Freitag, 25. Dezember 2020

unheiliger abend

sex, drugs & heavy metal. 

so statt christbaum, krippe, kinderlein.

kann man aushalten. sehr gut sogar.




Donnerstag, 24. Dezember 2020

happy fucking christmas

ihr schnuppsis! habt es schön heute und die nächsten beiden tage. 

nicht so viel corona und pseudoharmonie inhalieren, sondern lieber intelligenzpartikel und sexualpheromone.

falls euch schwiegermama zu viel weihnachtsbraten aufzwingen will, denkt dran: die dummheit frisst, die intelligenz säuft.

ansonsten hab ich noch ein sehr nices weihnachtslied für euch. enjoy!


Dienstag, 8. Dezember 2020

morrison

stimmung und wetter sind gleichermaßen grau und nur knapp über dem gefrierpunkt. die schwarze welle ist unmittelbar hinter mir, und wenn ich den kopf wende, kann ich ihre bittere gischt schmecken.

ich lebe also mit blick stur nach vorne, ferngesteuert von einer großen dosis medikamente. ich habe den kopf tief zwischen die schultern gezogen und bekomme davon verspannungen.

doch am wochenende erhalte ich unerwartete unterstützung. unerwartet, weil vom luxus-mann, der sonst mit meinen psychischen ausnahmezuständen wenig anfangen kann.

beim gemeinsamen netflixen stolpern wir über den alten oliver stone-film "the doors".

"oh geil", ruft der luxus-mann. "da hätt ich ja noch mal so richtig bock drauf."
"du sagst doch immer, du guckst filme nicht zweimal."
"den würde ich trotzdem gern nochmal sehen. weißt du, ich hab den damals im kino geschaut, und zwar mit der schwester von b. die war total spießig drauf. also hab ich für den abend statt meiner punkerkluft mal ein seriöses t-shirt ohne aufdrucke und normale jeans angezogen. ich dachte, vielleicht kann ich die nach dem kino noch poppen."
"und ist die strategie aufgegangen?"
"nee. ich saß da im sessel mit meinen spießerklamotten neben dieser spießertusse und fühlte mich die ganze zeit total unwohl. und das bei so einem film, wo es um kunst und freisein und drogen und party geht! das hat mich total deprimiert."
"ich hab den film zwar auch schon gesehen, aber ich würde ihn auch noch mal angucken."

gesagt, getan. wir liegen im bett und wollen gerade auf "start" klicken, als der luxus-mann fragt, ob ich nicht kiffen möchte.
"nee", sage ich. "viel zu kalt auf deinem balkon. außerdem verpass ich dann zu viel vom film."
"dann bleib doch hier. wir rauchen zusammen einen, hier im bett."

mir klappt die kinnlade runter.
"aber du bist doch total gegen rauchen in der wohnung."
"dann machen wir heute mal eine ausnahme. so für jim morrison und für dich, weil du ja so deprimiert bist."

das finde ich so klasse, dass ich freiwillig aufstehe und uns einen schönen dicken joint drehe. (das objekt wäre stolz auf mich.)
"ich will aber rotwein dazu", sage ich dann.
der luxus-mann schaut skeptisch.
"geht das denn? du nimmst so viel tabletten, und dann kiffen UND auch noch wein?"
"ey! jim morrison hat 3 flaschen scotch am tag geschafft und hat sich dann noch h reingezogen."
"deswegen isser ja auch tot."

trotzdem bekomme ich meinen willen.
"nich die asche ins bett krümeln, ja?" ermahnt mich der luxus-mann noch, bevor ihm die glut ins seidenkissen fällt und ein brandloch hinterlässt.
doch da können wir schon nur noch gläsern kichern.

der film selbst begeistert uns unerwartet wenig.
"damals fand ich den typ supercool, aber wenn ich mir das heute anschaue, muss ich ehrlich sagen, der wär mir total auf den wecker gefallen", sagt der luxus-mann.
"das ist ja auch hier recht überzeichnet dargestellt", sage ich. "ich glaub nicht, dass er immer so komisch gehaucht diesen lyrischen blubb von sich gegeben hat. das ist halt so ein klischee, das der regisseur wahrscheinlich unbedingt erfüllen wollte."
"trotzdem, ich muss sagen, mich hat der film jetzt irgendwie... geradezu enttäuscht. ich glaube, ich bin inzwischen tatsächlich so spießig wie ich mich damals angezogen habe, um der ische zu gefallen."
"du bist halt alt."
"danke, frau. das ist alles, was ich hören wollte."
 
und während der mann noch ein wenig sport1 guckt, habe ich mich schon zusammengekringelt  wie ein kleinkind und schlafe auf dem luxus-bauch ein.

als ich 11 stunden später die küche betrete, wo der mann frühstück gemacht hat, leuchtet mir ein adventskalender entgegen. 
"für miiiich?" quieke ich entzückt.
"klar. du willst doch jedes jahr so ein ding."
 "cool. danke. ich umarme dich jetzt aber nicht, weil ich mich ja bedanken und dich nicht quälen will."
 
der luxus-mann grinst:
"ich glaube, meiner frau gehts tatsächlich besser, die ist schon wieder frech."

Freitag, 27. November 2020

das ewige hadern mit sich selbst

ich bin ein leistungskind. 

nicht, dass ich aus einer privilegierten bildungsbürgerfamilie stammen würde, wo mama ärztin und papa staatsanwalt ist und der hammer somit von vornherein schon mal hoch hängt. meine eltern haben haupt- bzw. realschule und ihre abschlüsse jeweils mit einer schlechten drei bestanden. also kein abi, kein studium, kein doktortitel.

dennoch wurde leistung in meiner kindheit groß geschrieben. sehr groß.

basis für die überbetonung von leistung war das krankhafte konkurrenzdenken meiner eltern, gepaart mit eigenen komplexen. ich musste besser sein als kinder im bekanntenkreis. ich musste vor allem besser sein als mein cousin, sohn der großen schwester meiner mutter. und wehe, dem war nicht so!

nicht, dass man mich geschlagen hätte. so etwas war zwar nicht ausgeschlossen, aber für meine eltern keine gängige erziehungsmethode. aber die tagelang anhaltende enttäuschung in ihren gesichtern verfolgte mich. das fehlen von zärtlichkeit, das andeuten eines verzeihens. stattdessen vorwurfsvolle blicke: eine zwei in religion, wie kannst du nur?

ich kann nicht behaupten, ich wurde nicht gefördert. ich hatte alles. kinderturnen, klavierunterricht, umweltgruppe. ich wurde totgeschmissen mit allem, was man kindern so angedeihen lassen kann.

ich wurde auch für gute leistungen belohnt. nicht so sehr mit zuneigung, aber mit geld. 5 mark gab es für eine eins. für eine zwei gab es nichts. bei einer drei musste ich 5 mark zahlen. bis zur 7. klasse gymnasium hieß das: ein solides plus in der kasse. mehr als andere kinder taschengeld bekamen. leistung erhielt für mich dadurch einen klar bezifferbaren wert - und umgekehrt auch die schuld, also das schulden von leistung.

ab der siebten klasse bekam ich probleme in mathe. ich war zu kurzsichtig, um richtig von der tafel abzuschreiben und lernte alles vollkommen falsch. eine brille wollte ich auf keinen fall. ich verheimlichte meine kurzsichtigkeit drei jahre. das klappte, weil ich in den anderen fächern alles durch reines zuhören und nachlesen im griff hatte.

meine offensichtliche matheschwäche jedoch wurde schnell zum politikum am abendbrottisch."jetzt erzähl doch noch mal ganz genau, warum du wieder nur eine vier hast", wurde ich mehrfach aufgefordert. mit jedem erneuten nacherzählen meines versagens wurde meine scham größer. so lange, bis mir übel war und ich keinen bissen mehr hinunter brachte.

"dann müssen wir dich wohl doch vom gynmasium nehmen", seufzten meine eltern. 

nicht: "brauchst du vielleicht nachhilfe?" oder "das ist nicht so schlimm, jeder hat etwas, was er nicht so gut kann, aber zusammen schaffen wir das schon!"

nein, sie sagten mir: offenbar bist du einfach nicht intelligent genug. schade. ein dummes kind. was für ein makel für uns als eltern!

meine eltern selbst sind keine besonders vielseitig interessierten oder eifrigen menschen. sie haben sich nie weitergebildet, lasen nie bücher, reisten nicht. sie mussten nie überstunden machen und sich auch im job sonst nicht sonderlich anstrengen - den wirtschaftswunderjahren und dem beamtentum meines vaters sei dank. 

wenn meine mutter keine lust auf etwas hatte, wurde sie einfach krank. derweil sorgte ich mich, ob ich aufgrund meiner dummheit vielleicht schuld daran war, dass meine mutter immerzu auf der couch lag und ihre mother´s little helpers schluckte. wenn man so ein schlechtes kind war, machte man seine eltern vielleicht krank? 

kinder neigen zu narzissmus und dazu, signale aus ihrem umfeld auf sich zu beziehen, las ich viele jahre später. als meine mutter eines tages miome hatte und ins krankenhaus musste, war mir das wie ein beweis meiner schuld.

ich erinnere mich auch noch überdeutlich an den tag, als ich mein staatsexamen bestand. mein notendurchschnitt war 0,08 noten schlechter als der meines cousins. "darüber kann man sich ja nicht gerade freuen", war der kommentar meiner mutter, als ich stolz anrief, um ihr mein bestehen zu verkündigen. 

mein vater beklagt sich bis heute, dass das ganze geld, das er mir wegen meines studiums in form von unterhalt und kindergeld in den gierigen rachen schmeißen musste, umsonst gewesen sei. ebenso wie meine kinder-klavierstunden! da hätte er schon erwartet, dass ich "mal was draus mache". (was ihm wohl vorschwebte? starpianistin?)

die ständige stumme enttäuschung sowie die wenig konstruktive unterstützung meiner eltern hatte schwerwiegende folgen für mich und meine entwicklung. ich litt bis in mein arbeitsleben hinein an versagensangst. diese ist zwar mit der zeit besser geworden. aber die tiefe angst vor ablehnung ist geblieben.

so lassen sich probleme natürlich nicht gut lösen, auch die kleinen, alltäglichen nicht. statt frohen mutes zur tat zu schreiten, neige ich zur verzweiflung. es fehlt mir an resilienz.

gestern las ich, dass resilienz entgegen anderslautender meinungen nicht vererbt würde, sondern tatsächlich das produkt der erziehung sei. elterliche unterstützung, eine allgemein optimische, zupackende einstellung bei herausforderungen sowie das vertrauen, dass schon alles gut wird, seien die familiären grundpfeiler bei der entwicklung von resilienz. 

meine erziehung sah eher so aus:

- jede investition muss in einem überdurchschnittlichen ergebnis münden, sonst ist es eine fehlinvestition!
- wenn du etwas nicht auf anhieb kannst, bist du dumm und solltest es lassen
- wenn etwas schwierig ist, schiebe es vor dir her oder werde krank, damit es ein anderer macht. denn du würdest das sowieso nicht schaffen!
- gehe kein risiko in deiner dummheit ein, die enttäuschung währt ewiglich!

seit so vielen jahren ackere ich, um diese grundüberzeugungen abzulegen. doch immer mal wieder gibt es einen moment, in dem ich meine gedanken zu wenig streng kontrolliere und durchleuchte. dann schlägt das fehlende grundvertrauen voll durch.

die objekt-mama schrieb mir kürzlich, dass sie am wochenende mit der weihnachtsbäckerei beginne. "ich backe jedes wochenende genau zwei sorten, damit es nicht in stress ausartet und immer spaß macht! abends setze ich mich dann hin und lese zur belohnung."
 
dass arbeit spaß machen kann, musste ich mir sehr spät langsam beibringen - vor allem, wenn es etwas ist, wobei man theoretisch scheitern kann. dass man sich selbst loben und sogar mit etwas angenehmem belohnen kann, ebenso.
 
vielleicht spreche ich deshalb so gerne mit dieser frau. selbst aus ihren nebensätzen und scheinbaren belanglosigkeiten strahlt optimistische lebensklugkeit.

manchmal hadere ich damit, dass ich 39 werden und jahre depressiv fristen musste, bis sich schritt für schritt und sehr langsam gewisse einstellungen und überzeugungen in meinem kopf bewegten. aber auch dieses hadern ist nur ein symptom meiner heimlichen enttäuschung über mich selbst. 
 
ich vermute, ich sollte schnellstens damit aufhören.

