Mittwoch, 22. Februar 2017

alltag

nach rund elf monaten ist aus einer berg- und talfahrt auf glückhormonen der gemächliche singsang des alltags eingetreten, und alles wabert mittelmäßig-harmonisch vor sich hin. das ist der teil, den ich an der liebe immer als wahnsinnig langweilig empfinde und an dem ich tendenziell ausbrechen möchte.

der luxus-mann, von sich aus schon nicht besonders gefühlsbetont und eher kühl bis frostig im auftreten, hat sich nach der überraschend euphorischen phase im november und dezember wieder weit in sein emotionales schneckenhaus zurückgezogen. er ist zuverlässig an meiner seite, aber ohne einen funken begeisterung. ich muss mir meine freude an seiner zuverlässigkeit immer wieder vor augen führen, damit ich nicht gefahr laufe, mir zu sagen: der liebt dich doch gar nicht.

der luxus-mann drückt liebe über verhalten aus. mir zu helfen, an meiner seite zu sein, mich regelmäßig anzurufen, auch wenn er keine heißen liebesschwüre in den hörer säuselt, ist eben seine art zu lieben. vermute ich. und das vermute ich, glaub ich, richtig, denn es deckt sich mit seinen eigenen aussagen zum thema "so bin ich halt". diese art zu lieben erinnert mich bisweilen an meinen vater, der in meiner kindheit ebenfalls zurückhaltend im liebhaben war, aber immer eine recht ausgeprägte integrität versprühte und mir das nicht unwesentliche gefühl von sicherheit vermittelte.

trotzdem fühle ich mich insgesamt irgendwie müde und ertappe mich bei bequemlichkeiten und verstärkter eigenbrötelei. letzten samstag war ich nach über zwei monaten wieder einmal allein aus, hatte mich mit v. verabredet und noch weitere bekannte getroffen. ich habe gemerkt, dass ich mich alleine viel freier bewege und eine deutlich gesteigerte motivation habe zu tanzen, mich zu unterhalten, aus mich herauszugehen. der abend war wunderbar.

bin ich zu zweit unterwegs, hänge ich überwiegend an der seite des luxus-mannes. unterhaltungen mit dritten? wenn, eher kurz und immer mit der sorge im hinterkopf, versehentlich eifersucht zu provozieren. tanzen? deutlich seltener. als raucherin bin ich alleine immer in bewegung, raus, kippe an, kippe aus, wieder rein, und das ganze fünfmal am abend. zusammen mit dem luxus-mann, der nichtraucher ist, stehe ich drinnen herum und nippe an einem getränk. gehe ich eine rauchen, kommt er mit und wartet mehr oder minder geduldig, bis ich fertig bin. dieses aneinander angepasste pärchen-dings entspricht mir so gar nicht, obwohl ich es selbst automatisch so lebe.

während der luxus-mann überhaupt keine lust mehr hat, alleine wegzugehen, verspüre ich eine sinkende motivation, zu zweit wegzugehen. das ist nicht unbedingt typisch für mich. ich habe es früher immer geliebt, mich aufzubrezeln, für meinen mann schön zu sein und seinen stolz zu spüren, wenn wir zusammen auf einer party herumstanden. das entfällt beim luxus-mann, der mich eher als mittelmäßig attraktiv wahrnimmt und vollkommen andere optische präferenzen bei frauen hat als ich sie ihm bieten kann. auch wenn mir das inzwischen weniger ausmacht, leide ich trotzdem darunter. nicht, weil der luxus-mann es mir permanent unter die nase reiben würde, sondern weil ich von natur aus nicht das größte selbstwertgefühl besitze. das ausbleiben von bestätigung verunsichert mich. das ist zwar an sich albern, aber irgendwie nicht abzustellen.

der luxus-mann wirft mir bisweilen vor, dass ich meine freiheit in form willenlosen herumvögelns vermisse. während ich das herumvögeln in der tat so gar nicht vermisse, ist es jedoch mit sicherheit so, dass mir meine freiheit ein stück weit abgeht. ein teil von mir ist ausgesprochen gerne allein und das sogar ziemlich oft und viel. ein grund, warum ich das zusammenleben mit dem partner wie einen gefängnisaufenthalt empfinde. als ich vor zwei wochen an einem sonntag beim mittagessen zum luxus-mann sagte, "mit dir ziehe ich ja eh nicht zusammen", guckte er betreten und verstand nicht, wie ich das so pauschal ausschließen könne. "naja, wer weiß, vielleicht ja doch, in fünf oder zehn jahren, wenn wir dann immer noch zusammen sind", sagte ich vage. offen gestanden kann ich mir nicht vorstellen, dass sich meine lust aufs allein- und freisein in ein paar jahren legt.

