Sonntag, 17. Dezember 2023

wie wohlstand geht: lernen von dänemark

diese woche war ich zum ersten mal in meinem leben in kopenhagen. und was soll ich sagen - ich fühlte mich regelrecht überwältigt: wohlstand, sauberkeit und ordnung, wohin das auge auch blickt, zumindest in der innenstadt.

unzählige gepflegte menschen in hochwertiger kleidung kaufen in teuren läden ein und sitzen später in einem der zahlreichen restaurants der stadt, die alles von pizza & bowls zum erschwinglichen preis bis hin zur michelin-küche bieten. das ist möglich, weil die innenstadt außer shopping eine immense auswahl an kulinarik und kultur bietet - alles in engster nachbarschaft. verglichen mit den öden 0815-ladenreihen in der mönckebergstraße auf jeden fall das bessere konzept.

in insgesamt drei tagen begegneten mir dort außerdem nur zwei obdachlose. keine bettler, sondern menschen, die zeitungen verkauften. mir schien das unglaublich und ich vermutete zunächst ein knallhartes obdachlosen-vergrämungsprogramm dahinter. der grund scheint aber ein anderer zu sein: das dänische "housing first" konzept verspricht jedem, der in einer herberge für obdachlose unterkommt, innerhalb von 30 tagen eine wohnung. keine ahnung, ob das wirklich funktioniert, aber es würde ins bild passen. es ist ganz anders als hier, wo vor jedem discounter fünf rumänische bettler herumliegen und alles nach pisse stinkt. 

ansonsten fällt auf, dass in kopenhagen kaum müll oder dreck herumfliegt wie überall in der hamburger city. nicht einmal in der kommune freistaat christiania (ja, wir sind natürlich auch einmal durch die pusher street dort gelaufen - wie es sich für spießige gaffer-touris so gehört) sieht es derart lieblos und verkommen aus wie am holstenplatz in altona oder am zob am hauptbahnhof, wo sich jeden tag ganze trauben von drogen- und alkoholabhängigen versammeln.

und dann ist natürlich da noch die infrastruktur von kopenhagen, in die man sich schockverlieben muss: sichere, unfassbar breite radwege und modernster, zuverlässiger und pünktlicher öpnv - vollkommen anders als das überteuerte kack-angebot des hvv mit bussen, die gerne mal 45 minuten zu spät kommen.

wie zufrieden die menschen in kopenhagen mit ihrem leben sind, merkt man ihnen an. jeder ist einfach nur freundlich und relaxed. sobald ich irgendwo etwas suchend umherblickte, sprach mich jemand an - erst auf dänisch, dann aufgrund meiner unverständnis signalisierenden fresse in bezaubernd fließendem englisch - und bot mir hilfe an. als typische deutsche reagierte ich darauf zunächst mit abwehr, doch irgendwann verstand ich: in kopenhagen war man offenbar so entspannt, dass man sich für seine mitmenschen tatsächlich interessiert und ihnen gutes will. hier in hamburg könnte man ähnlich wie in berlin vermutlich auf offener straße sterben, ohne dass es jemand kümmert.

die dänische gediegenheit herrscht auch unter jüngeren leuten: von besoffenem, randalierendem partyvolk wie in der schanze selbst am freitagabend keine spur. als ich im supermarkt einkaufte, fiel mir ein möglicher grund ins auge: hier werden nur wenige niedrigpromillige alkoholika verkauft. bier und ein paar mischgetränke, das war´s. für härteres muss man in der tat einen spirituosenladen aufsuchen. mag sein, dass dies alkoholmissbrauch und komasaufen nicht verhindert (kritische stimme dazu gibt es unter den dänen genug, las ich), aber es geschieht offenbar im eher privaten rahmen.

hier in dieser gepflegten langweile möchte ich alt werden, sagte ich spontan zu meinem mann. der lachte: die mieten kannst du nicht bezahlen! leider wahr: eine einzimmerwohnung im zentrum kostet durchschnittlich 1.350 €. was man sich mit einem dänischen durchschnittsgehalt von 5.000 € brutto monatlich (etwa 25% mehr als in deutschland!) allerdings auch leisten kann.

unglaublich teuer seien auch lebensmittel, warnte mich mein mann vor der abreise und plädierte für die mitnahme einiger snacks und getränke für unterwegs. dies stimmt so jedoch nicht - bzw. die unterschiede zu deutschland haben sich seit der inflation offenbar weitgehend aufgehoben. für unsere abendessen in mittelklasse-restaurants zahlten wir pro person mit (alkoholischen) getränken rund 30-35 € - also recht gemäßigt.

vielleicht werde ich mir als rentnerin (also so mit 80, wenn die cdu es will) eine günstige wohnung bei flensburg anmieten. und wenn ich mal keine lust auf assige deutsche, miese infrastruktur und entwicklungsland-flair habe, mache ich einfach einen kleinen spaziergang. dänemark hat mich auf jeden fall inspiriert. möglicherweise könnte ich sogar den luxus-mann dahin bewegen, wenn söder kanzler werden sollte. dann, so hat er prophezeit, würde er nämlich auf jeden fall auswandern.

Mittwoch, 6. Dezember 2023

auskotzen

morgen habe ich ein bewerbungsgespräch für einen job, der mir wirklich gefallen würde - anders als 90 % der anderen jobs, die ich mir so angesehen habe. es ist die zweite runde, es geht also um alles. weil ich den job sehr will, weiß ich schon jetzt, dass es nicht klappen wird. 

das liegt nicht nur daran, dass mr. murphy mich stets maximal tief zu ficken gedenkt (ganz typisch für ihn auch wieder dieses hochschaukeln meiner hoffnung bis in die endrunde!). meine grundstimmung ist unfassbar schlecht und jeglicher selbstpräsentation abträglich. das liegt jedoch am aktuellen job. ich kann kaum in worte fassen, wie sehr mich diese arbeit inzwischen ankotzt.

die sache, um die es in meinem job geht, war ja immer so semigeil. dabei wurden meine aufgaben in den letzten zwei jahre immer monotoner, weil ich strategisch und kreativ komplett kaltgestellt wurde. letzteres liegt an meiner chefin, einer person, die ihre überzeugungen in jeder hinsicht für der weisheit letzter schluss hält und der man nicht einmal den allergrößten, widersinnigsten blödsinn ausreden kann. inzwischen habe ich komplett aufgegeben. ich setze ihren müll ohne rückfragen und kommentar einfach um und versuche dabei bloß nicht nachzudenken. ich sitze meine zeit bis 18 uhr ab, nichts weiter.

ich weiß, dass ich über kurz oder lang so aus dem laden fliegen werde. eine solch kompletter motivationsverlust kann ja nicht unbemerkt bleiben. also habe ich maximalen druck, was den neuen job betrifft. was die sache zum scheitern verurteilt, mit mr. murphy und meinem minus-selbstwertgefühl im nacken.

ich fühle mich so ausgelaugt, dass ich nur noch schlafen möchte. so ein wochenende mal nix tun, das wäre großartig. aber montag ist schon das nächste gespräch bei einer anderen firma. und deshalb muss ich mich perfekt vorbereiten. damit ich wieder bis in die endrunde komme und dann verkacke.

thanks for listening to a shitbag full of self-pity. ich nehme jetzt eine sehr hohe dosis antidepressiva und morgen dann ordentlich amphetamine. wenn das mich nicht killt, killt mich langfristig sowieso der job.

Freitag, 1. Dezember 2023

komm näher und bleib mir fern

im zuge der adhs-diagnose habe ich viel über mein näheproblem nachgedacht, das nun plötzlich irgendwo eine erklärung bekommen hat.

wenn ich in die erinnerungen hinabsteige, zeigte sich mein spezielles muster schon in der allerersten langen beziehung mit meiner großen jugendliebe. diese immerhin 2,5-jährige partnerschaft war von großen, romantischen gefühlen und sexueller attraktion geprägt. dennoch hielt ich mir immer zwei, drei andere vertreter männlichen geschlechts warm, für den fall der fälle. ich ging nicht fremd, aber ich traf mich mit diesen kerlen und flirtete ein wenig. das berühmte hintertürchen - hätte, wäre, könnte, und das alles in sehr spannend.

auch in späteren beziehungen trat das hintertürchen-verhalten zutage. frisch in hamburg hatte ich natürlich noch keinen großen verehrerkreis in petto. zumal lebte ich nicht mehr alleine. aber in der heimat wartete ein grüppchen nicht ganz uninteressierter kerle auf mich. die zeit zwischen den heimaturlauben vertrieb ich mir mit träumen - je schlechter die beziehung lief, desto intensiver. als es schließlich zu ende ging, war ich - trotz allgemeiner einsamkeit in der fremden, wenig freundlichen stadt und einer äußerst prekären finanziellen situation - unglaublich froh, meine freiheit wiederzuhaben.

das gegenteil passierte mir mit dem objekt. hier war ein mensch, der wollte, dass ich ihm auf intensive weise nahe kam - aber nicht, dass ich bei ihm blieb. was bei mir paradoxerweise sowas wie vertrauen auslöste. das objekt und ich sahen uns phasenweise sehr regelmäßig etwa zwei- bis dreimal pro woche wie ein normales paar, aber wir hielten besagte distanz in einer art unausgesprochenem gegenseitigen einverständnis. dazu gehörte regelmäßiges fremdvögeln und bisweilen mehrere wochen funkstille. ich könnte mir mit dem heutigen wissen vorstellen, dass auch das objekt ein schwerer fall von adhs war. (man könnte es natürlich einfach zum arschloch stempeln, aber dann bin ich eben auch eines.)

der schlüssel, warum ich an diesem liebeskonstrukt über fünf jahre hinweg festhielt: ich kenne ambivalente, schwankende liebe aus dem elternhaus.

die liebe meiner eltern war einerseits an knallharte bedingungen geknüpft (leistungleistungleistung), andererseits an launenhaftigkeit (= psychische tagesverfassung meiner mutter). damit war sie zum einen theoretisch grundsätzlich nicht unerreichbar, ich musste nur möglichst perfekt sein. aber dann war sie auch häufig plötzlich wieder weg - meist ohne dass ich so genau wusste, warum. an rätselhafter verstimmtheit, außergewöhhlicher kälte und manchmal auch wutausbrüchen mit physischen sowie psychischen bestrafungsaktionen merkte ich: ich hatte offenbar einen fehler gemacht. dann musste ich tage- und wochenlang raten, welchen und wie ich ihn wieder gutmachen konnte. 

auch wenn es so grundsätzlich nie langweilig wurde, weil man täglich sowohl in sachen gut-sein als auch in hinblick auf hellsichtigkeit bis ans limit gefordert wurde, war es gefährlich. es impliziert -  aufgrund der naturgegebenen abhängigkeit des kindes von seinen eltern - beständige gefahr, hilflosigkeit und ausgeliefertsein. also habe ich mir das einzig logisch richtige angewöhnt, wenn es um liebe geht: ich liefere mich nicht mehr aus, sondern gehe beziehungen nur bis zu dem grad ein, an dem ich mich ohne große emotionale oder materielle verluste noch einfach zurückziehen und das ganze beenden kann. somit kam mir das objektive nicht-beziehungsmuster - obwohl ich es in seinen rückzugsphasen teils stark vermisste (die sehnsucht nach erfüllender liebe ist ja dennoch da) - irgendwo sehr gelegen. es war anstrengend, aber prinzipiell ungefährlich und erlaubte vertrauen in einem vergleichsweise hohen ausmaß.

im augenblick führe ich die längste beziehung meines lebens. bald sind es acht jahre. ich kann mir derzeit nicht vorstellen, wie es wäre, würde es den luxus-mann nicht mehr geben. da sind gewachsenes vertrauen, eine nach wie vor insgesamt erfüllende sexualität und eine tolle kommunikation. ich habe selbst wahnsinnig viel dazugelernt. unter anderem, dass man beim streiten nicht einschnappen und sich zurückziehen sollte wie meine mutter, sondern die dinge besprechen kann und - sehr wichtig - dabei frieden einkehrt. und dass es punkte gibt, an denen man zwar uneinig bleibt, aber trotzdem weitermachen kann - weil der andere herrlich entwaffnend ist, humor hat und sich selbst nicht zu wichtig nimmt, sondern sich seiner marotten ebenfalls größtenteils bewusst ist.

gleichzeitig habe ich ein arsenal an plänen, was ich ohne den luxus-mann machen würde. passend dazu führe ich mir regelmäßig vor augen, was alles gegen eine gemeinsame zukunft spricht. besonders gruselig: mein inneres gedankenbild von luxus-mann ist hässlicher als die realität. manchmal bin ich regelrecht überrascht, wie attraktiv der luxus-mann aussieht, wenn ich ihn ansehe. das ging mir auch in früheren beziehungen manchmal so. es funktioniert m.e. ähnlich wie eine körperschemastörung, nur auf andere bezogen.

obwohl der luxus-mann ein distanzierter und kühler mensch ist, schmiedet er bisweilen bezaubernde pläne, wo und wie wir zusammen leben könnten. manchmal spinne ich mit ihm diese ideen mit. aber in mir ist ein ja und ein nein. ich weiß, dass das nein am ende wahrscheinlich gewinnen wird. egal, wie sehr ich gerne ja sagen würde.

