Donnerstag, 21. November 2024

der pädo-zwerg und andere liebe onkels

dass ich als weibliches wesen sexualisiert werde und dass sexuelle handlungen auch ohne mein einverständnis an mir vorgenommen werden können, musste ich frühzeitig lernen. so etwa in der zweiten klasse. entsprechend adleraugenmäßig schaue ich hin, wenn sich vermeintlich liebe onkels jungen mädchen nähern. 

so trug es sich zu, als wir kürzlich auf einer hausparty waren. eine mutti aus der nachbarschaft hatte zu ihrem ehrentag freunde, kollegen und auch uns eingeladen. vaddi machte den grillmeister, die beiden töchter - 12 und 13 - mimten die djanes des abends. 

nennen wir besagten nachwuchs mal giselle und gisela. sehr hübsche, gut entwickelte und recht selbstbewusste mädchen, die sich mit knappen tops, knallengen jeans und ordentlich make-up für den abend maximal aufgebrezelt hatten. sehr zum entzücken der männlichen gäste.

"holla die waldfee", sagte auch der luxus-mann, als giselle an ihm vorbeischwirrte. "die ist ja ein echter burner!"
"interessante art, mit der du kinder betrachtest", sagte ich spitz.
"die wirkt sehr erwachsen, finde ich... bekommt auch schon richtig dekolleté."
"interessant, auf welche körperteile du bei kindern achtest. das mädchen ist zwei jahre jünger als deine eigene tochter!"
"ich sag ja nur."
"nein, du sexualisierst."
"ganz ehrlich, ich würde die niemals anfassen oder bedrängen oder sowas! noch nicht mal, wenn sie das unbedingt wollte."
"glaub ich dir. aber deine art und weise der betrachtung ist sexistisch."
"wenn die sich so lolitamäßig zurechtmacht!"
"dann legt sie es wohl darauf an, oder wie? echt armselige denke. da hätte ich von dir als vater was anderes erwartet."
 
nach diesem disput war die stimmung deutlich angeknackst. sie wurde auch nicht besser, als der luxus-mann eine hübsche blonde fremde anflirtete und ich mich von einem schleimigen unternehmensboss im dreireiher beschwatzen ließ, im hinterzimmer billard zu spielen. der gnomige kerl bejubelte meine mäßigen manöver jovial mit "eiskalt eingelocht!" und schleppte kichernd ein glas sekt nach dem anderen an.

doch zurück zu giselle und gisela. das gegenüber des badezimmers gelegene wohnzimmer war für den abend freigeräumt und zur tanzfläche umfunktioniert. da ich wegen der sekt-druckbefüllung dauernd pinkeln rannte, entging mir somit nicht, dass giselle dort ihre hüften schwang, während die etwas zurückhaltendere gisela die turntables, also spotify, managte. neben giselle tanzte sehr ausdauernd und auf tuchfühlung ein herr mit hornbrille, der alterstechnisch mindestens ihr vater hätte sein können. ich bemerkte seinen ungezügelt gierigen blick, der den zierlichen mädchenkörper förmlich auszog, und auch sein schon vor lauter seibern vollkommen außer kontrolle geratenes grinsen.

vor der toilette stieß ich mit dem luxus-mann zusammen, dessen gespräch mit der blonden offenbar beendet war. 
"hast du den typ gesehen", platzte er sofort heraus.
"welchen?"
"na, hier, dieser alte kerl mit der brille, der an giselle dran ist! total widerlich, ein junges mädchen derart anzutanzen!"
"ist mir auch aufgefallen. echt abstoßend."
"ich überlege die ganze zeit, ob man das der mutter sagen muss", fand der luxus-mann.
"holla die waldfee", erwiderte ich sarkastisch. "in welcher nische hast du denn dein verantwortungsgefühl wiedergefunden?"
 "ja, ich weiß, das vorhin war ein bisschen daneben."
"ziemlich daneben."
"von mir aus. hast du spaß mit papa schlumpf?"
"geht so. und du, bei barbie abgeblitzt?"
"die fand ich wirklich heiß. aber auch etwas jung."
"ich bin untröstlich. dann muss ich papa schlumpf wohl ziehen lassen und wieder mit dir altem langweiler nachhause."
"ey! ich kneif dich gleich."
"hol mal lieber was zu trinken. und danach spielen wir hier ein bisschen sittenwächter, okay?"
 
