Freitag, 3. Januar 2025

dinner for one, two, three

da ich silvester mehr als überflüssig finde und den tag gern ohne nahkampf mit böller-idioten und party-brandbirnen verbringen möchte, bleibe ich dieses jahr in der vorstadt bei mutti und vaddi. auch hier knallt es ordentlich. zu viele menschen, die über lebensmittelpreise jammern, haben offensichtlich viel zu viel kohle, die sie dringend sinnlos in die luft ballern wollen. zum trost stelle ich mir genüsslich vor, dass jeder böller eine hand wegsprengt, die dann von einem restlos besoffenen handchirurgen mit viel lust am schabernack falsch angenäht wird.

im zentrum des familiären silvesters steht das einzige ereignis des abends, das abendessen.
"willst du nicht was schönes essen an silvester?" fragt mutti schon am sonntag. "zum beispiel sushi, das magst du doch!"
ich finde die idee nicht schlecht, aber mit vaddis inkontinenz sind aktivitäten außerhalb der eigenen vier wände, die länger als 30 minuten dauern, nicht möglich. das liegt daran, dass er von fremden toiletten nicht mehr hochkommt und deren nutzung somit entfällt. weiterhin hat er schwierigkeiten, eine gabel zu halten und ordentlich zum mund zu führen, weshalb viel daneben geht und im anschluss normalerweise kleidung und tischtuch gewechselt werden müssen.
"wir können uns das auch abholen und zuhause essen", sage ich. "dann umgehen wir die ganzen probleme."
 
silvestermorgen frage ich meine eltern nach ihren wünschen, um eine vorbestellung beim sushi-restaurant zu tätigen. die speisekarte unseres sushi-ladens haben wir sogar im flyerformat im hause.
"ich weiß nicht, ob wir heute sushi essen", sagt da mein vater auf einmal.
"warum denn nicht?"
"deine mutter war vorhin noch einkaufen! die hat baguette, käse und schinken und so gekauft."

ich frage also mutti, was denn nun mit den sushi-plänen sei. sie wisse nicht so recht, hieß es da. vielleicht hat das lokal auch gar nicht auf? doch, sage ich, natürlich habe ich das nachgesehen.
ich spüre das zögern und sage: "wenn ihr keine lust habt, müsst ihr ja kein sushi nehmen. ich kann mir auch alleine was holen. ihr müsst mir nur sagen, was ihr wollt."
ja, nein, so sei das ja nicht, gerne alles so wie ich wolle und überhaupt. leicht beleidigter unterton, registriere ich, schlechte laune also und vermutlich kein ernstgemeinter freibrief, sondern ein codierter einwand. diese bei sämtlichen passenden und unpassenden gelegenheiten eingeschnappte art geht mir tierisch auf den senkel.

"gut", sage ich mit mühsam unterdrücktem wut-herzklopfen. "dann denk doch einfach noch ein halbes stündchen nach, und dann sagst du, ob du willst und was du willst. dann würde ich das bestellen. und sag mir bitte auch gern wann, ihr habt ja sehr spezifische essenszeiten, ich will da nix durcheinanderbringen."

spezifische essenszeiten bedeutet bei uns: zwischen den täglichen fünf mahlzeiten liegen nie mehr als zweieinhalb stunden. nicht, weil man dann hungrig wäre, aber vermutlich muss man all diese disharmonie und den ganzen frust tief in sich heineinstopfen. und dann gleich noch mehr hinterher. ich weiß schon, weshalb auch ich zu kompensierendem verhalten neige.

nach einer halben stunde frage ich nach. muttis antwort ist sushi-positiv. mit immer noch säuerlicherem unterton beauftragt sie mich, das gericht nummer soundso zu bestellen.
"gut, und wann wollen wir essen?" will ich dann wissen.
"halb sechs, wie immer."
"gut, dann bestelle ich das so eine stunde vorher und hole es gegen 17:20 uhr ab."

gegen 16:30 uhr - ich will gerade die bestellung tätigen - trinken meine eltern kaffee und verdrücken dabei zwei große stücke kuchen mit einem halben liter sahne. ich werde unsicher und frage, ob sie denn wirklich eine stunde später schon wieder essen wollen. damit trete ich große verwirrung los. mein vater denkt nach und meint dann, 18:30 uhr sei die bessere zeit.