Mittwoch, 22. November 2023

paradox

nach fünf tagen versuchskarnickeln habe ich einen neuerlichen termin in der anstalt. meine psychiaterin fragt nach der wirkung. ich berichte ihr von den kreislaufproblemen, den krassen kältegefühl und der tatsache, dass ich mich weder klar noch wach, sondern eher todmüde fühle.

"ich glaube, das zeug geht mir tierisch auf den blutdruck. als ich gemessen habe, war der nur noch 55 zu 96."
"das liegt aber nicht am medikament", meinte die psychiaterin.
"doch. ich hab zwar niedrigen blutdruck, aber nicht so. außerdem haben sie den neulich bei mir selber gemessen, da lag der noch bei 79 zu 106."
die psychiaterin kann es nicht glauben, das sehe ich ihr an. 
"sie scheinen vollkommen paradox auf das medikament zu reagieren", sagt sie dann vorsichtig.
paradox, ja, das passt natürlich zu mir. hautpsache nicht normal oder berechenbar.
 
wir erörtern neue möglichkeiten. entweder methylphenidat oder ein dopamin-wiederaufnamehemmer.
"den ritalinscheiß hat mir schon mal das objekt aus der klinik mitgebracht, danach war ich ängstlich und verwirrt und hatte mega unangenehmes herzrasen", sage ich.
"dann lieber das andere?" fragt mich meine psychiaterin. "das müssen sie allerdings regelmäßig nehmen. da gibts dann kein wenn und aber. vor allem können sie das nicht einfach absetzen, wenn sie mal alkohol trinken wollen."
 
pest oder cholera, eine super wahl!
"na gut, ich nehm erstmal das ritalin", maule ich.
"dann fangen wir mit 10 mg medikinet an."
"ist das die niedrigste dosis?"
"derzeit ja."
 
wieder stehe ich mit einem btm-rezept in der apotheke. wieder lese ich zuhause den beipackzettel mit graus. herzrhythmusstörungen und herzanfall stehen unter den nebenwirkungen. ja, das wünscht man sich natürlich nach den ganzen qualen. 
weiterhin steht da, man solle das zeug nur maximal ein jahr lang nehmen. und was dann, ihr pharma-pfeifen? soll ich mich aufhängen? a temporary solution for a permanent problem. der hirnstoffwechsel kommt ja nicht einfach so ins gleichgewicht.  
weder kaffee noch alkohol dürfe ich trinken. außerdem müsse man vor einnahme möglichst viel essen. wie soll das gehen, wenn man sowieso keinen appetit hat WEGEN dem zeug.

ganz abgesehen davon frage ich mich, was das ganze langfristig mit meiner depressivität veranstalten wird. nach meinen speed-exzessen kam die depression erst so richtig zum ausbruch. so ein langfristiges down kann ich mir unmöglich noch einmal in meinem leben leisten, weder kräftemäßig noch finanziell. derzeit fühle ich mich noch angeturnt und auf unruhige, hibbelige art grundlos-dämlich euphorisch. aber ich kenne mich: die hochstimmung kann innerhalb von 30 minuten ins krasse gegenteil kippen, vor allem, wenn pms-zeit herrscht.

meine psychiaterin meint, ich könne zusätzlich gerne meine antidepressiva weiternehmen. dann darf ich mir allerdings wahrscheinlich jemanden suchen, der mir in 5 jahren eine leber spendet.

sämtliche überlegungen führen ins nichts, wie immer. ich schmeiße die packung also ganz hinten ins küchenregel und beschließe, erstmal gar nichts zu versuchen. das macht es nicht besser, aber wenigstens auch nicht schlimmer.

Donnerstag, 16. November 2023

versuchskarnickeln, tag 1

heute wagte ich mich also an das experiment mit dem dexamfetamin heran. ich habe mir das zeug dabei ähnlich vorgestellt wie normales speed, das ich ja jahrelang konsumiert hatte.

speed ist mir durchweg in positiver erinnerung. nach oraler einnahme machte sich nach ca. 30 minuten, nach nasaler einnahme schon nach viel kürzerer zeit ein warmes kribbeln in der brust breit - als entfachte jemand ein kleines helles feuer in mir. dann folgte ein gefühl, als hätte man mir ein fisherman´s friend zwischen die hirnwindungen gelegt: eine welle von klarer frischer wachheit rauschte über mich und die gedanken sortierten sich übersichtlich neu. ganz dezente euphorie und ein angenehm gesteigertes selbstbewusstsein ohne übermäßigen übermut setzten ein und blieben für etwa sieben stunden. auf speed war ich der mensch, der ich immer gerne hätte sein wollen. theoretisch, denn da waren dann doch auch ein paar kackige nach- und nebenwirkungen.

elvanse wirkte bei mir etwa nach einer stunde. ich wurde unerwarteterweise schlagartig müde und musste mich sofort ablegen. hände, füße und sogar nase wurden eiskalt. ich zitterte wie espenlaub. trotz dicker socken, leggins über der strumpfhose und jacke über dem pulli wurde ich nicht mehr warm. erwartet hatte ich eher das gegenteil, denn in der packungsbeilage wird viel vor tachykardien und blutdruckanstieg gewarnt - was ich für echtes speed so hundertprozentig unterschreiben kann. auf elvanse passierte das gegenteil: mein blutdruck dümpelte irgendwo bei 90:60 dahin, mein herzschlag fühlte sich schwer und langsam an und mein energielevel schnarchte unterhalb der nulllinie vor sich hin.

ich überlegte, ob ich aufstehen und mich ein wenig bewegen sollte, aber die müdigkeit war wirklich bleiern - ähnlich wie bei corona oder grippe. erst ab der vierten stunde, dem angeblichen höhepunkt der wirkung, konnte ich mich zu einer runde staubsaugen aufraffen. dabei bekam ich druck in den ohren und kieferschmerzen, wohl weil ich die zähne unbewusst zusammenpresste. die erste typische nebenwirkung von speed, haha.

nach dem staubsaugen hatte ich einen kurzen aktivitätsflash von etwa einer dreiviertelstunde. ich laberte meine chefin am telefon nieder und schrieb in rekordzeit zwei texte. dann kam die müdigkeit zurück.

nun ist es nicht einmal 20 uhr und ich überlege allen ernstes, mich gleich ins bett zu packen. eigentlich müsste ich noch einkaufen, aber der gedanke an menschen ist mir genauso unangehm wie die monströse erschöpfung. was aber nicht vom elvanse kommen muss, mein menschenhass ist ja nicht neu.

fazit nach tag eins ist also: ich hätte mir auch einfach eine ordentliche dosis benzodiazepine reinknallen können. dabei hätte ich wenigstens nicht gefroren und keine kieferschmerzen bekommen. 

mal sehen wie es morgen wird.

Dienstag, 14. November 2023

chicks on speed

der verdacht auf adhs stand bei mir seit 2017 im raum. meine damalige psychologin - ihres zeichens verheltenstherapeutin - stellte diese vermutung auf. dennoch wurde ich insgesamt 11 jahre lang auf depressionen behandelt, denn meine psychiaterin im uke hatte nie einen anlass gesehen, den hinweisen in irgendeiner form nachzugehen. 

depressionen war übrigens meine selbstdiagnose. nie hatte sie jemand ernsthaft hinterfragt. zwar wurden bei kriseninterventionen oder erstgesprächen ab und an ein paar neue mäßig glaubwürdige bis abenteuerliche diagnosen wie bipolar und borderline in den raum geworfen, aber nie waren diese begründet oder mit näheren untersuchungen untermauert worden. nie erschienen sie mir nur annähernd wahrscheinlich, und auch das objekt als fachmann hatte mir diesen eindruck bestätigt..

seit sommer habe ich nun das institut gewechselt und dort nach einigen anfangschwierigkeiten eine sehr aufgeräumte psychiaterin mit spürbarem interesse an ihrem beruf gefunden. heute war der tag, an sie mich einer reihe von tests unterzog - und nun steht die diagnose, mit einer unerwartet hohen eindeutigkeit. endlich erklärt sich meine kindliche schusseligkeit und vergesslichkeit, die immer elterlich drakonisch bestraft worden war. meine ticks und kleinen zwänge wie nägelkauen und hibbeln. meine neigung zu flüchtigkeitsfehlern, mein beständiges verharren unter meinen möglichkeiten sowie das ungeheuer anstrengende up and down meiner stimmung. und last but not least auch mein großes problem mit nähe in einer beziehung. 

ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber ich fühle mich befreit. zum ersten mal kann ich mich selbst mit ein wenig vorsichtiger liebe betrachten und sagen: vielleicht bin ich doch nicht einfach vollkommen verblödet, verhaltensgestört und abstoßend. vielleicht haben mir eltern und lehrer unrecht getan mit all den rügen, ohrfeigen und strafarbeiten. mit der meinung, man könne mich durch massiven druck kurieren. so wie auch die kerle, die mich in der beziehung zu einem "wir" zwingen wollten, das nun ganz offiziell nicht meinem naturell entspricht.

nach dem mehrstündigen termin durfte ich dann mit einem gelben btmg-rezept die apotheke betreten und mir ganz legal amphetamine kaufen. die ich übrigens nicht ständig nehmen muss, sondern auf wunsch auch nach bedarf einsetzen kann.

derzeit sitze ich da und starre auf die kleine packung. ein bisschen manschetten habe ich, will ich doch nicht meine drogensucht reaktivieren oder mir unschönes herzrasen zuziehen. allerdings hatte ich meiner psychiaterin frank und frei all meine krankheiten und auch die kleinen abenteuer auf speed, mdma und koks erzählt. mehr kann ich eigentlich nicht tun.

falls jemand von ihnen erfahrungen mit dexamfetamin teilen möchte, sehr gerne.

Dienstag, 7. November 2023

fröhlich abholzen

in kackstadt bilden sich ja einige ein, es sei hier so furchtbar grün. derweil lässt unser rot-grüner senat - ein haufen vollpfosten, die eher schwarz und pissgelb tragen sollten - sukzessive alles verschwinden, was lebens- und liebenswert ist. hauptsache, kohle machen und der wirtschaft so tief in das giertriefende arschloch kriechen, bis man am zäpfchen wieder rauskommt.

man kann dieses widerwärtige pack zwar leider nicht vertrimmen (oh, was hätte ich lust dazu!), aber man kann ihm ab und an mal widersprechen. wenn beispielsweise schon wieder ein biotop hässlichen neubauklötzen (höchstwahrscheinlich wieder überteuerte eigentumswohnungen für millionäre und andere großkotzerte) weichen soll. 

ich sehe zwar wenig hoffnung, weil der mensch im vergleich zum bauherrn ja nix wert ist, und die natur noch sehr viel weniger. aber einen versuch kann man doch mal machen.

to whom it may concern


Sonntag, 5. November 2023

think of italy

in italien wird das bürgergeld abgeschafft - für alle unter 60, die nicht behindert sind. der süden des landes hat derzeit eine arbeitslosenquote von knapp 15 %. diese faulen werden jetzt arbeiten, glaubt meloni.

die wirklichkeit wird so aussehen: ein teil der arbeitslosen wird zu niedrigstlöhnen schwarzarbeit betreiben, was die millionäre und milliardäre des landes noch fetter macht. ein zweiter - vermutlich der größte - teil wird die vorteile der eu nutzen und die sozialsysteme anderer länder überschwemmen. ein dritter teil wird schlichtweg kriminell werden.

was aber auf keinen fall passieren wird: dass unternehmen plötzlich massenweise gut bezahlte jobs schaffen und der wohlstand für alle ausbricht. höchstens die polizei wird ein wenig personell aufstocken müssen, weil die kriminalitätsrate so dermaßen nach oben schießt.

das ist lauf der schönen neuen welt - bald auch hierzulande. und nun applaudiert und singt eure nationalhymne.