zurück im wohnzimmer tanzte der typ immer noch ekstatisch mit giselle. seine hände fuchtelten wenige zentimeter über ihren hüften durch die luft und sein becken reckte sich bedrohlich dem ihrem entgegen. ich starrte ihn an, bis er merkte, dass ich ihn anstarrte. daraufhin vergrößerte er den abstand zu giselle und unterbrach die begattungsartigen bewegungen, die er mit seinem unterleib vollführt hatte.
"er hats geschnallt", sagte der luxus-mann neben mir in mein ohr.
"wenn ich mich umdrehe, geht er bestimmt gleich wieder voll ab", schätzte ich die lage ein.

doch dann begab sich der ekeltyp auf toilette. als er zurückkam und wieder auf giselle zusteuern wollte, ergriff der luxus-mann seine chance, sprach ihn an und verwickelte ihn in ein gespräch. ich sah eine weile zu, dann beschloss ich, um rückfällen vorzubeugen, giselle besser jenseits der tanzfläche zu beschäftigen. ich fragte sie, ob alles ok sei und ob sie nicht ihre schwester ablösen und etwas anderes auflegen wolle. vielleicht etwas weniger kuschliges, mit schnelleren beats.
 
die selbstbewusste giselle wirkte oberflächlich aufgeräumt und unbekümmert, merkte jedoch an, dass sie ihren tanzpartner ziemlich weird fand. da sie ohnehin nicht mit giselas dj-programm einverstanden war, drängte sie richtung spotify-zentrale. daraufhin entspann sich ein immer lauter werdender streit der beiden schwestern, der damit endete, dass giselle wutentbrannt die treppen hinaufstürmte und türeschmetternd in ihrem zimmer verschwand. god bless you, puberty.

kurz darauf kam der luxus-mann auf mich zu.
"konntest du unseren speziellen freund auf seine erotische darbietung ansprechen?" fragte ich.
"ich habe ihn gefragt, ob er das nicht selber schräg findet, eine zwölfjährige auf so eine art anzutanzen. er hat sich natürlich rausgeredet, vonwegen, das sei doch nur spaß gewesen."
"super, hauptsache nicht reflektieren und keine verantwortung übernehmen."
"er hat jedenfalls schnell abgelenkt und ich musste mir dann ewigkeiten irgendwas todlangweiliges über programmieren und it-kack anhören."
 
"wo ist giselle denn jetzt?" wollte der luxus-mann dann wissen.
"in ihrem zimmer. sieht nicht so aus, als wolle sie sich noch mal unters volk mischen. die hat sich vorhin total mit ihrer schwester gezofft."
"dann ist ja gut."
"sollen wir das jetzt so auf sich beruhen lassen?" ich linste richtung ekeltyp, der sich nun am buffet hungrig würste in den gierschlund schob.
"ich weiß nicht. ich glaube, ich werde das der mutter bei gelegenheit mal erzählen. vielleicht nicht heute auf der eigenen geburtstagsparty. aber ich seh die ja öfter mal auf der straße."
 
ich grinste vor mich hin:
"so langsam wirst du wieder der mann, den ich liebe."
"ich hoffe doch. ich bin nämlich kein sabbernder pädo-zwerg!"
"aber ein alter weißer boomer mit manchmal total chauvinistischer weltanschauung."
"danke, das kann ich jetzt noch nicht mal dementieren."
"tröste dich, mein schatz. selbsterkenntnis ist der erste weg zur besserung."

Dienstag, 12. November 2024

herzensangelegenheiten

da eine verlängerte qt-zeit bis auf einen plötzlich herztod weiter keine beschwerden verursacht, habe ich mich eigentlich ganz gut an die sache gewöhnt. ich denke nicht mehr viel daran. vermutlich ist so eine erkrankung auch besser als langsam einen krebstod zu sterben. im ernstfall erledigt es sich schnell und verspricht keine großen qualen. doch meine hausärztin sieht das ein wenig anders. infolgedessen war ich nun inzwischen bei drei kardiologen.

kardiologin nummer eins befragte mich zu meinen ernährungsgewohnheiten und meinte sodann, dass ich als vegetarierin vermutlich einfach zu wenig tierisches eiweiß zu mir nähme. ich soll also von jetzt an viel fleisch essen. das sei wichtig für ein gesundes herz. (deshalb haben wohl auch alle vegetarier herzprobleme und alle fleischesser sind pumperlgesund.)

kardiologe nummer zwei schaute mich von oben bis unten herablassend an und mehrfach naserümpfend auf seine rolex, während ich mein problem und das anliegen meiner hausärztin schilderte. dann teilte er mir schnöde mit, er persönlich halte die erkrankung schlichtweg für überbewertet. ich sollte ruhig alle medikamente nehmen, wie ich lustig sei und auch gerne alkohol trinken. und falls ich mir sorgen machen würde, könne ich ja beim hausarzt ein ekg machen. oder auch nicht, ganz wie mir beliebte. und tschüß.