ich schaue fragend zu mutters, woraufhin sie verkündet, sie wolle jetzt doch lieber nur ein schinkenbrot statt sushi. ich sage, kein problem, wir könnten ja trotzdem ganz gemütlich alle zusammen essen. sie ihr schinkenbrot, vaddi und ich das sushi. die frage wäre dann nur, ob die aktuelle wunsch-uhrzeit von 18:30 uhr ok sei, da sie nicht der üblichen abendessenszeit entspräche. 

mutti meint daraufhin, sie könne durchaus schon um 17:30 uhr wie immer zu abend essen. "bist du denn gar nicht satt von all dem kuchen?" wundere ich mich. ach, nein, essen ginge immer, sie esse doch so gern, beteuert mutti, die aber mindestens so krüsch tun kann wie ich und bei nicht überoptimaler essensqualität sofort meckert.

ich wende mich wieder vaddi zu, um zu eruieren, ob er auch mit 17:30 uhr einverstanden ist, dann müsse ich nämlich jetzt sofort bestellen. vaddi zieht ein nachdenkliches gesicht und gibt dann zu, dass er sich doch nicht sicher sei, ob er sushi essen mag oder nicht auch lieber ein schinkenbrot. überhaupt sei es doch gar nicht garantiert, dass ich das sushi in einer tasche ordentlich transportieren könne. was, wenn das irgendwie zermatscht?

ich bestätige, dass ich in der tat in der lage sei, sushi zu transportieren und bitte um eine finale entscheidung, ob sushi oder nicht, und wenn ja, wann. vaddi erteilt dem sushi daraufhin eine absage und plädiert für schinkenbrot um 17:30 uhr. nun gebe ich gas und ordere sushi für mich alleine.

als ich das wohnzimmer wieder betrete, sitzen mutti und vaddi zusammen und schauen mich erwartungsvoll an. "ich hab mir sushi bestellt und das schnellstmöglich, ich hoffe, wir können dann 17:30 uhr schon essen. vielleicht wirds ein paar minuten später, weil das mit der entscheidung jetzt so ewig gedauert hat."
vaddi guckt mich an und fragt, was ich für ihn bestellt habe. 
"nichts", sage ich.
die enttäuschung ist groß. 
"aber du hast gesagt, du willst schinkenbrot."
naja, findet vaddi, er hätte schon schon gerne ein schinkenbrot, aber sushi eben auch.

ich muss nun erstmal an meinen koffer ran und eine psycho-pille nehmen, um nicht hysterisch herumzuschreien. dann ordere ich vaddis standard-gericht. das restaurant bestätigt mir ganz lieb, dass sie sich beeilen, damit ich beide gerichte um 17:20 uhr abholen könne. also erstmal alles in butter.

in der vorstadt ist wirklich die hölle los. auf dem weg zum restaurant begegnet mir zuerst eine art junggesellenabschied. in der straße hinter dem haus meiner eltern wird schon seit 17 uhr ohne pause kassette um kassette abgebrannt. hier muss jemand zigtausende von euro in pyrotechnik investiert haben. in der nächsten straße kommen mir halbstarke gröhlend entgegen. ich möchte am liebsten sehr weit unter der erde verschwinden, so sehr schäme ich mich für meine spezies.

im sushi-restaurant muss ich warten. vor mir stehen rund 20 personen zum abholen, weiterhin ist das gesamte restaurant rappelvoll. erst 15 minuten später habe ich eine tüte in der hand und renne, so schnell ich kann, vor den böller-idioten weg nachhause.

zuhause hat mutti den tisch schön gedeckt und es sieht zunächst nach friedefreudeeierkuchen aus. dann beginnt vaddi zu essen und schmeißt erstmal ein paar brocken sushi unter den tisch. mutti ist sofort sauer und möchte, dass vaddi wie ein kleinkind mit löffel isst. vaddi hält dagegen. die stimmung kippt. ich kaue mit mäßigem appetit auf meinem sushi herum. das sushi ist zwar ok, aber die ewig schlechte stimmung und die ständige zeterei schlagen mir jedesmal auf den magen.
 