Dienstag, 24. November 2020

heiße eisen, laue glut

"wenn das objekt wieder gesund wird, dann ziehst du dahin, oder?" will der luxus-mann wissen.

mein mann kennt mich gut. kann mir hinter die stirn schauen und das hornissennestartige wabern dort dechiffrieren.

der kleine fortschritt in sachen objekt-genesung trägt neues eifersuchtspotenzial in sich.

***

meine nicht-karriere erneut hinterfragt. versuchsweise produktiv. 

auch nach 12 jahren desaströser bis mittelmäßig erfolgreicher beruflicher arschaufreißerei weiß ich nicht, was ich wollen sollte. außer nie wieder arbeiten müssen und ähnlich schöne illusionen.

also mal wieder alle register gezogen. sogar lehrerstellen in meckpomm geguckt. 

***

noch 1 verfickter monat bis weihnachten. freudige aussichten auf alleiniges herumsitzen in der wohnung. stelle mir vor, wie ich dann eine hirnblutung oder so erleide.

silvester muss ich raus aus der stadt, sonst gehe ich komplett unter. 

asylangebote willkommen.

Donnerstag, 19. November 2020

die alte nutte hoffnung tanzt

seit dem gespielinnen-aus gibt es sie wieder: telefonate mit der objekt-mama. ich bin immer ganz aufgeregt und freue mich irre vor. mit dieser frau zu sprechen ist ein bisschen, wie mit einem teil des objekts zu reden. meine persönliche dosis objektive dna.

gute neuigkeiten gibt es, die mich sehr glücklich machen. 

das objekt kann neuerdings wieder mahlzeiten essen, beginnt, von sich aus soziale kontakte zu mitpatienten zu knüpfen und hat angefangen, an einer maschine rad zu fahren. seine mutter, ihres zeichens lehrerin, bringt ihm mithilfe von grundschulmaterialien lesen und schreiben neu bei. kurzum, der wechsel in den osten war ein volltreffer.

zwei kuriose neue hobbys habe das objekt entwickelt, erzählt mir seine mutter. das eine sei das singen von schlagern, obwohl er schlager früher hasste. dabei zeigt sich, dass ihm singen viel leichter fällt als sprechen. das objekt muss ein lied nur einmal hören und merkt sich dann phänomenalerweise den gesamten text. den kann es singend auch korrekt wiedergeben, ohne dass ihm seine wortfindungsstörungen dazwischenfunken. 

ich vermute, dass dieses neue hobby nicht immer auf die gegenliebe seiner mitpatienten stößt, aber es ist ein gutes zeichen. 

"ich weiß ja nicht, was für musik mein sohn immer so gehört hat", sagt die objekt-mama. "da bist du vielleicht näher dran."
"ich kann ihm ja mal eine cd brennen oder so", biete ich an. "also wenn er die abspielen kann."
"das geht, ich habe ihm kürzlich einen discman gekauft."

die zweite neue objekt-leidenschaft ist essen klauen. nachdem das objekt nicht mehr an der magensonde hängt, stopft es alles in sich rein - auch das, was es noch nicht essen darf. es schleicht beispielsweise mit dem rolli ins schwesternzimmer und klaut dort die bonbons aus der schale oder plündert die vorräte seiner mitpatienten im gemeinschafts-kühlschrank. 

neulich hat es angeblich eine ganze palette milchreis, eine packung windbeutel und einen muffin gestohlen - und es geschafft, alles zu verdrücken, bevor es erwischt wurde. dabei hat es eine riesensauerei veranstaltet, weil ihm ein löffel fehlte und es sich den milchreis mit den fingern reinschaufeln musste.

um sowohl die mitpatienten als auch das objekt vor diesen fressexzessen zu schützen, haben die pfleger nun ein zahlenschloss am kühlschrank angebracht.

"wie ist denn aktuell so die prognose", frage ich.
"der arzt damals im krankenhaus sagte, was nach drei jahren nicht da ist, kommt nicht mehr. die haben wir ja nun längst voll. ein anderer arzt sagte, fünf jahre. aber wir bleiben einfach dran und stemmen uns dagegen."
"mir scheint, in den dreieinhalb monaten jetzt ist mehr passiert als in all den jahren zuvor."
"den eindruck habe ich auch. es ist wirklich eine gute pflegeeinrichtung."
"das ist bestimmt auch der intensive kontakt zu seiner familie", sage ich.
"sicherlich", antwortet die mutter. "es ist aber schön, dass auch du den kontakt noch immer hälst. das freut mich wirklich."
 
nun ist mir warm ums herz.
 
und die mama berichtet weiter:
"gestern habe ich übrigens mit seiner pflegerin telefoniert, die sagte, da sei ein päckchen angekommen mit so einem schönen brief drin. der war von dir. sie haben ihm den erstmal vorgelesen - und er hatte tränen in den augen dabei. er hat den brief bei sich behalten und ihn immer wieder gelesen."

schwuppdiwupp bin ich selber wie vom blitz getroffen und merke, wie sich eine sturmflut hinter den augäpfeln formiert.

"was machste nochmal beruflich", fragt mich die objekt-mama nach einer kleinen pause, in der ich an meiner rührseligkeit schlucke.
"schreiben" antworte ich.
"das erklärt einiges."
"das objekt hat immer gesagt, wenn du aufhörst zu schreiben, kriegst du es mit mir zu tun."

beseelt lege ich später den hörer aus der hand.

und die alte nutte hoffnung tanzt.
zu einem lied, das wir noch nicht kennen.

Samstag, 14. November 2020

killing langeweile

das leben ist derzeit noch ereignisloser als sonst, denn der luxus-mann ist krank. ich tippe auf männerschnupfen, er auf corona. testen lassen will er sich natürlich nicht. entsprechend muss er auf meine anwesenheit verzichten. ich bin zwar etwas gelangweilt und einsam, aber eben noch nicht lebensmüde.

auch das objekt dürfte sich einsam fühlen, denn im neuen pflegeheim herrscht seit anfang des monats besuchsverbot - sogar für enge angehörige. also schicke ich mal wieder dvd-packerln und briefe, in der hoffnung, so seine - und meine - aufkommende frustration durchbrechen zu können.

mein kopf überlegt unterdessen, ob ich nicht irgendwann dorthin ziehen sollte. als rentnerin wäre das sogar schlau, denn eine 3-zimmer-neubauwohnung von mehr als 70 qm kostet dort derzeit gerade mal 450 € warmmiete. wenn ich das mache, müsste ich vielleicht gar keine flaschen sammeln.

auch der nervfaktor durch menschenmassen wäre deutlich geringer, wahrscheinlich fast bei null. die einwohnerzahlen liegen dort bei lediglich rund einem hundertachtzigstel der hamburger bevölkerung. und das allerbeste: ich hätte die ostsee vor der haustür.

etwas schade ist lediglich, dass dort die afd gern gewählt wird und ich deshalb mit teilweise autoritativer blockwart- und schwurblermentalität rechne. also keine hitler- oder aluhut-witze reißen, sonst brechen sie mir vielleicht die knochen. aber das ist ok, in der großstadt muss man schließlich auch darauf achten, nichts böses über mohammed zu sagen, weil sonst der kopp in den gulli rollt. ein bisschen krankhafter totalitarismus unter welchem deckmantel auch immer ist vermutlich überall.

weil ich nicht weiß, ob das alles so kommt, betreibe ich derweil noch ein bisschen altersvorsorge. meine tolle versicherung hat mir jetzt zum dritten mal einen antrag mit falschen daten geschickt, aber vielleicht kriegen wir das ja doch noch hin, bevor ich 50 bin. immerhin war ich auf diese weise angenehm von meiner langeweile abgelenkt, indem ich am telefon die zuständige mitarbeiterin fantasievoll beschimpft habe. 

jetzt werde ich mich gleich aufmachen zur nächsten, nicht defekten packstation, um da das nächste objekt-packerl aufzugeben. irgendwelche rowdys haben nämlich meine packstation zerstört. ich tippe auf den antiintellektuellen trupp, der immer vorm döner abhängt, aber das ist reine spekulation.

wie sie sehen, ich habe insgesamt nichts aufregendes zu berichten.

daher frage ich mal in die runde, was sie so dieses wochenende gemacht haben. wenn sie mir erzählen, dass sie auch einfach nur rumhängen, daddlen oder ihren kindern den rotz von der schnute wischen, fühle ich mich vielleicht etwas besser.

Donnerstag, 12. November 2020

verschissen und verkackt

zu agenturzeiten hatte eine meiner einstigen chefinnen einen durchfallgeplagten welpen, der mindestens zweimal pro tag mit inbrunst unter meinen schreibtisch kackte. es war beinahe wie eine widmung, eine liebevolle aufmerksamkeit in halbflüssig und zumhimmelstinkend.

als ich die agentur verließ, hatte es zwischen mir und meiner ex-chefin gewaltig gekracht. nicht wegen des undichten köters, sondern eher wegen der geistigen undichtigkeit meiner chefin. aber wir haben uns wieder eingekriegt und arbeiten inzwischen seit fast 10 jahren zusammen. heute am telefon sagt sie mir mal wieder, dass sie total happy ist, dass ich so wenig nachtragend sei.

ich behaupte, es gehören eben zwei dazu, um es so richtig zu verkacken. mich trifft es immer tief, wenn ich auf ablehnung stoße, vor allem bei menschen, die ich liebgewonnen habe. es setzt mir wochen- und monatelang zu, insbesondere, wenn ich mich schuldig fühle, ohne meine schuld klar zu erkennen, weil mir die antwort auf die frage danach vorenthalten wurde.

dabei erlebe ich immer wieder überraschungen. so wie neulich, als sich meine ehemals beste freundin, mit der ich 2014 im streit den kontakt abgebrochen hatte, plötzlich bei mir meldete. der schritt auf mich zu ringt mir respekt und dankbarkeit ab. schön ist es, sie wieder zu haben. und irgendwie ist es fast so, als wäre nichts gewesen. mein groll war längst verraucht, und auch sie machte mir keine vorwürfe. stattdessen neue klarheit und verbundenheit.

verschissen und verkackt ist also oftmals kein dauerzustand. er fühlt sich an wie nie bestattete totgeburten. aber eigentlich muss man die nur mal begraben.

neulich habe ich den kühlschrank beiseite geschoben und dort noch einen katzenkötel entdeckt, obwohl das ableben meiner kleinen schwarzen nun schon monate her ist. ich habe die scheiße aufgesammelt, entsorgt und den kühlschrank wieder an den rechten fleck geschoben.

da steht er nun und summt und brummt und wartet darauf, dass ich irgendwann mal die enorme gletscherlandschaft im gefrierfach abtaue. 

aber alles zu seiner zeit.


