Donnerstag, 26. Mai 2016

elf grad, nieselregen

nach der arbeit radle ich zum luxus-mann. wir essen, trinken wein und sitzen dann auf der couch und hören musik. ich bin zunehmend irritiert, denn ich habe auf einmal ein merkwürdiges gefühl. distanz. trauer. und ein undefinierbares misstrauen.
"ist was", will der luxus-mann wissen.
"ich weiß nicht. irgendwas ist anders."
der luxus-mann lächelt:
"ich bin wie immer. aber dein köpfchen rattert. das seh ich."
der luxus-mann wartet auf eine antwort, aber ich bleibe stumm.
"erzählst du mir jetzt nichts mehr?" hakt er nach.
ich seufze genervt.
"ich hab keinen bock, dich mit kompliziertem kack vollzulullen. außerdem ist das nur son eindruck."
"na gut."

"und? was machen wir jetzt", will der luxus-mann wissen, als er die reste des abendessens in die kühlschrank räumt und die teller in die geschirrspülmaschine stellt.
"ficken", sage ich.
"das sowieso."
"wieso sowieso? ich kann auch nach hause gehen", sage ich gereizt.
"du sollst aber nicht nach hause gehen", erwidert der luxus-mann ganz entspannt.
"vielleicht wäre das aber besser."
"nein."
"so viel vorhersehbarkeit ist doch zum kotzen."
ich provoziere jetzt ganz bewusst, doch der luxus-mann lässt sich nicht aus der ruhe bringen:
"kann doch auch ganz geil sein. vorfreude und so?"

ich merke, wie mir die verzweiflung die kehle zuschnürt. ich schlucke an aufsteigenden tränen, während der kopf sagt, yeah, rumzicken, das ist ja nun mal so richtig sexy! mach dich lächerlich! mach dich unbeliebt!
mein herz klopft dumpf und laut. im kopf baut sich schmerzhaft druck auf und ich habe das gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. meine medikamente, fällt mir dann plötzlich zu meiner erleichterung ein. ich hab doch meine pillen in der handtasche!
"ich möchte keinen wein mehr", sage ich entschlossen, "nur ein wasser."
"seit wann das denn?"
"ich muss noch meine medikamente nehmen."
"jetzt?"
"warum denn nicht?"
"ich finde das scheiße, wenn du dich zuknallst."
"wieso? du machst den wein leer und ich versuche, ein chemisches gleichgewicht in meinem kopf herzustellen. was ist das problem?"
"finde ich nicht gut, dass du die ganze zeit so ein hammerzeug schluckst."
"ist es dir lieber, wenn ich austicke?"
der luxus-mann grinst.
"ich habe dich ja noch nie so erlebt."
"kannst du gern haben. macht spaß. bin ich wieder jemanden los danach."

ich nehme eine der kleinen weißen tabletten, lehne mich zurück und warte, dass sich die anspannung lichtet. der luxus-mann streckt vorsichtig die hand nach meinem oberschenkel aus.
"oh, ein versuchtes verführungsmanöver", spotte ich.
der luxus-mann zuckt zurück.
"du kennst mich. ich bin halt eher... kühl. obwohl ich wahrscheinlich tief drin ein ziemlich emotionaler mensch bin."
"stört dich das nicht selber?"
"hab mich so damit arrangiert, weißte. werfen mir aber viele vor, diese kälte nach außen hin. kommt aber aus meiner kindheit. umarmen und sowas, das war bei uns nicht angesagt. oder gefühle zeigen. jeder hat seine sorgen mit sich selber ausgemacht. ich denke mal, deshalb bin ich so wie ich bin."
"ich kenn das, mein vater ist auch recht distanziert."
"bei dir hält sich das mit der körperlichen zuneigung auch in grenzen, was? aber wenigstens reden wir ziemlich viel über so emo-kram, finde ich."
"du bist da sehr offen."
"dafür sagst du umso weniger."
"ich bin halt vorsichtig. sonst kann ichs gleich in die bild-zeitung schreiben."
"versteh ich total bei deiner problematik."

wir sitzen noch eine weile herum, die beine verschlungen, und starren in die flackenden kerzen, die der luxus-mann anlässlich meiner besuche immer großzügig im raum verteilt. dann stehe ich auf und zerre den luxus-mann an seinem hosenbund in richtung bett.
"ficken?"
"sicher?"
"das ist die einzige form von körperkontakt, die du heute von mir erwarten kannst."
"das ist aber doch eine sehr akzeptable form."
"dann komm. eine zweite einladung gibt es nicht."

und während ich mich ficken lasse, starre ich dem luxus-mann über die schulter aus dem fenster.

draußen nieselregnet es bei elf grad.



8 Kommentare:

  1. Als wäre das Wetter extra dafür arrangiert worden.

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  2. Beim Sex über die Schulter starren ist für beide Parteien unfair, finde ich.

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    1. ich finde es noch irritierender, wenn jemand die augen zumacht. dann denk ich immer, er/sie denkt an wen anderes. oder an den job oder die letzte handyrechnung oder was sie/er später noch einkaufen will. dieses problem umschiffe ich, indem ich selber die augen zumache.
      ich glaube, ihm ist meine innere abwesenheit nicht negativ aufgefallen. er ist da recht robust.

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    2. Ja, kann ich nachvollziehen. Solange du da auch robust bist... :) (Also, im Bezug auf deine eigene innere Abwesenheit)

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    3. ich hab das gestern noch mal angesprochen, weil er wissen wollte, warum und wieso das dann bei mir mit der stimmung so ist und wie sich das genau anfühlt und ob das was mit ihm zu tun hat, aber er meinte, es war ok so für ihn. ich habe noch mal nachgehakt, weil ok für mich nicht "schön" heißt, aber er ist da der typische fischkopp. ein simples "jo" bedeutet da schon einen begeisterungssturm.
      ich mach mir da jetzt auch keine weiteren gedanken. es ist ne fickgeschichte auf zeit, und wenns gut läuft, sind wir irgendwann einfach freunde, denke ich.

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  3. Welche Medis nimmst du, wenn ich fragen darf?

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  4. escitalopram seit 4 jahren und bei bedarf seroquel und tavor.

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