Sonntag, 13. März 2016

die kaugummi-affaire

in meinen wilden zwanzigern hatte ich eine sporadische affaire mit einem herrn aus übersee. er war schon etwas über die 40, hatte aber dank regelmäßigen rudertrainings einen ausgesprochen respektablen oberkörper, und darüber hinaus einen ausgesprochen respektablen schwanz inklusive eines wuchtigen gehänges.

wir hatten uns bisweilen für den ein oder anderen abend verabredet, wenn er beruflich in deutschland zu tun hatte, doch irgendwann war er einmal länger in der stadt und hatte ein ausgesprochen repektables hotel gebucht. da mich in meiner damaligen naivität pomp und circumstances noch beeindrucken konnten, sagte ich begeistert zu.

wir verbrachten den abend wie viele abende, nämlich zunächst bei einem essen in einem ausgesprochen respektablen restaurant und hernach an der hotelbar bei zwei, drei ausgesprochen respektablen drinks.

auf dem zimmer dann krallte ich mich nackt in die gestärkten weißen laken und beobachtete amüsiert, wie wir das himmelbett zum wackeln brachten. hinterher kroch ich in frisch gevögelter seligkeit in seinen arm. es folgte die obligatorische zigarette danach, dann begab ich mich ins badezimmer, um zähne zu putzen.

als ich das zimmer wieder betrat, schlief der mann bereits. das konnte ich im gedimmten licht zwar nicht sehen, aber deutlich hören: er schnarchte wie ein ganzer trupp adipöser langzeitalkoholiker. jedesmal, wenn er ausatmete, klang es wie ein geplatzter lkw-reifen, der langsam seine luft verlor.

in mir machte sich panik breit: wie sollte ich denn da bitte schlafen können? schließlich musste ich am nächsten morgen arbeiten und hatte am nachmittag noch zwei seminare an der uni. ich musste mir dringend etwas einfallen lassen.

zunächst versuchte ich den klassiker. ich stupste den mann an und bat ihn, sich umzudrehen, was er sofort und ohne zu zicken tat. der erfolg der maßnahme war wie erwartet sehr kurzfristig - nach etwa einer minute war das sägwerk wieder in vollem gange.

was nun? ich könnte kissen und bettdecke nehmen und mich ins badezimmer verziehen und neben das wc gekauert auf dem boden schlafen, was ich sogleich wieder verwarf, zudem mir einfiel, dass der mann als selbsternanntes alphatier passionierter stehpinkler war. dann kam mir die rettende idee: ich musste nur etwas finden, was sich zu ohrstöpseln umfunktionieren ließ!

das erste, was mir in die hände fiel, waren taschentücher. diese ließen sich zwar super formen und fühlten sich im ohr auch halbwegs komfortabel an, aber sie filterten keinen schall. zeitungspapier schnitt erwartungsgemäß ähnlich schwach ab. schließlich kam mir ein alter sketch von mr. bean in den sinn. mr. bean hatte, um sich auf einer bahnfahrt vor dem markerschüttendem gelächter seines mitfahrers zu schützen, kaugummi in die ohren gesteckt. ob das wirklich half?

trotz ekels entschloss ich mich, es zu versuchen und kramte in meiner tasche nach meinen kaugummis. ich entnahm der packung erst einen, dann zwei streifen und kaute sie eine weile, bis sie sich gut zu einem pfropf formen ließen. dann steckte ich mir diesen ins ohr. und oh wunder - das kaugummi entpuppte sich als ein hervorragender schalldämpfer! also kaute ich noch zwei streifen für das andere ohr zurecht, friemelte das klebrige zeug in den gehörgang und ließ mich dann entspannt in die kissen sinken.

mitten in der nacht wurde ich wach. keineswegs vom schnarchen meines bettgenossen - sondern weil ich am kissen festklebte. entsetzt schreckte ich hoch: das kaugummi im rechten ohr hatte sich unter der wärme am ohr offenbar etwas verflüssigt und sich in meine haare verschmiert, welche nun am kissen pappten.

ich löste meine haare vorsichtig von meinem nun intensiv nach süßlicher minze riechenden kopfkissen und beschloss, mir für den rest der nacht lieber das geschnarche anzuhören, als weiter kaugummibedingt in fremder bettwäsche festzukleben.

ich ging ins bad, machte licht an und nahm dort erstmals die bescherung in ihrem ganzen ausmaß wahr: meine haare um das rechte ohr herum waren komplett mit weißen kaugummifäden verklebt. auch links hatte der prozess bereits eingesetzt. igitt!

ich versuchte nervös, mir das kaugummi aus dem ohr zu fummeln. mit großem schrecken stellte ich jedoch fest, dass das zeug so weich geworden war, dass es sich immer weiter in den gehörgang hineinschob. ich würde an kaugummi ertauben! und überhaupt, wie sollte ich das alles am nächsten morgen meinem lover erklären?

