Samstag, 21. September 2019

area 51

wie der geneigte leser weiß, versuche ich, den expandierenden stress und wabbel durch regelmäßige jogging-touren im schach zu halten. wie sie ebenso wissen, bin ich inzwischen im feudalen hamburger westen gelandet, wenn auch im eher linksökologischen und antikapitalistischen teil davon, der leidergottes wenig natur in unmittelbarer nähe bietet. nachdem ich von der schlechten luft und den vielen touris an der elbe sehr genervt war, dachte ich, ok, let´s go west. dort gibt es ja noch einige sehr hübsche parks, wo man sicherlich in ruhe seine runden drehen kann.

gesagt, getan. zunächst führte der weg über viel befahrene straßen und ich dachte mir, super, für den gesundheitlichen effekt hätte ich auch einfach eine schachtel zigaretten rauchen können. dann aber wurde es auf einmal unheimlich grün.

ab dem agate-lasch-weg dann begann area 51. die luft wurde so rein, dass es fast surrealistisch war. um mich herum nur noch dicke paläste mit mindestens 2 meter hohen zäunen, gesäumt von immensen grundstücken, in die man dank meterhoher, dichter hecken nicht hineinschauen konnte - fast so, als ob sich die reichen hier tief drin in ihrem herzen ihres reichtums schämten. die wenigen fenster, die zur straße zeigten, kunstvoll vergittert, die ästhetik macht hier auch bei der sicherheit keine kompromisse.

ich joggte meiner wege. hier gab es keine supermärkte, keine kneipen, keine öffentlichen parkplätze. es gab nicht mal menschen auf den straßen - so, als hätte man menschen aus area 51 vollständig verbannt. das einzige, was mir in regelmäßigen abständen begegnete, war der ein oder andere blitzweiße suv mit geschwärzten scheiben. es war seltsam und fast ein wenig gruselig. eine spukhafte, gar nicht mal so ferne fernrealität, wie sie einstein seinerzeit nicht wahrhaben wollte.

nach einer weile tauchte ein park vor mir auf und ich wähnte mich am ziel. ich bog auf den weg ab und wunderte mich: alles vergittert. durfte man diesen park etwa nur betreten, wenn man anwohner von area 51 war? gab es einen geheimen privilegierten-code? ich linste durch das gitter und sah plötzlich einen einsamen weißhaarigen alten herrn mit einem gefährt, das ich als golf-caddy identifizieren konnte. ich war also gar nicht im park, sondern falsch abgebogen und bei einem golfplatz gelandet.

google maps sagte mir, dass der park gleich um die ecke liegen müsste und endlich, endlich, kam ich an. auch hier gab es eisengitter am eingang, doch man kam ungehindert hinein. ein junger hundebesitzer in feinstem zwirn hielt mir sehr höflich und eilfertig die türe auf und ließ mich in meinen schäbigen tchibo-laufklamotten passieren.

drinnen war es einfach nur schön. alte bäume und verschlungene wege, ein teich, und bis auf einige hundebesitzer und ältere paare vollkommene einsamkeit. keine orientalischen familien, die auf der wiese grillten, kein spielplatz mit schreienden kindern, keine anderen jogger, radfahrer oder familienausflügler. ich nahm die kopfhörer ab. es war nahezu still - ein zustand, den man in dieser stadt sehr selten findet. am liebsten hätte ich ein zelt aufgeschlagen und wäre geblieben in diesem kleinen reservat mit den distinguierten menschen.

auf dem rückweg durch die leeren straßen fragte ich mich, was bewohner von area 51 an einem abend wie diesem wohl so in ihrem paralleluniversum machen. traf man sich in einem der paläste zur konversation über die neusten alarmanlagen, verabredete man sich für den nächsten tag zum golf im gitterpark oder wagte man sich auch mal in die minderprivilegierte welt, um in einer kneipe zu sitzen und wie in einem zoo menschen aus dem ottonormalo-universum zu beobachten?

die kluft zum durchschnittbürger musste für area 51-bewohner jedenfalls ähnlich tief sein wie für hartzer aus mümmelmannsberg - nur umgekehrt. nie zuvor war mir so bewusst geworden, wie kapitalismus zur gettoisierung in großstädten führt. ob man nun gewinner oder verlierer des systems war - die abgeschiedenheit und einsamkeit dürfte ähnlich groß sein, ob man sie nun als solche empfindet oder nicht.