Freitag, 3. November 2023

luxus-träume

ich träume im normalfall recht unspektakulär-alltäglich. meine traumwege führen mich sehr oft mit dem rad durch unübersichtliche straßen und verkehrsituationen. ähnlich häufig spielen sie in der luxus-wohnung, meiner wohnung (ich habe interessanterweise drei traum-wohnungen, von denen jede komplett anders aussieht) oder im elternhaus - mit den jeweils zugehörigen protagonisten: luxus-mann und luxus-patchworkfamily, meine family, oder aber freunde und nachbarn. auch szenen mit öffentlichen verkehrsmitteln kommen bei mir des öfteren im traum vor, zum beispiel umsteige-situationen an verschachtelten bahnhöfen oder das verpassen oder erwischen einer bahn in letzter sekunde.

der luxus-mann träumt komplett anders. viele seiner träume verquicken quest- oder sciene fictions-artiges mit seinem alltag oder seiner person. so ist er oft in irgendwelchen spielen oder geheimnisvollen rätseln gefangen und muss die richtige lösung berechnen, um einen raum verlassen oder sonstwie in der traum-realität weiterkommen zu können. von konversationen mit menschen, straßenverkehr oder alltagssituationen träumt er hingegen selten.

hin und wieder produziert der luxus-kopf aber auch sehr witzige träume - so wie neulich: 

"ich habe geträumt, dass wir auf meinem balkon bienen oder hummeln züchten", erzählte er mir beim frühstück. "und eines tages haben wir beschlossen, denen so eine art extra-futter zu geben. daraufhin wurden die viecher total riesig und flauschig!" der luxus-mann deutete mit den händen etwa gymnastikball-große gebilde an. "das war aber total blöd, denn sie konnten so nur noch ganz mühsam fliegen. und wenn sie blumen bestäuben wollten, haben sie die mit ihren dicken schweren körpern einfach zerquetscht." entsprechend mager müssen unsere traum-imkereierzeugnisse ausgefallen sein.

"man sollte halt nicht zu viel wollen im leben", deute ich den traum. "wohlstand jeder art macht träge und zerstört auch immer etwas."
"ich glaube eher, das bedeutet, wenn ich was mit dir zusammen mache, dann kommt da nur blödsinn raus", grinst der luxus-mann. "so wie damals in meinem traum, als ich mich von dir zu einem verbrechen überreden ließ und dann im gefängnis landete."
"tja, eine beziehung mit mir ist eben nix für hosenscheißer."

Samstag, 28. Oktober 2023

naivschaf-dasein

ich bin ein dämliches naives schaf. ich wurde loyal und hilfsbereit erzogen und folge dem ideal der universellen liebe. ich bin und tue das gerne, erwarte aber auch, dafür etwas zurückzubekommen, zum beispiel ein höflich-belangloses dankeschön oder im bestfall ein wenig echte wertschätzung. tage wie dieser zeigen mir jedoch: ein naivschaf zu sein hat deutlich mehr nach- als vorteile.

der frust beginnt schon am frühen morgen. wie jedes wochenende möchte der luxus-mann, dass ich brötchen hole. womit ich kein problem hätte, würden wir uns damit abwechseln. wir gehen beide nicht gerne morgens raus und stehen auch nicht gerne beim kleinen bäcker in der endlosen schlange für mittelmäßige brötchen zu kackstadt-typisch astronomischen preisen. aber in der regel bleibt das brötchenholen doch an mir hängen. weil ich zu nett bin. und weil ich als psychisch kranke person keine kraft habe, jedesmal darüber eine stunde lang zu streiten. schon gar nicht im morgendlichen serotonin-low.

heute ist ein tag, an dem ich ungebremst wütend werde, pms sei dank. naturgemäß vor allem auf mich, weil ich mich einfach nicht genug schütze und abgrenze. aber heute bahnt sich mein zorn den weg doch zu einem teil nach außen. als ich vom brötchenholen zurückkomme, schleudere ich die tüte stinksauer auf den küchentisch und erwische eine brennende kerze. die auch gleich umkippt und sauerei produziert. der luxus-mann mault, ich maule zurück. "nächstes mal hole ich keine brötchen. lieber hungere ich", fauche ich. ich nehme es mir ganz fest vor, wirklich auch nicht mehr nachzugeben, egal wie sehr mich der kampf darum dann wieder belastet.

die stimmung ist angeknackst. der luxus-mann wirft mir vor, unangemessen theater zu machen. ich werfe dem luxus-mann vor, ein fauler und misogyner boomer zu sein. dann packe ich meine sachen und fahre zu mir. wenigstens in der diskussion ums zusammenleben habe ich mich final durchgesetzt - und bin auch heute mal wieder ungeheuer froh, dass ich jetzt nicht mit dem luxus-mann in einer gemeinsamen wohnung herumsitzen und aufeinander sauer sein muss.

zuhause wartet schon meine direkte nachbarin vor der tür auf mich. sie ist alt, hat rheuma und kann nicht mehr gut gehen. sie braucht oft hilfe. sie ist zwar herzensgut, heult aber wegen jeder kleinigkeit und macht aus einer winzigkeit ein riesendrama. so auch heute: eine schreckliche katastrophe, jammert sie, das display ihres festnetz-telefons sei kaputt. ich gehe mit ihr in die wohnung und inspiziere das telefon. dann sage ihr, dass offenbar die akkus nicht mehr laden und sie neue brauche. sie weint und sagt, sie wisse gar nicht, was das sei und wo man sowas kaufen kann. 

zack, schlägt mein naivschaf-gen voll zu. ich renne also rüber in die drogerie und kaufe akkus. kein großes ding. dann komme ich zurück und schiebe die akkus ins telefon. danach erkläre ich der nachbarin, dass sie jetzt ein paar stunden warten müsse, bis die akkus geladen seien. aber sie wolle doch jetzt mit ihrem sohn telefonieren, jammert sie. ob sie nicht mal schnell bei mir telefonieren könne. aber natürlich.

dann sitzt die nachbarin, die ja nicht unnett ist, in meiner wohnung und heult erstmal eine halbe stunde. wie schlimm das mit dem telefon sei. und dass sie nicht mehr leben wolle. eigentlich höchst beunruhigend, aber da sie ständig und wegen jeder pillapallescheiße ihren tod prophezeit, kann ich das nicht mehr ernstnehmen. ich sage ihr irgendwann, dass ich ihr nicht helfen kann, und dass das irgendwie auch der job ihres sohnes sei, sich zu kümmern. es folgen weitere litaneien, warum der sohn sich nicht kümmern könne (er wohnt gut angebunden in derselben stadt). nach einem kurzen telefonat mit besagtem sohn geht sie zum glück zurück in ihre wohnung.

kaum habe ich einmal durchgeatmet, ruft mein vater an. seit der betrugsgeschichte ist er noch verwirrter als sonst und erzählt alles drei- und viermal in maximal unzusammenhängenden spiralen. quintessenz des halbstündigen telefonats: er würde gerne seinen nach der betrugsattacke plattgemachten und mit windows 11 neu bespielten pc hochfahren und mit dem internet verbinden. "nichts leichter als das, einschaltknopf drücken, wlan-stecker in die dose und dann bei netzwerkverbindungen den netzwerkschlüssel eingeben", sage ich. "hast du doch schon ein paar mal gemacht."

mein vater beschreibt ausschweifend seine verwirrung und seinen verwirrtheitsbedingten gedächtnisverlust ob all dem, was den computer betrifft. dann äußert er den wunsch, dass während des einschaltens möglichst jemand neben ihm sitzen solle. wie er sich das vorstelle, frage ich, wegen eines einschaltversuchs setze ich mich schließlich nicht 6,5 stunden in den zug oder nehme am ende gar urlaub.

mein vater möchte daraufhin, dass ich mich virtuell auf seinen computer aufschalte. ich erkläre ihm, dass er ihn dafür zuerst einschalten und mit dem internet verbinden müsse. was er ja theoretisch einfach mal ausprobieren könne. aber ich rede wie schon befürchtet gegen wände an. mein vater hat 843623075 ausreden, warum er unmöglich alleine den einschaltknopf betätigen kann. wir verabreden deshalb, dass er nun seinen it-affinen nachbarn anruft, der dann an einem bestimmten termin gemeinsam mit ihm am computer sitzen und den hochgefährlichen einschaltknopf drücken soll.

zwei stunden später rufe ich noch mal bei vaddi an und frage, wann er sich mit dem nachbarn treffen werde. denn mir sind ein paar sachen eingefallen, die man vielleicht nützlicherweise wieder auf dem computer installieren sollte. diese, schlage ich vor,  könne ich dem nachbarn dann beim gemeinsam-den-einschaltknopf-drücken-termin telefonisch durchgeben. so im sinne von mehreren fliegen und derselben klappe.

mein vater antwortet mir, dass er den nachbarn nicht angerufen habe. was ihn hindert, will ich wissen. er meint, er habe ja nächste woche schon einen termin mit der bank wegen seiner kreditkarte. "das hat doch damit nichts zu tun", sage ich. "jetzt ruf den an, du hockst doch sowieso bloß auf dem sofa und versimpelst."

mein vater verspricht erneut, den nachbarn anzurufen. ich höre an seiner laschen art allerdings ganz genau, dass das vor weihnachten nicht mehr passieren wird. ich ärgere mich zum x-ten male maßlos über seine trägheit - und natürlich darüber, dass ich mich so sehr aufregen muss. aber mein nervliches kostüm sendet nicht ganz unberechtigt alarm, denn ich weiß, dass ich die ganze kacke dann höchstwahrscheinlich wieder während meines nächsten urlaubs abarbeiten muss. und naturgemäß würde ich statt dankbarkeit und freude höchstens kritische rückfragen ernten: ob das denn wirklich so richtig sei, ob man das auch wirklich wirklich brauche, und warum das alles so furchtbar entsetzlich kompliziert ist. 

mir ist bewusst, dass ich mich somit auch in meinem urlaub wieder unfassbar ärgern und gleichzeitig drückende schuldgefühle entwickeln würde. weil ich meinen vater doch eigentlich schätzen und lieben will. ganz grundsätzlich und nicht nur wegen weihnachten und weil er von meiner mutter schon genug anschiss bekommt. ein äußerst strapaziöser gefühlsmix ist also vorprogrammiert. anderseits fragt mein vater auch nie, was ich so mache oder wie es mir geht. fast alle telefonate drehen sich um seine"probleme", also in der regel um den computer. manchmal bin ich nicht sicher, ob ich ihm nicht einfach scheißegal bin.

am ende dieses tages fühle ich mich leergesaugt und müde. ich vermisse jemanden, bei dem ich mich ab und an mal anlehnen und ausruhen darf. jemand, der vielleicht sogar ein ganz klein wenig interesse daran hat, mir das gefühl zu geben, dass ich nicht nur nützliches naivschaf, sondern auch mensch bin. aber diesen jemand gibt es nicht mehr.

Sonntag, 22. Oktober 2023

wege neuer gelassenheit

donnerstag war ich zum ersten mal im schlunzigen home-pulli beim bewerbungsgespräch. der job war sowieso nur semi-interessant, denn wie immer bei unternehmen, die mit "homeoffice" und "teilzeitmöglichkeit" werben, steckt dahinter ein scheinheiliges pack, das mitarbeiter trotz anderslautender tariflicher regelung zu 40 wochenstunden präsentismus zwingen will. 

nächstes mal werde ich jogginghose tragen. so geht die luxus-tochter auch zur schule, und man darf sich der moderne ja nicht verschließen.

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auch wenn ich die eskalationen in nahost gelassener als andere betrachte, da man unverbesserlichen fanatikern jedwelcher couleur eben nunmal nicht helfen kann: gerne würde ich alle propagandisten in deutschland ungeachtet ihrer ausrichtung in eine uniform stecken, wumme in die eine hand, one-way-ticket in die andere, und dann tschüssikowski und viel spaß da unten. denn wer das maul aufreißt, kann auch einen abzug drücken oder sich sonstwie nützlich machen, notfalls als nichtpflanzlicher dünger. 

ich muss unbedingt ein tiktok-rekrutierungsvideo drehen.

