ich arbeite nun bereits einige wochen im unorganisiertesten unternehmen der welt. der alltag ist geprägt durch stundenlanges suchen wild in willkürlich bezeichneten ordnern auf unterschiedlichen servern abgelegter dokumente. hinzu kommen das fehlen jeglicher strategie, sinn- und endlose meetings sowie rohe chefgewalt bei beständig proklamierter gleichberechtigung. dabei soll man natürlich permanent freudig erregt springen und bei sämtlichen bis spätabends gehenden veranstaltungen und anderen dummschwätz-zusammenkünften gesicht zeigen (es ist immer freiwillig, daher sind es natürlich auch keine überstunden, aber WEHE du machst es nicht.)
kurzum, es ist ein alptraum. so verwirrt, alleingelassen und wütend habe ich mich selbst in meinem grauenvollen volontariat vor 16 jahren nur zeitweise gefühlt.
mein alltag läuft in etwa so ab: ich bekomme eine aufgabe zugerufen und stelle erstmal fest, dass mir zugang/berechtigung/passwort fehlt. ich verbringe den halben tag damit, kollegen/der it hinterherzurennen, um an die nötigen daten zu kommen. dann mache ich mich an die aufgabe, die ich in der regel so noch nie gemacht habe. anleitungen gibt es in unserem unternehmen nicht. fragt man zwei leute, erhält man zwei verschiedene auskünfte. jeder macht seinen kram irgendwie, und irgendwie funktioniert es wohl auch, so für jeden allein. die häufigste antwort auf eine frage lautet: ja, da musst du mal schauen. sprich: viel spaß beim raten.
also mache ich meine aufgabe ebenfalls irgendwie und bitte jemanden, noch mal drüberzuschauen, bevor wir uns bspw. in den social media wegen meiner unkenntnis bis auf die knochen blamieren. in der regel kommt die rückmeldung erst dann, wenn es schon zu spät ist, oder sie bleibt ganz aus.
ich habe noch nie in meinem arbeitsleben so wenig gebacken bekommen. das macht mich vollkommen wuschig. auch wenn ich einen job kacke finde - ein bisschen ehrgeiz habe ich ja doch. ich muss nicht brillieren, aber blamieren will ich mich eben auch nicht unbedingt. es gibt auch zeiten, in denen ich einfach so dasitze und mich tatenlos langweile. zuständigkeiten gibt es nicht, einen teil meiner zeit verdödle ich sinnfrei, weil ich nicht überall proaktiv meine hilfe anbieten kann.
ich hatte schon viele arbeitgeber, bei denen der job die reinste qual war und tägliche selbstvergewaltigung erforderte. aber selbst in den miesesten agenturen hatte ich in der regel wenigstens noch ein angenehmes team, mit dem auch mal lachen konnte. hier arbeitet jeder verbissen, ohne leichtigkeit, ohne sich selbst oder den job mal aufs korn zu nehmen. das gros gehört zum typ übereifriger
selbstverwirklicher, der sich pausenlos engagiert und bei jeder aufgabe
"ich ich ich" ruft. grundsätzlich sind alle bis zum erbrechen pc, übermäßig höflich und furchtbar ernsthaft. jeder übt dabei durch seinen aktionismus subtilen druck auf den rest aus. komme ich überhaupt nicht mit klar. wenn meine kollegin montags reinspaziert und stolz verkündet: "ich bin heute open end da!" könnte ich sie steinigen für ihre dämliche wichtigtuerei.
von cheffe hört und sieht man oft tagelang nichts. manchmal kommt er in meetings hinzu und erteilt in seiner autistischen art und weise anweisungen, die selten ein grund zur freude sind. ich sitze in einem büro gegenüber von ihm, aber er hat es noch nicht geschafft, einen persönlichen satz an mich zu richten oder mich mal zu fragen, wie es mir als neuankömmling so ergeht.