Mittwoch, 28. Oktober 2020

Dienstag, 27. Oktober 2020

lifehacks mit klopapier - flauschiger leben in zellstoff

kennen sie das? sie haben sich im frühjahr bereits den gesamten keller mit klopapier vollgestopft und finden jetzt, mitten in der zweiten welle, einfach keinen platz mehr, um ihr frisch gehamstertes weißes gold noch unterzubringen?

das muss nicht sein! denn mit etwas kreativität lässt sich klopapier maximal unterhaltsam vernichten.

wohnraum-design mit klopapier
ihre wohnung müsste sowieso mal neu tapeziert werden? sie haben sogar viel zeit im moment, aber kein geld für teure tapete, weil ihr komplettes vermögen in toilettenpapier angelegt ist? kein problem! klopapier lässt sich babyleicht an jede wand tackern und bietet ihnen und ihrer familie ein flauschig-wohliges ambiente.

nachhaltige klopapier-fashion
sie haben es satt, ständig langweilige, nichtssagende billig-fashion zu kaufen, die jeder trottel trägt? sie möchten kinderarbeit, dumpinglöhne und umweltfeindliche herstellungsprozesse in der modebranche nicht länger unterstützen? dann stricken oder häkeln sie sich doch einfach ihre persönlichen super-nachhaltigen unique fashion highlights in zellstoff! 
die große auswahl an farben und motiven bringt abwechslung in ihren kleiderschrank - und sie sind der star auf jeder corona-party! geheimtipp: falls sie irgendwann nicht mehr hineinpassen, weil sie in der corona-zeit fett geworden sind, können sie die kleidung einfach und umweltfreundlich die toilette runterspülen.

10 kilo abnehmen pro woche mit klopapier
sie sind ein kleiner oder großer mops und müssen dringend abnehmen? bislang sind sie mit jeder diät gescheitert? damit ist jetzt schluss! denn klopapier verspricht eine rasche, langanhaltende sätting bei nahezu null kalorien! 
sie denken, das schmeckt doch nicht? dann werden sie überrascht sein von der kulinarischen vielfalt, die ihnen toilettenpapier bietet! ob als belag fürs pausenbrot, als grundlage einer lasagne oder aber pur zum dippen und snacken zwischendurch - sie werden klopapier lieben! 
 
kinder beschäftigen mit klopapier
ihr kind malt ihnen ständig hässliche krakelbilder oder faltet undefinierbaren müll, den sie auch noch würdigen sollen? sie empfinden dies nicht nur als nervtötend, sondern auch als schreckliche papierverschwendung? 
dann geben sie ihrem kind einfach nur noch klopapier. sobald es sich mit seinen ungeschickten patschehändchen genug daran ausgetobt hat, können sie - anstatt ihre wohnung damit zu verunstalten -  den murks guten gewissens im abflussrohr verschwinden lassen.
 
besser entspannen mit klopapier
sie sind umgeben von menschen, die ihnen den ganzen tag belanglose scheiße erzählen? ihre kinder krakeelen ständig herum? ihr chef nervt sie mit seinem gelaber? klopapier schafft auch dieses problem aus der welt!
auch wenn klopapier in den ohren nur einen geringen dämmeffekt hat, eignet es sich jedoch hervorragend, um ihrem gegenüber damit die fresse zu stopfen. geheimtipp: auch gegen das lästige schnarchen ihres partners ist klopapier eine echte wunderwaffe. einfach großzügig in den rachen stopfen - und die herrliche stille im schlafzimmer genießen!

sie wollen nie wieder spannende lifehacks mit klopapier verpassen? dann abonnieren sie dieses blog und schieben sie sich ihren daumen in den arsch. 
auch beide, wenn sie möchten.

bis bald!
ihre morphine

Freitag, 16. Oktober 2020

im zwei fall

in umbruchsphasen wie diesen bin ich dünnhäutig. alles trifft mich mit voller wucht und ich habe keine filter mehr übrig, um auf die hereinbrechende emotionslawine zu reagieren. 

der luxus-mann findet mich schwierig, weil ich dann extrem schnell an die decke gehe. 

ich finde den luxus-mann schwierig, weil er so wenig empathie hat, dass er fortwährend benzin in mein gefühlsgeloder schüttet. was dazu führt, dass ich mich noch mehr in mir verstricke und verzettle.

kontraproduktiv, dass ich mich in solchen zeiten verstärkt an meinen partner binde, weil ich sicherheit suche. der luxus-mann, ohnehin unterkühlt, entzieht sich dann noch mehr als sonst. 

totale distanz. irgendwie ein déjà-vu.

am liebsten würde ich meine sachen packen und zum objekt in den osten ziehen. 

der potenzielle neue job wird auf so etwas aber keine rücksicht nehmen. "vollgas" wird erwartet und dass es nichts gibt, was wichtiger als der job ist. 

mein potenzieller neuer chef: ein cdu-mitglied. und ich weiß, es wird nicht passen. und muss doch anderweitig so schlecht nicht sein.

oder kann ich passend machen, was nicht stimmt? mit etwas flexibilität?

ich bin nicht dehnbar, eher breche ich.

entsprechend bin ich nach wie vor zerrissen wie ein altes federkissen. tausende daunen, die im wind tanzen. kein fortschritt, kein stillstand, nur heilloses durcheinander.

alles, was ich weiß, ist, dass ich nicht für die liebe gemacht bin. 

und für den kapitalismus auch nicht. 

Sonntag, 11. Oktober 2020

das bewerbungsgespräch

bewerbungsgespräche machen mir immer angst. dabei könnte ich theoretisch entspannt sein, schließlich habe ich einen ganz guten job und bin nicht darauf angewiesen, gewollt zu werden. mein hirn aber sieht das anders. das malt schon mal prophylaktische schreckensszenarien.

im traum fahre ich zum bewerbungsgespräch und komme entgegen meiner erwartung (= irgendein bürohaus) auf einem unübersichtlichen gelände an. es ähnelt einem schlammigen kz mit parkhausartigen gebäudedecks und ist auch infrastrukturell ausgesprochen 50er-jahre-mäßig. 

es ist nicht ganz einfach, hineinzukommen. zunächst muss ich mich registrieren lassen und einchecken. das ganze nimmt mehr als 20 minuten in anspruch. panisch bemerke ich, dass ich nun zu spät zum eigentlichen gespräch komme. 

ich haste mit einer mitarbeiterin in die cafeteria, wo es ein altes braunes schnurtelefon gibt. über dieses gebe ich meinem potenziellen chef in spe bescheid, dass es aufgrund des mir nicht angekündigten registrierungsverfahrens noch etwas dauert.

das gewusel um mich herum ist enorm und ich bin völlig geplättet, dass so irrsinnig viele mitarbeiter an einem so ausgesprochen hässlichen ort arbeiten. ich frage die mitarbeiterin an meiner seite, ob denn hier auch leute im homeoffice arbeiten, da mir der job als homeoffice-job verkauft worden sei. sie sagt mir, dass hier eigentlich alle immer präsenzarbeiten und dass man das selbstverständlich auch von mir erwarte.

ich bin sehr mittel begeistert und denke, oh nein. die weite fahrt, dieser schreckliche ort und dann diese furchtbare unruhe durch diese tausenden menschen! das ertrage ich nicht. präsenzarbeiten scheidet ohne frage aus.

die mitarbeiterin nervt mich, doch auch etwas zu essen, wenn ich schon mal in der cafeteria bin. sie nötigt mich zu einem belegten brötchen. des lieben friedens willen kaufe ich ein beknacktes brötchen. toll, das muss ich jetzt in der hand halten beim bewerbungsgespräch, schließlich kann ich mich da ja nicht hinsetzen und mampfen und mit vollem mund von mir erzählen.

überraschenderweise holt mich mein potenzieller chef in spe aus der cafeteria ab. es ist ein schmieriger kleiner wicht im karierten anzug. zur begrüßung grinst er fies und heißt mich mit ironischem unterton willkommen. ich entschuldige mich erneut für die verzögerung und weise noch einmal darauf hin, dass ich von meiner headhunterin nicht über den komplizierten  registrierungsprozess aufgeklärt wurde. auch, wenn es jetzt so aussieht, als habe ich mir nur in der cafeteria vollfressen wollen.

der chef grinst weiterhin fies und meint, dass wir das ganze gern abkürzen könnten. er habe sich meine bewerbung noch einmal genau angesehen und zwei interpunktionsfehler entdeckt. unter diesen umständen sei ich ohnehin ungeeignet.

ich schüttle ihm die hand, danke ihm ironisch für das gespräch und versichere ihm, die abneigung sei ganz meinerseits. dann suche ich die bahn und fahre den weiten, weiten weg enttäuscht nachhause.

Samstag, 10. Oktober 2020

tele-verbundenheit

der luxus-mann weilt aushäusig und macht urlaub mit seiner patchworkfamilie. papa, töchterlein, kindsmutter 1 und sogar der große sohn sind dabei. nur kindsmutter 2 durfte nicht mitkommen, weil sie so anstrengend ist. sie tut mir immer ein bisschen leid, aber ich kann das auch nachvollziehen.

meine eine schiebt derweil äußerst merkwürdige gefühlszustände. das mag auch daran liegen, dass ich kurzzeitig meine medikamente absetzen musste. kennen sie das, wenn sie sehr lange dinge einfach in einen schrank stopfen, dann die türe aufmachen und alles fällt ihnen entgegen? so ähnlich ist das. 

während ich also sonst relativ cool, mittelmäßig stressresistent und insgesamt recht aufgeräumt bin, registriere ich nun merkwürdige stimmungslagen. diese äußern sich zunächst darin, dass ich den luxus-mann furchtbar vermisse. ich lindere diese sehnsucht, indem ich einfach in seiner wohnung schlafe. blumen gießen sollte ich sowieso, und auf diese weise entkomme ich mal meinen lärmigen nachbarn.

ich verbringe viel zeit im eichhörnchen-park und damit, die eichhörnchen mit den 10 tonnen walnüssen zu füttern, die uns die luxus-mutti neben marmelade, eiern von den eigenen hühnern und sonstigen leckereien immer schenkt. dabei fällt mir ein, dass ich ja auch schon mit dem objekt hier war. also nehme ich ihm ein video auf und schicke es der objekt-mama. vielleicht erinnert sich das objekt ja und freut sich.

ich filme außerdem die eichhörnchen beim nüsse-vertilgen, weil es einfach zu niedlich ist, und überlege dann, ob sich das objekt auch über ein eichhörnchen-mümmel-video freuen würde. ich schicke der objekt-mama also eines und schreibe dazu, dass ich leider nicht weiß, ob das objekt sich für sowas interessiert. sie solle daher selbst entscheiden, ob sie ihm das zeigt oder nicht. 

später am abend meldet sich die objekt-mama recht gerührt und erzählt mir, dass das objekt alle tiere sehr liebt und in seiner kindheit sogar förster werden wollte. mit dem video habe ich genau ins schwarze getroffen. 

wie so oft hab ich das gefühl, dass ich die objekt-mama einfach mal in den arm nehmen müsste, aber das geht am telefon ja schlecht. ich mag sie auch nicht ausfragen, wie sie sich fühlt und wie der objekt-papa das alles so verkraftet. im erzählen liegt ihr fokus ganz auf ihrem sohn und sie scheint immer glücklich zu sein, ihre erinnerungen teilen zu können. so, als würde dadurch alles gut, wenn man es nur lange genug fokussiert. aber vielleicht ist genau das die geheime kraft der mutterliebe.

auch der luxus-mann denkt viel an mich und schickt mir täglich bilder und videos. dabei zeigt auch er eine gewisse affinität zu tieren, wie man sieht.


morgen kommt er zurück. vor lauter verliebtheit und auch, weils inzwischen etwas siffig war, habe ich ihm das luxus-bad geputzt. vermutlich wird er mir erstmal eine halbe stunde lang einen vortag halten, warum ich den von mir benutzten lappen auf gar keinen fall hätte benutzen dürfen. der luxus-mann ist nämlich ein kleiner putzneurotiker. 
aber ein bisschen schräg sind wir schließlich alle.