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gestern einen neuen club mit einem an sich sehr vielversprechendem musikalischen konzept unsicher gemacht. das tollste an diesem event war, dass uns der hvv zweimal fast 15 minuten zeit schenkte, um den hamburger u-bahn-mäusen beim umherflitzen und mümmeln zuzusehen. gegen dieses highlight konnten zwei unspirierte dj-sets und alte menschen in alberner verkleidung schlichtweg nicht anstinken. 

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der luxus-neffe hat große angst vor bären - und davor, dass ein besonders mordlustiges exemplar dieser gattung plötzlich in seinem kinderzimmer auftauchen könnte. seit ich ihm kürzlich sagte: "wenn einer in dein zimmer kommt, dann darfst du ihn behalten. dann bist du der einzige junge in deiner klasse, der einen bären hat", hat er diese furcht komplett verloren - und womöglich sogar in eine art hoffnung verwandelt.

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ich scheiße bekanntlich zu jeder jahreszeit und ganz besonders im sommer auf den sommer. gibt es ein schöneres geräusch als regen? ja: regen bei 6 grad celsius, der vom sturm ans fenster gepeitscht wird. 




Montag, 16. Oktober 2023

abgezockt

vergangenes wochenende erhielt ich einen anruf von meinem vater. er war derart aufgeregt, dass er erstmal immens stotterte und keine worte fand, um sein anliegen zu beschreiben.

"kennst du sowas im internet", fragte er irgendwann nach mehreren anläufen. "trojaner oder so?"
"ja", sagte ich, "warum, hast du einen?"
"ja!" sagte vaddi aufgeregt. "und dann war da so eine nummer..."
"was denn für eine nummer?"
"telefonnummer, die haben die eingeblendet."
"wer hat die eingeblendet?"
"die, die mir helfen wollten. leute von microsoft oder so."
 
nach einigem hin und her fand ich heraus, dass mein vater beim surfen im internet eine pop-up-einblendung erhalten hatte, dass sein computer angeblich von einem trojaner befallen sei und er deshalb die im pop-up angezeigte rufnummer wählen solle.
 "jetzt weiß ich, was du meinst", sagte ich. "klick das weg, das ist nur spam. irgendwelche abzock-scheiße."
"aber ich hab da schon angerufen."
 
oh nein.
"die wollten doch bestimmt geld von dir, oder?" fragte ich. hoffentlich war papa nicht so dumm gewesen und hatte irgendwas bezahlt.
"neinnein. die haben mir eine liste geschickt von den dateien, die befallen sind. und dann haben die den trojaner entfernt. der war nämlich auch auf den bankkonten."
 ich schnappte nach luft:
"du hast du denen nicht etwa zugang zu deinen konten gegeben?! also deinen benutzernamen und passwort?"
"äh, ja. anders konnten die den trojaner nicht entfernen."
 
jetzt war polen in not.
"okay, papa, hör zu. das waren betrüger und du musst sofort deine konten sperren."
"meinst du?"
"mensch papa, man gibt doch niemandem seine kontodaten! das weißt du doch! und jetzt zackig, ruf die hotline deiner bank an und lass sofort die konten sperren."
mein vater legte ohne weiteren kommentar auf. ich hoffte, um die leitung frei für das gespräch mit der bank zu haben.
 
dann rief mich meine mutter über ihr handy an, ebenso aufgeregt. ich wiederholte, was sache war und fragte sie, ob mein vater jetzt mit der bank telefonierte. 
"die bank hat keine hotline. wir müssen so eine notruf-nummer wählen, das hab ich mir gemerkt,  als wir das konto eröffnet haben."
gut, der sperr-notruf würde es auch tun, sagte ich mir.
"aber jetzt findet der seine kontonummer nicht!" jammerte meine mutter. "der idiot weiß wieder nicht, wo er seine unterlagen abgelegt hat!"
"steht auch auf kontoauszügen", versuchte ich zu helfen, aber dann brabbelte mein vater etwas im hintergrund, meine mutter keifte auf ihn ein, und das gespräch war erstmal beeendet.

"was ist denn los", fragte der luxus-mann irritiert, der neben mir saß und an seinem samstagsabend-drink nippte.
"mein vater hat seine kontodaten an so online-betrüger gegeben. login und passwort."
"alter, ist nicht wahr, oder? dein vater ist mir ja ne nummer! vielleicht solltet ihr mal testen lassen, ob der nicht schon etwas tüddelig ist."
"ich hoffe nur, die sind nicht irgendwie an kohle gekommen."
"glaub ich nicht",  sagte der luxus-mann tiefenentspannt, "dafür brauchen die schließlich ne tan, und dein vater war doch sicher nicht so bescheuert und hat denen das auch noch gegeben."

guter einwand, der raum für neue eventualitäten eröffnete!
 ich rief noch einmal bei meinen eltern an und fragte, ob vaddi auch tans herausgerückt hatte. 
"äh, ja", gab mein vater zu.
"wie viele tans?"
"äh... so vier?"
"alter! wie bitte kommst du auf die idee, irgendwelchen fremden deine tans hinterherzuwerfen?"
"die sagten, sie brauchen die."
"klar brauchen die die. weißt du auch, was die damit machen? die machen sich damit eine authorisierte überweisung! eine tan ist eine elektronische unterschrift! das geld siehst du nie wieder!"
"das glaube ich nicht, wir sind doch versichert", sagte mein vater seelenruhig.
"versichert? gegen was denn?"
"na, 100.000 €."
"du meinst die einlagensicherung. die tritt nur dann ein, wenn deine bank pleite geht. aber die haftet nicht für persönliche dummheit."
"das glaube ich nicht", bekräftigte vaddi seine theorie.

"sind die konten denn jetzt gesperrt?"  fragte ich.
"drei sind gesperrrt."
"und wie viele konten habt ihr?"
"drei. äh, nein, vier."
"was denn nun, drei oder vier?"
"vier."
"gut, dann los, die müssen alle gesperrt werden! auch das vierte!"

mein vater übergab mich wieder meiner mutter, um die kontonummer des vierten kontos zu suchen. meine mutter machte derweil ihrem ärger luft: "ich sitze hier im wohnzimmer und hör die ganze zeit, wie dein vater im arbeitszimmer rumtelefoniert und lacht und schäkert... bestimmt 20 minuten lang! ich dachte erst, der spricht mit dir. aber dann kommt der hier an und erzählt mir diese story vom trojaner... wie kann man so blöd sein! den stecker hätt ich herausgezogen, wäre ich dabei gewesen! und jetzt räumen die uns hier die konten leer!"
"das mit den tans ist wirklich problematisch. damit bekommt ihr keine wiedergutschrift. dagegen gibts auch keine versicherung, anders als papa denkt. wie hoch ist denn euer tageslimit für überweisungen?"
"2.000 €."
ich hatte mehr befürchtet.
"das geht ja noch."

"dann rechnen mal", meinte der luxus-mann, der mitgehört hatte. "eine der vier tans haben die schon für einloggen verbraten. bleiben drei..."
"also 6.000 € schaden ist möglich, meinst du?"
der luxus-mann schaute vorsichtig:
"nicht unbedingt. wenn die da viel geld auf den konten gesehen haben und schlau waren, haben die eine der tans genutzt und das tageslimit damit hochgesetzt."
"wie hoch kann man ein tageslimit denn setzen?"
"das kommt ein bisschen auf die bank an."
 noch einmal rief ich zuhause an:
"wisst ihr, was euer maximales tageslimit ist?"
mein vater behauptete 10.000 €, meine mutter 50.000 €.
 
"wissen die nicht sicher", sagte ich dem luxus-mann. "im schlimmsten fall 50.000 €."
"hm, wenn solche beträge fließen, schaut die bank dann meist schon mal genauer hin... was aber nicht heißt, dass solche überweisungen absolut unmöglich sind. kommt wieder auf die bank an... also rechnen wir noch mal: drei tans verbleiben nach dem einloggen. eine weitere brauchen die, um das tageslimit hochzusetzen. das muss man normalerweise für jedes konto einzeln machen... also überweisen die sich einmal den maximalbetrag. bleibt noch eine tan. damit würden die sich noch mal den maximalbetrag von einem anderen konto holen...  also 2.000 €, weil sie da das tageslimit nicht mehr verändern können, mangels weiterer tans... dann hast du nen worst case von 52.000 €."
mir wurde ganz schwindelig.
"haben deine eltern denn so viel geld?"  fragte der luxus-mann.
"weiß nicht, vielleicht. das haus ist abbezahlt.... und außer für essen und vielleicht mal klamotten oder einen kleinen innerdeutschen urlaub haben die keine ausgaben. also keine teuren hobbys oder so. mein vater hat ja ne gute rente und ist dabei grundsätzlich recht sparsam."

der luxus-mann als erfahrener ex-investmentbanker überlegte weiter.
"weißt du, was für konten das sind? wenn das zum beispiel festgeld ist, kann man davon nichts abheben oder überweisen, das ist immer ein laufender vertrag."
"meines wissens haben die sowas nicht."
"oder ein depot? dann müssten die betrüger zuerst die wertpapiere verkaufen, wofür sie auch tans bräuchten."
"ganz sicher nicht."
"deine eltern lassen ihr geld also unverzinst herumliegen?"
"ja, leider."
"schlecht, in diesem fall ganz besonders."

mein vater rief zurück und verkündete, dass nun alle konten gesperrt seien.
 der luxus-mann gab mir ein zeichen, dass ich ihm mein handy reichen möge. dann sprach er mit meinem vater.
"an eurer stelle würde ich montagmorgen in der hauptgeschäftstelle anrufen und fragen, ob überweisungen von heute zu sehen sind", sagte der luxus-mann in seiner klaren, ruhigen art. "gleich ganz früh morgens, wenn die erreichbar sind. das wochenende könnte uns zeit verschaffen... da passieren nämlich keine transaktionen. vielleicht entdecken die am montag noch nicht ausgeführte überweisungen und können die stoppen. dafür wäre es wahrscheinlich gut, wenn ihr den betrug irgendwie... nachweisen könnt, zum beispiel, indem ihr bis dahin schon mal anzeige erstattet." 
mein vater brabbelte etwas.
"nein, die polizei selber kann da nichts machen", sagte der luxus-mann. "die können nicht in euere konten schauen. das dürfen die auch gar nicht. und für den fall, dass euch mal jemand anruft und sagt, er sei von der polizei und brauche eure kontodaten - niemals drauf eingehen! auch euer bankberater fragt euch nie nach kontodaten oder gar nach tans."
 
der luxus-mann legte auf und schaute mich zweifelnd an.
"ich hab so das gefühl, wenn jemand deinen vater noch mal nach kontodaten fragt... der würde die ihm geben. das prinzip online-banking hat der so überhaupt nicht verstanden. ein wunder, dass da nicht schon früher was passiert ist."
"scheint mir auch so. vor allem mit seiner theorie, dass die einlagensicherung greift, wenn er fahrlässig überweisungen authorisiert..."
"ich würde empfehlen: kein online-banking mehr für vaddi", meinte der luxus-mann. "er kann ja ein online-girokonto behalten, wo er einen kleinen betrag drauf hat. aber den kompletten rest würde ich anders anlegen. die sollen sich am besten ein festgeld-konto holen, es gibt doch auch wieder schöne zinsen inzwischen."

ich suchte für meine eltern die rufnummer der hauptgeschäftsstelle ihrer bank heraus und recherchierte die öffnungszeiten. dann rief ich meine mutter an, denn ich fühlte mich wohler, wenn sie das in die hand nahm.
"ich hab dir die nummer geschickt, die du brauchst. die kannst du montagmorgen um 8 uhr erreichen. gleich um 8 uhr da anrufen... nein, hinfahren brauchst du nicht persönlich. dann sagst du denen, dass ihr opfer von internetbetrügern geworden seid und dass alle noch nicht ausgeführten überweisungen vom samstag gestoppt werden müssen. und morgen fahrt ihr erstmal in ruhe zur polizei und erstattet anzeige. lasst euch da am besten eine vorgangsnummer oder so geben, falls die bank sowas braucht. aber das weiß die polizei sicher auch alles."
 
dann harrten wir der dinge, die da kommen würden.
 
am montag bekam meine mutter einen nervenzusammenbruch, wohl aufgrund der allgemeinen anspannung. sie hatte aber morgens punkt acht bei der hauptgeschäftsstelle angerufen und wie besprochen gebeten, alle überweisungen aufzuhalten. aktuell waren zwei dreistellige beträge abgegangen, die auch nicht mehr zurückgeholt werden konnten.

später am vormittag rief sie mich erneut an, um mir mitzuteilen, dass zwei weitere überweisungen auf dem weg gewesen wären, die die bank aber noch gestoppt hatte. diesmal hätte der schaden mehrere tausend euro betragen, doch die bank konnte die transaktion nach dem anruf meiner mutter abfischen. 
im weiteren tagesverlauf passierte dann glücklicherweise nichts mehr.