danach gibt es sekt. zusammen mit der vorher geschluckten happypill kann ich langsam, ganz langsam ein paar meiner innerlichen verkrampfungen lösen. das gefühl hält leider nur kurz, denn dann wird der fernseher angeworfen und mit der üblichen nervtötenden dauer-zapperei begonnen. meine mutter schläft derweil auf dem sofa ein. ich sitze herum und fühle mich wie überflüssiger weltraumschrott, der ziellos durchs schwarze nichts treibt. mir wird klar, dass silvester zuhause eine ganz blöde idee war.
 
gegen 22:30 uhr erwacht mutti und verkündet, um mitternacht nicht rausgehen zu wollen. "du kannst dich ja alleine auf die straße stellen und dich mit den nachbarn unterhalten, mir ist das zu kalt", schlägt sie mürrisch vor. mein letzter mühselig zusammengeklaubter wille zum wachbleiben ist damit vom tisch. im bett heule ich in die kissen. an schlafen ist vor 2 uhr nicht zu denken, böller-idioten sei dank.

die vorzeitige zu-bett-geh-aktion bringt mir drei tage emotionale erpressung durch eisiges schweigen und ignorieren von mutters seite ein, dann knallt es, allerdings ganz ohne böller. ich sage meiner mutter zum ersten mal in meinem leben, wie enorm mich ihre ewige eingeschnapptheit stört und wie sehr ich schon als kind darunter gelitten habe. wie beschissen es ist, eingeschnapptsein als einzige reaktion auf unstimmigkeiten gelernt zu haben, und wie viel kraft es mich gekostet hat, mich in einen kommunikationsfähigeren menschen zu verwandeln, der den mut hat, gefühle auszusprechen und wünsche verständlich zu formulieren. 
 
vorwürfe, die natürlich keine tiefgehenden erkenntnisse oder fortschritte bringen, da mutti der ansicht ist, sie sei nie eingeschnappt. aber es ist mir wichtig, mir endlich einmal eine stimme zu geben vor der person, vor der ich mich als kleines mädchen so oft gefürchtet habe und um deren launenhafte gunst ich permanent kämpfen musste. alles endet in einer versöhnlichen umarmung, deren echtheit und überzeugtheit ich allerdings nicht einschätzen kann. ich weiß, dass meine mutter von allen menschen das schlechteste vermutet, so auch von mir, und dass sie mir diese standpauke wahrscheinlich bis in 20 jahren noch nachtragen wird.

die heimfahrt ist wehmütig wie immer. vielleicht sollte ich nächstes jahr silvester besser woanders verbringen, an einen ort ohne menschen, irgendwo tief in einem wald oder in einem naturschutzgebiet. denn selbst ganz alleine hatte ich schon lustigere silvester.
 
ich wünsche ihnen, dass sie mit etwas mehr spaß ins neue jahr gerutscht sind. hoffen wir, dass 2025 wenigstens nicht ganz so viel schlimmer als 2024 wird.

Montag, 30. Dezember 2024

zum ende hin

traditioneller heimatbesuch. aber auch hier kann ich meine dauerbeklemmung nicht abschütteln. ich nehme wieder medikamente, wenn es ganz unaushaltbar wird. da ich nach wie vor keine kardiologische auskunft habe, ist das zwar möglicherweise lebensgefährlich. aber ich will diese maske mit dem falschen grinsen weiterhin hochhalten. die glänzende oberfläche ist alles, was in einer gesellschaft wie dieser zählt.

immerhin: mit vaddi geht es nun offenbar nicht mehr ganz so rapide bergab. der verfall hat sich verlangsamt und stagniert auf einem sehr niedrigen niveau irgendwo kurz vor pflegeheim. vaddi kann noch immer ein bisschen laufen und, wenn meine mutter kräftig schiebt und zieht, sich auch noch aus seinem stuhl hochhieven. der kopf macht ebenfalls noch leidlich mit, nur die augen sind deutlich schlechter geworden. 

