Donnerstag, 12. Mai 2016

interimsfrau

"definiere mal beziehung", sage ich.
"so ein fixes ding halt. mit verpflichtungen", sagt er.
"okay. ich sage ja immer, es gibt äußere und innere beziehungskriterien. was ist beispielsweise mit emotionen?"
"das hab ich so fast nie."
"du bist nie verliebt?"
"selten. und dann auch nur ganz kurz zu anfang, ein, zwei wochen. richtig verliebt war ich eigentlich nur ein einziges mal."
"gut, dann zu dem ding mit den verpflichtungen."
"naja, man macht sachen zusammen... teilt dinge im alltag, für die man dann verantwortung hat... lebt monogam... wohnt vielleicht zusammen... zieht die kinder groß..."
"und was macht das mit dir?"
"hm... manchmal ist das schon schön gewesen. so geregelt. aber oft nervte mich das dann auch. wenn meine exfrau mal nicht da war, hab ich immer gleich urlaub genommen, nur um mal alleine sein zu können."

"trotzdem warst du so viele jahre in beziehungen. mit frauen, die du nicht mal mochtest."
"nur wegen der kinder."
"das kauf ich dir nicht ab."
schweigen.
"doch, echt."
"nein. du bist weder dumm noch masochistisch."
"echt nicht!"
"doch. du suchst sicherheit."
"aber sicherheit hab ich da nie gefunden. meine letzte exfrau hat jahrelang an ihrer selbstständigkeit rumgemacht und dafür mein geld mit offenen händen aus dem fenster geworfen. da hatte ich ständig panik, dass wir aus der wohnung fliegen!"
"das meinte ich nicht."
"auch andere sicherheiten hab ich da nicht gefunden!"
"ich sag ja nicht, dass du sie gefunden haben musst. viele finden sie nicht. aber es ist ein konventionelles muster, das als sicherheitsgarant beworben wird. die hollywood-religion. und diese religion hat unendlich viele anhänger in der kapitalistischen gesellschaft. vielleicht, weil der kapitalismus so viele gemeinschaftliche werte zerstört. also zelebriert man sein kleines rosa-klebriges glück, sofern es denn eines ist."

"ich will das alles nicht mehr."
"sagst du heute."
"nee, echt, ich hatte das jetzt so oft und so lange gehabt, ich habe festgestellt, dass ich da gar nicht der typ für bin. und dass ich besser keine solchen beziehungen mehr führen sollte."
ich lache.
"weißte, wie oft ich das schon gehört habe? von männern, die wie du seit ein paar monaten aus einer öden beziehung raus waren? oder von solchen, die noch drin steckten und verzweifelt nach einem sprungbrett ausschau hielten?"
"scheinen ja ne menge gewesen zu sein."
"och, so drei bis fünf pro jahr sicherlich."
"ich sag doch immer, du bist ne schlampe."
"und ich sag dir noch was. alle diese männer sind zum wiederholten mal freiwillig in den goldenen käfig zurückgekehrt. entweder ganz direkt zu ihren exfrauen, oder sie haben sich was naives, brutwilliges gesucht und den garn mit denen noch mal neu gesponnen. du kennst nichts anderes, und deshalb glaube ich, dass du zum gewohnten zurückkehren wirst, wenn dir das hier langweilig wird. oder mir."
"klar könnte das passieren, aber ich habs nicht vor."
"dann be prepared. mir wird extrem schnell langweilig."

"und was ist mit dir? bist du manchmal verliebt?"
"auch sehr selten und dann auch sehr kurz. nur einer hat mich jemals so richtig am arsch gekriegt."
"deine fünf-jahres-affaire?"
"genau."
"und was hat der anders gemacht?"
"kann ich so genau nicht sagen. ich fand den anfangs sogar richtig doof und bin ihm aus den weg gegangen. aber dann... so nach ein, zwei jahren hab ich gemerkt, das ist die erste person in meinem leben, bei der ich nachhause komme. das hab ich mir als kind immer von meinen eltern gewünscht, und er hats mir geben können. davor, hab ich dann festgestellt, hab ich mir immer typen gesucht, die waren wie meine eltern. fordernd bis egomanisch. darin hab ich meine sicherheit gesucht. was auch zeitweise gut klappte, weil man mit meiner disposition in solchen konstellationen so plattgewalzt wird, dass man komplett verschwinden kann."
"klingt, als hättest du nur arschlöcher gehabt."
"nein. aber sie wurden mit mir zu arschlöchern. und auch ich kann sehr gut ein arschloch werden, wenn eine person das zulässt."