"vielen dank für eure hilfe", sagte meine mutter am abend. "auch an den luxus-mann, das war ein super tipp von ihm, da anzurufen. ohne euch hätten wir überhaupt nicht gewusst, was wir machen sollten."
"keine ursache. und macht das am besten so, wie der luxus-mann sagte, trennt euch vom online-banking und legt euer geld lieber fest an." 
"ja, wir haben diese woche gleich einen termin dafür vereinbart."

so ging diese geschichte letzten endes glimpflich aus. auch wenn meine eltern das verlorene geld nie wieder sehen würden, bewegt sich der verlust im noch verschmerzbaren bereich. eine lehre würde ihnen das erlebnis ohnehin sein - so hoffe ich zumindest.

Samstag, 7. Oktober 2023

soziale substanz

der mensch sei ein soziales wesen, hört man ständig. die meiste zeit bewegt er sich unter seinesgleiches, unweigerlich, oftmals in viel zu großer nähe - vor allem, wenn man in einer überfüllten großstadt wie hier in kackstadt lebt.

mein menschenekel ist allseits bekannt, unter männern auch mein "immenses freiheitsbedürfnis" alias alleinsein-bedürfnis, das sich zuverlässig einstellt, sobald ich in etwas beziehungsartigem ende. in der tat halte ich kontakte zu artgenossen in 99 % der fälle für überflüssig, allen voran berufliche. selbst wenn es karrieretechnisch nicht unnütz wäre, vermeide ich es, mehr als die unbedingt nötige lebenszeit mit jobscheiße und den ebenfalls darin gefangenen anderen kapitalismus-sklaven zu verschwenden. 

das bedeutet nicht, dass ich soziale kontakte komplett ablehne. in seltenen fällen begegnen mir menschen, die ich als angenehm empfinde. manchmal kommen sie sogar auf mich zu, was ich besonders beachtenswert finde - und wofür ich dem schicksal oder wem auch immer dann sehr dankbar bin.  

womit ich jedoch nicht gerechnet hatte, als ich meine heimat verließ: wie schwierig es ist, diese kontakte zu halten. 

das liegt zum einen an der allgemeinen unverbindlichkeit der großstädter, zum anderen aber auch an mir. ich brauche eine gewisse intensität. intensität entsteht bei mir entweder durch ein geteiltes schicksal - wie es bei meiner freundin m. der fall ist, die ihre große liebe zu exakt demselben zeitpunkt ebenfalls durch einen motorrad-unfall verloren hat. wir sind verbunden, weil wir beide niemanden haben, der das trauma in dieser ähnlichkeit teilt, oder mit dem wir darüber sprechen könnten ohne die gefahr, zu langweilen - weil wir immer wieder darüber sprechen müssen, weil diese trauer schlichtweg nicht endlich ist.

in anderen fällen entsteht intensität durch eine art verbindendes interesse - und sei es die banale einsamkeit unter zugezogenen in einer nicht sehr freundlichen stadt. diese art der verbindung ist schwerer zu halten, weil die intensität abebbt, sobald der interesseauslösende faktor schwindet. beispielsweise, weil es plötzlich einen partner gibt, dem die gesamte aufmerksamkeit gewidmet wird, oder weil eine beziehungskrise überwunden ist. auch ein job- oder statdtteilwechsel kann eine solche art der freundschaft bereits (zer-)stören. einfach, weil die motivation, einander zu sehen, so gering wird, dass sie über eine distanz von mehr als zwei straßen oder die müdigkeit nach ein paar überstunden nicht mehr trägt.

ich spreche mit meiner neuen psychiaterin darüber, wie sehr ich einsamkeit suche und wie wenig ich sie aushalten kann. wie ich darunter leide, dass sich kontakte immer wieder zerfasern oder als nicht tragfähig erweisen. "ich habe 27 jahre in bayern gelebt und gearbeitet", erzählt mir meine psychiaterin. "wissen sie, warum ich nach hamburg zurückgegangen bin? weil ich in bayern keine echten freunde finden konnte. ich habe zwar - genau wie sie - immer viele menschen kennengelernt, sowohl im job als auch in meiner freizeit. aber es blieb einfach nichts von substanz. ich kann sie daher gut verstehen. und ich versichere ihnen, dass es nicht an ihrer so empfundenen eigenartigkeit oder fehlenden sozialen kompetenzen liegt."

wie immer wiegt das trennende für mich stärker als das verbindende. das führt dann dazu, dass ich selbst kontakte fallenlasse. abwenden, weitersuchen. 

ich bin mir darüber im klaren, dass ich für den rest meines lebens suchen werde. früher fand ich aufregend. heute macht es mich eher müde. ich laufe gefahr, mich komplett zurückzuziehen oder nur noch nichtmenschliche gesellschaft zu suchen. als ich letzte woche mal wieder woanders wohnte und drei entzückende katzen sittete, hätte ich nichts und niemanden sonst auf dieser welt gebraucht. ich vermied sogar besuche beim luxus-mann, um mehr zeit mit den fellnasen zu haben. mir ist bewusst, dass ich die schlichte abhängigkeit von haustieren von einem dosenöffner nicht unterschätzen darf. fakt ist jedoch, ich habe mich zu keinem zeitpunkt einsam, sondern durchgängig zutiefst verbunden, beruhigt und geerdet gefühlt. 

im alter - sofern ich je ein rentenalter erreiche - wird mein glück vermutlich stark davon abhängig sein, wo ich lebe. und wie ich wohne - und ob dieses wohnen und meine finanzielle situation wenigstens das halten von haustieren ermöglicht.

Montag, 2. Oktober 2023

absurdität

nichts neues aus dem land der alpträume. ein paar mittelmäßige bewerbungsgespräche, aber keinerlei aussichten. entweder merkte ich schon beim nicht stattgefundenen begrüßungs-handshake, boah nee, genauso unsympathisch wie der aktuelle arbeitgeber. oder aber ich schleimte und biederte mich an nach allen regeln des bewerbungscoachings, während das gegenüber das manöver mühelos durchschaute und glasklar erkannte, dass ich krank, verrückt, instabil, inkompetent, verunsichert, absonderlich oder was weiß ich alles bin.

mit meinem selbstbild kann ich keinen blumentopf gewinnen, täuschung liegt mir nicht, ist nur dünne tarnung. mit meiner brüchigen fassade von professionalität und meiner stino-verkleidung wirke ich vermutlich einfach nur seltsam.

meine freundin m. hat sich mit botox unterspritzen lassen. an der stirn ist es noch ok, aber ohne krähenfüße kannste nunmal nicht mehr lächeln, egal wie sehr sich dein mund bewegt. hab ich ihr auch genau so gesagt. sie findet es dennoch ok - argument, sie sei ja keine schauspielerin, die mit ihrer mimik die kohle macht. aber jeder ist schauspieler. sie, indem sie ihr alter versteckt, ich, indem ich meinen wahnsinn verstecke die leistungsgesellschaft zwingt das individuum zu permanenter selbstverleugung.

dass ich voraussichtlich noch 25 jahre schlecht und halbherzig für eine zutiefst verachtenswerte gesellschaft schauspielern muss, versetzt mich in panik. zeitweise möchte ich wieder zur zigarette greifen, aber rauchen ist auch nichts weiter als ein suizidversuch für hosenscheißer. ein halbherziges vielleicht-vielleicht-auch-nicht-sterben, unter der flagge falsch verstandenen genusses. 

ich beobachte mich, wie ich wie ein besinnungsloser vollspießer samstags mit dem luxus-mann durch ein möbelhaus renne und später in einem restaurant fisch esse. abends sitzen wir dann auf der couch oder in einer bar, durchaus mit kurzweil und gut unterhalten. aber niemals verlässt mich das gefühl vollkommender absurdität.

ich kann das leben so nicht ernst nehmen. aber von spaß bin ich ebenfalls lichtjahre entfernt.

von zeit zu zeit frage ich mich, wie es wäre, wenn das objekt noch da wäre. dass das schicksal mir diese person genommen hat, kann ich ihm nach wie vor nicht verzeihen. mit dem objekt verschwunden ist auch mein naiver glaube an eine art gütige macht, eine ordnende kraft, eine nicht entschlüsselbare sinnhaftigkeit, möglicherweise sogar liebe. manchmal weiß ich nicht, was ich mehr vermisse: diesen menschen oder meinen kindlichen, aber hoffnungsvollen begriff von metaphysik.

Freitag, 22. September 2023

die neuen leiden der nicht mehr jungen wertherin

nach einem knappen jahr long covid fühle ich mich herztechnisch endlich einigermaßen genesen. die herzinfarkt-ähnlichen anfälle sind seit mai verschwunden. was bleibt, ist ein merkwürdiges latentes augenflimmern - so, als hätte ich anhaltend leichte kreislaufprobleme. nach einem augenarzt-marathon im frühjahr - wo ich die lustige glaukom-diagnose erhielt, die aber nicht das flimmern erklärt -  hatte ich ein halbes jahr später einen neurologentermin. der neurologe tappte zunächst im dunkeln, ließ aber vernünftigerweise ein schädel-mrt anfertigen.

gestern komme ich zur besprechung in die praxis und habe schon gleich ein beschissenes gefühl. mein arzt schaut mich so komisch mitleidig an, finde ich. über den schreibisch schielend kann ich den bericht der radiologie sehen, er enthält mehrere eng beschriebene seiten. kein gutes zeichen, finde ich.

mein arzt guckt komisch, als wisse er nicht recht, wie er anfangen soll, also sage ich tapfer: "na, was isses denn? lassen sie mich raten: ein gehirntumor!"

der arzt lächelt ein wenig und meinte dann in seiner etwas schlaftablettigen art: "nein... ähm... also, es wurden mehrere sachen gefunden." 

ja was denn nun, denke ich. ich sterbe hier gleich vor neugier angesichts der frage, ob ich meine private rentenversicherung nun auflösen kann oder nicht.

der arzt zeigt mir zunächst einen hellen fleck, der sich augenscheinlich über der schädeldecke unter der haut befindet. "hier schreiben die kollegen aus der radiologie, das sei wahrscheinlich eine gutartige geschwulst... wissen sie was darüber?"
ich zucke die schultern: "den kleinen knubbel hab ich schon ewig, denke ich."
"diese geschwulst sollten sie nur beobachten lassen. gehen sie zum hautarzt, falls sie sich vergrößert."
wenns weiter nichts ist!

dann scrollt der arzt weiter in die grauen schichtaufnahmen hinein: "hier haben wir zysten. sehr viele sogar, aber die sind alle klein."
"und was heißt das? viele tatsächliche oder potenzielle gehirntumore?"
"nein, das sind quasi nur schönheitsfehler. zysten machen selten ärger, nur wenn sie zu groß werden und auf irgendwas drücken."
"und erklärt das das augenflimmern?"
"nein, sie haben keine zysten im entsprechenden hirnareal."
 
wieder srcollt der arzt eine ewigkeit in meinem gehirn herum, während mir vor panik schon übel ist. ich bin nicht dumm, allein an seiner körpersprache kann ich sehen, der dicke oberhammer kommt noch.
 
