Sonntag, 17. Mai 2020

zeitmaschine

"manchmal", sagt der luxus-mann heute beim sonntagsspaziergang. "also manchmal würde ich ja gern die zeit zurückdrehen. so 12 jahre, sagen wir mal, bevor ich die kindsmutter nr. zwei kennen gelernt habe. und dann würde ich gern noch mal so in die clubs gehen und schauen."
"was denn schauen", frage ich.
"na ob ich dich da irgendwo entdecke! weil, denke ich, wir müssen uns vor unserer ersten begegnung eigentlich schon mal woanders gesehen haben. und falls das so ist, wüsste ich gern, was ich damals gedacht hab und warum ich dich nicht angesprochen habe."

ich überlege angestrengt.
"damals hattest du noch diese ganz langen ausgebleichten haare, oder?"
"genau."
"damit wärst du mir garantiert aufgefallen. du wärst damals schon mein beuteschema gewesen. daher bin ich der überzeugung, dass ich dich vorher tatsächlich nie gesehen habe."
"aber das ist total unwahrscheinlich. wir waren beide über drei, vier jahre in teils denselben clubs unterwegs!"

ich wiege den kopf.
"ich war raucherin. ich bin den ganzen abend in der raucherecke abgehangen. und ich hab damals überhaupt nicht gesoffen, sondern nur amphetamine gefressen. wenn ich nicht gequarzt habe, war ich tanzen. und du bist trinker. du saßst wahrscheinlich die ganze zeit an der bar und hast dich abgeschossen, right?"
der luxus-mann grinst:
"die frau kennt mich."
"siehste. wir hatten einfach null schnittmenge."

"du bist damals wahrscheinlich nur deinem objekt hinterhergerannt", spekuliert der luxus-mann. "und hast deswegen nichts anderes wahrgenommen."
"2008 kannte ich das objekt noch gar nicht. da war ich gerade in hamburg angekommen und steckte teilweise noch in meiner alten zerrütteten beziehung. damals war ich meist alleine unterwegs. daran lags bestimmt nicht."

"ich stell mir jedenfalls immer vor, ich könnte mir die vergangenheit noch mal anschauen wie so nen film", sinniert der luxus-mann. "auch wenn wir damals aneinander vorbei gelatscht sind. das muss doch irre witzig sein, wenn man da drauf guckt und sich selbst sieht... und wenn ich dich dann sehe... und so denke, mensch, da war ja schon meine frau! hätte ich die bloß mal angesprochen."

ich lächle stolz in mich hinein.
"meinste, das wäre gut gewesen? mich damals schon kennen zu lernen?"
"jedenfalls hätte es mir diese ganze nervige kiste mit der kindsmutter nr. 2 erspart. mit dir funktioniert das alles viel besser."
"aber dann wäre deine tochter nicht auf der welt."
"stimmt. dafür hat sich die ganze qual natürlich schon gelohnt."

"meinste, das hätte damals nicht mit uns geklappt?" fragt der luxus-mann dann. "so wie du drauf warst?"
"weiß nicht. ich glaube nicht, dass ich offen für eine beziehung gewesen wäre. zu dem zeitpunkt war ich nervlich völlig am ende und von existenzangst und liebeskummer zerfressen. an neue beziehungen hab ich da nicht gedacht. an ficken vielleicht schon, aber nicht an mehr."

"ich weiß noch, dass ich damals lauter beknackte one night stands hatte. unter anderem mit der k., die kennst du ja auch", erzählt der luxus-mann.
"ich dachte, ihr wart zusammen?"
"nee, die ist mir viel zu anstrengend. jedenfalls hatt ich damals echt die schnauze voll von dem ganzen rumgeficke und war tatsächlich so ein bisschen auf der suche nach was festem. und wenn ich mir das so vorstelle... ich damals noch quasi mit dauerständer und permanent unterfickt... da hätten wir uns wahrscheinlich ohne pause die köpfe weggefickt."

"mir hätte das vielleicht die psychiatrie erspart", überlege ich. "du bist ja schon so ein typ, der einem einen festen rahmen gibt, auf eine sehr angenehme weise. also so, dass ich mich da drin meist wohlfühle. auch wenn ich das objekt vollkommen wahnsinnig geliebt habe, gut getan hat mir diese konstellation bestimmt nicht immer."
der luxus-mann lächelt stumm und geschmeichelt.

"jedenfalls hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass jemand mal so viel ruhe in mein leben bringt wie du", setze ich noch einen drauf.
"geht mir ja ähnlich. neulich hab ich sogar zu meinen kumpels gesagt, du bist die beste beziehung, die ich je hatte", offenbart der luxus-mann.

der wind pfeift über den altonaer balkon. aber tief drin ist mir sehr warm und wohl.
das muss die liebe sein.
ich schiebe meine kalte hand zur warmen luxus-hand in die luxus-jackentasche.
"warum werd ich nun schon wieder bestraft?" grinst der luxus-mann, der händchenhalten wie die pest hasst.
"ach komm, baby, du willst es doch auch."


um das glück zu komplettieren, gibts das neue album von einstürzende neubauten.

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