eine psychisch kranke frau sticht wahllos mehrere menschen am hauptbahnhof in hamburg nieder. inzwischen ist bekannt, dass die messerstecherin am tag vor ihrer tat aus der geschlossenen psychiatrie entlassen wurde - und keinen festen wohnsitz hatte. man nehme also eine labile person ohne schützenden rückzugsort, die in die öffentlichkeit gespült wird und dort - mit vermutlich psychotischem hintergrund - auf eine vielzahl von triggern trifft. vor allem beim unterlassen der medikamenteneinnahme (was bei aktuten psychosen gerne mal passiert) sind die folgen fast vorhersehbar.
ich erinnere mich noch gut an meinen eigenen kleinen fünftägigen psychiatrieausflug vor gut 11 jahren, den man alles in allem als unterlassene hilfeleistung zusammenfassen könnte: aggressive, unfreundliche und des deutschen nicht mächtige pflegekräfte, bis auf eine einzige stunde kunst keinerlei therapie - und lediglich zwei etwa 10-minütige gespräche mit ärzten, denen man überdeutlich anmerkte, dass sie null bock hatten und froh waren, dass ich sie belog und behauptete, ich hätte nach drei tagen überhaupt keine suizidabsichten mehr.
bei meiner entlassung hatte ich nichts an der hand - keinen medikamentenplan, keine ambulante therapeutische weiterbetreuung, keine adresse einer selbsthilfegruppe, keine tipps für den fall weiterer potenzieller krisen. ich war zwar froh, dem wahnsinn entkommen zu sein, aber auch komplett orientierungslos und alleine. alles, was ich damals wusste: im falle suizidaler absichten würde ich mich in keinem fall ein zweites mal auf ein stationäres psychiatrisches angebot einlassen. horror statt hilfe, das hatte ich schon in meinem eigenen kopf. dann lieber gleich schluss machen.
in meinen augen ist es kein wunder, dass dinge wie die messerstecherei am hamburger hauptbahnhof passieren.
es ist jedoch nicht das problem fehlender polizeipräsenz oder lückenhafter sicherheit im öffentlichen raum. ursache ist der profunde mangel eines zielführenden, durchdachten und engmaschig ausgerichteten psychiatrischen angebots in diesem land. es ist das problem einer konstanten, sich verschlimmernden unterversorgung psychisch erkrankter - bei gleichzeitig zunehmender stigmatisierung durch den leistungsimpetus in einer kapitalistischen gesellschaft. ich könnte an dieser stelle die zwangssterilisierungsfantasien meiner ex-chefin wiedergeben, aber das kennen sie sowieso schon alles aus dem dritten reich.
für mich steht derweil fest: auch wenn wir künftig ganze hundertschaften an polizisten in unserem engen, stinkenden, verwarzten bahnhof positionieren: solche vorfälle können damit nicht ansatzweise verhindert werden. dieses ganze polizei- und sicherheitsaufgebot hat in wirklichkeit nur eine einzige funktion: die täuschung der bevölkerung, dass sich von staatlicher seite gekümmert würde. in wirklichkeit ist es das eingeständnis vollumfänglichen versagens unseres gesundheitssystems in psychiatrischen angelegenheiten.
"das eingeständnis vollumfänglichen versagens unseres gesundheitssystems in psychiatrischen angelegenheiten. "
AntwortenLöschenEinhundertprozentige Zustimmung von mir.
Gruß Jens