"was ungewöhnlich bei ihnen ist, ist dieser helle fleck", sagt der doc schließlich.
"aha."
"das... das ist sowas wie eine narbe. sowas entsteht infolge in einer entzündung."
da ich nicht von gestern und medizinisch einigermaßen belesen bin, frage ich zurück: "also eine läsion?"
"ähm, ja. so nennt man das."
"mein vater hat altersbedingte läsionen, die wohl von seinem bluthochdruck kommen, aber ich vermute, ich bin dafür zu jung und habe zu niedrigen blutdruck?"
"richtig. in ihrem fall... gehört das da nicht hin."
"und jetzt hab ich multiple sklerose?" wenn er nicht rausrückt mit den hiobsbotschaften, dann muss ich hier wohl die schlussfolgerungen ziehen.
 
der arzt zögert.
"naja... das ist nicht klar. es ist ja erstmal nur eine läsion. sowas ist grundsätzlich selten, aber die kann auch eine andere ursache haben."
"welche denn? ein unfall? vom fahrrad gefallen bin ich ungefähr tausend mal."
"nein, nein, normalerweise entsteht sowas durch viren. vielleicht war corona das bei ihnen."
"ich hatte auch mal pfeiffersches drüsenfieber. und gesichtsgürtelrose. das geht auch alles aufs gehirn, meines wissens."
"ja, die läsion kann durchaus älter sein. das sieht man nur leider nicht auf den bildern."
 
ich seufze ungeduldig.
 "also kann man sagen, vielleicht habe ich multiple sklerose. und wie finden wir heraus, ob das so ist?"
der arzt windet sich.
"man kann eine hirnwasseruntersuchung machen. aber dazu würde ich ihnen nicht raten."
"und wozu würden sie raten?"
"wir machen in einem halben jahr erstmal noch ein schädel mrt."
"und wenn da mehr läsionen zu sehen sind, hab ich ms?"
"ähm, das könnte dann so sein."

das sind ja wieder mal hervorragende aussichten. da ich weiß, dass mich mr. murphy gewohnheitsmäßig so tief wie möglich zu ficken gedenkt, hatte ich im vorfeld bereits mit vielen schlimmen dingen gerechnet - zum beispiel eben mit einem gehirntumor oder auch einem kurz vorm platzen stehenden aneurysma. irgendwas richtig blödes, möglichst lebensbedrohliches natürlich. gewappnet sein muss ich bei mr. mruphy immer. multiple sklerose hatte ich zwar auch auf dem schirm gehabt, aber irgendwie wieder vom radar geschoben, weil einfach zu schrecklich und zu wenig tödlich.

"ich würde sie im oktober noch mal in meine praxis bitten", sagt mein doc unerwartet.
"warum das denn?"
"ich würde mir gerne noch ein paar sachen anschauen."
soso.
"glauben sie denn, dass es ms ist?" fragen wir doch mal direkt!
"ähm... das kann ich so nicht sagen."
"na, nur so ihre erfahrungswerte", schiebe ich nach. "ich lasse sie schon nicht verhaften, wenn es nachher anders kommt."
"ms ist sehr individuell, daher kann ich das wirklich nicht sagen."
aus diesem arzt kriegt man aber auch keine tendenz raus!

als er mich aus seinem zimmer geleitet, tätschelt er mir die schulter: "bitte machen sie sich jetzt nicht so viele sorgen."
 
er hat einen fabelhaften humor, soviel steht fest. mit der aussicht, vielleicht ms zu haben und ein halbes jahr auf die nächste untersuchung warten zu müssen, die dann dank der ach so vielen freien zeitnahen neurologentermine im kommenden jahrhundert besprochen werden kann, macht man sich naturgemäß überhaupt keine sorgen.

aber es sieht mr. murphy natürlich ähnlich: anstatt mich einfach mit etwas greifbarem wie einem tumor zu schocken, hat er beschlossen, mir lebenslange qualen in aussicht zu stellen und mich dazu über eine maximale zeitspanne im ungewissen zu lassen. garantiert würde ich jetzt bei jedem noch so harmlosen kribbeln oder taubheitsgefühl oder augenproblem nächtelang nicht schlafen können.

zuhause nehme ich die doppelte dosis meiner neuen, glücklicherweise nicht nur stimmungsaufhellenden, sondern auch angstlösend-einschläfernden happypills. dann kippe ich noch einen drink drauf und lasse mich bis spätnachts dröge vom fernseher berieseln, um nicht wachliegen und nachdenken zu müssen.

Sonntag, 17. September 2023

fragmentarisches

nachdem unsere krawall-künstlerin zum letztmöglichen termin endlich ausgezogen ist, wohnt seit heute ein postpubertier (optisch ist es 15, biologisch wohl eher 18-21)  im haus. man darf gespannt sein. wir alle beten, dass es irgendwas macht - und nicht nur zuhause abhängt und die musik lauter dreht.

***

als letzte erinnerung an ein lärmiges jahr mit nachbarschaftlichem zerwürfnis lehnen noch ein paar überdimensionierte bretter mit künstlerinnen-geschmier an unserer mülltonne. nicht einmal die stadtreinigung will sich ihrer erbarmen.

***

ähnlich widerlich wie arrogante pseudo-künstler finde ich ich diese konservativ-konformistischen spacken, die ständig mit ihrer jobscheiße hausieren gehen. vor allem, wenn sie dann noch eine vorzeige-familie um sich als sonnenkönig herum installiert haben, die ebenfalls permanent der selbstreferenz dienen muss.

***

ich habe tatsächlich karten für ein blixa-bargeld-konzert ergattert. nun muss ich noch planen, wie ich blixa entführen, zwangsscheiden und mit meiner wenigkeit neu verheiraten kann. vielleicht ist seine frau auch für eine offene ehe zu haben, dann kann ich mir den gewaltsamen teil der aktion sogar sparen.

***

meine liebste jahreszeit hat sich ein wenig verspätet und beginnt ab etwa übermorgen. pullover-wetter at its best - bald dann hoffentlich auch mit morgennebel und buntem rauschellaub.

 



Donnerstag, 14. September 2023

keine panik, wir sind ganz leise

wir sind den krieg im eigenen land nicht mehr gewohnt. darüber kann man sich freuen. doch es ist eine schlechte voraussetzung für das, was uns die kommenden jahrzehnte bevorsteht. schließlich werden uns im zuge des klimawandels ganze nationen an klimaflüchtingen überrennen. auch wenn ich immer sage, dass man schwächeren helfen sollte, wird sich dieses problem in der eskalationsstufe nur noch durch mauern, stacheldraht und großflächiges wegballern lösen lassen. also sofern die bundeswehr dazu fähig ist, haha. (ich vermute zudem stark, die ukraine wird uns nicht mit waffen und munition aushelfen.)

"ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man im 21. jahrhundert noch mit herkömmlicher artellerie oder raketen krieg führt", sagte der luxus-mann kurz vor dem ukraine-krieg. "also vielleicht noch in afrika oder im nahen osten, aber doch nicht hier in europa." er vermutete eher raffinierte cyber-angriffe, die stromnetze, wasserversorgung sowie transportmittel lahmlegen oder die software großer unternehmen hacken. insofern hat ihn der ukraine-krieg ob der rückständigkeit der kriegsführung desillusioniert - drohnen vielleicht mal ausgenommen.

heute war bundesweiter warntag, der in hamburg ja immer sehr dezent ausfällt. immerhin muss ich positiv vermerken, dass mein handy alarm gesendet hat. das luxus-handy hingegen hat nicht gewarnt. da der luxus-mann dasselbe modell besitzt wie ich, ist das recht verwunderlich. aber gut - solche pannen passen dazu, dass wir eben noch nicht zu hochmodernen cyber-kriegen fähig sind.

doch auch analoge warn-technik bewegt sich in hamburg im kaum wahrnehmbaren bereich. im vergangenen jahr befand ich mich zum warntag im homeoffice in altona, wo ich rein gar nichts mitbekam. selbst am offenen fenster herrschte entspannte totenstille, in welche himmelsrichtung sich das ohr auch wendete. 

heute arbeitete ich beim luxus-mann in der schanze. als ich um 11 uhr auf den balkon trat, konnte ich in weiter ferne sehr leise tatsächlich eine art alarmgeräusch wahrnehmen. es klang wie die alarmanlage eines autos, das man sehr weit entfernt geparkt hatte. nie im leben hätte ich dieses dezente piepen mit einem bombenangriff oder einer anderweitigen katastrophe assoziiert.

angeblich verfügt hamburg über 123 sirenen, die inzwischen vorwiegend elektrisch funktonieren sollen. vielfach wurde bereits über den sinn dieser technik diskutiert, denn bei einem stromausfall sind solche warnsysteme natürlich komplett für die katz. daher wurden notstrom-aggregate bzw. akkus für sirenen verordnet und fördermittel zur verfügung gestellt. allerdings liegt die umsetzung bei den ländern. es bleibt daher nur zu hoffen, dass unser senat in sachen sirenen etwas mehr intelligenz walten lässt als im vergangenen jahr, als er laternen im volkspark installieren ließ - und erst hinterher bemerkte, dass es dort gar keinen strom gibt. 

Mittwoch, 30. August 2023

zugfahrt, nachts: ankommen

heimat beginnt da, wo die lichter von forchheim vorbeifliegen. ab diesem zeitpunkt steigt eine unbändige vorfreude in mir auf. ich drücke mir die nase am fenster platt, will nicht verpassen, wenn wir an erlangen vorbeirauschen, dem süßen studentenleben. beste jahre, vorbei, aber erlebt-gelebt. lebendig in meiner erinnerung, als wäre es erst letztes jahr, als wäre ich nur wenige monate weggewesen.

dann naht fürth heran, zuerst die schrebergärten im westen der stadt, im dunkeln kaum erkennbar, jetzt die mandel-lofts und einige sekunden später passieren wir den hell erleuchteten bahnhof, mein heimatbahnhof für sieben oder acht jahre, mein ankerpunkt zwischen job in nürnberg und studium in erlangen. wie ich diese kleine stadt geliebt habe, in der es an nichts fehlt, obwohl sie zugleich nichts übermäßig großartiges zu bieten hat, zumindest nicht für menschen, die superlativen brauchen.

ich bleibe in meinem abteil am fenster, bis wir am bahnsteig in nürnberg halten, weil ich die letzten minuten sekunden momente des ankommens auskosten will, dieses köstliche gefühl von geborgenheit und zuhause und glück, dieses bad in erinnerungen, die durchaus nicht ausnahmslos schön sind, die mich aber gemacht haben zu dem was ich bin: zu einer, die ankommen darf und will, auch wenn sie eine reisende bleibt.

Montag, 28. August 2023

tut-tut, hier kommt ein penis!

vor meinem fenster findet mal wieder ein hupkonzert statt. als ich gucken gehe, bietet sich meinem auge das übliche szenario: der müllwagen will durch unsere schmale straße, dicht gefolgt von einem suv-fahrer. ich kann den suv-deppen durch die windschutzscheibe deutlich sehen: ein schmieriger scheißer im poloshirt, mit sonnenbrille und einer schweren hand auf der hupe. ein wichtigtuer, der null respekt vor gesellschaftsrelevanten berufen hat.

in meiner straße wird generell viel gehupt. sie ist eng und liegt inmitten weiterer kleiner historischer kopfsteinpflastergassen - natürlich beidseitig unübersichtlich zugeparkt. deshalb ereignen sich auch ständig zahlreiche unfälle.

eine sache haben hupende autofahrer hier fast alle gemeinsam: ein dickes auto. denn immer mehr menschen möchten ihre komplexe gerne öffentlich zur schau stellen, indem sie einen suv fahren. neben suvs sind gerne noch sportliche bmw- und mercedes-limousinen an den hupkonzerten beteiligt, ab und an auch ein tesla. 95% der fahrzeuginsassen sind dabei männer. die korrelation zwischen testosterongeladener wichtigwichserei und selbstdarstellung durch eine penisprothese ist frappierend - und inzwischen sogar wissenschaftlich untermauert

zu gerne wäre ich mäuschen, wie das suv-arschloch vor meinem fenster wohl so bestückt ist. was sein hirn betrifft, steht auch angezogenerweise fest: hier haben wir viel heiße luft in einer leeren hülle. ich wünsche dem pisspenner daher gedanklich noch stau auf seiner gesamten verbleibenden strecke und am zielort eine viel zu kleine parklücke.