manchmal überlege ich, warum ich vor vier jahren tendenziell aufgeschlossen war, mit dem objekt zusammenzuziehen. war es die grundlegende einsamkeit, die mit sicherheit einen wesentlichen anteil an meiner damaligen depression hatte? war es die unvernunft, die aus der immensen sexuellen und emotionalen anziehungskraft resultierte und nachteile rosarot ausblendete? oder war es vielleicht der klammheimliche wunsch, so mehr kontrolle über diesen höchst unsteten und sich permanent entziehenden menschen zu gewinnen? vermutlich spielten diese motive alle irgendwo zusammen. letztlich habe ich mich jedoch gegen eine objekt-wg entschieden, aus den tausend vernünftigen gründen  - zum beispiel unordentlichkeit, unzuverlässigkeit, dauerbekifftheit, schichtdienst, häufige anwesenheit eines anstrengenden kindes, häufige anwesenheit der persona non grata miss piggy aka objektgespielin. und diese entscheidung war auch nachhaltig gut und richtig so.

ein zusammenziehen mit dem luxus-mann wäre ein ferner, aber quasi der nächste zu gehende schritt, um evolution in unsere beziehung zu bringen, wenn man dem konventionellen partnerschaftlichen modell folgen möchte. rein rational betrachtet gäbe es wenige gründe, warum das nicht funktionieren sollte. emotional ist es für mich ein rotes tuch.

den alltag will ich einfach nicht teilen, aller durchlebten einsamkeit zum trotz. warum, weiß der teufel.




16 Kommentare:

  1. wie oft wuenschte ich mir, noch eine zweitwohnung zu haben.

    wuerde es sich in diesem leben nochmal irgendwie anders ergeben, ich wuerde, wenn es finanziell irgendwie machbar ist, bei einer zweiwohnungsloesung bleiben. trotz aller verliebtheit, irgendwann kommt die sehnsucht nach einem rueckzugsort mit alleiniger verfuegungsgewalt.

    aber ok, mit kind ist das eh anders und wenn das mal auszieht, kann ich mir ja schon bald eine schoene einzimmerwohnung in einer seniorenresidenz nehmen ;-D

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    1. ich kenne jemanden, der eine zweitwohnung besitzt und diese als atelier nutzt. ich habe mich früher mit ihm getroffen und habe ihm modell gestanden. er ist aber dennoch recht eingeschränkt, weil seine frau und seine beiden kinder sehr wohl zu verhindern wissen, dass er zu viel eigenbrötelt. ;)

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  2. Die beiden letzten Sätze kann ich gut nachvollziehen. Mir geht das sehr ähnlich. Ich habe schon zwei längere Beziehungen mit gemeinsamem Haushalt hinter mir und empfand das immer als irgendwie..."übergriffig". Mir fällt kein besseres Wort ein und ich kann das auch rational kaum erklären. Zeit alleine zu verbringen ist wichtig für die mentale Hygiene finde ich und wenn man über diese Zeit nicht mehr autark bestimmen kann, wird's kompliziert.

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    1. ich habe das problem ja schon mit der arbeit. ich arbeite 32 stunden, vier tage die woche. mehr könnte ich nicht. ich brauche den "freien" tag - zum ausschlafen, schreiben, mich sortieren, meine arztgänge und meine freien aufträge.

      ich habe bislang nur einmal drei monate lang mit jemandem zusammengelebt, der sogar fast jede woche auf geschäftsreise war. es hat mir nie gereicht, diese freien abende. nie. wir hockten in einer zweizimmerwohnung aufeinander, ohne rückzugsmöglichkeit. er hatte die wohnung alleine bezogen, ich war dann zu ihm gezogen. in sein revier geplatzt. und genau das gefühl hatte ich während der kompletten zeit: ein eindringling zu sein. gleichzeitig war meine privatsphäre komplett im arsch.
      mit der räumlichen trennung nahm unsere damalige beziehung sogar noch mal ein wenig fahrt auf, bevor sie dann unherzlich und unschön in gleichgültigkeit versackte.

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  3. Man muss nix teilen, das man nicht teilen will.

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    1. und wenn der andere will? das vielleicht sogar zur bedingung macht?

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    2. Bedingungen muss man nicht akzeptieren, wenn man damit nicht leben kann. Bringt auf Dauer eh nix.