inzwischen habe ich mich ein klitzeklein wenig an seine fehlende hygiene und gepflegtheit gewöhnt. ein problem sind nach wie vor die gebrauchten inkontinenzprodukte im haus. weil der gestank so schrecklich ist, habe ich nun einen windeleimer bestellt. solche winzigen verbesserungen sind alles, was ich tun kann. also fast nichts. nun muss ich beten, dass vaddi sich bequemt, den eimer zu nutzen und nicht wie sonst oft das haar in der suppe sucht. 

pflegebedürftig werden will ich nie. also immer genug tabletten im haus haben. mit meiner ersten großen liebe spreche ich weihnachten über möglichkeiten und zeitpunkte der selbsttötung. auch er will sich rechtzeitig das leben nehmen, um in zehn oder 20 jahren nicht anderen oder gar diesem abartigen und immer abartiger werdenden system ausgeliefert zu sein. 

vielleicht haben wir aber auch glück und die kommende naziregierung startet ein euthanasieprogramm für rentner. aktuell werden ruheständler noch hofiert als potenzielle fachkräfte, aber sie werden irgendwann merken, dass die meisten rentner (vor allem die mit der richtig dicken rente) nicht so scharf auf arbeiten bis in den tod sind und so am ende sogar mehr geld kosten als asylbewerber. (all die faulen rentner, die der arbeitenden bevölkerung die zahnarzttermine wegnehmen und ihre verrottenden gebisse sanieren lassen!)

jetzt aber erstmal noch ein bisschen durchhalten. noch ein bisschen weiterquälen. auf kleine lichtblicke zwischendurch hoffen.

Montag, 23. Dezember 2024

worst weihnachtsgeschenke ever

der vertrag für meinen neuen job, den ich im januar begonnen hätte, wurde vollkommen unerwartet wieder aufgehoben. keine mittel für fachkräfte, trotz fachkräftemangel, tut uns leid. ich bin bedient bis zum sanktnimmerleinstag. das jahr endet damit so beschissen wie es insgesamt war.

der luxus-mann plant derweil das weihnachtsfest mit für ihn untypisch großem elan. anders als in den letzten jahren fahren die kindsmutter nr. 2 und die tochter nicht zu den großeltern und haben angekündigt, mitfeiern zu wollen. für den luxus-mann geht damit ein traum in erfüllung: weihnachten mit beiden kindern. er stürzt sich kopfüber in den kauf von geschenken und in die planung eines festmahls. 

ich, in boomer-augen als frau für essen zuständig, werde in diesem kontext instruiert, verschiedenste leckereien für die extrem verwöhnte tochter einzukaufen. ich weigere mich und beschränke mich auf das allernötigste, da madame meine mühen sowieso nicht würdigt, und da es mich grundsätzlich stört, dass sich das feine fräulein einen dreck ihren vater schert, wenn sie nicht gerade geld oder sonstige gefälligkeiten fordert. als esel ist ihr ihr vater gerade recht, sonst scheißt sie auf ihn.

gestern verkündete die tochter dann - wie von anfang an von mir erwartet - doch keinen bock auf weihnachten mit papa und patchwork-family zu haben. sie möchte zuhause alleine mit mama feiern. sprich in einem umfeld, in dem sich alles zu 1000 prozent um sie dreht und sie rundum bepuschelt wird und alles angereicht bekommt und auch kein großer bruder als potenzielle konkurrenz anwesend ist.

nun sitzen wir inmitten von bergen von lebensmitteln, nachdem auch kindsmutter nr. 1 krankheitsbedingt nicht erscheinen wird. der luxus-mann ist so enttäuscht, dass er seine aufwändige weihnachtsdeko wieder von den wänden reißt. zwischendurch ruft er bei töchterlein an und bettelt, dass sie doch kommt. ich winde mich derweil und beiße mir auf die zunge, um nicht sagen zu müssen, dass ich weihnachten in der tat lieber ohne ein arschlochkind verbringe.

