannen.

ich bin derweil gespannt, ob ich in einigen wochen kleine mauersegler über meinem fenster haben werde.

Freitag, 3. Juli 2020

der weiße iltis

ich habe die aufgabe, eine wiese zu mähen. mangels rasenmäher tu ich dies mit einem ast, der ein wenig wie eine sense arbeitet. mühselig ist das, doch büschelweise fällt das gras. dann harke ich es zusammen und entsorge es.

auf der wiese tummelt sich ein weißer iltis mit seinem baby. plötzlich kommt ein fuchs hinzu. überraschenderweise passiert gar nichts. ich zücke die kamera, um ein foto von dem ungewöhnlichen trio zu machen.

in diesem moment stürzt sich der fuchs auf das iltis-junge und begräbt dabei die mutter unter sich.

ich packe den sensenstock, um den fuchs zu verjagen. die weiß iltismama lebt noch, kann aber nicht aufstehen. ich nehme sie sanft hoch, will zum tierarzt rennen.

plötzlich stehen zwei menschen an meiner seite, freunde. komm, wir nehmen den wagen, sagt der eine und verfrachtet mich in ein auto. damit sind wir schneller. vielleicht schaffen wir es.

ich sitze auf der rückbank und halte die weiße iltismama im arm. immer wieder fühle ich, ob ihr herz noch schlägt.

an einer ampel dreht sich der fahrer um und fühlt ebenfalls.
sie ist tot, sagt er mir.

ich verstehe nicht, wie ich das nicht bemerken konnte und mache mir wahnsinnige vorwürfe. der tod der ilitisse ist meine schuld. weil ich so versessen auf das foto war. ich hätte den fuchs gleich verscheuchen müssen.

trotzdem meldet sich in mir auch ein anderes gefühl. herzenswärme. ich habe freunde, die mir aus freien stücken geholfen haben. wie kostbar das ist.

als ich aufwache, muss ich noch lange über diesen seltsamen traum nachdenken.