Freitag, 24. April 2020

der fluss der verlorenen erinnerung

im garten meiner eltern rinnt ein bächlein, das von einem kind bewacht wird.
der bach ist der ursprung des flusses der verlorenen erinnerung, sagt das kind. ich könne damit in meine, aber auch in die erinnerung anderer menschen reisen.

ich entscheide mich dafür, dass ich mehr über das objekt erfahren will. also steige ich das brackige rinnsal, das aber bald breiter und klarer wird.

zuerst tauche ich in meine eigene erinnerung.

in dieser flirte ich auf einer party mit einem typ. den finde ich eigentlich nicht wirklich interessant. in der erinnerung wird mir das erstmals so richtig bewusst. ich hebe den kopf und entdecke das objekt. es starrt mich über die köpfe der anderen hinweg an - und ich fühle mich sehr stark verbunden.

plötzlich verstehe ich, dass auch ich mich selbst nie wirklich für das objekt entschieden habe. stattdessen habe ich ihm gegenüber totale unabhängigkeit proklamiert und das mit willkürlichem ficken untermalt. das stimmt mit dem überein, was mir das objekt oftmals vorgeworfen hat: immer, wenn man dir näher kommt, gehst du, zumindest innerlich.

anschließend tauche ich in die erinnerung der mutter der drittefreundin ab. die drittefreundin stammt aus dem engeren freundeskreis um das objekt und ist - wie der name sagt - die freundin des dritten. der dritte hatte das objekt und mich einst zum dreier verführt - der startschuss unserer liason. wie ich auf die mutter komme, weiß ich nicht, im real life kenne ich sie nicht einmal.

in dieser erinnerungssequenz richtet die drittefreundin-mutter eine geburtstagsfeier für ihre tochter aus. auch das objekt ist eingeladen. beim feiern erwischt das objekt eine überdosis drogen. die mutter - in diesem fall ich, weil ich ja in ihrer erinnerung stecke - versucht, den notruf zu wählen. am anderen ende ist ein vollkommen demotivierter mitarbeiter. der sagt, dass erst in 45 minuten ein krankenwagen kommt. das objekt stirbt mir unter den händen weg.
ich durchlebe neben furchtbarer panik das gefühl diese seltsamen mischung aus verantwortung und ohnmacht, dass ich seit dem objektiven unfall mit mir herumtrage.

in der dritten sequenz reise ich in die erinnerung der objektmama. diese erinnerung spielt auf einem truppenübungsplatz an der polnischen grenze. das objekt will ständig desertieren. seine mama - also wiederum irgendwie ich in diesem fall - versucht, ihn zu bleiben und durchhalten zu bewegen. auch hier gibt es parallelen zur wirklichkeit: zum einen ist das objekt zu wehrpflichtzeiten tatsächlich desertiert - eine geschichte, die es vor vielen jahren mal zum besten gab. zum anderen ist es schon öfter mit dem rolli aus seiner einrichtung ausgebüxt. es ist eben auch ein freiheitsliebendes wesen.

am ende der dritten erinnerungsreise kehre ich zurück zum kind am fluss der erinnerung. es sagt, du kannst wählen zwischen hier und drüben. ich fackle nicht lange und beschließe, wieder nach drüben in die welt der erinnerung zu gehen und dort zu bleiben.

am morgen bin ich noch immer beeindruckt von diesem traum - und vor allem von meiner entscheidung am ende. tatsächlich hänge ich sehr stark an der erinnerung. bisweilen sind meine tagträume so intensiv, dass ich nichts mehr um mich herum mitbekomme. manchmal mache ich mir sorgen, dass ich deshalb wichtige chancen und entscheidungen im hier und jetzt verpasse, oder aber gefahren übersehe.

aber die erinnerung trägt mich wie eine kugelsichere weste. sie ist meine form von spiritualität und transzendenz, eine sichere dimension in einem unübersichtlichen multiversum.

2 Kommentare:

danke für deinen kommentar. ist er hilfreich, fair und sachlich, wird er nach freischaltung veröffentlicht. kontextfreie, rassistische und sonstige arschloch-scheiße wird sofort gelöscht.