Freitag, 19. Oktober 2018

mein leben ohne facebook

seit knapp zwei wochen ist mein puls deutlich ruhiger. ich gehe pünktlicher und entspannter zu bett, weil ich abends nicht mehr vor dem rechner versumpfe und mir das bla von leuten reinziehe, mit denen ich überwiegend persönlich kaum mehr etwas zu tun habe.

keine wichtigtuerisch vorgetragenen belanglosigkeiten mehr.
keine kurzsichtigen politdebatten mehr, in denen jeder den anderen in sachen politisch-interessiert-tun zu übertrumpfen versucht, indem er streberhaft die flut der angeblich täglich gewälzten medien aufzählt.
keine unwitzigen witze mehr.
keine dem aktuellen trend nacheifernd eingefärbten profilbilder mehr.
keine #metoo-debatten mehr mit frauen, die sich sexuell belästigt fühlen, wenn ein mann am anderen ende der stadt atmet.

ich hielt es zunächst für eine polariserende aussage mediengeiler wissenschafter, aber es stimmt: facebook hat meine depression verstärkt. und ich glaube inzwischen, dass facebook in der lage ist, psychische krisen auszulösen. je weiter meine freundesliste gewachsen ist, desto einsamer fühlte ich mich. mir wurde klar, dass facebook-freunde keine freunde sind. facebook stellt keine beziehung zwischen menschen her, sondern erlaubt einen beziehungslosen, oberflächlichen voyeurismus, der uns durch momentaufnahmen aus dem leben anderer, die nicht einmal authentisch sein müssen, vorgaukelt, diese personen zu kennen. doch ohne regelmäßige oder unregelmäßige besuche - oder zumindest telefonate und persönliche nachrichten - ist für mich eine freundschaft keine richtige freundschaft.

anfangs ist das ja alles nett. ein like, ein herzchen hier, ein kommentar da. 30 leute, die sonst nie anrufen, gratulieren auf einmal zum geburtstag? ach wie schön. aufmerksamkeit tut ja durchaus gut.
bei gesprächen wird es dann aber schon schwierig. diskussionen auf facebook sind anders als im leben. hemmschwellen fallen, das aggressionspotenzial ist höher, missverständnisse lauern. manchmal wusste ich nicht mehr, schreibe ich da mit der person, die ich so viele jahre tatsächlich persönlich gekannt habe und immer noch zu kennen glaube? enttäuschung um enttäuschung häufte sich an zum gefühl totaler entfremdung, bis ich schon allein beim anblick eines neuen posts bestimmter user die krätze bekam.

facebook hat mich in der tat reale freundschaften gekostet. wenn jemand facebook beispielsweise als pranger nutzt, um lügen über dich zu verbreiten, dann lässt sich das irgendwie nicht mehr zurückdrehen. eine aussprache von angesicht zu angesicht wird in so einem fall zum ding der unmöglichkeit, zumindest für mich. da ist dann eine grenze überschritten.

ich bin überzeugt, dass facebook und andere social media-plattformen das schlechteste aus uns herauslocken. ich nehme da auch blogs nicht aus. trotzdem bin ich lieber auf blogs unterwegs oder auf twitter. denn hier ist eine deutlich bessere selektion dessen, was ich mir zumuten möchte, möglich.

es gibt ein paar facebook-freunde, die ich vermissen werde. einige wenige. ganz wenige. ein leben ohne facebook ist nichtdestotrotz dringend empfehlenswert für alle, die schlecht schlafen, schnell wütend werden, eine sehr fürgsorgliche ader haben oder gerne ihr herz an andere verschenken. und natürlich für alle, die zu depressionen neigen.

das echte leben hat so unendlich viel mehr zu bieten.
geht einfach raus und guckt in die sterne. oder jemandem direkt in die augen.

9 Kommentare:

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    1. der veranstaltungskalender war schon super. das wird jetzt etas aufwändiger... aber das ist es mir wert.

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  2. Huhu! Toller Text- der letzte übrigens auch! Hatte noch Schreiben wollen.
    Hm, ich fass' mir grad ein bissl selber an die Nase. Ich wollte auch wieder bloggen, aber nur was ganz Einfaches, keines der "Hochglanzmagazine". Wird der ein oder andere sicher auch als belanglos ansehen (das ist okay).
    Ich kann so Vieles am Internet nicht mehr sehen. Ich glaube auch, dass das Leben ohne Facebook mehr Qualität hat. Früher hatte man nur das Telefonbuch, aber man sprach noch miteinander. Heute ruft man nicht mehr an und betreibt Voyeurismus, wie du schreibst. Und der treibt Menschen im Kampf um Aufmerksamkeit zu komischen Dingen. War das Telefon da nicht "hochwertiger" im Sinne von "sozial". Ich glaube auch, metoo geht jetzt in die falsche Richtung. Irgendwie ausgeartet. "..wenn ein Mann am Ende der Stadt atmet"- lach.
    Ich hab' auch kein Facebook mehr. Und kein Insta. Und du hast recht- "diäten", lieber mal die Nase nach draußen halten. Sorry, Roman. Schönen Abend!

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    1. es ist doch egal, was man bloggt. manchmal hau ich hier auch einfach nur frust raus. aber komischerweise gibts ganz oft anscheinend jemanden, dem das dann gerade aus der seele spricht. für irgendjemanden ist es vielleicht von belang. das finde ich schön am bloggen.

      klar ist bloggen auch selbstdarstellung. aber das eben aufrichtig. das blog kommt nicht getarnt als freundschafts-verwaltungstool. diese "ehrlichkeit", wenn man ein medium mal so attributieren darf, schätze ich.

      davon abgesehen gibts hier keine werbung, keine ständigen mitteilungen und deutlich weniger massenphänomene. und kommentieren kann hier auch nicht jeder idiot. das schafft ruhe und die mag und brauche ich.

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  3. Also ich habe meinen fb Account behalten lediglich weil ich unglaublich neugierig bin. Frisst doch kein Brot und man muss mit seinen so bezeichneten Freunden nicht mal kommunizieren. Die Nerver hab ich gemutet. Check!
    Lg magenta

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    1. als eventkalender ist facebook richtig gut, ohe zweifel.
      ich hab mich lange mit meinem ausstieg getragen, hab erst nichts mehr auf mein profil gepostet und dann alle früheren beiträge gelöscht. aber wenn ich dann reinschaute und den ganzen müll im feed gelesen habe, hat mich das teils mega aufgeregt und dann konnte ich den mund nicht halten. hängt man also wieder drin in der kommunikationsfalle und verschwendet zeit auf dinge, mit denen man sich eigentlich gar nicht auseinander setzen wollte.

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  4. Toll! Ich krieg zwar keine Depressionen, ärgere mich aber über die verlorene Zeit. Ich habe einen Fake Account ohne einen einzigen friend, so kann ich zumindest Mitglied von ein/zwei (oder drei��) Gruppen sein, die mir wichtig sind. Vielleicht schaffe ich auch den kompletten Ausstieg, irgendwann. Die letzten 20 Jahre meines Daseins sollte ich sinnvolller nutzen ��‍♀️.

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