20 uhr, luxushausen.
ich bin gerade von der arbeit gekommen, habe einen entspannungs-rotwein bekommen und warte mit dem luxus-mann auf den luxus-sohn, der in fünf tagen seine alles entscheidende deutscharbeit schreibt. deswegen soll ich heute noch mal mit ihm pauken.
"jetzt ist es schon wieder gleich zehn nach", jammert der luxus-mann, "der ist so unzuverlässig."
ich, die ich ständiges versetztwerden die letzten jahre als quasi-normalität zu akzeptieren gelernt habe, bin da etwas lockerer.
"der meldet sich schon, wenn was dazwischen gekommen ist."
und pling macht es - da hat der luxus-sohn gewhatsappt.
"komme so 15 nach."
der luxus-mann ist sauer.
"das ist so respektlos, der denkt echt, er tut uns einen gefallen, dabei tust du ihm doch den gefallen. eigentlich sollte ich ihm sagen, er kann sich mal gehackt legen. dann fällt er halt zum zweiten mal durchs abi."
"jetzt provozier bitte keine krisen, ich muss nachher noch mit ihm lernen! dann ist er total demotiviert und macht dicht!"
"na gut, kannste recht haben. dann meckere ich ihn danach an."
"am besten wäre, wenn du ihn erst nach der deutscharbeit nächste woche anmeckerst."
"von mir aus."
20.20 uhr, kein luxus-sohn.
der luxus-mann ruft an: "wo bleibst du, wir warten hier auf dich!"
murmelmurmel am anderen ende der leitung.
"was soll das heißen, du musst noch was essen?!" wird der luxus-mann nun doch lauter. "wenn man um 20 uhr einen termin hat, ist man auch um 20 uhr da, da wird nicht erst noch gegessen, das hättest du auch vorher erledigen können!"
murmelmurmel.
"du bewegst jetzt auf der stelle deinen hintern hierher!" lässt der luxus-mann offensichtliche einwände seines sohnemanns nicht gelten.
20.48 uhr. der schlüssel knirscht im schloss. dann steht der luxus-sohnemann mit döner in der hand kauend vor uns. das bringt das fass zum überlaufen.
"du bist fast eine stunde zu spät, hast du dir mal überlegt, wie das für uns ist, wir haben den ganzen tag gearbeitet und jetzt warten wir auf dich und sollen dir auch noch was beibringen, und du behandelst uns so respektlos! mein geld kannst du nehmen, aber respekt bringst du keinen dafür auf!"
"ich bin dir doch sowieso egal", sagt der luxus-sohn daraufhin trotzig zu seinem vater.
"außerdem musst du mir nichts beibringen, sondern die morphine! du kannst das gar nicht, du hast doch nicht mal abi! du weißt doch gar nicht, worum es geht, das interessiert dich alles nicht!"
ich bekomme ein stechendes brennen in der brust. wie oft hatte mir mein vater, der ebenfalls kein abi hat, vorgeworfen, meine talente oder vielmehr sein geld zu verschwenden, woraufhin ich mir nur dachte: was kann ich dafür, dass ich auf der welt bin, ich hab das nicht gewollt, hätteste dir doch so ein perfektes balg im labor züchten lassen, wenn es dir nicht passt, dass ich bin, wie ich bin und wer ich bin und meine eigenen wege gehe. heute kann ich ihn ein bisschen besser verstehen, weiß, wie sorge in wut umschlagen kann und dass nicht alles so ankommt wie es gemeint ist, weil es manchmal schwer ist, die richtigen worte zu finden. ich fühle mich in der situation dennoch ziemlich hilflos, kann weder für die eine noch für die andere seite partei ergreifen, sondern frage irgendwann mitten in die auseinandersetzung hinein:
"können wir dann mal?"
"dann zeig mal der morphine deine ergüsse, ich bin gespannt", sagt der luxus-mann spöttisch.
"dir zeige ich sie schon mal nicht", gibt der luxus-sohnemann zurück. "ich zeig dir auch meine arbeit nicht, nicht mal, wenn sie gut wird."
die stimmung ist zum zerreißen gespannt, als wir uns an den rechner setzen und der luxus-sohn seinen aufsatz ausdruckt.
dann beginne ich zu lesen, während der luxus-sohnemann neben mir sitzt und seinen döner verdrückt.