ich hatte mich eigentlich sehr auf den job gefreut, weil ich zum ersten mal in meinem leben einen super korrekten arbeitsvertrag habe, ein auf den ersten blick sehr anständiges gehalt und lauter extra-gedöns wie fahrkarte und altersvorsorge. das wirkte auf mich, als hätte ich endlich mal einen arbeitgeber erwischt, der zumindest grobe peilung von dem hat, was er tut und sich nicht permanent selbst geschäftsschädigt. aber irrtum. das war ein move vom regen in den gewitter-hagelsturm.
mittlerweile ist für mich klar, dass ich mich weiterbewerben werde. ein höflichkeitsjahr muss ich wohl für den lebenslauf abreißen, aber im herbst spätestens geht die jobsuche wieder los. hurrah, ich kotze.
Das hört sich ja noch schlimmer an als mein Job in der Kriegsgewinnler-Firma (und das will etwas heißen). Sie sollte da wirklich nach dem Anstandsjahr nicht mehr lange bleiben. Ich drücke die Daumen, dass Sie etwas finden.
AntwortenLöschendanke. so morgens ist es besonders schlimm. wenn dieser lange tag vor einem liegt und man weiß, dass man gleich wieder unter lauter wenig sympathischen menschen zeit absitzen muss.
Löschenkriegsgewinnler-firma hört sich aber auch nicht sehr sympathisch an. der gegenstand meiner arbeit ist ein wenig netter, aber insgesamt jetzt auch nicht unbedingt sinnvoll.
LöschenOops. Das klingt verdächtig nach "Vom Regen in die Traufe" ... :-(
AntwortenLöschenViel Kraft beim Durchhalten und noch mehr Erfolg bei der neuen Suche!
innerlich steinige ich mich ja auch extrem dafür, dass ich so blöd war. allerdings kann man ja vorher schwer wissen, wie ein unternehmen arbeitet? vielleicht hätte ich im bewerbungsgespräch mal besser gefragt, wie sie ihre server strukturieren und nach welchen konzepten dies und das abgearbeitet wird. aber dann hätten sie das wahrscheinlich beschönigt.
Löschendas positive an deinem text ist, dass ich mich als führungskraft in einer kleineren verwaltung als das genaue gegenteil von deinem chef bezeichnen würde und die softskills für mich selbstverständlich sind, gute orga und strukturen sowieso...
AntwortenLöschenda sieh mal einer an, mein deprimierter arbeitsbericht bestätigt wenigstens eine person in ihren führungsqualitäten. das blog ist vermutlich das lohnenswerteste, was ich in meinem leben zustande gebracht habe. ;-)
LöschenDas ist wirklich schade. Deine Zeilen in Aussicht auf den neuen Job waren vielversprechend. Viel Erfolg bei der erneuten Suche. Evtl. kommt auch bei dir irgendwann der Zeitpunkt, an welchem Du so etwas "aussitzen" kannst. Da überwiegt dann der "Ok, mir dann auch egal" Faktor ...
AntwortenLöschenich weiß nicht. für mich ist ein job wie eine ehe. mit einem ätzenden partner verheiratet bleiben... ich weiß nicht. gut, vielleicht würde man irgendwann sagen: ok, für die kinder, oder: ok, für steuerklasse 3. pragmatismus hat schon was, aber wenn man von natur aus wenig positive energie im leben hat und dann auch noch sehr viel von dem bisschen verliert... ich sehe halt jetzt schon die folgen: ich kann überhaupt nicht mehr schlafen, habe - wenn ich mal wegdämmere - alpträume, bekomme überall neurodermitis und vermehrt rückenschmerzen. das heißt, der körper schreit mich gewissermaßen an: nee, das will ich nicht, das mach ich nicht, und wenn du mich zwingst, mach ich schlapp! ;-)
LöschenIch bin so sehr für die Möglichkeit gleich zu gehen bzw. gleich was zu suchen und auf das Anstandsjahr zu pfeiffen. Wieso nicht kurz und schmerzlos in der Probezeit gehen und das später unbenannt unter den Tisch fallen lassen oder als Ausrutscher oder sonstig kreativ verkaufen.