Dienstag, 6. Oktober 2020

(k)eine abrissbirne für die depression

der 1. oktober war "tag der depression" in europa. lustig, dachte ich mir, was es nicht alles gibt. beleuchten wir das ganze doch mal aus ganz interner sicht.

1. depression erlebt keinen gesellschaftlichen mauerfall

niemand kann etwas nachvollziehen, was er nicht kennt oder nicht klar visuell ausmachen kann wie ein fehlendes bein oder ein geschwür auf der nase. niemand interessiert sich zudem für etwas, was ihn nicht direkt, gegenwärtig und unmittelbar bedroht. ergo: für ein tiefgehendes gesellschaftliches verständnis für depressionen zu werben ist ähnlich naiv wie zu glauben, dass alte weiße männer mit klimaanlage im eigenheim die wende in der klimakrise bringen werden.

hinzu kommt, dass der großteil der menschheit autonome moral während ihrer individuellen persönlichkeitsentwicklung nicht erreicht, sondern in den meisten facetten des lebens in der konventionellen moral, also der orientierung an werten einer gruppe, verhaftet bleibt. 

das bedürfnis, einer gruppe zuzugehören, erfordert in der regel die abwertung aller werte, die von dieser gruppe nicht getragen werden. stichwort: ausgrenzung. das bedürfnis auszugrenzen ist nahezu allmächtig und bezieht sich neben hautfarbe, alter, geschlecht, politischer haltung oder ernährungsformen auch gerne auf vorstellungen von gesund und krank.

2. depression ist klarheit und verblendung

die eigenwahrnehmung der depression hat mehrere phasen und ist progredient. es beginnt mit der gewissheit, dass etwas nicht stimmt und dem verlangen, dies möglichst zu verbergen. daran schließt - nach erkenntnis der eigenen hilfsbedürftigkeit - die phase des falls und des blinden vertrauens an. es zeigt sich, wer deine freunde sind und wie weit freundschaft generell gehen kann. 

die dritte phase lässt meist etwas auf sich warten. darin tritt die erkenntnis ein, dass kein therapeut oder sonstwer dir essentiell helfen kann. alle rettung liegt in dir selbst. hier trennen sich die wege derer, die die depression als legitimation für ewige unmündigkeit wählen, und derer, die irgendwann bereit sind, die haltende hand eines tages loszulassen.

es gibt außerdem menschen, die sich als depressiv einstufen und dies nicht sind. sie folgen einem trend und möchten lediglich einer - irgendwie vielleicht auch interessanten - gruppe zugehören. das ist selbstverständlich nicht die mehrheit.

3. depression ist eine chronische erkrankung mit dauerhaft beschränkter lebenskraft

depression ist eine chronische erkrankung wie asthma oder diabetes oder ms. sie hat (auch) körperliche ursachen. die therapie dauert ein leben lang und ist nie abgeschlossen. stabile phasen und großes chaos wechseln einander ab. 

man verfügt dabei zu absolut jeder zeit über lediglich begrenzte kraft und energie, die sehr gut rationiert werden will. als depressiver wirkt man daher manchmal schnell übervorsichtig oder faul, was wiederum das stigma befeuert. 

4. depression ist ein segen und eine begabung

in einer anders ausgerichteten gesellschaft könnte man depressionen auch als spezielle begabung bezeichnen, denn depressive mit ihren feinen antennen sind oftmals und in vielerlei hinsicht ausgezeichnete seismografen und analysten und darin anderen häufig überlegen. als humane ressource in der arbeitswelt sind sie ergo nicht zu unterschätzen. 

im gegensatz zur landläufigen meinung sind depressive oftmals sogar besonders hartnäckig und ausdauernd und setzen ihre kräfte dabei clever und rationiert ein. sie haben gelernt zu kämpfen - und das äußerst ökonomisch.

5. depressive können einander selten helfen

prinzipiell sind andere betroffene die einzigen, die die depression tatsächlich nachempfinden können. daraus erwächst die hoffnung, dass man einander ideal helfen können müsste. es ist jedoch ein irrtum zu glauben, dass jemand, der selbst nicht stabil ist, in dieser besonderen hinsicht stabilität vermitteln könnte. im gegenteil: es kann unter umständen schnell zur überlastung für den einen und zur enttäuschung für den anderen werden. 

langfristig profitieren depressive daher vielleicht eher von menschen, die ihnen nicht ähnlich sind und sie leider oftmals nicht verstehen, aber dafür über kraft verfügen, die sie teilen können. das entspricht zumindest meiner erfahrung.

6. depression gibt es nicht

depression ist eine bezeichnung für seelische zustände und prozesse mit sehr vielen gesichtern. der begriff bietet eine schublade, die vor allem den nichtbetroffenen /ärzten zum verständnis und ggf. zum therapieren verhilft. 

ich selbst handhabe den begriff rein nominalistisch. die eine depression existiert nicht. sie ist ein zauberhut, aus dem fortwährend neue karnickel hoppeln. sie allesamt einzufangen und zu klassifizieren ist unmöglich.

Donnerstag, 1. Oktober 2020

wenn das licht ausgeht

bleibt die musik.

information kann nicht verloren gehen, sagt die quantenmechanik. 

wenn information unzerstörbar ist, müsste es doch auch der geist sein, der quasi eine art informationskonglomerat darstellt. 

letztes jahr in düsseldorf habe ich mich noch gefragt, ob wir endlich doch den besuch schaffen, den wir schon seit 2013 vorhatten. 

nun ist es zu spät. und auch wieder nicht. 

denn zeit ist relativ. zeit ist nur eine dimension.

auch wenn man sich nur durch mails und das bloggen kannte, bleibt doch die information. 

es bleibt damit sehr viel mehr als das, was im moment verloren scheint. 

machs gut, lieber mark793. du bist nicht mehr unter uns. aber du fort bist nicht. 





Sonntag, 27. September 2020

zusammen alt werden

"das toastbrot ist viel zu hart", beschwert sich der luxus-mann beim frühstück.
"ich toaste eine scheibe immer zweimal, das schmeckt doch sonst wie feuchte pappe" entgegne ich.
"ich mag das so nicht. das darf ruhig pappig sein."
"freu dich doch, dass du noch alle zähne hast und knusprigen tost kauen kannst! in ein paar jahren muss ich dir dein brot sowieso im mixer pürieren und in eine schnabeltasse füllen."

der luxus-mann guckt mich schief an:
"du bist ein böses weib! du willst doch nur, dass ich so ende wie dein objekt."
"das wirst du bestimmt. irgendwann liegst du im bett und kommst nicht mehr alleine auf klo. dann muss ich dir windeln anziehen."
"ja und dann würdest du mir wahrscheinlich irgendwelche sachen in den po stecken... oder mir kopfhörer aufsetzen und den ganzen tag schlager abspielen... und ich kann mich nicht mehr wehren!"

"und wenn du dann tot bist, steck ich dich in einen alten amazon-karton und lass dich da drin vergammeln", kichere ich.
"das ist ok. das ist ökologisch und ökonomisch in ordnung weil recycling. das kannste so machen. nur bitte keinen pfarrer buchen, der dann irgendwas rumseiert."
"schön, dass wir uns zumindest beerdigungstechnisch schon mal einig sind."

"ein bisschen zeit haben wir ja aber noch", sagt der luxus-mann. "apropos, was machen wir heute noch?"
"eichhörnchen füttern."
"super. das können wir doch auch in 20 jahren noch."
"genau. und dafür üben wir schon mal!"

für alle ebenso eichhörnchen-verrückten hier ein video von der wunderbaren dani connor. lautsprecher an!



Freitag, 25. September 2020

verbrecherbanden mit k

 der luxus-mann und ich gucken nachrichten. 

"die deutsche bank kommt aus den skandalen nicht raus", seufze ich. "guck dir den aktienkurs an. 

"der hält sich fast noch gut dafür, dass das so ne verbrecherbande ist", knurrt der luxus-mann übellaunig.

"hast du auch geldwäsche gemacht damals", will ich wissen.

"das war ja nicht mein sektor. aber ich weiß, dass es gang und gäbe war. so ne russischen oligarchen, die wurden regelrecht von uns hofiert", berichtet der luxus-mann. "enteignen müssten man die banken!"

"ich finde das so spannend. du könntest da wahrscheinlich ein buch drüber schreiben."

"könnt ich. tu ich aber nich. sonst lande ich vielleicht eines tages mit den füßen in beton in der elbe. noch bevor du mich mit deinen kochkünsten vergiftet hast."

"du meinst, banken sind schlimmer als mein essen?"

"auf jeden. auch wenn du sonst natürlich mein absoluter sargnagel bist."


Samstag, 19. September 2020

a bisserl wos geht imma

dieser ausspruch stammt eigentlich vom monaco franze alias helmut fischer, einer ikone der 80er aus meiner kindheit als südliches pflanzerl.

passt aber auch sehr auf das aktuelle leben im hohen norden. so klingelte letzte woche wieder mal ein headhunter an und sabbelte meine wenig interessierte wenigkeit mit einem jobangebot voll. 

brauch ich eigentlich nicht, bin ja versorgt und auch nicht unhappy.

aber was soll ich sagen, ich bin angefixt. zum einen, weil der job so arschaufeimermäßig zu meinem profil passt. zum anderen, weil der arbeitgeber ein großer verlag ist, und der zahlt mal eben noch mal 25% mehr gehalt als mein aktuelles unternehmen.

zunächst hatte ich zugegeben wenig bis null ambitionen, aus meiner komfortzone herauszukriechen. es geht mir ja recht gut mit meinem momentanen job. aber die begeisterung des headhunters für meine fähigkeiten war dann doch ziemlich ansteckend. außerdem würde ich dann endlich mal richtig gut verdienen. 

die frage ist nun, will ich das? stressiger und herausfordernder würde es bestimmt werden. allerdings verspüre ich derzeit bisweilen auch hin und wieder langweile und uninspiriertheit. mehr geld brauche ich nicht unbedingt, wäre aber in hinblick auf meine mickrige rente auch nicht sooo schlecht. 

abgesehen davon bin ich prinzipiell im passenden alter für die nächste stufe auf der karriereleiter. denn mit 50 kräht garantiert kein hahn mehr nach mir. 

wenn sie ein paar gutmeinende ratschläge und erfahrungen dazu auf lager haben, bittesehr, gerne. 

frau morphine dankt.

