am frühen abend allerdings beginne ich zu saufen. so auf die unvorsichtige. zwischendurch kommt mir der gedanke, dass das ja nun gleich aus dem ruder läuft, weil alk sämtliche hemmschwellen senkt. also werfe ich noch ein paar pillen ein, um mich zu bremsen. die mische führt schließlich dazu, dass die endorphine rasen. mir ist nach tanzen.
ich verabrede mich also mit meinem kumpel v. zum clubbing. v. kommt und hat gras dabei, und wir kiffen uns die birne zu. v. ordert außerdem einen wodka nach dem anderen,
"kannsch bei dia schlafffn", nuschle ich irgendwann, weil ich es mir nicht mehr zutraue, nachhause zu kommen.
"klaaaaa", lallt v., aber so klar ist das gar nicht, denn v.s ex ist da, und kurze zeit später ist v. weg.
so zuverlässig v. im nüchternen zustand ist, so vorhersehbar ist es, dass auch er eskaliert, wenn genügend alk und vor allem seine ex im spiel sind.
der rest des abends verschwimmt in hochprozentigem.
als ich am samstagmittag wach werde, habe ich den schädel des jahrhunderts. langsam öffne ich die augen. ich träume, denke ich. ich liege in einem riesigen bett in einem roten zimmer, das das objektschlafzimmer hätte sein können, wäre es nicht ungefähr fünfmal so groß, pikobello aufgeräumt und mit enormen fenstern und weißen flügeltüren ausgestattet. durch schwarze, mit kleinen halbmonden durchzogene vorhänge dringt sonnenschein. das ist nicht real. ein traumtraum, denke ich, also ein traum, in dem man träumt, dass man aufwacht.
aber dann kommt ein blonder mann ins zimmer, grinst mich unverfroren an und fragt:
"na, wieder unter den lebenden?"
ich bekomme einen tierischen schrecken.
der mann beginnt schallend zu lachen:
"du hast keine ahnung, wo du bist, was? aber du warst auch echt voll!"
"haben wir gefickt?" kommt mir der erste gedanke.
der blonde mann schüttelt amüsiert den kopf.
"ich hab dich nur mitgenommen, weil klar war, dass du nicht mehr nachhause kommst."
ich habe inzwischen erleichtert festgestellt, dass ich bis auf die stiefel noch alle meine klamotten anhabe.
"ok... danke... dann geh ich mal besser, was", sage ich.
"willst du gar keinen kaffee haben?" will der mann wissen.
"kaffee wäre toll", antworte ich. "aber ich müsste erstmal ins bad."
"ich zeig dir wo. kannst auch ein handtuch haben."
"oh, prima. hast du zufällig auch eine zahnbürste?"
"zufällig ja", lacht der mann.
dann stehe ich in einem riesigen badezimmer mit pompöser eckbadewanne, bidet, tropischer regendusche und einem ganzkörperspiegel, und schrubbe mir total belämmert die zähne.
"bist du reich oder was", frage ich den mann, als ich fertig bin.
"nö", sagt der mann. "aber ich lege sehr viel wert auf schönes wohnen."
"das merkt man", sage ich. "hier siehts auch aus, als käme jeden tag eine putzfrau."
"ich hab gar keine putzfrau", sagt der mann.
"echt nicht? aber das ist doch eine riesenwohnung."
"ich bin spießig, ich putze gern."
"ich auch. putzen entspannt mich. und ich mag es, wenn ich in die wohnung komme und alles riecht gut und frisch. "
"dann komm mal mit in die küche, da isses auch sauber, und es gibt kaffee."
als ich die küche betrete, bekomme ich noch mal einen schreck, denn da sitzt schon jemand und isst cornflakes.
"hi", sage ich schüchtern."
der cornflakes-esser sieht kurz auf und nickt und widmet sich dann weiter seinem frühstück.
"das ist mein sohn", sagt der mann. "nick, bitte sei höflich zu unserem gast."
"guten morgen", sagt der junge ziemlich sarkastisch, denn der morgen ist schon längst vorbei, und ich merke, dass er keinen bock auf durchgefeierte fremde trusen hat.
der mann schenkt kaffee in zwei tassen und setzt sich dann zu mir und seinen sohn an den tisch.
"schleppst du öfter volle weiber aus bars ab?" frage ich.
"normalerweise mache ich das nur dann, wenn ich kinderfreies wochenende habe, dann muss ich mich auch nicht so zurückhalten", scherzt der mann mit blick auf seinen sohn, dem das ganze sichtlich unangenehm ist.
"ich hoffe, ich hab nichts peinliches gemacht", sage ich kleinlaut.
"nö. sonst hätte ich dich schon rausgeschmissen."
"haben wir uns gestern denn noch unterhalten? oder wie haben wir uns kennen gelernt?"