kurzum, die stimmung ist so gedrückt wie fast das gesamte jahr über. am liebsten würde ich mich ins bett legen und erst 2026 wieder aufstehen. ich habe beschlossen, auch silvester nicht zu feiern. es gibt für mich keinerlei grund für irgendeine form von frohsinn oder ausgelassenheit, schon gar nicht mit ausblick auf kommendes jahr. 2024 war nur der sehr unangenehme vorgeschmack, um für noch viel schlimmeres in stimmung zu kommen, scheint mir.

magdeburg kommt mir in diesem kontext vor wie ein symbol oder vielmehr ein schlechtes omen. für die rücksichtslosigkeit des individuums, für die zündkraft toxischer nazi-parolen sogar unter ausländern - und ein deutschland, das jetzt wieder vor lauter panik-gestrüpp den wald nicht mehr sieht. politiker nutzen die kulisse schamlos zur selbstinszenierung, da bekomme ich sogar ich als pazifistin lust auf einen anschlag gegen all diese widerliche scheinheiligkeit. dafür habe ich übrigens einen neologismus geschaffen: söderismus, ein synonym für "trumpismus".

frohes fest und wohl bekomm´s, oder was man dazu auch immer sagen soll.

Donnerstag, 12. Dezember 2024

worshipping blixa bargeld & teho teardo

bislang wunderbarster abend eines erbarmungslosen jahrs.

 
 
 
 
***
 
später, als ich in luxus-hausen ankomme, hat der mann den abend über killerspiele gezockt und will wissen, ob ich jetzt feucht bin, nach immerhin zwei stunden auf tuchfühlung mit meinem idol. 
 
"es geht mir so ein bisschen wie mit dir", sage ich.
"wie meinst du?"
"es war durch und durch fantastisch. sogar besser als erhofft. aber ich hätte den ja gern mal früher erlebt. so in den 80ern."
"waaa-has?! sag mal, spinnst du?" der mann streckt die hand aus und versucht, mich in den oberschenkel zu kneifen. "soll das heißen, ich bin ein alter opi?"
"ich hätte euch beide eben gern mal so getroffen wie damals... so als spindeldürre jungs mit wirren frisuren, punkerkluft und hang zur dekonstruktion. die energie gespürt, mit der ihr damals durch die nacht gezogen seid. das amphetamin in eurem schweiß gerochen, den zigarettenrauch in euren haaren..."
"warte mal!"

der luxus-mann verschwindet im hinterzimmer und kommt dann mit einem kleinen fotoalbum wieder.
"hab ich dir schon mal die fotos gezeigt, als ich mir die haare knallweiß gefärbt hatte?"
"nee."
"hier guck mal! diese frise hat mich eine abmahnung gekostet. da hab ich noch für die scheiß bank gearbeitet."
"von deinem chef, der immer so einen auf abstand zu seinen untergebenen gemacht hat?"
"genau der. ein widerlicher wichser!"
 
"musik wie blixa hab ich natürlich keine gemacht", räumt der luxus-mann dann ein. "bin total unmusikalisch, kann ja nicht mal ein instrument spielen."
"macht doch nix", finde ich. "du hast gemalt. richtig geile bilder."
"ich weiß nicht. das war ja auch nur kurz. ich wüsste gar nicht, was ich heute malen sollte. dabei hab ich bald so viel zeit."
"vielleicht bist du nicht mehr verzweifelt genug."
"wahrscheinlich. zu alt, zu saturiert, zu oberflächlich... und keine blixa-gene."

der luxus-mann schaut mich prüfend an, weil ich nichts darauf sage.
"du musst das jetzt dementieren!" klagt er.
ich grinse und knuffe die luxus-wange: "du kannst mir den nacken streicheln, dann überleg ich mir das noch mal."