Donnerstag, 17. September 2020

revolution in the air

am vergangenen wochenende hatte ich lieben besuch von einer geschätzten berliner bloggerin. wie es das schicksal wollte, hatten wir halbwegs gutes wetter und samstag auch noch nice action. 

wir hatten uns gegen schanze entschieden, weil dort wieder hardcore-ballermann und corona-gruppenkuscheln vorherrschte. so saßen wir dann im karoviertel vor einer kneipe mit ausreichend abstand zu anderen menschen, als einige schwarz vermummte an uns vorbeistürmten. sie skandierten parolen, die man nicht verstand. pyrotechnik wurde gezündet und es roch verheißungsvoll nach revolution und straßenschlacht. 

mit wenigen minuten verzögerung folgte alsdann eine patrouille gepanzerter polizisten, die offenbar auf der suche nach den versprengten aktivisten in schwarz waren. sie wirkten etwas orientierungslos und irrten in die falsche richtung. niemand hatte lust, sie aufzuklären.

kurze zeit später stolperten dann ein paar augenscheinlich recht bekiffte typen über den platz, wiederum verfolgt von 12 behelmten polizisten. alle entkamen, nur einer wurde von den polizisten gestellt. das dutzend ordnungshüter umringte die person, die ein wenig blutete und leuchtete ihr permanent mit einer taschenlampe ins gesicht.

kneipenbesucher näherten sich und wollten herausfinden, warum eine truppe von ganzen 12 polizisten eine einzige offensichtlich wehrlose person inspizierte und derart dauerbeleuchtete. schließlich war man ja sensibilisiert von #blacklivesmatter, und bekiffte lives matterten sicherlich genauso.

"das ist der geschädigte! wir helfen dem! kommt gleich ein krankenwagen!" drang als info unter einem der weißhelme hervor.

ungefähr eine viertelstunde lang bewachten die weißhelme den leichtverletzten, während die - folglichen - täter in aller ruhe türmen konnten. ein kleiner junge sprang derweil umher und fragte die polizisten fasziniert dies und das.

den näheren sinn der ganzen aktion erfuhr niemand. auch nicht, als endlich der krankenwagen kam und das opfer aufsammelte. letzeres schien völlig fit und hätte sicherlich problemlos zu fuß in die nächste notaufnahme spazieren können. es war jedoch sichtlich froh, endlich dem verhörartigen mit-der-tampenlampe-ins-gesicht-gefunzel zu entkommen und bestieg friedlich den krankenwagen.

für berliner gäste war das schauspiel wohl alles in allem nichts allzu außergewöhnliches. auf jeden fall aber besser als fernsehen.

zu später stunde brachen wir auf. ich spazierte gen luxus-hausen, wo der mann auf mich wartete. wir schmökten noch gemütlich einen johnny auf dem balkon und fühlten uns mal wieder sehr wohl in unserer kleinen großstadtidylle.

wie gezielte, unerschrockene und sehr sinnvolle polizeieinsätze in hamburg so aussehen können, berichtet übrigens auch sarah kuttner auf ndr für das format extra3.

Donnerstag, 10. September 2020

aber wir geben nicht auf

seit das objekt in seiner neuen alten heimat liegt, ist die kommunikation deutlich einfacher als zuvor. die objekt-mama hält mich sehr engagiert auf dem laufenden.

der zustand des objekts hatte sich im zuge von corona zuletzt verschlechtert. ausbleibende besuche drückten auf seine stimmung, lethargie bestimmte seine tage. auch einige therapien mussten wohl ausgesetzt werden. fortschritte gingen dadurch verloren und müssen jetzt wieder langsam aufgebaut werden.

das pflegepersonal im neuen heim setzt glücklicherweise sehr stark auf mobilisierung. das stößt beim objekt allerdings auf widerstand. es hatte sich in der letzten zeit daran gewöhnt, einfach bequem im bett zu liegen und fernzusehen. es sieht beispielsweise nicht ein, warum es bei besuchen im rollstuhl sitzen soll.

die objekt-mama, ihres zeichens ehemalige lehrerin, fährt das simple do-ut-des-prinzip wie bei einem kind. wenn das objekt beispielsweise nicht aus dem bett kommen will, droht sie, wieder nachhause zu fahren.

nach wie vor sehr zu schaffen macht allen das fehlende gedächtnis des objekts. hier gibt es keinerlei verbesserungen zu verzeichnen. kürzlich beispielsweise hatte das objekt besuch von seinem bruder bekommen, worüber es sich wohl über die maßen gefreut hatte. schon am nächsten tag hatte es das wieder vergessen. als ihm das bewusst wurde, war es völlig deprimiert.

besonders schlimm ist es für den sohnemann. denn seit dem unfall weiß das objekt nie, wer er ist. nach wie vor schafft der sohnemann es deshalb nicht, seinen vater zu besuchen.

"aber wir geben nicht auf", schließen viele nachrichten der objekt-mama. 
 
ihre stärke jagt mir kleine schauer von respekt über meinen rücken. 
gäbe es einen orden für tapferkeit, diese frau hätte ihn verdient.

Montag, 7. September 2020

scheiß auf dixis

der luxus-mann und meine wenigkeit weilten des wochenends auf einem festival. wie es sich auf solchen events des öfteren zuträgt, gab es dort viel bier und zu wenig dixis. für männer ja kein problem. die können sich einfach an einen baum stellen.

für uns frauen ist es ein wenig komplizierter. allerdings vielleicht auch nur, weil wir grundsätzlich nicht dazu neigen, unsere geschlechtsteile mit stolz zu exponieren. wir machen auch unter der dusche oder in der sauna keine macho-muschi-vergleiche. 

ich selbst habe mich bis vor kurzem noch irrsinnig geniert, ins gestrüpp zu krabbeln und mich dort zu entblößen. es könnte mich ja jemand dabei sehen! nicht auszudenken! wäre das PEINLICH!!!

aber frau wächst bekanntlich an ihren aufgaben.

recht schnell verging mir auf dem festival die lust, alle stunde eine halbe stunde lang mit zusammengekniffenen knien vor dem dixi-dorf anzustehen. der veranstalter verlangte für die benutzung der klos zudem jedes mal 50 cent. kurzum, wer viel in bier investierte, musste auch ständig in das dixi-dorf investieren. ich aber wollte saufen wie die kerle, also machte ich es irgendwann auch wie sie. 

während ich anfangs noch möglichst tief in das angrenzende maisfeld verschwand, sank die bereitschaft, sich groß zu verstecken und verdecken, mit der zeit und den promille. also ging ich dazu über, mich einfach hinter ein herumstehendes auto zu hocken. das war recht praktisch, weil ich dabei den betrunkenen kopf schön an der kühlerhaube anlehnen konnte. 

der nicht weniger angeschickerte luxus-mann freute sich über meine neu gewonnene lockerheit. er machte sich einen riesigen spaß daraus, dabei mit der taschenlampe nach mir zu leuchten. 

er selbst hatte an diesem wochenende evolutionären vorteil, kleidungsstil und abgebrühtheit kombiniert und perfektioniert. in einem kilt ohne unnerbüx musste er sich im schutz der dunkelheit nur noch etwas breitbeinig hinstellen. dann ließ er es einfach laufen. 

"DAS kannste nicht!" grinste er ein ums andere mal. 
das kratzte an meinem feministischen stolz. ich wollte auch frei pinkeln, zumal die dunkelheit immer tiefer wurde, die besucher peu à peu in richtung zelte verschwanden und mein zustand sich immer weiter der scheißegal-grenze näherte. 

ich trug zwar ebenfalls einen rock, darunter aber anständigerweise slip und strumpfhose. das bildete ein textilenes hindernis, das es zu umschiffen galt. jawohl, zu umschiffen! 

irgendwann saß ich gemütlich auf einer bierbank und die blase drückte mal wieder. da hatte ich eine gute idee. ganz unauffällig schob ich strumpfhose und slip ein stückchen auf die oberschenkel. dann rutschte ich ganz nach vorne an die kante der bank und sagte meiner körper: wasser marsch!

und heureka - ohne den kleinsten unerwünschten spritzer konnte ich mich ganz dezent erleichtern. 

"sag mal... piest du da etwa? fragte der luxus-mann, der direkt neben mir saß.
ich kicherte:
"merkt man das?"
"nee, aber ich guck gerade so nach unten und denk, wo kommt denn das wasser da her?!"
"siehste, ich kann auch einfach laufen lassen! und das sogar total bequem im sitzen!"
"du hast dir doch garantiert auf die schuhe gepisst."
"kein bisschen! da guck! alles trocken."
"glück gehabt."
"das ist kein glück, das ist eine frage der technik!"

der luxus-mann sah mich amüsiert an.
"ich seh schon... wenn du ein kerl wärst, du würdest nicht nur alles knallen, was dir vor die lunte kommt. du würdest das auch total genießen, einfach überall hinzustrullen!"
"na klar würde ich das. und ich würde mich freuen, dass ich genug muckis hätte und meinen artgenossen bei bedarf auf die fresse hauen könnte."
"gut, dass du eine frau geworden bist. sonst würde ich einen weiten bogen um dich machen!"
"ein bisschen respekt tut dir nicht schlecht!"

für den rest des festivals konnte ich meiner neugewonnenen pipi-entspanntheit sei dank ganz gepflegt auf dixis verzichten. das schonte geldbeutel und sparte jede menge zeit und nerven. die relaxtheit ließ sich sogar in den nüchternen zustand transferrieren, was dazu führte, dass ich auf der rückfahrt endlich auch mal parkplätze ohne pipihäuschen in anspruch nehmen konnte.

ja, ich kann nun mit fug und recht sagen: festivals können einen therapeutischen effekt haben, anerzogenes rollendenken grundlegend verändern und die gleichberechtigung der geschlechter massiv vorantreiben! das schafft keine blabla-politik und auch kein verkrampftes gendern.

insofern, liebe geschlechtsgenossinnen: einfach mal die dinge laufen lassen.

Montag, 31. August 2020

die grufti-mutti

während ich mit 11 oder 12 jahren noch gerne poppig-souliges zeug hörte und jeden samstag gespannt auf die chartshow bei mtv wartete, wandelte sich mein musikgeschmack mit 13 von grund auf. über grunge und punk landete ich mit 14 oder 15 bei düsterem zeug wie sisters of mercy, the eternal afflict, silke bischoff und anderem gothic- und darkwave-kram. 

während meine mutter meine grünen haare, die kaputten jeans und die abgerockten kapuzenpullis aus meiner grunge-phase weniger gut fand, war sie von meiner hinkehr zur schwarzen szene regelrecht beglückt. meine burgfräulein-kleidchen und langen samtmäntelchen fand sie "elegant"und "süß". 

kurzum, die zeit der rebellion war schlagartig vorbei. egal, was ich ausprobierte - fast alles fand ihre zustimmung. zum geburtstag stapelten sich auf meinem gabentisch neben büchern und cds auch sachen wie netzstrumpfhosen oder schwarze unterwäsche - von meiner mutter höchstpersönlich ausgesucht. irgendwann resignierte ich und fand es sogar ganz angenehm, nicht mehr ständig streiten und kämpfen zu müssen.

eines tages war es dann soweit und deine lakaien, die ich damals sehr mochte, gastierten in meiner heimatstadt für ein konzert.

"kenn ich die", fragte meine mutter interessiert, als ich davon erzählte. 
"weiß nich", sagte ich.
"spiel doch mal eine cd von denen!"

und so nahm das unglück seinen lauf. denn meine mutter fand, der sänger habe "eine sehr schöne stimme" und sähe "interessant" aus. mir schwante übles.

kurz darauf eröffnete mir meine mutter, dass sei keine gute idee sei, wenn ich als minderjährige nachts alleine in einem finsteren industriegebiet herumtappe. ergo würde sie mich zu dem konzert begleiten!