Montag, 21. August 2023

und der zukunft zugewandt

saturday-night-party, nach langer zeit mal wieder, in der lieblingslocation des luxus-mannes. es gibt musik der 80er, ein bisschen disco, ein bisschen soul und viel alternative. sehr angenehm soweit, vor allem in der reizenden begleitung eines alkoholischen getränks. 

während sich der luxus-mann mit bekannten unterhält, stehe ich alleine in einer ecke und tagräume vor mich hin. ich mag das sehr, mich vollkommen von der realität abzukoppeln und durch mein ganz persönliches universum zu driften. die fantasien wandern richtung objekt, und ich stelle mich vor, wie es da steht, direkt in der ecke gegenüber. oder wie es in sich gekehrt tanzt, genauso wie in den momenten, in denen es ganz bei sich selbst war.

irgendwann gesellt sich der beste luxus-kumpel zu mir und macht mir ein kompliment für mein parfum. 
"das hat mir mal meine mutter geschenkt. ein ganz alter duft, den hat sie selber früher getragen, als sie jung war."
"bisschen blumig, aber an so einem warmen sommerabend hat das unheimlich was."
"danke. ich fand es auch für heute sehr passend."
 
wir stehen eine weile schweigend nebeneinander, dann sage ich: "weißt du, was mir an solchen abenden auffällt? ich denke überhaupt nicht mehr an die zukunft!"
"wie meinst du das?" fragt der luxus-kumpel verwirrt.
"naja... ich bin so eine tagträumerin. ich hab früher den größten teil des tages tatsächlich in meinen gedanken verbracht. und mir immer vorgestellt, was alles tolles passieren wird. gerade wenn es aufs wochenende zuging, da hab ich so dermaßen drauf gefiebert, dass mein lover irgendwo auftaucht und wir sex haben können."
"und jetzt?"
"jetzt hör ich dieses oder jenes lied... und dann fällt mir was aus der vergangenheit ein. sogar aus meiner frühen kindheit. zum beispiel, wie mein vater so vor seinem kassettenrecorder saß und die hitparade mitschnitt. oder wie ich abends immer mit so einem ganz bestimmten gefühl auf der couch saß und noch schnell glücksrad guckte, bevor ich ins bett musste. oder ich denke an die kleinen radtouren, die ich als kind in die umgebung gemacht habe... wie schön weitläufig das damals alles war, nicht so hässlich mit neubauten zugetackert wie heute."
"geht mir ähnlich", sagt der luxus-bekannte. "ich ertappe mich auch dabei, dass ich überwiegend in meinem kopf lebe und in erinnerungen schwelge."
 
"ich will damit auch gar nicht sagen, dass ich so wahnsinnig unglücklich mit meinem leben wäre. insgesamt ist es weder toll noch schrecklich. ich habe den luxus-mann, und das genieße ich immer noch. aber ich träume nie von uns. oder von einem neuen job oder einer schicken ruhigen wohnung. oder was sonst so alles passieren könnte."
"kenn ich. deshalb sind solche parties auch immer sehr ambivalent für mich."
"wegen der musik von früher?"
"ja. für dich ist das deine kindheit, für mich ist es meine jugend. einerseits feiere ich das total, andererseits macht es mich auch wahnsinnig traurig. weil ich eine schöne jugend hatte. und weils vorbei ist. mir geht´s heute auch nicht schlecht, überhaupt nicht. aber groß von was träumen, das kann ich auch nicht mehr."
"ist wahrscheinlich so ein altersding... dass man so retroromantisch wird. weil alles vorbei ist, wofür man mal gelebt hat."
 
der luxus-kumpel wiegt sich von einem bein aufs andere:
"ich glaube, bei mir fing das auch so in deinem alter an. ganz schlimm wurde es vor ein paar jahren, als meine mutter starb."
"das ist bestimmt eine wahnsinnige zäsur. ich kann mir vorstellen, wenn meine eltern mal tot sind, falle ich so richtig in ein loch. weil dann die kindheit endgültig vorüber ist."
"hast du nicht mal gesagt, mit deinen eltern war es früher auch eher schwierig?"
"vollkommen richtig. aber ich beginne, das zu idealisieren. die erinnerungen verschwimmen immer mehr und ich erinnere mich interessanterweise inzwischen vorwiegend an die guten tage. das ist wie diese ganz bestimmte phase nach einer trennung, wo man noch mal voll romantisch an den ex denkt und sich sagt, och, mensch, das war soooo schön, wieso hab ich das nur aufgegeben?!"
"kenn ich."
 
"es verändert sich sogar gerade mein blick auf junge menschen. da vorn zum beispiel, siehst du diese teenies in den hässlichen jogginghosen und den geschmacklosen zeltartigen t-shirts? ich finde das gerade total süß, dass sie hier zwischen lauter alten leuten zu so alter musik tanzen."
"das finde ich jetzt nicht so süß, aber ich sag mal so, für jemanden, der kinder hasst, ist das eine gewisse geistige leistung."
"vielleicht hab ich ja meine ganz eigene art von muttergefühlen, wer weiß. manchmal hätte ich gern so einen teenie als sohn oder tochter. aber halt erst so.... so ab 16 vielleicht. jüngere kinder finde ich immer noch schlimm."
der luxus-kumpel lacht: 
"ich hol mir mal noch ein bier. willste auch eins?"
"danke, sehr gerne ein alster."
 
 da kommt der luxus-mann auf mich zugerollt und küsst mich aus dem nichts.
"was ist los?" frage ich bezaubert.
der luxus-mann ist schon etwas angetüddert und leicht am lallen:
"ich hab mich heute so umgeschaut... und festgestellt, dass es so viele gruselige frauen hier gibt... so viele biedere hausmuttis und so viele peinliche tussen... da hab ich wohl echt glück gehabt mit dir. deshalb hab ich mich gefragt, wenn wir uns nicht kennen würden, hätte ich dich dann heute hier angesprochen?" 
"und hättest du?"
"wahrscheinlich."
ich muss glücklich grinsen:
"ich hoffe, nicht nur wegen deinem pegel und dem kontrast zum weiblichen gruselkabinett hier."
 
ich schmiege mich ein bisschen an den luxus-mann und schätze mich glücklich. auch, wenn ich keine tagelangen sexfantasien mehr von ihm habe. vielleicht heißt weniger träumen auch einfach mehr realität. und wenn die gut ist, sollte man vermutlich doch irgendwie dankbar dafür sein.
 


Freitag, 18. August 2023

ende august

oh du lieber augustin
alles ist hin 
und weg
 
nun wetterleuchtet uns 
das neue 
ungeheuer

wir wollten einst ausziehen
uns ausziehen
hinausziehen, freiheitsein
 
es wurde ein einziehen
von aller dings
von noch mehr und dazu mär
 
alles geht deshalb zum grunde jetzt
nackt und dunkel
arm leuchtend
 
heilig scheinend
die letzte kerze
letzte schöne worte

aus.

(aus: "blubb zur befindlichkeit des egos", lyrikband 385732, ausgabe zero, kackstadt 2023)

Samstag, 12. August 2023

das ewige kind im manne

"alter, bin ich sauer!" schnauft meine freundin  m., als sie mir die tür öffnet.

"was ist denn los?"

"der geht mir sowas von auf den zeiger!" empört sie sich und meint damit ihren lebensgefährten h.

"hat er was angestellt?"

"der hat den müll runtergebracht und schon wieder keine neue tüte in den abfalleimer gemacht!"

ich muss ein wenig schmunzeln, weil mir das doch recht pillepalle erscheint. außerdem schmiegen sich m.s katzen um meine beine und purren zuckersüß, was zu einer sofortigen endorphin-ausschüttung führt.

"nee, darum geht´s eigentlich nicht, aber weißt du, ganz grundsätzlich!" m.s grüne augen sprühen wütende funken. "ich mach hier und tue, ich koche und putze, ich hab diese fucking wohnung alleine eingerichtet, ich kümmere mich um die tiere... alles hängt an mir, weil man bei h. nie voraussetzen kann, dass er das auf die kette kriegt... nächste woche will ich jetzt mal nach bayern fahren, bisschen urlaub machen. ich sag noch zu h., du musst nicht mit, wenn du nicht willst. weißte, weil h. da nicht so drauf steht und ich nicht jemanden dabei haben will, der fresse zieht. aber er so: natürlich komme ich mit! sag ich, prima, dann nimm dir bitte freitag und einen halben donnerstag frei, ich will donnerstagmittag los. jetzt frag ich ihn heute, was mit seinem urlaub ist, und er hat es vergessen. einfach vergessen!"

"und er kriegt so kurzfristig nicht frei?"

"was weiß ich! ist mir auch scheißegal. aber ich seh´s nicht ein, dass er wie so ein kleines kind immer jemanden braucht, der für ihn mitdenkt und ihm seinen kram hinterherräumt. der ist fast 50, und ich bin nicht seine beschissene mutter! ich mache denselben vollzeitjob wie er, das kann nicht sein!" 

ich grinse: "kommt mir bekannt vor. ich sag auch oft zu meinem mann, ich bin nicht deine mutti." und ich erzähle m., wie der luxus-mann sich kürzlich einen fetzen-sonnenbrand im gesicht holte. als er deswegen jammerte, lachte ich nur und sagte, dass ich mich selbst zum glück eingecremt und deshalb keinen sonnenbrand bekommen habe. der luxus-mann war daraufhin ernsthaft sauer geworden, weil er meinte, ich hätte ihm doch sagen müssen, dass er auch sonnencreme nehmen solle. mein lakonischer konter "ist es deine fresse oder meine?!" hatte nicht unbedingt zur rückkehr der harmonie geführt.

"unfassbar", findet m., um dann noch weiter auszuholen. "oder schau dir meinen ex an! oh, ich habe bluthochdruck und sollte abnehmen... und was macht er? nix! keinen sport, keine vernünftige ernährung. nicht mal seine tabletten hat der genommen. jetzt ist er tot und ich muss damit klarkommen. alles feige schweine, die keine verantwortung gelernt haben! nicht mal für sich selbst."

"ich glaube, männer in unserer generation sind tatsächlich noch so großgeworden. dass die mutti alles macht oder dann später die frau. das ist deutsche macho-kultur. alle viere von sich strecken, großspurig erzählen, dass man ja im job schon so ein toller hecht sei, und der ebenfalls berufstätigen frau alles in die schuhe schieben. einschließlich der eigenen gesundheitspflege."

"ich will echt keinen mann mehr. ich werde lesbisch oder so. ich bin so kurz davor, hier alles stehen und liegen zu lassen. natürlich nehm ich noch mit, was mir gehört. dann bleibt eigentlich nur h.s  hässliches sofa hier. da kann er dann meinetwegen drauf wohnen und jeden tag pizza essen!"

einmal las ich folgenden tweet:"männer werden acht. danach wachsen sie nur noch." zumindest für männer, die in der deutschen macho-kultur aufgewachsen sind, ist das häufig zutreffend. vielleicht auch ein grund, warum in deutschland so wenige kinder geboren werden: die aussicht, dass frau sowieso lebenslang ein großes unselbstständiges kind an der backe hat, stimmt die eierstöcke nicht unbedingt befruchtungsfreudig. der einzige tatsächliche und durchaus fragwürdige erfolg der bisherigen emanzipation (bzw. der erfolg von lohndumping und die konsequuenz, dass ein verdiener die familie nur  noch selten ernähren kann) ist weibliche berufstätigkeit, die on top zur traditionellen care-arbeit kam. wer dem unerbittlichen ticken der biologischen uhr entrinnen kann, erspart sich wenigstens letzteres.

als ich den luxus-mann einmal fragte, was er an seiner mutter schätze, sagte er: ihre fürsorglichkeit. diese fürsorglichkeit sieht aktuell so aus, dass die 80-jährige, schwer rheumakranke luxus-mutti den mittlerweile dementen luxus-vati ohne jegliche hilfe pflegt, wäscht und kleidet, bekocht und betüddelt - während sie den haushalt schmeißt, ein haus mit zehn oder zwölf zimmern sauber hält, sich um den enormen garten und die tiere kümmert und nebenbei ihre enkel und urenkel babysittet.

wenigstens dem hat der luxus-mann einen riegel vorgeschoben - und eine extra pflegeversicherung abgeschlossen. "weder du noch meine kinder sollen mich später mal pflegen müssen." immerhin etwas. vielleicht denkt er demnächst auch mal selber an sonnencreme oder blutdruckmessen oder die krebsvorsorge. die hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.



