Samstag, 29. Oktober 2016

tales of ordinary madness

nicht jeder mag hamburg. da hat uwe uns außer mir offenbar noch mehr menschen aus der seele gesprochen. neben den von mir genannten bekannten allgemeinproblemen der stadt, die vor allem die sozial weniger privilegierten betreffen, berichtet dieses blog von einem hamburger ärgernis ganz anderer dimension und natur: den lamoyanten.


(cabman.blogger.de, we couldn´t get closer than this, 28.10.2016)

wer sind diese lamoyanten? auf den ersten blick liest sich der name wie der eines elitären geheimbundes oder einer freimaurerloge. ich befragte google. ich befragte duden. die lamoyanten scheinen es trotz des überwachungsstaates geschafft zu haben, vollkommen im untergrund zu bleiben. mysteriös! also forschte ich innerhalb der quelle weiter und versuchte, weitere hinweise auf die lamoyanten zu finden.

dem grammatikalischen und semantischen kontext zufolge sind die lamoyanten des reitens nicht mächtig, was allerdings in hamburg keine seltenheit ist, handelt es sich doch um die großstadt der genitalbooster-fahrer und weniger um eine gegend, die reich an gehöften und koppeln ist. vielleicht nörgeln diese lamoyanten deshalb so viel? und haben reiter satt, die fahrbahnen und gehwege mit pferdeäpfeln verkoten?

dem weiteren kontext zufolge geht ihnen außerdem die erkenntnis der zweiseitigkeit im disput und selbstdisput ab. das könnte bedeuten, dass sie dr. jekyll & mr. hyde nicht kennen (eine beweinenswerte kulturlücke), nicht gerne selbstgespräche führen - oder aber, dass sie einfach nicht schizophren sind. zu letzterem fiel mir sogleich erich fromm ein, dessen aussage zu gesellschaftlicher schizophrenie mich auf eine heiße spur brachte:

Aber sehr viele Menschen, das heißt: die Normalen, sind so angepaßt, die haben so alles, was ihr eigen ist, verlassen, die sind so entfremdet, sind so zum Instrument, sind so roboterhaft geworden, daß sie schon gar keinen Konflikt mehr empfinden. Das heißt: ihr wirkliches Gefühl, ihre Liebe, ihr Haß, die sind schon so verdrängt oder sogar so verkümmert, daß diese Menschen das Bild einer chronischen leichten Schizophrenie liefern.
(zeit online, "die kranken sind die gesündesten", ein interview, geführt kurz vor seinem tode, micaela lämmle und jürgen lodemann, 21. märz 1980, http://bit.ly/2e5lvOk)

wer auch immer diese lamoyanten sind, sie scheinen mir keineswegs gefährlich, sondern vielmehr höchst sympathisch - und womöglich sogar humorvoller und weniger larmoyant als die gemeinen stinos, auch wenn ihnen deren tiefe und allzeit bewundernswerte reflektiertheit fehlt. möglicherweise wird der ein oder andere lamoyant sogar mal grund dafür sein, dass ich hamburg eines tages doch noch etwas mehr schätzen lerne.

nachträgliche anmerkung für den verfasser der quelle, bevor er mich abmahnt: das datum bei der zitation bezieht sich vorschriftsgemäß auf das datum des zugriffs und nicht auf das erstellungsdatum der quelle. es geht nämlich darum, wie dem zitierenden die quelle zum angegebenen zeitpunkt vorlag, da sich nachträgliche manipulationen an einer quelle niemals ausschließen lassen.

9 Kommentare:

  1. Du schreibst so geil. Das ist so voll auf die Zwölf, Respekt!

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  2. Die höchste Kunst besteht darin, den anderen mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.

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    1. es geht mir ja gar nicht um besiegen. aber das war eine steilvorlage.

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    2. also nicht nur orthografisch und stilistisch. sie verstehen.

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  3. nicht zu vergessen, das dem Disput, sofern vieleitig, nicht nur zweiseitigkeit innewohnt

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  4. 1. Man sieht mal wieder: Schreiben kann jeder, aber nicht jeder kann schreiben.
    2. Erich Fromm ist einer größten Denker seiner Zeit und unserer Zeit.
    3. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten und keine abgedroschenen Lorbeeren an Sie verschenken, aber Ihre Art zu denken und sich auszudrücken, ist einzig- und großartig. Ich freue mich sehr auf das Buch.

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    1. jetzt werd ich aber gleich rot hier! ;)

      ich denke schon, dass viele leute wirklich gut schreiben können, auch unter den bloggern. wäre ich verlegerin, ich hätte da so einige favoriten. auch solche, mit denen ich beruflich zusammenarbeite. überhaupt ist bloggen eine tolle sache, es ergeben sich kontakte und synergien, von denen man zu früheren zeiten allenfalls geträumt hätte.

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danke für deinen kommentar. ist er hilfreich, fair und sachlich, wird er nach freischaltung veröffentlicht. kontextfreie, rassistische und sonstige arschloch-scheiße wird sofort gelöscht.