"mama... das ist aber peinlich!"
"keine sorge, bienchen. ich stell mich schon nicht neben dich, ich nehm noch jemanden mit. aber wir fahren da gemeinsam hin und auch wieder nachhause! sonst verbiete ich dir das!"

und so kam es, dass ich zusammen mit meiner mutter auf ein deine lakaien-konzert musste. als neutralisierende begleitung hatte sie für diesen abend meinen onkel gewählt, weil der ein auto hatte und uns fahren konnte. 

rein optisch betrachtet passte mein onkel noch recht gut ins bild. er war ein exzentrischer mann mit langen weißen haaren und bart. im dunklen anzug machte er eine ausgesprochen passable figur. meine mutter allerdings stach aus der masse heraus wie ein glühwürmchen aus der finsteren nacht: sie trug wie immer ihre perlenkette und eine bunte bluse.

"boah mama, die perlenkette geht echt gar nicht", nörgelte ich.
"NEIN?! aber warum denn nicht?" war meine mutter sehr überrascht.
ich entschloss mich dazu, nicht weiter zu diskutieren und mich einfach möglichst weit weg von den beiden zu postieren.

das konzert konnte ich so jedenfalls überhaupt nicht genießen. zu groß war die angst, plötzlich auf jemand bekanntes oder gar auf einen beflirtenswerten grufti-typen zu treffen. als sich das ende des konzerts abzeichnete, schlich ich daher zu meiner mutter und bat sie, dass wir uns schon mal richtung ausgang orientierten.

"aber warum denn? ist doch soooo schön!" fand meine mutter.
"aber gleich gibts voll den stau an der garderobe!" versuchte ich, ein glaubwürdiges argument zu finden.
"nein, also WIR warten noch auf die zugaben!" blieb meiner mutter standhaft.

und so war es dann auch. meine mutter, das glühwürmchen mit der spießigen perlenkette, klatschte frenetisch und brüllte nach jedem song aus voller kehle "zugabe!!!". sie war definitiv der bessere fan von uns beiden.

im auto später seufzte sie selig und fand: "das war wirklich wunderbar. wenn die mal wieder kommen, geh ich da auch wieder hin!"

was mir als teenie wahnsinnig unangenehm war, finde ich heute sehr niedlich. sollten deine lakaien noch einmal ein konzert in meiner heimat geben und ich gerade anwesend sein, würde ich meine mutter fragen, ob sie da hin will. 
wenns sein muss, sogar mit perlenkette und bunter bluse.

Donnerstag, 27. August 2020

ein satz mit (se)x

die luxus-träume von einem flotten dreier sind ungebrochen.

letzte woche hatte sich dann die angeblich ach so willige kandidatin gemeldet und unseren termin für ein erstes kennenlernen zu dritt zunächst verschoben.

"da hat jemand angst vor seiner eigenen courage", lache ich, als mir der luxus-mann zerknirscht davon berichtet. "bestimmt sagt die auch noch ein zweites mal ab."
"glaub ich nicht. sonst hätte sie ja eine andere ausrede erfinden können. oder sagen können, nee, das ist nix für mich."
"frauen ticken nicht so. warten wir mal ab!"

zur großen überraschung des luxus-mannes wurde nun auch der ersatz-termin abgesagt.

"welche ausrede hatte sie denn diesmal?" will ich wissen.
"sie ist wieder mit ihrem exfreund zusammen."
"aha", sage ich leichthin.
"du klingst, als hättest du damit gerechnet", sagt der luxus-mann beleidigt.
"das sagte ich doch schon beim letzten mal. ich hätte das treffen auch erstmal verschoben, um mir dann in ruhe eine bombenfeste und dauerhafte ausrede zu überlegen. frauen ticken so!"
"glaub ich nicht."
"dann bin ich mal gespannt, wenn du ihr das nächste mal begegnest, ob sie dann ihren freund dabei hat!"
 
"hat sie denn sonst noch irgendwas gesagt?" will ich dann wissen.
"sie meinte, wir könnten uns ja auch einfach so auf einen wein treffen."
"zu dritt oder nur mit dir?"
"wohl eher nur mit mir."
"checkst dus jetzt?! das war genau so, wie ich sagte: ihr wart besoffen, sie wollte dir an die wäsche, und weil du ihr von mir erzählt hast, hat sie einfach alles in den jackpot geworfen. und weil sie nun merkt, dass sie dich nicht kriegt, rudert sie zurück."
"das glaube ich nicht."
"glauben kannste in der kirche. und ich wette, wenn ihr euch wieder zu zweit trefft, versucht sie noch einmal, bei dir zu landen." 
 
"und nun?"
"machen wirs wie in charlotte roches schoßgebete."
"wie machen die es denn da?"
"mit ner nutte."
"das ist mir zu teuer. ich glaube, ich werde nie einen dreier haben!"
"das passiert auch nicht einfach so an jeder straßenecke. und schon gar nicht, wenn man so intensiv danach sucht. das ist wie wenn du ne beziehung willst. dann triffst du auch nur spackos."
"ich werde NIIIIE einen dreier haben!"
 
nunja. zumindest nicht wie geplant morgen abend...

Sonntag, 23. August 2020

jackpot

die objektmama hat mir geantwortet. wie immer sehr freundlich und ausführlich - und so als sei nie etwas gewesen. natürlich dürfe ich weiterhin kontakt zu ihrem sohn haben. 

ansonsten gehe es ihm so lala, schreibt sie, die einsame corona-zeit war nicht besonders gut für ihn, er sei viel zu viel im bett herumgelegen und müsse jetzt wieder vermehrt an sich arbeiten. sonst fühle er sich aber ganz wohl in seinem neuen zuhause und genieße die viele zeit mit seiner familie.

ich lese die nachricht im baumarkt, als ich mit dem luxus-mann nach einem teppich schaue. 
"was grinst du denn so, haste im lotto gewonnen", fragt mein mann.
"so ähnlich", sage ich. "nur besser."

als ich ihm die geschichte vom gespielinnen-aus und der objekt-rückführung erzähle, sagt er nur:
"du bist noch immer vollkommen objektfixiert."
"na und, die titten deiner ex haben doch auch weltwunder-status bei dir", erwidere ich.

später, als wir am isebek-kanal spazieren gehen, greift der luxus-mann unvermittelt nach meiner hand.
da er händchenhalten sonst als absolut ekelhaft und schleimig empfindet und unter keinen umständen erträgt, bin ich mehr als überrascht.
"ähm...", setze ich an.
"lass ma", sagt er und umschließt meine hand umso fester. "dafür kannste mir nachher noch mal die schulter massieren."

festhalten, ja. 
das glück muss man festhalten.
so oder so.

Mittwoch, 19. August 2020

der letzte abschied

in der nacht vom 7.8. auf den 8.8. habe ich einen furchtbaren alptraum: das objekt ist gestorben! ich wache ziemlich verstört auf mit dem gefühl, als sei ein band gerissen, das uns verbunden hat.

wieder zurück aus dem urlaub mit dem luxus-mann rufe ich gleich im pflegeheim an, weil ich wissen will, wie es dem objekt geht. außerdem möchte ich einen besuchstermin vereinbaren. dies geht seit corona nur noch nach vorheriger absprache mit der verwaltung.

die liebe schwester romina ist am telefon. sie offenbart mir, dass es dem objekt zuletzt gut ging, es jedoch vor zwei wochen umgezogen sei. seine eltern hätten es abgeholt und in ein heim in ihrer nähe verlegen lassen, um sich mehr um ihn kümmern zu können.

ich bin vollkommen von den socken:
"was sagt denn seine freundin dazu?" frage ich perplex.
"ach, die gibts doch schon ganz lange nicht mehr", lautet die antwort.

wie immer wissen andere mehr als ich, wenn es ums objekt geht. ich hatte das allerdings vermutet, da sich die unterkühlten, unliebsamen absprachen mit der objektgespielin in den letzen monaten von sehr restriktiven besuchserlaubnissen hin zu recht gleichgültigen nachrichten wie "mir egal, fahr hin, wann du willst" verändert hatten. 

welche junge frau verbringt auch schon den rest ihres lebens mit einem krüppel? das wäre auch bestimmt nicht im sinne des objekts gewesen. auch ich selbst könnte nicht die hand dafür ins feuer legen, dass ich das geschafft hätte - egal wie groß die liebe ist. 

"dann muss ich vielleicht mal seine mutter anrufen", fällt mir nur noch ein.
"mach das", sagt schwester romina, "und grüß ihn ganz lieb von uns! wir werden ihn vermissen."
nicht nur du, denke ich , nicht nur du. 
mein herz schlägt derweil wie eine tickende zeitbombe.

"ihr habt das übrigens sehr schön gemacht, soweit ich das beurteilen kann", sage ich noch. "ich fand die betreuung bei euch jedenfalls immer sehr liebevoll. danke dafür."
"ach, das freut mich, sowas hören wir ja nicht oft!"
dann verabschieden wir uns.

danach sitze ich wie betäubt da und habe den eindruck, mein universum sei soeben implodiert.
du wirst das objekt nie wieder sehen. oder vielleicht alle paar jahre mal, so weit weg, wie es nun ist, so tief in der östlichen pampa. 

ein anderer teil in mir vermeldet zarte erleichterung: du musst dich nie wieder mit der gespielin herumschlagen! nie wieder angst vor ihren gemeinheiten haben! du kannst ihre nummer LÖSCHEN! ist das nicht herrlich?

sehr viel besser wird die situation dadurch allerdings nicht. der einst gute kontakt zur objektmama war irgendwann dank der giftereien der gespielin abgerissen. ich habe keine ahnung, was diese freundliche, offene frau inzwischen von mir denkt und ob sie noch mit mir sprechen wird. 

abends radle ich ein wenig durch die gegend. ich komme am haus vorbei, in dem das objekt zuletzt mit der gespielin gewohnt hat. ihr name steht immer noch am klingelschild, daneben ein neuer. 

aha. sie hat die wohnung also gleich zum neuen liebesnest umfunktioniert. ich kann das spontane gefühl der bitterkeit nicht unterdrücken. anderseits hat sie bestimmt genug gelitten. warum sollte sie nicht ein wenig glück verdienen?

voller widersprüchlicher gefühle und einem tsunami im kopf liege ich später im bett. ich weiß, dass es wieder wochen dauern wird, bis ein wenig klarheit und frieden in mir einkehren.

Montag, 17. August 2020

die überraschung

samstagabend, 23 uhr. sms vom luxus-mann: "lass uns morgen unbedingt treffen!"
ich schreibe zurück: "wieso? tropft der hahn?"
"es wird dir gefallen", kommt da nur noch. 
danach hüllt sich mein mann in geheimnisvolles schweigen.

als ich gestern in luxus-hausen aufschlage, werde ich vollkommen euphorisch durchgefickt und dabei regelrecht niedergeknutscht. diese leidenschaftlichkeit ist so berückend wie verstörend, da vollkommen luxus-untypisch.