Sonntag, 8. Dezember 2024

drama statt zuversicht: wie man aus kindern panikhäschen macht

ich habe mich oft gefragt, warum ich so wenig stressresistent bin und grundsätzlich dazu neige, mir größere sorgen als nötig zu machen. beim nachdenken darüber fällt mir immer wieder ein, wie schwierig es für mich war, mich bei problemen meinen eltern anzuvertrauen. denn meine eltern sind weder gute zuhörer und noch konstruktive problemlöser. 

positiv ist zwar, dass sie an meinem wohlergehen grundsätzlich interessiert sind, damals wie heute. das bedeutet, ich darf probleme immer adressieren, ohne dass ich zurückgewiesen werde. 

allerdings ist die reaktion meiner eltern so ziemlich die kontraproduktivste, die man sich vorstellen kann. noch beim schildern meines problems erfolgen dramatische ausrufe ("wie furchtbar!")  und wirre zwischenfragen. so kann man sich weder etwas zusammenhängend von der seele reden, noch erfährt man eine linderung der ängste und sorgen. ganz im gegenteil: zumindest als kind erlebt man seine angst so als mehr als berechtigt. das problem scheint in der tat ungeheuer groß, wahrscheinlich größer als angenommen, möglicherweise sogar unlösbar.

in phase zwei folgt dann die übertragung der verantwortung für das persönliche wohlergehen. meine eltern schildern dann wiederholt und sehr ausführlich, wie furchtbar sie sich wegen mir sorgen, dass sie beispielsweise nicht schlafen können wegen mir oder dass meine mitteilung für sie gesundheitliche auswirkungen hatte.

als reaktion meinerseits werden fürsorge, trost und sogar dankbarkeit für diese verquere form der anteilnahme erwartet. meine aufgabe ist es dann, zu erklären und zu beruhigen und zu versichern, dass alles gar nicht schlimm sei und mir selbst das problem eigentlich gar nichts ausmache. am besten ist es zu behaupten, dass ich schon eine lösung gefunden habe und sicherlich in kürze alles wieder eitel sonnenschein sein werde. kurzum, ich kümmere mich um das wohlergehen meiner eltern und nicht umgekehrt - und mein (mir jetzt noch größer scheinendes) problem löse ich ganz alleine.

passiert es, dass ich wegen meines problems kräftemäßig gerade nicht zur verbreitung von guter laune und zuversicht in der lage bin, folgt phase drei: die beleidigte-leberwurst-phase bzw. emotionale erpressung. das bedeutet, man gibt sich eingeschnappt, weil man für das sorgen-aufblasen und dramatisieren nicht die gewünschte einfühlsame rückmeldung erhielt. es wird also eine belastungssituation in einer belastungssituation geschaffen - und ich muss mich nicht nur um mein hefekuchenartig aufgeblasenes problem, sondern auch noch um den schiefen haussegen kümmern. 

all das war mir als kind selbstverständlich nicht bewusst. aber ich fühlte mich immer fürchterlich schuldig, dass ich so schlimmes kind war, das seinen eltern so schreckliche qualen bereitete.

seit ich nicht mehr zuhause wohne, versuche ich, meine sorgen und ängste ausschließlich mit mir selbst auszumachen. allerdings verhindert mein elterlich fehlgeprägtes über-ich vielfach souveräne reaktionen. es macht mir bei kleinsten unsicherheiten die hölle heiß, lässt mich nächtelang wachliegen und verursacht mir verspannungen und kopfschmerzen. 

das steht offenbar im kontrast zu meinem auftreten. denn viele menschen behaupten interessanterweise, ich wirke äußerlich sehr vernünftig und aufgeräumt. doch das ist nur eine gut funktionierende maske. meine tiefsitzende allgemeine lebensangst und daueranspannung kennen nur personen, denen ich wirklich nahe bin.

vielleicht kann diese kleine geschichte eine warnung sein: bitte schenken sie ihren kindern nicht nur aufmerksamkeit, sondern immer auch zuversicht - und unterstützen sie es möglichst ruhig und konstruktiv bei problemen. halten sie ihre eigenen eventuell dabei aufsteigenden ängste von ihrem kind fern und besprechen sie diese lieber in ruhe mit ihrem partner. es ist sicherlich normal, dass sich eltern die sorgen ihrer kinder manchmal sehr zu herzen nehmen und sich auch mal verzweifelt und hilflos fühlen. aber ihr kind sollte niemals für ihr persönliches seelenheil geradestehen müssen. diese verantwortung liegt ganz und alleinig auf ihrer seite, zumindest bis das kind selbst erwachsen ist.