ich kann mich ausgezeichnet reflektieren und zerlegen wie ein puzzle. meine therapeuten waren allesamt erstaunt über meine kognitiv-analytischen fähigkeiten. keiner konnte mir als diagnostikerin das wasser reichen. keiner konnte mir etwas über mich selbst verraten, was ich nicht bereits wusste oder sogar besser wusste.
der clou ist jedoch, dass sich psychische erkrankungen auf der gefühlsebene abspielen. ich hatte ein paar bücher gelesen und filme gesehen, in denen von depressionen betroffenen menschen dank therapie erkannten: aha, deswegen bin ich also so! und schwupp, haben sie aufgehört, so zu denken - und noch mal schwupp, waren sie mehr oder minder geheilt, weil sie sich plötzlich oder auch nicht ganz so plötzlich wohler fühlten.
FÜHLTEN ist dabei das stichwort.
ganz anders bei mir. meine gefühle sind mir ein mysterium. sehr oft weiß ich nicht, wie genau oder warum ich mich so fühle. ich kann sagen, möglicherweise sind a, b und c daran beteiligt. aber das ist geraten. drum herum gedacht. aber keineswegs glasklar erkannt. denn meine gefühle wabern undurchsichtig wie ein nebel vor sich hin und können sich so unangekündigt verziehen wie auftauchen.
die folge davon ist, dass ich gefühle kaum beeinflussen kann. am ehesten funktioniert es noch, indem ich meinen gefühlen schuldgefühle mache: guck mal, wie gut es dir geht: du bist nicht mehr arm, sondern kannst dir eine nette kleine wohnung und essen von rewe leisten! du hast einen freund, der dich bestimmt liebt, wenn du dir mal ein bisschen mühe dabei gibst, das zu erkennen! du hast einen job, der dir keine angst mehr macht! du hast auch ein paar menschen, die du magst und die dich mögen. und du hast sogar noch immer eltern und damit eine familie!
also: WAS ZUR HÖLLE HEULST DU JETZT?!
grob könnte man meine gefühlswelt als riesige, alles fressende sehnsucht beschreiben. eine art heimweh, die keinen gegenstand hat. die echo einer enormen leere ist. ein schlund, in den ich ruhig reinsehen kann, denn er ist so dunkel, dass er jegliches grauen verbirgt.
wenn das stimmt, ließe das den kognitiven rückschluss zu, dass ich mir selbst absolut fremd bin.
tatsächlich spiegelt sich dieses mirfremdsein in meinem verhalten wider. wenn man mich fragt, was ich gerne machen würde, fällt mir oft nichts ein. nicht, dass ich keine ideen hätte. es sind sogar gute oder nützliche ideen! aber ich habe keine ahnung, welche mir GEFÄLLT.
was sich gut ANFÜHLT.
im besten falle fühle ich mich verwirrt.
schließe ich mich mangels als gut empfundener ideen den aktivitäten anderer an, stelle ich oftmals fest, dass es mir überhaupt keinen spaß macht. aber du wolltest doch, heißt es dann enttäuscht. zu recht.
viele meiner verhaltensweisen sind merkwürdige resultate meiner nicht zugänglichen gefühle. passt der kopf nicht auf wie ein schießhund, werden sie schnell selbstzerstörerisch.
also passt der kopf möglichst 24/7 auf. was dazu führt, dass der kopf seeeeeehr müde und überfordert wie so ein alleinerziehendes elternteil ist und sich nach nichts als nach ruhe sehnt. und wenn der erzierherkopf dann irgendwann doch mal erschöpft pennt, sind hass und selbsthass fix über den zaun und stürmen die bühne.
auf jeden fall hat der kopf so auch keine zeit und schon gar keine nerven für das
basteln an einer mega-karriere oder das pflegen eines komplexen
freundeskreises über mehrere städte hinweg oder gar für so ein ding der
unmöglichkeit wie das zusammenleben mit dem partner (den man dann auch
noch permanent maßregeln müsste, weil er einen sonst zu dingen drängen könnte, die man möglicherweise nicht möchte).
psychische erkrankungen sind also herber verzicht. der kopf stottert ohne unterbrechung wie eine fast leere schrott-batterie vor sich hin und fällt ab und an in unruhigen sekundenschlaf. talente bleiben ungenutzt, berufliche und gesellschaftliche erfolge stellen sich nicht ein. selbstredend die besten voraussetzungen für tief empfundene zufriedenheit.
werde ich noch mal eine sprache finden, um eine verbindung mit meiner gefühlswelt zu etablieren? oder bin ich dazu verdammt, dass sich mein kopf totrödelt wie andere menschen in einem 60-stunden-job?
die hoffnung stirbt zuletzt. aber sie stirbt.
p.s.: und wie gerne hätte ich das nun dem objekt erzählt und nach seiner sicht der dinge dazu gefragt. weil die allein-analysen sich anfühlen wie looping im über-ichschen hamsterrad.