"what the fuck?" sage ich hinterher. "welche drogen hast du denn genommen?"
"ich habe wahnsinnsneuigkeiten", sagt der mann und grinst sich einen. "die werden dir gefallen!"
"du schaffst dir ne katze an?"
"nee, hat aber auch was mit muschi zu tun!"

ich schaue erwartungsvoll, dann haut der luxus-mann raus:
"ich hab mich getroffen und wir können endlich nen dreier machen!"
"wie getroffen?"
"erinnerst du dich noch an j.?"
"nee, wer soll das sein?"
"die war auch an den abend im club, als wir uns kennen gelernt haben. die hübsche."
"alter! das ist viereinhalb jahre her! wie soll ich das noch wissen!"
"jedenfalls hat die sich freitag gemeldet und wir waren im park und haben gesoffen..."
"wie, gemeldet, park, gesoffen?? davon hast du gar nichts erzählt!"
"jedenfalls wollte die dann ficken und dann hab ich gesagt, das geht nicht, weil ich hab ne freundin, aber dass meine freundin auch voll gern muschis leckt... und dann ist sie total drauf angesprungen! ist das nicht cool?"

ich atme tief ein:
"das ist überhaupt nicht cool, wenn du dich hinter meinem rücken mit frauen datest, die dir an die wäsche wollen! wie kommst du bitte dazu? und wieso bist du nicht offen mit mir? was würdest du denn sagen, wenn ich mich hinter deinem rücken mit einem gutaussehenden typen wie dem objekt getroffen hätte und dir jetzt freudig berichte, dass er zu einem dreier bereit wäre?"

der luxus-mann guckt konsterniert:
"ich dachte, du freust dich!"
"ich freu mich ÜBERHAUPT NICHT! ich frage mich stattdessen, wieso du vereinbarungen, die du selbst aufgestellt hast, mir gegenüber nicht einhältst!"
"ja... naja... ich hab auch überlegt, ob ich dir das noch schnell schreiben soll, dass ich mich mit der treffe", meint der luxus-mann zerknirscht.
"ja, das hättest du sollen! weil du es auch von mir verlangt hättest! und ich will nicht wissen, was jetzt los wäre, wärst du an meiner stelle! wieso behandelst du mich nicht so wie du es dir auch von mir wünschst?"

der luxus-mann sinkt resigniert auf die couch.
"ich dachte, du siehst das lockerer."
"nein. ich würde das nur locker sehen, wenn wir irgendein loses ding am laufen hätten und du nicht permanent derart viel verbindlichkeit fordern würdest."
"aber das wäre halt DIE gelegenheit! ich finde, die sollten wir nutzen!"
"du meinst, damit du deine dreier-jungfräulichkeit abstreifen und endlich mit mir gleichziehen kannst oder wie?"
"du sagst doch immer, du wünschst dir mal wieder eine frau. und die hat genauso geredet wie du immer! dass frauen viel schöner sind und weicher und besser riechen..."
"das ist ja gut und schön, aber ich suche mir meine frauen in der regel schon selber aus. und vor allem will ich keine frau, die insgeheim scharf auf meinen mann ist, und die mein mann auch noch attraktiver findet als mich!"
"da musst du dir echt keine sorgen machen. ich hab ihr gesagt, dass wir zusammen sind und dass sich das nicht ändern soll... und sie war total cool damit."
"sonst käme sie ja auch nicht ran an den speck."
"was meinst du damit?"
"alter... bist du naiv! wenn ich dich ficken wollen würde und du mir sagst, nö, nicht ohne meine freundin, dann würde ich mir doch auch sagen, na gut, simuliere ich halt interesse an der alten, damit ich den schwanz kriege! und die alte schmeiß ich beizeiten schon irgendwie noch aus dem boot."
"so wirkt die aber nicht."

ich atme tief durch.
"gut. dann arrangiere ein treffen. eines zum kennen lernen. mach ihr klar, dass wir an diesem abend  nicht ficken werden. ich will die erstmal sehen. wenn sie mich nicht überzeugt, findet das auch nicht statt."
"das ist mir schon klar. ich würde auch erst einiges besprechen wollen. was ich so erwarte und worauf wir achten sollten. da spielt dann ja auch sowas wie verhütung ne rolle."
"aber sowas von. ich will mir da nicht irgendeinen scheiß aufsacken."

ich beruhige mich langsam ein wenig.
"das ist schön, dass du so offen bist", sagt der luxus-mann liebevoll und schaut mich aufmerksam an.
"ich hab noch nix versprochen. und ich kann dir auch sagen, arrangierte treffen funktionieren meist nicht für mich. dreier sind für mich halt immer ne frage von set und setting. ich würde das eher im bereich von unwahrscheinlich einstufen, dass es dazu kommt."
"schade."
"das hast du aber selber vermasselt mit deiner heimlichtuerei. dadurch ist die situation jetzt belastet, und das hätte sie nicht sein müssen."
"ja, das war vielleicht blöd von mir."
"nicht nur vielleicht."

nun harren wir also sehr mittelmäßig begeistert der dinge, die da kommen werden. 
but never say never.


Montag, 10. August 2020

sprödes gras, von gefährlichen funken umtanzt

ich habe mich ausgeklinkt. wohl wissend, dass die maske mit dem freundlichen gesicht das nicht halten würde. die tarnung dieser tage ist dünn, so dünn, dass ich manchmal glaube, mein mann müsste dahinter schauen und die tiefen risse sehen können. 

die sonne brennt derweil gnadenlos herab. die freibäder sind dicht, die meisten meiner freunde im urlaub. meine eltern reden in jeder sekunde über die hitze oder corona und was man deswegen alles nicht machen kann oder soll. und wenn sie damit durch sind, erzählen sie dasselbe wieder von vorne.

mein herz fühlt sich an wie sprödes, dürres gras, das von gefährlichen funken umtanzt wird. also flüchte ich mich an den einzigen ort, der mir trost spendet. und weine. 

wie immer streichelt die schönheit der landschaft meine seele in beruhigender weise, auch wenn mich immer wieder der scharfe hauch der traurigkeit streift.

später rette ich einen mistkäfer, der einen sandigen abhang hinabschlittert und in den see zu rutschen droht. vermutlich das sinnvollste, was ich in diesen tagen tue. und während die sonne am horizont versinkt, gesellt sich eine grille zu mir.

gemeinsam warten wir, bis der letzte goldene strahl hinter dem hasenhügel verschwindet.



Sonntag, 26. Juli 2020

don´t feed the people!

es klingelt an der tür. draußen steht eine blonde studentin, die trotz corona noch einen job bei einem bekannten kinderhilfswerk ergattert hat. als klinkenputzerin. 

sie macht den job erstaunlich gut. in meiner firma helfen wir ja auch kranken kindern kostenlos, um unser image zu polieren. daher checkt sie schnell, dass sie mir nicht lange und dramaturgisch untermalt folgeerscheinungen von hunger bei säuglingen erklären muss. sehr sympathisch soweit.

ich bin prinzipiell gegen spendenabos, das mache ich ihr gleich klar, dazu hab ich nämlich schon zu viele im tierschutz. aber weil das projekt ganz clever klingt, erkläre ich mich spontan zu einer einmaligen unterstützung bereit.

als ich die tür wieder schließe, merke ich, dass ich mir mal wieder selbst auf den leim gegangen bin. 

denn zwei seelen wohnen, ach, in meiner brust.

seelenteil nummer eins ist der überzeugung, dass es möglichst jedem gut gehen sollte und dass "die würde des menschen ist unantastbar" bedeutet, dass man ihn, sofern man die möglichkeit hat, aus lebensbedrohlicher scheiße zieht. weil: würdeste ja auch so wollen! do ut des, auch wenn das in diesem fall wahrscheinlich nicht so klappen wird. da kommt ja nicht mal eben irgendein kind aus afrika und hält mir bei meinen luxusproblemchen das patschehändchen.

seelenteil nummer zwei sagt, hör endlich auf, den schlimmsten parasiten von allen zu füttern! wozu gibts überall schilder auf der welt: don´t feed the pidgeons? dabei stören tauben doch gar nicht, abgesehen davon, dass sie auf alles scheißen. der mensch aber, der ist ein wahrer zerstörer. 

also: don´t feed the people!

seelenteil nummer zwei war früher mal sehr klein und schwach, wächst aber immer mehr in mir. auch, weil der luxus-mann es aktiv unterstützt. "7,8 milliarden sind ungefähr 7 milliarden zu viel", sagt er oft "wir müssen die menschenheit endlich auf ein für die erde tragbares maß dezimieren." da es corona und umweltkatastrophen bislang noch nicht ausreichend tun, ist der mensch eben selbst gefragt. 

ich denke an den film "downsizing", der kürzlich im tv lief. forscher hatten eine möglichkeit entwickelt, menschen auf 12 zentimeter zu schrumpfen und sie so weniger umweltschädlich zu machen. da das in der wirklichkeit leider keine option ist, bleibt uns nur die partielle auslöschung.

ist das jetzt inhuman und unethisch?

ich denke an sophie scholl und ihre weigerung, 1942 an der sammlung von decken und wintermänteln für die in stalingrad eingeschlossenen erfrierenden soldaten teilzunehmen. sie hatte den mumm, ihresgleichen sterben zu lassen, um den krieg nicht mehr zu verlängern. 

also kann ich doch wohl auch  zu meinen prinzipien stehen. spenden für tiere: super. spenden für menschen: nö.

Montag, 20. Juli 2020

wie einem schlechtes essen den verstand rettet

ziemlich genau sechs jahre ist mein psychiatrie-ausflug nun her. 

"und wie hat dir die psychiatrie damals geholfen?" will ein bekannter von mir wissen.
"es gab so derart ekelhaftes essen, dass ich recht motiviert war, alles für meine entlassung zu tun. wirklich, wenn man das mittagsessen sah, wusste man: so schlimm kann die welt da draußen gar nicht sein!"

Freitag, 17. Juli 2020

ich krieg nen vogel

nach einem tag mit mann und kind im wildpark hetze ich nach hause, weil ich noch in zwei haushalten katzen sitten muss und die maumaus bestimmt schon hungrig warten.

als ich meine wohnung betrete, um die schlüssel zu holen, bemerke ich komische braune flecken auf dem parkett. nanu, denke ich, hab ich kaffee verschüttet und das nicht gemerkt? ich nehme klopapier und wasser und wische. zum glück geht alles leicht weg und das dunkle braun ist nicht in meinen weißen parkettboden eingezogen.

im wohnzimmer bin ich dann ein wenig entsetzt. auch hier braune flecken auf boden und an der wand. während ich noch konsterniert vor mich hinstarre, macht es plötzlich "schirrrrp schirrrrp" aus dem vorhang.

ich traue meinen augen nicht: da sitzt ein mauersegler. offenbar ist er durch das gekippte fenster in meiner wohnung gelandet.

ich nähere mich. der kleine vogel hat nicht nur boden und wand, sondern auch das komplette fensterbrett vollgeschissen. lecker.

ich öffne behutsam das fenster und nehme ihn sanft mit den händen, um ihn aus dem vorhang zu holen und ins freie zu geleiten. doch der mauersegler krallt sich derart in den stoff, dass ich keine chance habe, wenn ich ihm nicht die füßchen brechen will.

also nehme ich im zweiten versuch den vorhang, bilde eine falte um den vogel herum und bugsiere dann den gesamten schal aus dem fenster. als sich der vorhang beim loslassen öffnet, schwirrt der mauersegler davon.

ich gehe erstmal katzensitten.

als ich wiederkomme, höre ich erneut aufgeregtes "schirrrrp-schirrrrp". der mauersegler sitzt schon wieder auf dem fensterbrett im wohnzimmer! der will sich hier wohl häuslich einrichten, oder was?

ich luge hinaus. tatsächlich hängt etwas strohiges aus dem mauerwerk unterhalb der dachrinne. die bauen also ein nest über meinem wohnzimmerfenster. kippfenster ist damit nicht mehr für den rest den sommers. na toll.


da der mauersegler diesmal auf dem fensterbrett hockt, versuche ich es noch mal mit den händen. doch er tschirpt so laut, dass ich angst habe, ihm weh zu tun. also lasse ich ihn los.

in seiner panik fällt er auf den parkettboden. was für eine scheiße, weiß ich doch von meinem vater, dass mauersegler nicht mehr alleine vom boden hochkommen. ich muss ihm also aufwind geben.

irgendwie gelingt es mir, die hand unter den vogel zu bekommen und ihm einen schubs nach oben zu geben. er flattert hoch, findet zum glück gleich das weit geöffnete fenster und schwirrt vondannen.

ich bin derweil gespannt, ob ich in einigen wochen kleine mauersegler über meinem fenster haben werde.

