Samstag, 13. Juli 2024

befreiungsschlag

als ich gestern schon wieder verzweifelt und den tränen nahe im büro saß und zu arbeiten versuchte, nachdem mir erneut wichtige informationen vorenthalten und sogar falsche zugespielt und infolge dessen mein entsprechend fehlerhafter entwurf für die neue website in der luft zerrissen worden war, rief mich der chef zu sich.

wie es denn geht, wollte er wissen. schlecht, sagte ich, es ist immer dasselbe und es wird zunehmend schlimmer, da die angriffe durch mein team mehr und mehr auf persönlicher ebene erfolgen und ich das inzwischen als mobbing empfinde. der chef nickte wissend, er kannte die gegenseite natürlich bereits von meinem team, das wohl regelmäßig über mich herzog.

"mit den anderen beiden teams ist alles fein, das läuft, da darf ich nicht klagen", ergänzte ich, "einige setzen sich sehr für mich ein in der aktuellen situation und haben sogar die teamleitung darüber informiert, wie unfair ich behandelt werde. aber die zusammenarbeit mit meinem team ist wirklich eine qual, und innerhalb dieses unternehmens wechseln kann ich ja nicht. jeder rät mir entsprechend zu gehen. ich habe auch bereits angefangen, mich anderweitig zu bewerben."

der chef überlegte und schlug dann vor, meinen vertrag zu kündigen. er sah mich dabei so vorsichtig an, als müsse er gleich vor einer hochemotionalen reaktion in deckung gehen. aber alles, was ich empfand, war grenzenlose erleichterung - und ich stimmte zu. nur weg, einfach weg! sich dieser beständigen herablassung und demütigung bloß nicht mehr aussetzen müssen!

"gut", meinte der chef. "ich kann ja nichts negatives über dich über dich sagen. daher habe ich überlegt, ob nicht eine andere, soeben freigewordene stelle zu dir passen könnte." er fasste kurz zusammen: bildungsbereich, pionierarbeit, mehr projektleitung, weniger marketing. es hörte sich hochspannend an, passte aber strenggenommen nicht auf mein profil. ich verwieß auf dieses qualifikationsdefitzit, aber der chef meinte, er würde mich trotzdem vorschlagen, wenn ich interesse hätte - immerhin sei er dort im vorstand. also erlaubte ich ihm, dass er meinen lebenslauf an die hr-abteilung dort senden dürfe. ich rechnete mir rein fachlich keine großen chancen aus, aber wenn der chef an mich glaubte und sich so für mich einsetzte, würde ich ihn natürlich auf keinen fall daran hindern.

"hast du eigentlich noch resturlaub?" wollte der chef dann wissen. "den kannst du natürlich noch nehmen, der steht dir ja zu."

wir rechneten durch und stellten fest, dass ich - zahlreicher überstunden sei dank - im prinzip direkt gehen konnte. "das ist doch jetzt gut so, dann musst du dich jetzt auch nicht mehr mit den anderen herumärgern. soweit ich das richtig verstanden habe, ist das hier für dich kein großes vergnügen", schmunzelte der chef. "mach einfach deine übergabe und reiche das urlaubsformular ein, meine mündliche freigabe dafür hast du." "ich bin in der tat dankbar für jede stunde, in der ich nicht mehr mit meinem team zusammen sein muss", erwiderte ich frank und frei.

jetzt habe ich also einen langen spontanurlaub. und bin bald arbeitslos. aber kein bisschen träurig für den moment. ich werde durchatmen, neue möglichkeiten sondieren, mich währenddessen möglichst intensiv fortbilden - und auf bessere zeiten hoffen.

12 Kommentare:

  1. Nimm dir Zeit. Nachdem ich das alles verfolgt habe, ist das tatsächlich the best case. Schön dass es noch so empathische Vorgesetzte gibt. Mach weiter so und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.
    Passt vielleicht ganz gut ...

    https://www.youtube.com/watch?v=BIaS7BJZBBU

    Fühl dich gedrückt ...

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    1. danke. ja, vor allem muss ich mir klarwerden, ob ich weiterhin im marketing bleiben will. bedeutet in der regel bloß oberflächen-polieren, damit reiche betrügerfirmen noch reicher werden. mein job jetzt war auf den zweiten blick auch nur greenwashing.

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  2. Uff. Diese Zeiten werden kommen! Alles Gute für dich, geniess das Durchatmen. Liebe Grüße von Oka

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  3. Bin mit dir sehr erleichtert. Einzelne können einem das Leben echt schwer machen! Guten Chef scheint das Unternehmen zu haben. Und warum nicht was anderes machen? Aber erst mal durchatmen!

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    1. blöd ist jetzt wieder, dass ich das erst verknusen muss. das ist jetzt der vierte fall von mobbing in meinem leben. adhs-mädchen bzw. frauen neigen dazu, hab ich neulich gelesen. hab angst, dass es wieder passiert.

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    2. Echt? Das ist auch im Zusammenhang mit ADHS? Wo kann ich was darüber lesen? (Steht bei mir auch - sehr spät - im Raum und ich vermute/befürchte das stimmt. Und Mobbing habe ich auch öfter erfahren. Inzwischen habe ich die Ahnung, dass das im Startup IT Umfeld häufig besser ist. Oder eben selbständig.) Ich drücke dir die Daumen. Wirklich wichtig: erholen!

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    3. hier ein artikel zu mobbing bei adhs: https://link.springer.com/article/10.1007/s15014-019-1715-4

      ich wurde in der grundschule von einer jungs-gang fast täglich verprügelt, später auf dem gymnasium ausgeschlossen und gehänselt (was mir eigentlich nicht so schlimm vorkam, da mich meine klasse so nullkommanull interessierte und ich da auch gar keine freunde finden wollte). im volo hatte ich eine mobbende vorgesetzte (die mobbte allerdings alle, ich hatte nur das pech, dass ich viel mit ihr zusammenarbeiten musste)... und jetzt nach 16 jahren passiert es wieder. jetzt, wo ich dachte, ich hätte das irgendwie hinter mir.

      weibliche adhs-patienten sind als kind wohl oftmals überangepasst, weil sie auf diese weise mit viel mühe verbergen wollen, dass sie nicht so schnell und perfekt sind und ihnen immer wieder peinlich fehler passieren. ich selbst war eine träumerin ohne selbstvertrauen, ungeschickt, ängstlich, ohne geschwister auf keinerlei konflikte trainiert. darüber hinaus war ich nett und hilfsbereit, bekam gute noten und hatte zu allem überfluss modisch einen eher eigenen style (ich hasste jeans und trug sehr mädchenhafte kleidung). also war ich das ideale opfer.
      als kind hab ich den fehler immer bei mir gesucht. ich versuchte, anders zu agieren, lustiger und frecher zu sein als mir zumute war, aber ich denke, das war keine besonders effektive tarnung. ich hätte wahrscheinlich eine gruppe gebraucht, aber ich hatte überhaupt kein interesse an anderen kindern und fand deren gesellschaft meist todlangweilig. ;-)

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    4. Oh danke. Ja, da erkenne ich einiges wieder ...

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  4. ... kratz etwas Geld zusammen und sei ´mal ´ne Woche allein — woanders.
    Um alles(!) loslassen/vergessen zu können.

    Gruß
    Jens

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  5. ... vergessen — hier der Soundtrack dazu.
    https://www.youtube.com/watch?v=Yy9h2q_dr9k

    Gruß
    Jens

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