AntwortenLöschenJedenfalls alles Gute, egal welche Entscheidung es wird :-)
da hab ich auch schon drüber nachgedacht.
LöschenWeiha, hoert sich ja immer schlimmer an... wenn der Koerper schon reagiert, dann besser so schnell wie moeglich weiter bewerben.
AntwortenLöschenIch koennte mir auch vorstellen, schnell wieder weg in der Probezeit mit der offen kommunizierten Begruendung bei weiteren Vorstellungsgespraechen "Der Job war nicht das urspruenglich Angebotene" wirkt besser als "Firmenhopping" bei Wechseln nach einem Jahr. Aber ich bin auch eher schlecht im Einschaetzen von Personalern, wer weiss was die immer denken.
Keine Ahnung, in welcher Branche Du unterwegs bist, aber in der IT ist es ganz genauso. Agil,agil,bis es aus dem Fenster fiel...alles angefangen, nix geschafft.Gefühlt sind alle völlig überfordert, aber tun hübsch weiter so, als ob sie alles im Griff haben. Wahrscheinlich lauert jeder darauf, dass irgendeiner ausflippt. Um sich dann dran zu ergötzen. Furztrocken,humorlos, mehrere Stöcke im Arsch. Upper class Spacken mit Tesla und EBike. Verachtenswerte Technofeudalisten, die jegliche Krise aber überstehen werden, weil gesellschaftlich mehrheitlich so gewollt. Egal.Ich selbst bin seit geraumer Zeit auf der Suche, aber will eben das beschriebene Szenario vermeiden, vom Regen in die Traufe zu kommen. Nicht so einfach, wider allen Geschwätzes von Fachkräfte und Personalmangel.
AntwortenLöschenIch drücke dir die Daumen
ich bin im marketing. in der branche haben wir noch nicht mal "fachkräftemangel" (= euphemismus für die folge von miesen arbeitsbedingungen in miesen drecksunternehmen), weil es massenweise leute gibt, die glauben, so ein drecksjob, in dem man leuten den letzten müll aufschwatzt, der sie krank und die umwelt kaputt macht, megageil wäre. ich war mal im bildungsmarketing, das waren die einzigen berufsjahre, die nicht vollkommene lebenszeitverschwendung waren. allerdings bekommst du da nicht viel mehr kohle als ein kassierer. weil bildung ja im gegensatz zu sowas wie wie dem neuen plastikgadget aus china nix wert ist. ich kanns echt nicht in worte in fassen, welch enorme verachtung ich für diesen job empfinde - und leute, die sich dabei auch noch wichtig fühlen. und es ekelt mich zutiefst an, diesen müll mitmachen zu müssen, weil das kapitlistische modell keine echten alternativen lässt. manchmal denk ich so, hätte ich vielleicht doch lehrerin werden sollen? aber dann seh ich freunde, die lehrer sind und wie die abkotzen, erst wegen dem irren stress und den ungerechtigkeiten im ref, später dann wegen der starren strukturen, die totalen konformismus fordern und gleichzeitig maximale verbiegsamkeit, um bis mitternacht in eltern-whatappgruppen über vegane würstchenalternativen zum wandertag diskutieren zu können.
Löschenachja, es ist schwierig. ich bin ja eigentlich ein kreativer, mensch mit viel intrinsischer motivation, zudem auch gut motivierbar durch solch einfache dinge wie ehrlichkeit und freundlichkeit. ich brauche noch nicht mal ein fettes gehalt. durchschnitt reicht völlig. hab da echt keine überzogenen ansprüche. aber tut mir leid, was arbeitgeber da so bieten, ist einfach der seelentod.
ich drück dir die daumen, dass du etwas findest. wenigstens so einen kompromiss. so ein sinnlosjob mit einigermaßen netten kollegen kann auch was wert sein. (oh, ich hätte gern wenigstens einen kollegen, den ich ein klitzeklein wenig ausstehen könnte!).
jetzt muss ich aber los, die streberarschlöcher schreiben sich schon die finger in teams wund, um sich mit ihrem am wochenende produzierten ideen selbst zu beiweihräuchern.