bis heute kann ich schwer einschätzen, wie meine eltern wirklich zu mir stehen und ob man das so wirklich liebe nennen sollte. auf den ersten blick darf mich nicht beschweren: mir gegenüber treten sie meist warmherzig, wohlwollend und großzügig auf - so haben sie sich auch immer nach außen hin gezeigt: liberal und generös, ein nahezu perfektes vorbild von elterlichkeit.
im stillen kämmerlein, wenn ich nicht dabei bin, sieht das etwas anders aus. von meinem cousin erfuhr ich vor einiger zeit, dass massiv über mich gelästert wurde und wird. "deine eltern sagen echt manchmal sachen, die sind derart verletzend, dass ich sie vor dir nicht wiederholen mag", gesteht er mir.
als ich das zum ersten mal hörte, neigte ich dazu, das nicht zu glauben. mein cousin musste da was falsch verstanden haben! aber dann erinnerte ich mich: auch als ich klein war, haben meine eltern oft über mich getratscht, wenn ich nicht im zimmer war. da uns nur eine dünne wand trennte, bekam ich das häufig mit. meist ging um schulisches versagen (eine zwei in religion! was für eine tragödie!) oder irgendwelche kleinigkeiten, die ich nicht beachtet hatte (die türe zum wohnzimmer nicht richtig geschlossen, obwohl geheizt wurde!). ich war jedesmal furchtbar beschämt und sehr traurig - und hatte noch mehr angst als zuvor, fehler zu machen.
auch ohne diese verletzende art von feedback war die liebe meiner eltern ja schon schwer zu erringen. sie war stets an ganze komplexe von bedingungen geknüpft, die für ein kind begrenzt verständlich waren und die sich auch jederzeit mal ändern konnten. bis heute habe ich manchmal das gefühl, in einem nicht enden wollenden wettrennen um anerkennung festzustecken, dessen regeln ich nicht genau kenne und das ich letzten endes schlichtweg nicht gewinnen kann.
als ich vor ein paar tagen aus n zurück nach hh reise, erlebte ich wieder so eine situation. mein vater sagte mir zum abschied netterweise, dass es schön war, dass ich da war. mir wurde ganz warm ums herz und ich freute mich. dann merkte er an, dass er für meine mutter nicht sprechen könne, sie habe sich nämlich beschwert, ich mache ihr immer so viel arbeit.
ich erschrak: war dem so? in der tat holt meine mutter morgens oft meine lieblingsbrötchen vom bäcker - was ich aber nie verlangt hatte. aus dem supermarkt bringt sie außerdem immer ein paar lebensmittel mit, die ich mag und die sie sonst wahrscheinlich nicht kaufen würde. kurz bevor ich ankomme, bezieht sie mir außerdem einmal das bett. aber sie kocht nicht für mich, sie muss keine wäsche waschen und auch nicht putzen, weil ich das bei bedarf alles selber mache. darüber hinaus bringe ich ihr auch sachen mit oder kümmere mich um die dinge, die meine eltern eben selber nicht mehr so gut können, insbesondere am computer. ich hielt das bislang für einigermaßen ausgeglichen. aber ich wusste, ich konnte mich auch irren, da meine mutter seltsam muster hatte, mit denen dinge "aufgerechnet" werden.
was mir bleibt, ist eine sprachlose enttäschung: mir gegenüber tut meine mutter, als freue sie sich immens, wenn ich zu besuch komme. meinem vater gegenüber stellt sie es als belastung dar. möglicherweise liegt die wahrheit irgendwo dazwischen und es ist beides für sie. aber dann würde es mich freuen, wenn sie mit mir redet anstatt sich bei meinem vater über mich zu beklagen. mir beispielsweise sagt: wenn du brötchen willst, geh bitte selber zum bäcker, das ist mir zu viel. ich habe ihr ohnehin schon x-fach gesagt, sie müsse nicht extra irgendwas für mich einkaufen. sie könne mir gern etwas mitbringen, wenn sie sowieso in den laden geht, aber ich möchte ihr absolut keine zusätzlichen shopping-touren zumuten. das wurde bislang immer vehement abgelehnt: nein, nein, das sei doch keine mühe und selbstverständlich! entsprechend empfinde ich es als unfair, wenn es im nachhinein klingt, als stelle ich unverschämte ansprüche. und vor allem, wenn ich das auf diese weise erfahren muss - über die flüsterpost, als kritik, zu der ich mich nicht äußern konnte. im nachhinein kann ich das nämlich auch nicht tun, denn es würde bedeuten, preiszugeben, dass mein vater mir das gesagt hat. damit hätte er gepetzt und bekäme seinerseits ärger mit meiner mutter, die sehr eifersüchtig reagieren kann.
kennen sie solche dämlichen konflikte? vielleicht ist das auch normal und ich bin einfach zu empfindlich? ich bin gespannt auf ihre erfahrungen.