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    3. stimmt. aber ich bin so harmoniesüchtig. :(

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  4. Verstehe diesen Wunsch nach Freiheit. Meistens ist es das erste das Mensch in langen Beziehungen bei anderen wahrnimmt die weniger Rücksicht nehmen müssen weil sie vielleicht Single sind. Der Wunsch aber mit jemand zusammen zu sein den man blind versteht der einem gut tut wäre weiterhin ein Wunsch. Auch wenn ich mir nur ganz ganz wenige vorstellen kann mit denen ich meine Freiheit dann teilen würde. Sie wären aber jede Sekunde Wert.

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  5. Auch ich kann Dich echt gut verstehen. Ich lebte 15 Jahre mit meinem Ex-Mann - und hatte überhaupt keinen Raum für mich selbst.
    Dann lebte ich 11 Jahre mit Kindern, erst mit einem, dann mit beiden - aber im Grunde genommen ist das schon auch eine Art Alleinleben, denn gerade als sie älter wurden, haben wir uns oft nur noch zu den Mahlzeiten "zusammengefunden", am Tisch geratscht und geschnattert und dann hat wieder jeder seins gemacht.
    Insofern hatte ich gehörigen Respekt vor dem Zusammenziehen mit Herrn Blau, auch mit dem Wissen, dass wir beide unsere Freiheit total lieben und auch brauchen. Dass sich die Möglichkeit des Home Offices ergab, wonach ich 2 x 3-4 Tage im Monat eben nicht zu Hause bin, finde ich persönlich richtig gut. Man hat mal Zeit und Luft für sich. Er hingegen.. hat sich mittlerweile so im Zusammenleben eingerichtet, dass er es am liebsten hätte, ich würde nicht mehr pendeln und nur noch da sein. Er selbst ist nur hin und wieder mal ein, zwei oder maximal drei Tage dienstlich unterwegs. Also würden wir, wenn ich komplett nach M wechsle, so gut wie jeden Tag zusammen sein. Auf relativ engem Raum, der mir kaum Platz für mich und das lässt, was ICH gerne möchte. Selbst wenn es einfach nur meine Ruhe wäre, die ich wollte, Musik hören, nichts tun, lesen, chatten vielleicht, irgendwas. Es ist einfach nicht dasselbe, wenn der andere neben einem sitzt.
    Glücklicherweise trifft er sich aber recht regelmäßig mit Freunden, geht mit denen in die Berge oder zum Radsport, fährt mit denen in den Wintersport, nach Italien zum Radeln oder zum Mountainbiken. Nun plant er eine Alpinwanderung mit seinem Kumpel - für 30 Tage. Als er mir das erzählte, habe ich innerlich vor Freude auf dem Tisch getanzt. Nicht falsch verstehen: Ich bin total gerne mit ihm zusammen. Aber nicht pausenlos ;)

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    1. als ich mit dem luxus-mann zusammenkam, hat er sich auch öfter mit kumpels getroffen. jetzt hat sich sein bester freund in einer beziehung aufgelöst (das ist das einzige verb, das diesen vorgang angemessen beschreibt, er existiert quasi nicht mehr alleine), sein zweiter guter freund hat sich von ihm distanziert (warum auch immer), ein anderer guter freund hat stress mit seiner frau und darf nicht mehr raus, muss immer zuhause hocken und papi spielen.... ja und dann... wird es dünn. da ist noch ein saufkumpel, aber da ist die freundschaft nicht so tief.

      zwei tage pro woche hat der luxus-mann seine tochter, der er verheimlicht, dass es mich gibt, weil sie wahrscheinlich eifersüchtig wäre, also sind das schon mal fixe zwei tage für mich. allerdings liegen diese tage nun unter der woche statt wie früher, als ein papa-tag immer am we war. seither hängen wir am we immer zusammen und ich vermisse es so, mal alleine zu sein, eine ganze nacht zuhause meine filme zu gucken oder auf eine party gehen, die der luxus-mann nicht so mag. wenn der sommer kommt, wird er ein paar mal ohne mich wegfahren - auf festivals und in urlaub mit seiner tochter. da wird das dann wahrscheinlich wieder besser.

      dieses "zusammen etwas allein machen", das kann ich auch überhaupt nicht. z.b. musik hören. geht gar nicht.

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  6. Nur, um es kurz anzumerken: Tut sehr gut, hier vom Spaß am Alleinsein zu lesen. Dieses Bedürfnis muss man nämlich erst mal erkennen, und sich dann bewusst dazu entscheiden, es auch einzufordern bzw. sich selbst zu gönnen - was impliziert, dass es seine Berechtigung hat, dass es keine Ablehnung anderer Menschen bedeutet, oder jedenfalls keine, die man sich vorwerfen sollte. Scheint irgendwie eine Art gesellschaftliches Tabu-Thema zu sein, oder kommt mir das nur so vor?