auf dem waschbecken fand ich schließlich ein kleines hygiene-set, in dem sich auch wattestäbchen befanden. sehr vorsichtig begann ich, mit einem wattestäbchen kaugummifäden aufzuwickeln - ähnlich wie beim zuckerwatte-machen. irgendwann hatte ich es dann geschafft. das kaugummi war größtenteils aus meinem ohr entfernt. ich tränkte ein handtuch mit warmem wasser und begann, meine völlig verklebte ohrmuschel zu schrubben. dann folgte das procedere auf der anderen seite.
eine halbe stunde später kroch ich entnervt zurück ins bett. ich wendete mein klebriges minze-kopfkissen und versuchte mich in einer art dämmerschlaf, während mein lover weiter im tiefen koma schnarchte.

ich war anscheinend doch irgendwann weggepennt, denn ich erwachte von einem kuss. ich öffnete die augen und blickte ins gesicht meines lovers, der die stirn in kritische runzeln gelegt hatte.
"was is?" wollte ich wissen.
"was hast du denn mit deinen haaren da gemacht?" fragte der mann und zupfte an den strähnen an der rechten seite.
"nüx", sagte ich verschämt.
"da ist so weißes zeug drin... und das klebt..."
der mann beugte sich über mich und schnupperte vorsichtig.
"das ist kaugummi!"

verdammt, er hatte es gemerkt.
"wie kommt denn kaugummi in deine haare, das war doch gestern abend noch nicht?"
"keine ahnung", log ich und hoffte, dass es damit gut war.
"hast du dich hier irgendwo in kaugummi reingelegt?"
"ja nee, ist doch egal jetzt, ich wasch die einfach, dann ist gut", beschwichtigte ich meinen lover.
"das ist ein teueres hotel hier, das geht nicht, wenn es hier nicht sauber ist", fand der mann.
"ich geh mal zähneputzen", flüchtete ich schnell aus dem bett.

als ich das zimmer wieder betrat, war mein lover weiter auf spurensuche gewesen und hielt mir mein kopfkissen unter die nase:
"da! da ist kaugummi am kopfkissen!"
ich versuchte, mich unbeeindruckt zu zeigen:
"na und? kann doch mal passieren!"
"in einer billigen absteige vielleicht, aber doch nicht in einem fünf-sterne-hotel!"
"jetzt entspannt dich mal", nörgelte ich. "ich will jetzt frühstücken. du nicht?"
"erst gehe ich mich beschweren!"

auweia! ich stellte mir vor, wie die beschwerde des mannes die kündigung einer unterbezahlten, im akkord arbeitenden reinigungskraft zur folge hatte. die dann kaum arbeitslosengeld bekommen und ihre kinder nicht mehr durchbringen können würde. und ich war schuld!

"hör mal..." setzte ich an.
"was denn?"
"ich war das. du hast so arg geschnarcht und ich hatte keine ohrstöpsel mit. da hab ich halt kaugummi genommen."
der mann starrte mich an, als hätte ich nicht alle tassen im schrank:
"du hast dir kaugummi in die ohren gesteckt?!"
ich nickte kleinlaut.
der mann brach in hysterisches gelächter aus, nur um dann festzustellen:
"das ist doch total eklig! und... total verrückt!"

beim frühstücken betrachtete mich der mann immer wieder mit sehr kritischen bis amüsierten blicken, sodass ich anders als sonst sehr froh war, als unser gemeinsamer aufenthalt schließlich endete und ich das hotel verlassen konnte. zuhause wusch ich erstmal haare - mehrfach, denn kaugummi lässt sich mit einem normalen shampoo nur sehr schwer entfernen, wie ich feststellen musste.

in den monaten danach rief der mann noch einige male an, um mich für sextreffen zu motivieren. in erinnerung an die kaugummi-affaire sagte ich allerdings jedes mal ab, bis er dann irgendwann aufgab.
bis heute achte ich peinlich darauf, bei sämtlichen overnight-sexdates ohropax bei mir zu haben. frau kann ja nie wissen.






4 Kommentare:

  1. Absolut genial. Solche Geschichten hört man viel zu selten!, und dann denkt man, sie passieren nur einem selbst!

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  2. Grossartig :)

    Ich habe noch nichts gefunden, was wirklich hilft. Die Matratze und das Bettgestell uebertragen immer noch so viel Schall direkt in den Schaedelknochen, dass selbst Ohropax fuer mich machtlos ist.
    Da helfen echt nur getrennte Betten.

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    1. es ist wirklich nicht einfach, besonders wenn jemand nicht gleichmäßig schnarcht. vielleicht könnte mal jemand anti-schnarch-matratzen erfinden, also solche, die den schall nicht leiten. die würden weggehen wie die warmen semmeln.
      ansonsten benutze ich gern die cord max ohrstöpsel. die reichen sogar oft gegen meine singenden muslimischen nachbarn aus.

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danke für deinen kommentar. ist er hilfreich, fair und sachlich, wird er nach freischaltung veröffentlicht. kontextfreie, rassistische und sonstige arschloch-scheiße wird sofort gelöscht.