"du hast auf meinem mantel geschlafen. und irgendwann wollte ich den halt wiederhaben."
"ich geh mal los zum training." der sohn schiebt seine cornflakes-schüssel von sich und erhebt sich.
"stell das bitte in die geschirrspülmaschine", sagt der mann streng.
"jaja", sagt der sohn, dann verkrümelt er sich.
"wie alt ist der denn", will ich wissen.
"der wird jetzt 18. und findet es total peinlich, einen vater zu haben, der sich die nächte um die ohren schlägt."
"wow. dann bist du aber früh vater geworden!"
"mit 24."
"krass."
"ich hab auch noch eine tochter. die ist erst sechs."
"enormer altersunterschied."
"ist auch von einer anderen frau. ich war zweimal verheiratet."
"und jetzt lebst du hier mit deinem sohn in dieser wahnsinnswohnung?"
"der wohnt nicht hier, der hat hier aber ein zimmer, und er kommt halt vorbei, wenn er lust hast."
"aha. und deine frauen?"
"die nerven", lacht der mann. "ist halt immer streit wegen unterhalt, dabei bezahle ich sowieso fast alles."
ich sehe aus dem fenster.
"wo sind wir hier eigentlich?"
"schanze."
"boah nee, du siehst aber gar nicht aus wie son hipster-daddy oder medien-mensch."
"ja, ich weiß, ist ein klischee. aber ich fand die wohnung gut."
"was zahlst du dafür?"
"so 1.200."
"warm oder kalt?"
"kalt", lacht der mann.
"du musst echt reich sein."
"nee. also ich verdiene schon gut, aber die miete und die beiden kinder, das allein schluckt schon rund 2.500 euro pro monat. und davon hat noch keiner was großartiges gehabt."
"ich hätte da so keinen bock drauf."
"ich liebe meine kinder, aber ich denk mir oft, wahrscheinlich wärs besser gewesen, ich hätte sie nicht bekommen."
"kann ich mir vorstellen."
"und du? hast du kinder oder willst du welche?"
"weder noch."
"echt nicht? alle frauen, die ich kennen lerne, wollen immer kinder."
"ich nicht. ich finde kinder total scheiße."
der mann sieht mich nachdenklich an:
"du bist ganz schön hart. aber ich glaube, du hast auch eine weiche seite."
ich muss lachen.
"messerscharf erkannt."
auf dem fensterbrett liegt ein max-goldt-buch.
"guter geschmack", sage ich.
"ich lese nicht viel", sagt der mann, "aber manches sehr gern. ihn hier eben auch."
"ein dummkopf bist du jedenfalls schon mal nicht."
der mann grinst:
"du aber auch nicht, offenbar. auch wenn du eine fatale neigung zum totalabsturz zu haben scheinst."
"passiert mir eher selten, inzwischen."
"ist nicht schlimm, in meinen augen. ich trinke auch viel und kann dann manchmal nicht aufhören."
wir leeren schweigend unseren kaffee, dann sage ich:
"ich werde mal los."
"soll ich dich irgendwo hin bringen?"
"nein danke", sage ich etwas schroff.
"hey, keine angst, ich vergewaltige dich nicht... ich bin vater... und ich hab ein auto... ich biete dir das einfach so mal an, ich weiß ja nicht, wo du hin musst."
"danke, aber so weit habe ich es nicht."
ich schlüpfe in stiefel und jacke:
"ja dann... danke noch mal für den schlafplatz... und den kaffee."
"gern geschehen. du bist ein interessanter mensch."
ich muss geschmeichelt grinsen.
"das hörst du aber bestimmt nicht zum ersten mal", ergänzt der mann lachend.
"tschüß", sage ich verlegen lächelnd.
"tschüß... vielleicht begegnet man sich ja mal wieder."
"lässt sich so pauschal nicht ausschließen, so groß ist die szene ja nicht."
als ich zuhause ankomme, wartet die katze ungeduldig und hungrig, und ich fülle schnell den napf, während sie laut mauzt und mir auf die füße tritt. dann sitze ich auf dem boden, streichle ihr warmes, weiches fell. die sonne scheint ins zimmer, und meine kleine welt fühlt sich ganz im gegensatz zum vortag durchweg sehr in ordnung an.
Was für eine schöne Geschichte! Könnte mich beinahe mit Max Goldt versöhnen, den ich noch nie leiden mochte. Aber wahrscheinlich kommt es gar nicht darauf an, was man mag, sondern wie man sich erhält, wenn es drauf ankommt. So wie dieser Mann wäre ich auch gern.-
AntwortenLöschenmax goldt liebt man oder hasst man, glaube ich. ;)
Löschender mann war cool. auf jeden fall. an der stelle seines sohnes wäre ich total stolz auf ihn.