"du schreibst gar nicht mal schlecht", muss ich erstaunt zugeben. der aufsatz ist zusammenhängend und flüssig geschrieben, keine bezugs- und grammatikfehler, gute bis sehr gute orthografie, lediglich ein einziger komma-fehler, der mir spontan auffällt.
"danke, das hör ich gern", sagt der luxus-sohnemann höflich.
der luxus-mann hat sich in den raum geschlichen.
"wäre das dann schon eine drei?" will er von mir wissen.
"hm", sage ich. "das ist recht kurz. inhaltlich geht es nicht sehr weit in die tiefe, da müssen wir noch ein bisschen ausbauen. aber für eine vier könnte es schon reichen. kommt auch immer auf den klassendurchschnitt an, sozialnorm und so spielt immer in die bewertung mit rein. aber so von der schreibe her... sehe ich keine probleme, dass dein sohn nicht ausdrücken könnte, was er weiß."
"und das ganz ohne dass er bücher liest", sagt der luxus-mann giftig.
"da siehste mal", sagt sein sohn.
"ich bin da ganz ehrlich, ich mein, es ist jetzt kein bombenaufsatz, aber da hab ich schon schlechteres gelesen. der stil ist ok - und eine sichere rechtschreibung ist immer ein vorteil. was noch besser werden müsste, ist dein epochenwissen und dass du deine eindrücke mit den fachbegriffen benennen kannst. ich meine, im zweifelsfall ist ein eindruck besser als nichts, aber für eine drei musst du dir die fachbegriffe draufschaffen und glasklar sagen, das ein xyz und zwar wegen blabla. these, argument, beispiel."
der luxus-sohn nickt. immer wieder bin ich überrascht, dass er sich mir gegenüber so kooperativ verhält.
ich gehe mit ihm den aufsatz durch, erkläre anhand der einzelnen punkte, was mir fehlt und warum, dann philosophieren wir noch ein bisschen über die epoche. die stimmung entspannt sich langsam, besonders als der luxus-mann mit dem gras-beutel den raum betritt und fragt, wer heute einen dreht.
22.30 uhr. wir sitzen auf dem balkon, frieren und kiffen zu dritt.
"morgen kriegst du eine neue aufgabe, die besprechen wir dann am wochenende", sage ich. "schaffst du das?"
der sohnemann nickt.
"aber nicht wieder eine stunde zu spät sein!" mahnt der luxus-mann.
"dann lass uns vorher zum sport gehen", sagt der sohn zu seinem vater. "wenn du mich dann mit zurücknimmst, kann ich mich ja schlecht verspäten."
"in ordnung", sagt der luxus-mann.
als der sohn an der tür steht und sich verabschiedet, ist von der auseinandersetzung nicht mehr viel zu spüren.
"nehmt euch mal in die arme", tippe ich den luxus-mann an.
"nee, sowas machen wir nicht, wir sind doch männer", lehnt der ab.
"ihr seid lebendige klischees", erwidere ich und lache.
der luxus-sohnemann gibt mir artig die hand, dann hüpft er die treppen hinunter.
nun bin ich gespannt aufs wochenende.
Und ganz wahrscheinlich hat der Luxusmann ähnliches Zuhause erfahren und leider vergessen. Mich schmerzt sowas schon beim Lesen, wäre ich dabei gewesen, der Luxussohn hätte wohl das erste mal gesehen, dass sein Vater ganz klein mit Hut werden kann, bei sowas kann ich mich nicht beherschen (außer es geht um mich, da kommt die KarnickelvorderSchlangeStarre)
AntwortenLöschensagen wir mal so, im anbetracht dessen, wie der luxus-mann aufgewachsen ist,ist es ein wunder, dass er überhaupt kinder großgekriegt hat. bei der kleinen versucht er es auch besser zu machen.
LöschenDas freut mich für beide
Löschenam samstag war seine tochter voll auf kuschelkurs. das hat ihn unheimlich gefreut, weil die kleine sonst oft jammert und sagt, ich will nicht zu papa. das versteht er nicht, denn eigentlich haben sie zusammen schon spaß, auch wenn es für ihn immer ein dauerbetüddel-programm bedeutet.
Löschenaber am samstag waren sie bei einem luxus-kumpel zum essen eingeladen und das war wohl richtig gut.
Beste (schönste) Geschichte bisher
AntwortenLöscheninteressant. danke! :)
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