Sonntag, 6. August 2023

schaaafe sache

katzensitten ist nicht nur toll, weil man dabei warmen flausch und was zu lachen bekommt. sondern auch, weil man hin und wieder ganz großartige frauchen/herrchen kennenlernt, die einem sogar an ihrem wohlstand teilhaben lassen.

so begab es sich, dass ich zugang zu einem ferienhaus an der nordsee bekam, das ich nun kostenfrei nutzen darf, sofern es sich mit den plänen der besitzer nicht überwirft. da die luxus-tochter derzeit ferien hat und die alljährliche 3-wöchige papa-betreuungszeit angebrochen war, fuhren wir für ein paar tage zu dritt dorthin.

bislang hatte ich jeglichen kinderurlaub vehement abgelehnt, weil die luxus-tochter ungemein verwöhnt und faul ist. nach langen diskussionen ließ ich mich dann aber erweichen. vorher hatte ich den luxus-mann verpflichtet, ihr zu verklickern, dass es vor ort absolut nix gibt außer schafen, rindern und netflix. selbstbeschäftigung und die fähigkeit zum ertragen von langeweile seien voraussetzung für diesen urlaub, betonte ich. überraschenderweise war madame töchterlein nicht abgeschreckt. damit war das letzte argument gegen gemeinsamen urlaub gestorben.

und was soll ich sagen, die meiste zeit über war es entspannt. ich habe zwar keinerlei mutti-anwandlungen, schon gar nicht bei jugendlichen, aber möglicherweise war meine mischung halbignorerein und halbzugewandtheit gar nicht mal so verkehrt. kleine schnittmengen und viel freiraum, so hatte ich mich als teenager auch am wohlsten gefühlt. erziehungsarbeit lagerte ich komplett an den luxus-mann aus und hielt mich bei kleinen streitereien hübsch heraus.

natürlich gab es momente, in denen ich stark an mich halten musste, um nicht loszubrüllen oder fiese bemerkungen zu machen. zum beispiel, wenn madame sofort losnöhlte, wenn sie mal fünf minuten laufen musste, da wir nicht immer mit dem auto bis direkt vor die tür fahren konnten. auch strandspaziergange waren ohne meckern und stundenlange vater-tochter-disputationen nicht möglich. als der luxus-mann einmal zu mir meinte: "ich weiß doch auch nicht, was ich dagegegen machen soll", sagte ich, sie solle doch einfach im haus bleiben, wenn sie keinen bock auf spaziergänge habe. aber 13-jährige müssen in den augen der luxus-eltern leider permanent beaufsichtigt werden und den arsch hinterhergetragen bekommen.

zum hochkochen brachte mich auch die unendliche faulheit von madame. nie half sie im haushalt. vom tisch stand sie jedesmal auf, ohne ihren teller abzuräumen. als ich mich beim luxus-mann deshalb beklagte, erbot er sich, den teil seiner tochter mit zu übernehmen. er wolle in den ferien keinen streit, hieß es. ich seufzte, aber schließlich ist es nicht mein blag. und ich wollte ebenfalls nichts weiter als meinen frieden.

daher hielt ich die fresse und machte gute miene zum mittelprächtign spiel. doch ab und an hatten wir auch richtig spaß zusammen. als es an einem tag regnete, fuhren wir ins schwimmbad und besetzten dort den halben tag die wasserrutsche. dann entdeckte die luxus-tochter ein paar meter hinter unserem haus eine kleine anhöhe auf dem deich mit einem kultisch anmutenden stein. da saßen wir fortan jeden abend und riefen den dort grasenden schafen ein dreistimmiges "määääh" zu. die schafe glotzten uns kurz irritiert an und mümmelten weiter. mehr erfolg hatten wir als schaf-imitatoren zwei äcker weiter, als wir auf eine herde heidschnucken trafen. diese schienen in unseren rufen etwas verheißungsvolles zu erlauschen und sprinteten auf uns zu als wären wir tokio hotel.

seit heute sind wir wieder zurück in der dirty old kackstadt. beim auspacken mir fiel auf, dass ich zweimal vergessen hatte, meine medikamente zu nehmen. das ist doch eigentlich mal ein gutes zeichen, finde ich.

Samstag, 29. Juli 2023

kleiner knigge

hier ist kein schaubühne für euch und euer braunes gedankengut. 

für euren hass und eure rückständigkeit.

für eure selbstgerechtigkeit und behäbigkeit.

für euren grenzenlosen egoismus.

es tut mir leid, dass ihr nichts könnt außer hassen. dass ihr mir den tod wünschen müsst, weil euch langweilig ist. auch vergewaltigungs- und anderweitige gewaltandrohungen sind leider keine eintrittskarte in meine welt.

aber weil ihr mir so leid tut, helfe ich natürlich gerne. mit einem arschtritt. oder bei bedarf auch mit einer anzeige.

 


Freitag, 28. Juli 2023

a bissl selbstjustiz for fun

während die afd für den lkw-fahrer, der einen mordversuch an klimaklebern unternahm, 25.000 € prozesskostenspenden sammelte, wurden tiere in einem schlachthof in aschaffenburg schwerst misshandelt und zu tode gequält. unter anderem wurden schweinen bei lebendigem leib die augen herausgeschnitten.

da wir ja in kürze unsere schwarz-blaue regierung bgrüßen werden: kommt jemand mit zum schlachthof? ich mache eine kleine party. der schlachthof-besitzer wird ein bisschen lustig gefesselt, dann schneiden wir ihm die augen und ein paar nicht lebenswichtige organe heraus, und zum schluss verbrennen wir ihn lebendig und tanzen dabei ums feuer.

selbstjustiz ist ja offiziell nun erlaubt. bald machen das die neuen nazis mit linksgrünversifften zecken wie mir bestimmt auch. ganz offiziell und mit erlaubnis unserer neuen führer.

Dienstag, 25. Juli 2023

fachkräftemangel hausgemacht

wir wissen bereits, dass befristeste anstellungsverhältnisse, krasses lohndumping, das verhindern von homeoffice, unflexible arbeitszeiten, überwachung am arbeitsplatz, veraltete arbeitsmittel uvm. den fachkräftemangel an sich konstituieren. 

aktuell im bewerbungsprozess identifiziere ich weitere faktoren, die den selbstgemachten fachkräftemangel noch mal verstärken:

- eingängsbestätigung für bewerbungsunterlagen erst 5 wochen nach der bewerbung verschicken

- überhaupt keine eingangsbestätigung verschicken und nach 3x nachfragen antworten, dass man halt nicht so oft ins postfach schaue

- versprochene rückmeldung nach einem persönlichem zweitgespräch vor ort und probearbeit schlichtweg komplett unterlassen (2 x passiert in 2 monaten)

- briefing für probearbeit zu übermitteln vergessen 

- nach 3 gesprächen (1x zoom, 2x persönlich vor ort mit jeweils zugfahrten von über 2 stunden) - man wollte unbedingt ein marketing-genie in remote und zwar auschließlich in remote - beschließen, dass remote arbeiten grundsätzlich ganz doof ist und man sich doch lieber einen bauer aus dem 12-seelen-dorf fürs marketing suchen will

- bei entsprechender nachfrage versuchen, den ohnehin unterirdischen lohn durch aussicht auf homeoffice noch weiter zu drücken 

so wird das jedenfalls nix mit deutschland, der wettbewerbsfähigkeit und anderen netten zukunftsplänen. denn nicht unsere politik, sondern die wirtschaft spielt der afd in die hände, wenn es um angst vor armut und niedrigen renten geht. klar will kein akademiker mit 28.000 € brutto befristet die umrüstung auf eine wärmepumpe seiner mietwohnung mitfinanzieren müssen. und blagen werfen für die rente wird der auch garantiert nicht. einfach, weil er sichs nicht leisten kann. aber es ist nunmal herrlich einfach, den arbeitnehmer zum sündenbock für den niedergang deutschlands zu erklären. also wird das so gemacht.

in der arbeitsmarktsituation spiegelt sich nur der kern betriebswirtschaftlichen totalversagens wider. und an dem ist nicht der arbeitnehmer oder eine "faule jugend" schuld, die sich lieber auf die straßen klebt als den frondienst zu leisten. sondern chefs und gierige vorstände, die moderne sklavenhaltung betreiben und dabei ihre perverse selbstbedienungsmentalität voll ausleben, während arbeitnehmer erniedrigung, unverbindlichkeit und absolute willkür erleben.

deutschland, du widerst mich nur noch an. dein untergang ist so vorhersehbar, dass es schon beinahe langweilt. herzlichen glückwunsch schon mal vorträglich zur schwarzblauen regierung ab 2025. ich bin dann weg.

Dienstag, 18. Juli 2023

übungen in demut

 9:00 uhr. der tag beginnt mit unzusammenhängenden weitergeleiteten e-mails meiner chefin. wie immer ohne bitte und danke. keine ahnung, was meine aufgabe ist. ein tägliches lustiges ratespiel.

10:30 uhr: sos der nachbarin aus dem ersten stock. sie sei ungeplant nicht mehr nachhause gekommen. ob ich bitte ihre katzen füttern könne. gehe runter, katzen schreien schon vor hunger schon hinter der tür. haben offenbar weder abendessen noch frühstück bekommen. klo quillt auch über. die tiere tun mir leid.

12:00 uhr. ich habe die zeit damit verbracht, schlechte ki-texte und unpassende überkandidelte bilder ins cms einzupflegen. mir ist so langweilig, dass ich fast kotzen muss.

13:00 uhr: bisschen jobsuche wie jeden tag, da die nächste absage schon gewiss ist. nebenbei die fortbildung weiterlaufen lassen, damit der kopf ein wenig nahrung im sumpf der ödnis und sinnlosigkeit bekommt.

13:15 uhr: potenziell spannenden job entdeckt, allerdings lückenhafte jobbeschreibung. dreifacher versuch, die kommunikationschefin einer großen klinik telefonisch zu erreichen. vergeblich. warum sitzen in kommunikationsabteilungen eigentlich immer leute, die kommunikation null draufhaben?

14:00 uhr: die künstlerin versucht es mal wieder ihrem panflötengedudel. ich hämmere mit death metal dagegen und komme fast gut drauf dabei.

derweil weiterhin sinnlosen kackscheiß machen. nochmal die kommunikationstante der großen klinik anrufen, wieder geht niemand dran. ruft auch keiner zurück. kommunikationsexperten halt.

15:00 uhr: typ vom bildungsinstitut, bei dem ich mich beworben hatte, ruft mich an. leider seien sooooo viele bewerbungen eingegangen, man habe mich (alt & teuer) daher trotz meines fast 100%igen fits doch nicht berücksichtigen können. so schade aber auch.

15:30 uhr: katzennachbarin meldet sich erneut, bittet mich, die katzen auch abends noch zu füttern. was machen leute eigentlich, die keine lakaien wie mich haben? die tiere können aber nichts dafür, also springe ich ein.

16:00 uhr. erwäge, ein glas frust-alkohol zu mir zu nehmen, entscheide mich aber jedoch stattdessen, die steuererklärung anzufangen.

16:05 uhr: elster wirft eine reihe an fehlermeldungen zum thema zertifikatsdatei aus und sperrt mein konto. also den suppport (per e-mail natürlich, es spricht ja heutzutage keiner mehr mit einem) kontaktieren. support braucht nun wahrscheinlich wieder 3 monate, um zu antworten. wenigstens ein guter grund, fristverlängerung zu beantragen.

16:30 uhr: kleiner spaziergang zur paketstation. da liegt ein paket für mich. station erkennt meinen qr-code allerdings nicht. will auch keine anderweitigen informationen akzeptieren. also trolle ich mich unverrichteter dinge und schreibe im kopf dabei eine amok-e-mail an den dhl-support.

17:30 uhr: hunger. ein käsebrot? oh, der käse ist schimmelig. pech gehabt.

17:50 uhr: kopf rattert. langweilt sich, ist frustriert, entwirft wirre notfallpläne, die keine sind. 

18:00 uhr: tabletten, ein gläschen alkohol dazu. den leberschaden aktiv vorbereiten, die rente reicht sowieso nicht dafür, um recht viel älter als 72 oder 73 zu werden.

18:15 uhr: die künstlerin hat besuch von ihrem kleinwüchsigen neandertaler. lautstarkes gekichere, gegröhle und geficke. statt death metal drehe ich jetzt aber lieber eine friedhofsrunde, da kann ich mich schon mal häuslich einrichten.