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    1. es ist ein tabu. definitiv! weil als "normalität" nur akzeptiert wird, dass mann und frau und später kind oder kinder ein eidideiditrallala-friedefreude-eierkuchen-leben wie in einem dieser unsäglichen, harmonieseibernden ard- oder zdf-mittwochabend-filmen, so mit einem sonntagspapi, der ernährer spielt, ganz lieb sex in missionarsstellung und einem total familienfreundlichen teilzeitjob für mutti.

      alles, was nicht so funktioniert, ist in der gesellschaft als krank oder egoistisch verpönt und läuft gefahr, sogar politisch sanktioniert zu werden (z.b. herdprämie). weil es ein modell ist, das über jahrzehnte funktioniert hatte - aufgrund der wirtschaftlichen abhängigkeit der frau. meines wissens musste eine frau in deutschland bis ende der 70er jahre ihren mann um zustimmung bitten, arbeiten gehen zu dürfen. jetzt haben wir als frauen endlich die möglichkeit wirtschaftlicher unabhängigkeit errungen, auch wenn wir nicht ebenbürtig bezahlt werden, was aber ein anderes thema ist. mit der hinfälligkeit der wirtschaftlichen abhängigkeit entfällt auch die notwendigkeit, sich einen versorger zu suchen. und auch der einstige versorger fällt damit aus seiner treusorgenden rolle zurück in seine evolutionäre rolle, die darin besteht, möglichst viele weibchen mit seinem samen zu befruchten. diese freiheit kann und will genutzt werden, beispielsweise durch das leben als single oder unabhängiges paar, aber aufgrund der gesellschaftlichen rollenfestschreibung gelingt dies nur unter größten schuldgefühlen. und das ist das, was eigentlich krank ist.

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    2. und was das erkennen des bedürfnisses nach alleinsein betrifft: das ist ebenfalls recht komplex. ich kenne viele menschen, die sich vor dem alleinsein fürchten oder es zumindest tendenziell vermeiden, weil sie sich dann mit sich selbst beschäftigen müssten - was die gefahr impliziert, unangenehme seiten, ängste oder andere emotionale untiefen an sich zu entdecken. also ist zweisamkeit, in möglichst intensiver form, eine art vermeidungsverhalten.

      eine zweite möglichkeit ist, dass menschen sich in der konventionellen paarbeziehung zwar unfrei und fremdbestimmt fühlen, aber dieses gefühl nicht zuordnen können, sondern als eine art diffuse unzufriedenheit erleben - wie man es beispielsweise auch in einem job hat, den man nicht mag und mehr oder minder insgeheim als zeitverschwendung empfindet.
      so ist es zum beispiel bei meiner mama. sie hat ihr leben total auf meinen papa ausgerichtet, ist aber eigentlich ein viel offenerer und lebendigerer mensch, als sie es mit meinem vater ausleben kann. das verkennt sie aber, sondern kanalisiert ihr unglück in die aufgeregte suche nach dem "besonderen". das endet dann bei ihr in konsum, wobei dieser an sich unbefriedigend bleibt, weil das "besondere" irgendwie nicht auffindbar scheint. surprise, surprise.
      meine mutter ist jahrgang 48, hat die klassischen hausfrauen- und minijob-karriere hinter sich, d.h. der gedanke, sich den wahren grund der unzufriedenheit einzugestehen, wäre für sie viel zu radikal. und irgendwo hat sie sich sicherlich auch an den goldenen käfig, dessen tür theoretisch offensteht, seit ich flügge wurde, gewöhnt.

      ich denke, grundsätzlich erfordert freiheit viel mut und eine gewisse unerschrockenheit im umgang mit potenzieller einsamkeit (also die momente, in denen das alleinsein als nachteilig empfunden wird). vor einsamkeit ist der freie nämlich nicht gefeit. allerdings bin ich lieber alleine einsam als zweisam einsam, so wie viele paare, die ich kenne.

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    3. "Diffuse Unzufriedenheit" beschreibt es gut! Und: Dito. Zweisam einsam würde mich unendlich unglücklich machen. Immerhin, eine Erkenntnis! ;)

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danke für deinen kommentar. ist er hilfreich, fair und sachlich, wird er nach freischaltung veröffentlicht. kontextfreie, rassistische und sonstige arschloch-scheiße wird sofort gelöscht.