Sonntag, 17. Dezember 2023

wie wohlstand geht: lernen von dänemark

diese woche war ich zum ersten mal in meinem leben in kopenhagen. und was soll ich sagen - ich fühlte mich regelrecht überwältigt: wohlstand, sauberkeit und ordnung, wohin das auge auch blickt, zumindest in der innenstadt.

unzählige gepflegte menschen in hochwertiger kleidung kaufen in teuren läden ein und sitzen später in einem der zahlreichen restaurants der stadt, die alles von pizza & bowls zum erschwinglichen preis bis hin zur michelin-küche bieten. das ist möglich, weil die innenstadt außer shopping eine immense auswahl an kulinarik und kultur bietet - alles in engster nachbarschaft. verglichen mit den öden 0815-ladenreihen in der mönckebergstraße auf jeden fall das bessere konzept.

in insgesamt drei tagen begegneten mir dort außerdem nur zwei obdachlose. keine bettler, sondern menschen, die zeitungen verkauften. mir schien das unglaublich und ich vermutete zunächst ein knallhartes obdachlosen-vergrämungsprogramm dahinter. der grund scheint aber ein anderer zu sein: das dänische "housing first" konzept verspricht jedem, der in einer herberge für obdachlose unterkommt, innerhalb von 30 tagen eine wohnung. keine ahnung, ob das wirklich funktioniert, aber es würde ins bild passen. es ist ganz anders als hier, wo vor jedem discounter fünf rumänische bettler herumliegen und alles nach pisse stinkt. 

ansonsten fällt auf, dass in kopenhagen kaum müll oder dreck herumfliegt wie überall in der hamburger city. nicht einmal in der kommune freistaat christiania (ja, wir sind natürlich auch einmal durch die pusher street dort gelaufen - wie es sich für spießige gaffer-touris so gehört) sieht es derart lieblos und verkommen aus wie am holstenplatz in altona oder am zob am hauptbahnhof, wo sich jeden tag ganze trauben von drogen- und alkoholabhängigen versammeln.

und dann ist natürlich da noch die infrastruktur von kopenhagen, in die man sich schockverlieben muss: sichere, unfassbar breite radwege und modernster, zuverlässiger und pünktlicher öpnv - vollkommen anders als das überteuerte kack-angebot des hvv mit bussen, die gerne mal 45 minuten zu spät kommen.

wie zufrieden die menschen in kopenhagen mit ihrem leben sind, merkt man ihnen an. jeder ist einfach nur freundlich und relaxed. sobald ich irgendwo etwas suchend umherblickte, sprach mich jemand an - erst auf dänisch, dann aufgrund meiner unverständnis signalisierenden fresse in bezaubernd fließendem englisch - und bot mir hilfe an. als typische deutsche reagierte ich darauf zunächst mit abwehr, doch irgendwann verstand ich: in kopenhagen war man offenbar so entspannt, dass man sich für seine mitmenschen tatsächlich interessiert und ihnen gutes will. hier in hamburg könnte man ähnlich wie in berlin vermutlich auf offener straße sterben, ohne dass es jemand kümmert.

die dänische gediegenheit herrscht auch unter jüngeren leuten: von besoffenem, randalierendem partyvolk wie in der schanze selbst am freitagabend keine spur. als ich im supermarkt einkaufte, fiel mir ein möglicher grund ins auge: hier werden nur wenige niedrigpromillige alkoholika verkauft. bier und ein paar mischgetränke, das war´s. für härteres muss man in der tat einen spirituosenladen aufsuchen. mag sein, dass dies alkoholmissbrauch und komasaufen nicht verhindert (kritische stimme dazu gibt es unter den dänen genug, las ich), aber es geschieht offenbar im eher privaten rahmen.

hier in dieser gepflegten langweile möchte ich alt werden, sagte ich spontan zu meinem mann. der lachte: die mieten kannst du nicht bezahlen! leider wahr: eine einzimmerwohnung im zentrum kostet durchschnittlich 1.350 €. was man sich mit einem dänischen durchschnittsgehalt von 5.000 € brutto monatlich (etwa 25% mehr als in deutschland!) allerdings auch leisten kann.

unglaublich teuer seien auch lebensmittel, warnte mich mein mann vor der abreise und plädierte für die mitnahme einiger snacks und getränke für unterwegs. dies stimmt so jedoch nicht - bzw. die unterschiede zu deutschland haben sich seit der inflation offenbar weitgehend aufgehoben. für unsere abendessen in mittelklasse-restaurants zahlten wir pro person mit (alkoholischen) getränken rund 30-35 € - also recht gemäßigt.

vielleicht werde ich mir als rentnerin (also so mit 80, wenn die cdu es will) eine günstige wohnung bei flensburg anmieten. und wenn ich mal keine lust auf assige deutsche, miese infrastruktur und entwicklungsland-flair habe, mache ich einfach einen kleinen spaziergang. dänemark hat mich auf jeden fall inspiriert. möglicherweise könnte ich sogar den luxus-mann dahin bewegen, wenn söder kanzler werden sollte. dann, so hat er prophezeit, würde er nämlich auf jeden fall auswandern.

2 Kommentare:

  1. Vorab: ich liebe Dänemark, genauer Nordsjælland und Kopenhagen. Mein Exmann stammt von dort. Ich war wirklich, wirklich oft in Kopenhagen und im nördlichen Umland. Ja, ich finde die Stadt auch wunderschön, die Menschen unglaublich nett und hilfsbereit, aber glaub mir, es gibt auch ganz andere Ecken. in die Problemviertel kommt man als normaler Touri natürlich nicht so einfach. Es gibt auch in Dänemark, Armut, Obdachlosigkeit, Rassismus, und man darf nicht vergessen, dass das skandinavische Jante Loven auch nicht jedermanns Ding ist.
    Harten Alkohol kann man eigentlich auch in jedem Supermarkt kaufen. Zumindest habe ich das so erlebt. Party People? Frag mal Menschen, die entlang der Ausgemeilen in Kopenhagen in der Innenstadt wohnen, die finden das wahrscheinlich nicht ganz so harmlos. Und was man auch nicht vergessen darf: Kopenhagen ist nicht automatisch Dänemark oder umgekehrt, Dänemark ist mehr und anders als Kopenhagen. Wenn du von Flensburg rüber nach Dänemark fährst, bist du in Jylland. Da hat die Danske Folkeparti, die dänische Afd, Höchstwerte. Und generell: Wenn man kein Dänisch spricht, ist es außerhalb von Kopenhagen oder Ålborg oder anderen großen Städte und der Touri- Gegenden auf Dauer schwierig.

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    1. ich habe das schon vermutet. auch hier gibts ja je nach stadtteil große unterschiede. schnöselige eppendorfer latte-macchiatto-muttis, linksgrünes altonaer multikulti oder no-go-areas wie mümmelmannsberg.
      ich finde es grundsätzlich richtig, dass man, wenn man in ein land kommt, die sprache spricht. das würde mich daher überhaupt nicht abschrecken, im gegenteil. der luxus-mann ist jedes jahr in dk und träumt davon, ein ferienhäuschen zu besitzen, was aber für deutsche schwierig ist. man muss die dänen eben überzeugen - und das ist ok. wer etwas zu bieten hat, darf auch anspruchsvoll sein.
      ich bin gespannt, wie die politische entwicklung dänemarks weitergeht.
      wir haben übrigens in der innenstadt gewohnt - in der nähe des hive. nix von randalierenden suffköppen mitbekommen. ;-)

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