Mittwoch, 24. September 2025

lost monday

am montag stand ich zeitig auf, da ich einiges vorhatte: ich wollte mit der bahn richtung heimat fahren, um am vormittag des folgetages einen notar-termin wahrzunehmen. vor meiner abreise am frühen nachmittag musste ich jedoch unbedingt noch ein rezept sowie ein einschreiben abholen.

meine erste station war die arztpraxis, wo ich bereits in der vorwoche extra per mail um ausstellung des rezepts pünktlich zum montag gebeten hatte - mit hinweis auf den auswärtigen notar-termin am anderen ende deutschlands und die bestehende absprache mit meiner ärztin.

die sprechstundenhilfe guckte allerdings autos, als ich am tresen stehend mein sprüchlein aufsagte. es sei kein entsprechender auftrag im system angelegt, hieß es. ich wiederholte, was in meiner e-mail gestanden hatte und bat um nachfrage bei meiner ärztin. "frau doktor ist im urlaub", teilte man mir mit. meine anfrage sei wohl "im computer untergegangen". vor meinem geistigen auge sag ich eine nemesis-welle aus nullen und einsen über die festplatte schwappen.

"und nun?" insistierte ich. tja, da wisse man jetzt auch nicht so recht. ob ich nicht morgen wiederkommen könne und dann.... nein, sagte ich, da sei ich schon weg. nur deshalb hätte ich auch so einen aufstand per e-mail gemacht, dass ich mein rezept unbedingt MONTAG brauche. 

zum glück kam uns die etwas erfahrenere kollegin der sprechstundenhilfe zuhilfe, die mich mit ihrer sanften schlaflied-stimme fragte, ob es ok wäre, wenn sie den wisch per reitendem boten schicken. ich könne ja die adresse meiner eltern sowie 95 cent für den ritt  hinterlegen. immerhin gibt es lösungsorientierte menschen in analog-absurdistan, dachte ich. also schnell die adresse auf einen zettel gepinnt und dann ab richtung postfiliale, um mein einschreiben zu holen.

auch bei der post standen alle zeichen auf pleiten, pech und pannen: man glotzte verdächtig lange und ahnungslos auf meinen einschreiben-abholschein. dann wanderte das kärtchen durch die hände diverser kollegen, die ratlose blicke tauschten. endlich schlufte einer ins lager und suchte, danach kamen noch zwei hintendrein. nach mehreren minuten erfolglosen wühlens teilte man mir mit, man könne leider kein einschreiben an mich finden. mr. murphy kicherte indes hörbar im hintergrund.

als ich gegen mittag zuhause war, packte ich schnell meinen koffer und guckte dann in meiner bahn-app nach potenziellen verspätungen und gleisänderungen. immerhin hatte ich seit zwei jahren keine einzige reise mit weniger als 30 minuten verspätung erlebt. 

diesmal jedoch erwartete mich nicht das übliche mittlere ungemach, sondern eine wahre horror-botschaft: wegen eines oberleitungsschadens würden heute zahlreiche züge ausfallen und immense verspätungen auftreten. ich hoffte noch für drei sekunden, dass der oberleitungsschaden eine der 3865294 anderen strecken in deutschland betraf. doch in der tat war meine MEINE verbindung beeinträchtigt. 

mein zug war zwar einer der sehr wenigen, die laut app nicht ausfielen und nur auf unendlich langen umwegen umgeleitet würden. doch ich kannte ja mr. murphy: er würde mich noch ein weilchen in falscher sicherheit wiegen - aber eben nur, um anlauf für den finalen arschtritt zu nehmen. kurz vor knapp hieß es dann tatsächlich: "verbindung fällt aus, hihi, bleib zuhaus!". 

ich recherchierte verzweifelt alternativen und vor allem verlässliche informationen zur dauer der reparaturarbeiten. zunächst lauteten die angaben hierzu: "bis zum nachmittag", wenig später aber: "bis mindestens zum abend".

ich überlegte: sollte ich eine der sehr wenigen, vermutlich hardcore überfüllten züge am späteren abend nehmen? dann würde ich den notar-termin noch schaffen. allerdings änderten sich bei diesen verbindungen minütlich abfahrtzeiten und die anzahl der hineingewürfelten zwischenhaltestellen. aus meiner knapp 5-stündigen fahrt würden auf jeden fall 6,5 bis 8 stunden werden, so viel stand fest. laut fahrplan würde ich am ende spätnachts irgendwo bei würzburg stranden - weiterfahrt ungewiss.

vermutlich war es also besser, bis zum nächsten tag zu warten - sofern die reparaturen bis dahin erledigt waren. ein restrisiko bestand, denn "mindestens bis zum späten abend" konnte bei der bahn locker auch "bis weihnachten 2028" bedeuten. also rief ich den notar an und bat um verschiebung des termins. wovon dieser selbstverständlich restlos begeistert war.

mr. murphy nickte indes sehr zufrieden. er hatte ausgesprochen effizient und ausdauernd daran gearbeitet, um mich heute erfolgreich in jeder nur erdenklichen hinsicht scheitern zu lassen. zur feier meiner frustration ließ er den schizo-nachbarn bis weit nach mitternacht schauer-gesänge anstimmen und krachend durch die wohnung poltern. in dieser beschaulichen geisterbahn-atmosphäre dämmerte ich hoffnungsvoll dem nächsten morgen entgegen.

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