Samstag, 19. Februar 2022

arbeitskultur im kapitalismus

was ich an unserer leistungsgesellschaft am meisten hasse, sind die vielen stunden, die wir überflüssigerweise im büro verbringen. einen nicht unerheblichen teil unserer zeit verschwenden wir mit stundenlangem dummgeschwätz, das nirgendwohin führt. die alltägliche maskerade aus höflichem lächeln und nicken, aus albernen floskeln und inhaltslosen gesten.

manchmal wird uns diese ganze sinnentleertheit bewusst. wenn wir abends im bett liegen und uns fragen, warum stehen wir eigentlich morgens auf? warum quälen wir uns durch das chaos des berufsverkehrs, trinken lauwarmen filterkaffee, um wach zu werden - und verschwenden dann unsere lebenszeit in meetings und konferenzen?

manch einer von uns genießt das und zieht seinen stolz daraus, in anzug und krawatte uniformiert ein vermeintliches etwas zu repräsentieren, das die welt kein stück weiterbringt. ein teil davon lebt so sogar ganz gut. aber er muss natürlich seine zeit füllen, um seine blindheit pflegen: den porsche polieren, das unkraut im vorstadtgärtchen jäten, mit der familie, die er im grunde kaum kennt, in überteuerte urlaube fahren. betäubung durch überflüssigen konsum, den der sinnlose job ermöglicht hat.

zugleich ist es verpönt, nicht zu arbeiten oder weniger zu arbeiten. denn dann ist man nicht ehrgeizig genug, kein wertvolles teil der sinnlosigkeit. 

als lemminge der kapitalistischen arbeitskultur halten wir lieber niemals inne. in unserem verzerrten weltbild würde stillstand das ende der konsumfähigkeit bedeuten. das ende der haste-was-biste-was-philosphie. es ist also besser, uns, unsere mitmenschen und den planten einfach weiter auszubeuten. so wie ein junkie seinen arsch für den nächsten kick verkauft.

dabei passiert uns genau dasselbe wie besagtem junkie: der kick des konsums verpufft fix. die freude über das iphone wärt solange, bis apple ein neues auf den markt wirft. der suv ist solange interessant, bis es ein klotzigeres, schwereres modell mit noch mehr ps gibt. das konsumbestimmte glück im kapitalismus ist immer nur ein schales, kurzfristiges, nicht nachhaltiges.

eigentlich können wir uns dieses "glück" auch gar nicht mehr leisten. die arbeiterschaft kollabiert an überstunden und psychischen erkrankungen, der planet geht unter in plastikmüll und abgasen. ein zusammenbruch ist wahrscheinlich und absehbar. aber wie junkies machen wir weiter. betäubt durch betriebsamkeit und konsum strampeln wir im hamsterrad, bis uns die folgen unseres handelns hoffentlich auslöschen werden.

9 Kommentare:

  1. Ist bei mir genauso. Zumindest seit ca. einem Jahr stark zunehmend: Wenn Konflikte auftauchen, werden diese, anstatt sie zu lösen oder auszuhalten, in endlosen ergebnislosen Konferenzen beredet, gerne werden auch externe "Berater" hinzugebucht, die viel Geld kosten und wiederum weitere Gesprächsrunden generieren ... es ist traurig.

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  2. Anstelle von Geld verdienen Tauschhandel oder doch bedingungsloses Grundeinkommen? In der Hoffnung, dass dann genug Menschen übrigbleiben die für das Mehr an Geld die "Scheißjobs" machen? Nein geht ja nicht, denn dann würde es ja wieder in "Mehr"-Verdiener und Grundeinkommen "enden". Die Kosten für alles per Gesetz auf einem Niveau halten und jedem alles ermöglichen? Bei deinem Text kann ich einiges verstehen und sehe es ähnlich oder gleich aber wie sieht die Lösung aus? Ich finde keine, habe aber auch keinen Leidensdruck, denn mit wenig, sehr ausreichend
    und anschließend noch weniger bis ausreichend kann ich/wir beide sehr gut leben.

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    1. Richtig so!
      Wir brauchen ebenfalls keine Statussymbole um uns zu "verkaufen" oder darzustellen.

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    2. ich glaube nicht mehr an irgendeine "lösung". die zeit für sinnloses geschwafel und den raum für selbstdarsteller werden wir immer haben. solange, bis uns elementare probleme wie seuchen und hungersnot töten.
      der mensch ist nunmal langsam und routineverliebt. unser gehirn ist nicht auf vorausschauende anpassung programmiert, sondern reagiert nur auf unmittelbarkeiten - und das eben auf unangepasste weise. und das wird das ende unserer spezies sein. in zwei monaten oder spätestens in 80 jahren.

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  3. Hast du eigentlich "GRM" von Sybille Berg gelesen? Erinnert mich daran... Liebe Grüße von B nach H!

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    1. die liebe sybille und ich haben einiges gemeinsam. ;-) grm habe ich noch nicht gelesen, besitze aber einen großteil der bergschen literatur. habe vor ein paar jahren mit "sex II" angefangen und der mann hat mich dann stetig mit weiteren werken beschenkt, weil er meint, das sei so eine art seelischer zwilling von mir. ;-)

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