Freitag, 25. März 2016

objektiv vergessen

irgendwann passiert es immer. diesmal so schleichend, dass es mir kaum aufgefallen wäre. und das, wo ich doch sonst meine sinne so aufmerksam auf mein potenzielles vergessen richte. ein vergessen, das ich auch provozieren kann, indem ich bewusst andere reize über den zu vergessenden lege. was meist nicht funktioniert, aber sie wissen ja, die hoffnung stirbt zuletzt.

ich habe zunächst mit absicht nicht mehr über das objekt geschrieben. weil ich der kommentare dazu so überdrüssig war wie meiner eigenen gedanken. und dann, weil es einfach nichts zu berichten gab. keine begegnungen, die einer goldwaagigen analyse bedurften. ich habe alle orte, an denen sich das objekt aufhalten könnte, gemieden. kein ausgehen mehr in den einschlägigen clubs. die klinik durch den nebeneingang betreten, wenn sein fahrrad vor der tür stand. weggesehen, nicht aufgesehen, für den fall aller fälle. einen weiten bogen um seine wohnung gefahren, wenn ich in diese gegend musste. es schien fast unabsichtlich zu passieren. ich habe nicht darüber nachgedacht. zu keinem zeitpunkt beschlossen: DU SOLLTEST DAS JETZT ABER MA LASSEN, verdammte axt.

es war ein wenig wie damals, als ich auf einem jahrmarkt meinen ersten helium-luftballon bekam. blau. meine lieblingsfarbe. doch die schnur rutschte mir durch meine ungeschickten kinderhände, und der ballon flog davon. lange habe ich dem immer höher sich entfernenden ballon zugesehen, ungläubig, schockiert, viele minuten in der hoffnung, der wind könnte ihn wieder zu mir zurücktreiben. tagelang ging ich die straßen in der gegend ab und hoffe, meinen ballon wieder zu finden, in den ästen eines baumes verfangen. doch nichts. irgendwann vergaß ich den ballon. das leben ging weiter.

was das objekt betrifft, habe ich sehr lange geglaubt, dass das leben nicht weiterginge ohne diesen menschen. man kann nicht ohne jemanden leben, der einen so gekannt hat, so erkannt bis in den letzten winkel der scham. jemanden, dem man sich nicht offenbaren musste, weil er schon alles wusste. jemanden, dem man alles sagen konnte, weil man sich zu jedem zeitpunkt verstanden und angenommen fühlte. jemanden, den man dieses verstehen und annehmen tatsächlich zutraute und vor allem: ERLAUBTE.

es scheint mir, dass etwas in mir inzwischen dieses ende will. etwas, das kein teil meines bewusstseins ist, das mich von jeher vor dieser verhängnisvollen affaire gewarnt hatte. sondern ein teil des unbewussten, der tatsächlich einfluss auf mein gefühlsleben hat. ein anderer teil des unbewussten hat sich einen heiligenschrein der innerlichkeit gezimmert, vor dem er täglich kniet und die erinnerung anbetet. aber diese gebete werden kürzer, weil der andere teil, der vergessende, wächst. und die erinnerung bleicht. jeden tag ein klitzekleines bisschen.




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