Sonntag, 11. September 2022

der kleine weltuntergang

patchwork-familien-feier. kindsmutter 1 rundet und hat zum essen eingeladen. 

ihr sohn, also der luxus-sohn, kommt ein wenig später. er ist sichtlich geknickt. in einer ruhigen minute erzählt er mir, dass er die aufnahmeprüfung für sein zweitstudium vermasselt hat. 

"weia", sage ich. "dein vater ist sowieso schon angespannt, weil du seit einem dreivierteljahr an deiner diplomarbeit für dein erststudium rumbastelst. der flippt aus."
"ich weiß auch nicht, aber ich hab da irgendwie gar keine motivation, die fertig zu schreiben. ich will ja auch gar nicht wirklich in dem beruf arbeiten."
"trotzdem musste den sack auch mal zumachen. du brauchst das diplom, schon allein deswegen, damit du nachweisen kannst, dass du nicht fast 6 jahre lang rumgedümpelt bist."
"ja, ich weiß."

dann erzählt mir der luxus-sohn von seinem vierwöchigen spanientrip. ein lowbudget-roadtrip mit vier kumpels in einer alten rostlaube. seine augen leuchten beim erzählen.

"das war so geil. das war der beste urlaub meines lebens."
ich lächle.
"ich glaube, es ist sowieso die beste zeit deines lebens. ich weiß noch, als ich 23 war... ich hab mich nie glücklicher und freier gefühlt. danach kam erstmal nur noch scheiße."
"vielleicht hab ich deswegen auch keine motivation. es kann ja eigentlich nur schlechter werden, oder? also ich meine, es kann schon auch irgendwie gut werden... aber im moment ist es... einfach perfekt. ich bin so glücklich mit meinen freunden, mit dem job im imbiss, und ich feiere das alles so. ich hab gar keine lust auf einen vollzeitjob oder eine feste freundin oder darauf, mir irgendwas aufzubauen."
"kann ich verstehen. ich hatte damals auch so tolle freunde, dass ich auf keinen fall eine beziehung wollte. weil das bedeutet hätte, dass ich weniger zeit für meine freunde habe."
"genau! so ist das bei mir gerade. alles andere als das hier und jetzt fühlt sich an wie... wie zeitverschwendung."
"eine größere zeitverschwendung als das erwerbsleben gibt es strenggenommen tatsächlich nicht. du fütterst nur die konsum- und geldmaschine und betrügst dich selbst und andere."
 
"und wer weiß, vielleicht gehen wir sowieso alle bald vor die hunde", sagt der luxus-sohn dann düster.
"wie meinst du?"
"naja, wenn man die nachrichten schaut... ich hab schon angst vorm krieg. und auch vor der klimakatastrophe. und wenn das alles so kommt... lohnt sich das alles irgendwie gar nicht mehr."
"da hast du sicherlich recht. zumindest, solange uns reiche vertrottelte mittfünziger regieren, die sich sagen, och, betrifft mich ja alles nicht, aber gebt mir gern euer geld, ich kauf mir nen porsche dafür."
"deswegen geh ich auch nicht wählen. wen sollte ich denn wählen? sind alle gleich scheiße."

"jetzt musst du erstmal deinem papa beibringen, dass du noch ein halbes jahr jobben wirst", grinse ich. "das ist weltuntergang genug. ein kleiner zumindest."
"ja, fuck. der rastet aus."
"worauf du gift nehmen kannst. also komm, bringen wirs hinter uns. ich steh dir bei."

2 Kommentare:

  1. Schön, dass er so ein Vertrauen in Dich hat.

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    1. Das hat er. Seit ich ihn in Deutsch durchs Abi geboxt habe, verstehen wir uns echt gut.

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