Samstag, 14. September 2024

empathy not agony

mitgefühl ist bekanntlich eine gute sache, mitleid(en) hingegen eher nicht. mitgefühl bedeutet, das leid des anderen kognitiv nachvollziehen zu können. mitleid bedeutet, selbst in den gemütszustand des anderen zu verfallen - mit allen negativen folgen.

bislang dachte ich, ich sei ganz gut in sachen mitgefühl. ich kann mir probleme anderer anhören, relativ rational darüber nachdenken und lösungen vorschlagen - oder in fatalen fällen behutsam dosierten galgenhumor einsetzen und grundsätzliches da-sein signalisieren. zumindest wenn ich selbst stabil laufe, fällt mir es nicht schwer, mich nicht zu sehr emotional zu involvieren.

aktuell leidet der luxus-mann stark unter den nachwirkungen seiner op, die - wenn man seinem arzt glaubt - auch nicht ganz gewöhnlich sind. eine lösung ist derzeit nicht in sicht, vor allem keine schnelle. das alles deprimiert den luxus-mann sehr und provoziert bisweilen sogar suizidale unkenrufe. und ich weiß nicht, ob es an den seit juli abgesetzten psychopharmaka oder der eigenen unsicheren lebenssituation liegt: ich leide mit. die inzwischen seit drei wochen stark gedrückte luxus-stimmung hat mich regelrecht infiziert. 

das verursacht mir schuldgefühle. denn der luxus-mann braucht jetzt dringend eine ordentliche portion zupackende zuversicht, radikale akzeptanz und besagten galgenhumor. auf jeden fall die sicherheit, dass ich ungebrochen und tatkräftig an seiner seite bin und wir das kind gemeinsam schon schaukeln werden. aber nein. ich verfalle lieber in depressive anspannung, rast- und schlaflosigkeit. fieberhaft arbeitet sich das hirn tags wie nachts ab, was zu keinerlei sinnvollen ergebnissen führt. was wiederum das gefühl lähmender hilf- und nutzlosigkeit befeuert.

heute ist der luxus-mann in seinen alljährlichen kumpel-urlaub geflogen, den er desmal vor lauter frust und beschwerlichkeiten beinahe gecancelt hätte. und ich? nach einem wohlig-entspannten nachtschlaf erlebe ich einen wahren produktivitätsschub. ich stehe früh auf, führe mir die letzten fortbildungskapitel zu gemüte, absolviere recht souverän ein bewerbungsgespräch, verschicke eine weitere bewerbung, mache die wohnung klar schiff und besuche später noch meinen englischkurs. dann bin ich erschöpft, aber auf eine gute art. ich merke, wie es mir gefehlt hat - dieses mich-um-mich-kümmern. das war vor lauter mitleid viel zu kurz gekommen.

und ich stelle wieder einmal fest: mehr ich bedeutet nicht weniger liebe, sondern ein stärkeres und unabhängigeres wir anstelle diffus verschmolzener (ver)wir(r)-gefühle. so zu denken fühlt sich vielleicht manchmal ein wenig egoistisch an, ist aber wohl eine sehr gesunde sache, stelle ich fest.

der luxus-mann ruft mich am zweiten abend an. er klingt zufrieden und meint, es sei gut, dass er mitgefahren ist - und bedankt sich, weil ich ihn angesichts seiner zweifel dazu ermuntert hatte. "manchmal hast du schon recht, auch wenn ich sonst natürlich immer recht habe", foppt er mich.

Mittwoch, 4. September 2024

negativitissimus

am ersten september 1939 begann der zweite weltkrieg. irgendwie irritierend, dass dieses unrühmliche jubiläum mit den landtagswahlen in sachsen und thüringen zusammenfiel.

***

moderne politik dient parteiübergreifend nicht mehr zum nachdenken und gestalten, sondern nur noch der unterhaltung. emotional-inhaltslose phrasen und lügen befriedigen dabei zweierlei: die sucht nach entertainment und die bequemlichkeit, in der persönlichen komfortzone verharren zu können.

***

warum einem beim lesen der "welt" die ganze trostlosigkeit des deutschen journalismus bewusst wird.

***

die jobsuche war erfolgreich. leider. es wird ein furchtbarer job, noch viel schlimmer als der alte: 50 % reisen, 50% präsenzarbeit, kein homeoffice, keine überstundenregelungen, ein gesetzliches minimum von urlaub, dumpinglohn. ich muss ihn annehmen. was bleibt mir schon anderes übrig? höchstens der strick, denn im marketing herrscht immerzu arbeitgebermarkt. 

geht niemals ins marketing, ich bitte euch! werdet lieber altenpfleger, da bleibt mehr würde - und auch nicht weniger geld übrig. (ich überlege mir das mit dem strick noch.)

***

"es gibt echt nichts, was du nicht scheiße findest", sagt der mann manchmal anklagend. damit könnte er recht haben, denn meine enttäuschung ob der menschheit und der ganzen welt ist schier grenzenlos. "mit so einer grundlos dauerfröhlichen stinotante kämst du aber doch gar nicht klar", erwidere ich. womit ich recht haben könnte, gibt der mann zu. kleinste gemeinsame nenner sind so wertvoll!