"da wo du früher gewohnt hast, gibts doch auch viele villen und so", sagte der luxus-mann später zu mir.
"ja, aber das war halt die ein oder andere straße an der alster. drumherum waren doch auch viele einfache mehrfamilienhäuser und einkaufsmöglichkeiten und ganz normale kneipen. aber das... das ist wie eine komplett andere welt. so völlig abgekapselt. kein wunder, dass sich gesellschaftsschichten so total entfremden. ich finde das schade. und ungesund."
"die leute wollen das so. die wollen sich abkapseln und sich wichtiger, cooler und sonstwas fühlen. meine ex beispielsweise wollte auch immer so schick wohnen", erzählte der luxus-mann. "nachdem meine tochter auf der welt war, hat sie immer gedrängt, dass ich in so einer gegend ein haus kaufe. aber ich finde es nicht gut, wenn kinder so aufwachsen. dann werden die nachher bloß arschgeigen, die andere rumkommandieren. also meinte  ich zu meiner ex, dann kauf ich mir lieber nen maserati. da hat sie angefangen zu sagen, dass sie mich hasst."

"mir musst du kein haus kaufen. wir nehmen später einfach das von deinen eltern", sagte ich.
"dafür musste aber noch viele jahre meinen schwanz lutschen", grinste der luxus-mann. "aufs land zieh ich erst, wenn ich uralt bin."
"egal. hauptsache, wir haben dann hühner. und katzen und hunde und vielleicht ein paar schafe."
"und eine eule auf dem speicher, so wie in meiner kindheit."
"klappt doch ganz gut mit unserer zukunftsplanung jenseits von area 51."
"schauen wir mal."

4 Kommentare:

  1. Gruselig, diese gated ghettos. komplett tot. ich frage mich auch immer, wo die leute da sind. wahrscheinlich permanent im urlaub oder auf geschaeftsreise.

    Das mit den huehnern bin ich ja auch schon seit jahren am vorbereiten. spaetestens, wenn ich in rente gehe....
    katze ist ja jetzt da. hund kann, muss aber nicht, und paar schafe oder ziegen... das faende ich auch schoen. wenn wir den garten nicht in allzu ferner zukunft eher fuer die essenserzeugung brauchen.

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    1. es ist in der tat ein sehr trauriges und totes viertel, wie ein viel zu schickes museum. gucken, aber nicht anfassen.
      ich musste an gropiusstadt denken, nur in eben in extra-edel. ein getto ist ein getto ist ein getto. wer freiwillig da wohnt, muss einen argen sockenschuss haben.

      mein chef ist seinerzeit übrigens aus harvestehude weggezogen, als seine tochter ins kita-alter kam - weil er fand, dass die materialistisch-geprägten harvestehude-kids in der kita einen negativen einfluss auf sie haben. heute wohnt er ein dorf weiter von da, wo das objekt liegt. da hat mich mein fdp-wählender chef wirklich stark positiv überrascht. nach dem umzug meinte er immer, krass, in was für einer blase er in hamburg gelebt hat!

      ich brauch unbedingt katzi-bilder von dir.

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  2. Also im hiesigen Millionärsghetto sind Maserati und Hochsicherheitsvilla kein Entweder-oder.

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    1. das glaub ich sofort! ;-)
      die hamburger sind da meist etwas langweiliger, es dominieren porsche (penisprothese) und suv (dicke-eier-schaukel).

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danke für deinen kommentar. ist er hilfreich, fair und sachlich, wird er nach freischaltung veröffentlicht. kontextfreie, rassistische und sonstige arschloch-scheiße wird sofort gelöscht.