"wo siehst du dich heute?"
"ich bin die interimsfrau."
"das heißt?"
"man trifft mich meist in den immer selben lebensphasen. oversexed and underfucked, aber auch sinnentleert und haltlos. vielleicht ist das so meine aufgabe, männer dazu zu bringen, dass sie so viel angst vor sich selbst und der potenziellen freiheit, die ich vermittle, bekommen, dass sie wieder ins nest zurückkrabbeln."
"ich würde jetzt aber nicht sagen, dass du so ein herzloses sexmonster bist."
"bin ich auch nicht. ich bin die maximale unsicherheit, die dich liebevoll an der hand nimmt und sagt: spring."
"versteh ich nicht."
"du wirst ja auch nicht springen. du wirst genau wie die anderen irgendwann mehr oder minder höflich meine hand loslassen, umdrehen und ins kuschelnest zurückhoppeln."

"das ist mir zu hoch, glaub ich. aber ich versteh schon ein bisschen, was du meinst. wartest du denn dann auf jemanden, der mit dir springt?"
ich lege den kopf in den nacken und schließe die augen, um nachzudenken.
"gute frage. wenn ich dir darauf eine antwort gäbe, hätte ich angst davor zu lügen, weil ich vielleicht eine geheime sehnsucht übersehe, oder einen widerspruch."

wir starren vor uns hin in die sonne, die immer weitere teile des balkons ausfüllt.
"wirst du mir jetzt wieder den rest des abends erzählen, wie schräg du mich findest?" frage ich.
"nö. so schräg bist du gar nicht. du kokettierst nur damit. du hast deine erfahrungen gemacht, jetzt lebst du damit weiter und hast deine konsequenzen gezogen. da ist nicht irrationales bei."
ich muss grinsen.
"danke."
"was anderes kann ich dir als gefühlloser zahlenmensch nicht sagen."
"du bist nicht gefühllos."
"ich weiß, ich bin ein weichei. ich habe einen putzzwang, kann kein blut sehen, und ich schlafe schlecht, seit ich dich kenne, weil ich jetzt panik habe, dass jemand meine tochter vergewaltigen könnte."
"ernsthaft?"
"ja. das beschäftigt mich."
"süß. du bist so ein richtiger daddy."
"ich bin nicht süß, ich bin der 35-cm-mann!"

ich lache.
"zum glück nicht wirklich."
"da bin ich auch froh drum."
"wieso? hast du gar kein bedürfnis, am pinkelbecken zu stehen und dem pinkler neben dir beim abschütteln einen beherzten klatscher mit der fleischpeitsche zu verpassen?"
kichern.
"also weißte, für ne frau hast du echt lustige fantasien..."
"ich kann das nicht unterdrücken. und ich muss mich ja schon acht stunden auf arbeit zusammenreißen, dass mir sowas nicht mal aus versehen rausrutscht."
"und du, große interimsfrau? hast du lust auf einen langen, ewig halbsteifen riesenschwengel, der kaum den weg in deine enge muschi findet und ständig abknickt, wenn er mal richtig zustoßen will?"
"igitt."
"komm erzähl, sowas hattest du doch bestimmt schon mal!"
"nein. nicht in dem format. nur in der konsistenz."
"jetzt erzähl doch mal!"
"nein, du bist ein weichei, du schläfst dann bloß wieder schlecht, weil du angst vor chronischer peniserschlaffung bekommst."
"dann sind wir uns also einig, dass ich zufrieden sein darf?"
"hm. ich würde da noch eben einen test durchführen wollen. anschließend kann ich dir gern ein schwanz-zertifikat ausstellen: solid as a rock."
"gilt das dann für länger oder ist das nur ein interimszertifikat?"
"maximal für drei tage, danach muss der test mit unterschiedlichen messinstrumenten wiederholt werden."
"dann fang doch mal an."
"jetzt? sofort?"
"klar. sonst werden wir ja bis morgen früh nicht fertig."


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