Freitag, 3. Juli 2020

der weiße iltis

ich habe die aufgabe, eine wiese zu mähen. mangels rasenmäher tu ich dies mit einem ast, der ein wenig wie eine sense arbeitet. mühselig ist das, doch büschelweise fällt das gras. dann harke ich es zusammen und entsorge es.

auf der wiese tummelt sich ein weißer iltis mit seinem baby. plötzlich kommt ein fuchs hinzu. überraschenderweise passiert gar nichts. ich zücke die kamera, um ein foto von dem ungewöhnlichen trio zu machen.

in diesem moment stürzt sich der fuchs auf das iltis-junge und begräbt dabei die mutter unter sich.

ich packe den sensenstock, um den fuchs zu verjagen. die weiß iltismama lebt noch, kann aber nicht aufstehen. ich nehme sie sanft hoch, will zum tierarzt rennen.

plötzlich stehen zwei menschen an meiner seite, freunde. komm, wir nehmen den wagen, sagt der eine und verfrachtet mich in ein auto. damit sind wir schneller. vielleicht schaffen wir es.

ich sitze auf der rückbank und halte die weiße iltismama im arm. immer wieder fühle ich, ob ihr herz noch schlägt.

an einer ampel dreht sich der fahrer um und fühlt ebenfalls.
sie ist tot, sagt er mir.

ich verstehe nicht, wie ich das nicht bemerken konnte und mache mir wahnsinnige vorwürfe. der tod der ilitisse ist meine schuld. weil ich so versessen auf das foto war. ich hätte den fuchs gleich verscheuchen müssen.

trotzdem meldet sich in mir auch ein anderes gefühl. herzenswärme. ich habe freunde, die mir aus freien stücken geholfen haben. wie kostbar das ist.

als ich aufwache, muss ich noch lange über diesen seltsamen traum nachdenken.

Sonntag, 14. Juni 2020

das große kotzen

das leben normalisiert sich nach dem lockdown in weiten teilen. der verkehr wird wieder chaotischer, die luft schlechter. die menschenmassen werden größer und lauter und abscheulicher.

und mein hass und meine depression nehmen täglich zu. ich bin wie auf einem endlosen entzug, ohne zu wissen, wonach ich eigentlich süchtig bin.

ich habe immer weniger lust, nach draußen zu gehen. selbst ein leerer kühlschrank ist kein grund für einen gang zum supermarkt am ende der straße. nur ins fitnessstudio renne ich einigermaßen regelmäßig, denn der rücken scheucht mich und auch dem knie ging es zuletzt beschissen.

ich habe noch 30 tage urlaub für dieses jahr plus resturlaub aus 2019. ich erwäge, eine woche wegzufahren. meine heimat besuchen. aber dafür fehlt mir die energie, einen koffer zu packen und einen zug zu besteigen. und vor allem dafür, danach wieder abschied zu nehmen. außerdem stapeln sich neben dem bürojob eigene  aufträge und im juli wartet die steuer.

ich nehme stattdessen einen tag frei, um einen ärztemarathon zu machen: ekg, psychiatrie und krebsvorsorge. halleluja.

einziger lichtblick sind die lockerungen, was besuche im pflegeheim betrifft. 30 kostbare minuten mit dem objekt hinter einer glaswand stehen mir bevor. ich hoffe auf einen guten tag. auf liebe und erkennen statt amnetische leere. auf umarmungen aus blicken und worten, wenn schon keine körperlichen möglich sind.





Samstag, 6. Juni 2020

die nachtmahrin

3:00 uhr morgens. der luxus-mann krabbelt aus dem bett und geht auf toilette. dann kommt er zurück und legt sich wieder hin.

ich bin dadurch wach geworden und merke, meine blase ist auch schon fast voll. also erhebe ich mich und gehe - wie immer im dunkeln - zur toilette. licht mag ich nachts nicht anmachen, weil es mir diese angenehme schlaftrunkenheit nimmt.

als ich zurückkomme, sagt der luxus-mann: "ich hab mich gerade schon wieder voll gegruselt!"
"hast du wieder mit der geisterfrau geknutscht?"
"nee, aber ich habe eben gar nicht gemerkt, dass du aufgestanden bist. ich war schon wieder so im halbschlaf und dachte, du liegst hier hinter mir. da hab ich auf einmal schritte im dunkeln gehört und geräusche aus dem bad... und als dann die toilettenspülung ging, habe ich mich so erschreckt, dass mir voll der schauer über den ganzen körper gelaufen ist. da... ich hab immer noch gänsehaut!"

ich kichere:
"wer außer mir sollte denn die spülung drücken?"
"eben! wenn du das nicht gewesen wärst..."
"du bist aber auch n töffel", sage ich.
"ich sag dir, ich hab jetzt total herzklopfen, ich kann glaub ich gar nicht mehr einschlafen."
"entspann dich. dein hausgeist muss bestimmt nicht mehr pullern. der hat das hinter sich."
"ich glaube langsam, du bist mein hausgeist!"
"wahrscheinlich."

ich löffle meinen angsthasen.
"muss ich dich jetzt beschützen?"
"nee nee. du steckst doch mit dem geist unter einer decke!"
"ich stecke höchstens mal mit dir unter einer decke."
"das wiederum ist natrlich ausdrücklich erlaubt."

zwei minuten später bin ich im land der träume. als ich das nächste mal aufwache, ist es schon hell und der mann schnarcht friedlich. offenbar sind also weder falsche noch echte geister erneut in erscheinung getreten.

Donnerstag, 4. Juni 2020

liebe hält

drei jahre ist der unfall nun her.

du bist wach, du kannst sitzen, du kannst im rollstuhl herumfahren.
eine magensonde hält dich am leben. deine beine sind noch immer unbrauchbar. die amnesie bleibt bestehen.

ein normales leben rückt immer weiter in richtung unvorstellbarkeit. das bestätigen auch deine ärzte.

wir erwarten keine wunder. keine gnade.

stattdessen warte ich darauf, deine sommersprossigen hände wieder in meine zu nehmen.

denn deine liebe ist da. sie hält. nach wie vor. sie hält mich ganz fest.


Montag, 1. Juni 2020

homo autopilotiensis

immer mal wieder passiert es, dass headhunter auf mich zukommen. und auch wenn ich meinen job aktuell gar nicht wechseln möchte, nehme ich vorstellungsgespräche immer wahr. frau muss ja in übung bleiben. und sie weiß schließlich nie, ob das gras irgendwo nicht doch noch ein bisschen grüner wächst.

einer meiner großen usps ist meine kinderlosigkeit.
"ähem, und sie haben gar keine kinder?" fragt mich auch meine potenzielle neue chefin, fast peinlich berührt. denn in meinen unterlagen steht ja: ledig, keine kinder. aber vielleicht will sie sichergehen, dass dem auch so ist, ich könnte ja schwanger sein oder mich gleich verplappern, dass mein kerl und ich derzeit eifrig zielschießen auf meine wenigen noch verbleibenden eizellen üben.

"mein partner hat zwei, das reicht mir", erwidere ich.
"naja, es gibt eben oft den wunsch nach eigenen kindern", stammelt die chefin.
"meine verantwortung der menschheit und diesem planeten gegenüber ist es, keine kinder zu bekommen", sage ich und achte dabei bewusst darauf, nicht dieses dämliche bitte-finde-mich-nett-höflichkeitslächeln zu lächeln, das man in vorstellungsgesprächen gerne mal aufsetzt.

so, wie die tante jetzt guckt, hat sie wahrscheinlich selbst kinder. aber sie muss meine ansichten schließlich weder teilen noch kommentieren.
"ja, also, wir sind ja auch ein nachhaltiges unternehmen", sagt sie dann.
"das habe ich auf ihrer website gesehen", sage ich. "das co2-ausgleichsprogramm."
"genau", grinst die tante stolz.
"wobei das reine augenwischerei ist, wenn ein unternehmen nicht auch intern nachhaltig agiert", sage ich. "zu meetings mit dem flieger reisen oder mitarbeiter mit dienstwagen zuschmeißen, zum beispiel. am ende noch mit geländewagen!"
dass auf dem parkplatz vor dem haus mindestens die hälfte der autos familienpapi-eierschaukeln sind, habe ich wohl wahrgenommen.

einige sekunden lang herrscht peinliches schweigen.

"gut", sagt die chefin dann geduldig, "dann wollen wir mal über das thema suchmaschinenoptimierung sprechen."
"wenn ich dazu eine frage stellen darf", unterbreche ich.
"ja?"
"haben sie zuvor bereits entsprechende schritte unternommen?"
"nein, deshalb brauchen wir ja eine expertin wie sie!"
"ich frage, weil die sache an sich nichts neues ist. die ersten websites habe ich schon vor zehn jahren optimiert."
"ja, ähm, wir sind spät dran, zugegeben."

ich lehne mich ein wenig zurück. das sieht jetzt bestimmt arrogant aus, aber der job ist auch nicht besonders interessant, also kann ich das ohne weiteres tun.
"wissen sie, der grund, warum unternehmen in die pleite laufen, ist derselbe, warum die menschheit in ein paar jahrzehnten fast ausgestorben sein wird."
die chefin schaut mich verwirrt an.
"der mensch ist ein autopilot. genau wie tiere fühlen sich menschen am wohlsten, wenn sich nichts verändert. sie machen einfach weiter, ohne sich um das zu kümmern, wovon sie genau wissen, dass es in der früheren oder späteren zukunft eintritt."
"deshalb wäre es auch schön, wenn wir so bald wie möglich anfangen könnten", bekräftigt die chefin ihr wohlwollen, die versäumnisse nachzuholen.

"ich habe mir die sichtbarkeitscharts ihres unternehmen und auch der konkurrenz angesehen", sage ich. "das wird nicht einfach. sie werden jahre brauchen, um den vorsprung aufzuholen, insbesondere mit ihrem völlig veralteten cms. das wollen sie ja nicht ändern, oder?"
"ähem, nein, damit arbeiten wir bereits seit 12 jahren, das hat sich bewährt. wenn wir das ändern, müssten wir auch die mitarbeiter, die damit arbeiten, neu schulen."
"verstehen sie jetzt, was ich mit dem autopilot meine?" grinse ich.

dann erhebe ich mich aus dem sessel und verabschiede mich.
"nehmen sie es mir nicht übel", sage ich. "aber ich möchte wenn dann gerne in einem unternehmen arbeiten, das wirklich nachhaltig ist und das in seiner gesamten unternehmenskultur lebt. dazu gehören nicht nur umweltthemen, sondern auch die technische infrastruktur."

und schwupp, bin ich draußen, vor den toren hamburgs, in einer wirklich schönen ländlichen umgebung. eigentlich wäre es nicht schlecht gewesen, hierher ziehen zu müssen, denke ich mir. aber nicht für ein unternehmen, das im modus homo autopilotiensis agiert.