kardiologin nummer drei wirkte zunächst sehr verständnisvoll und gab sich bei der anamnese gründlich. sie machte ohne umschweife ein langzeit-ekg. ich war darüber äußerst erfreut, denn so würde man nun hoffentlich endlich mal sehen, welche schwankungen mein qt-intervall im tages- und nachtverlauf so hatte und wie meine chancen auf ein längerfristiges überleben insgesamt standen. 

bei der befundbesprechung teilte mir die kardiologin dann allerdings mit, dass man mit einem langzeit-ekg das qt-intervall gar nicht messen könne. warum ich denn dann das ganze gemacht hätte, fragte ich. ja, äh, nun... das sei doch gut, denn so wisse man jetzt, dass ich keine anderweitigen herzrhythmusstörungen habe, denn das langzeit-ekg sei ohne befund. 

ich fragte, was ich nun mit dem verlängerten qt-intervall machen solle, wegen dem ich schließlich gekommen sei. ob ich medikamente bräuchte oder einen defi, ob ich etwas bestimmtes tun oder auch nicht tun solle (wie zum beispiel unmengen fleisch essen oder literweise alkohol trinken und dazu psychopharmaka reinballern wie von den anderen superspezialisten angeraten). ja, äh, ähm, keine ahnung. das solle gern einfach meine hausärztin entscheiden. welche mich genau deshalb wiederholt zum kardiologen überwiesen hatte, weil sie als wald- und wiesendoktorin das eben nicht alleine entscheiden wollte.

nach drei derart dämlichen kardiologen ist allerdings nun auch schluss für mich. entweder das herz macht noch ein weilchen mit - oder eben nicht. soeben hat es brav eine vollnarkose durchgeklopft, worauf ich etwas stolz bin. nicht auf einem gynäkologischen stuhl mit weit gespreizten schenkeln und nacktem unterleib abzunippeln, während einem der gyn in der gebärmutter herumstochert, das ist doch eine schöne sache. übrigens würde ich auch ungern beim kacken sterben, was ja leider einigen leuten passiert, sogar berühmten, wie man sieht.

und was sind ihre lieblings-todesarten? 


Freitag, 8. November 2024

potenzierter pessimismus

seitdem sich die amis dafür entschieden haben, ihr land von einem geisteskranken, verurteilten sexualverbrecher anstatt von einer frau leiten zu lassen (glückwunsch zu diesem ausmaß an machismus), können wir noch pessimistischer in die welt blicken als zuvor.

einzig erfreulich ist, dass olaf sich mit dreijähriger verspätung zum rauschschmiss des eitlen chrischi durchgerungen hat. die formulierung seiner erklärung hatte etwas arschtrittmäßiges, was mich persönlich kurzfristig sehr erheiterte, da ich mich unendlich oft über chrischis schleimige selbstverliebtheit geärgert hatte. leider nutzt dieser kleine moment der heiterkeit natürlich gar nichts, wenn deutschland 2025 sein viertes reich wählen und seinen finalen rückschritt ins geistige und gesellschaftliche mittelalter nehmen wird. dann haben wir vielleicht endlich auch bald verhältnisse wie diese, nur halt ideologisch ein wenig anders verbrämt.

mit den wahlen in den usa hat sich auch mein auswanderungsziel nummer eins erledigt. und das macht alles schwierig. es gibt inzwischen kaum ein land, in dem man noch leben will. ich liebäugle nach wie vor ein wenig mit neuseeland, war allerdings noch nie dort und werde mir gemütlichen urlaub zwecks antesten von land, klima und leuten ab sofort nicht mehr leisten können. springen oder nicht springen, das ist hier die frage, und ein rückflugticket gibt es wenn dann nicht.

ich hadere mit meiner feigheit, die ich früher nicht kannte. vor 15 oder 20 jahren hatte ich zwar ähnlich wenig sicherheiten, aber ich glaubte bombenfest an meine intuition und mein konzept der universellen menschenliebe. beides ist passé. mein vollumfänglicher griff ins klo hinsichtlich des wechsels nach kackstadt hat mich diesbezüglich entkernt. in kackstadt sitze ich freudlos-ängstlich fest, seitdem ich 2008 so naiv war, mich einer von vornherein zum scheitern verurteilten beziehung auszuliefern und zugleich einen fatalen karriereweg in eine total schwachsinnige scheißbranche einzuschlagen. zwei folgenreiche fehlentscheidungen, die mich nachhaltig belasten - zumal sich eine davon bis heute nicht korrigieren ließ. das nimmt mir den mumm für weitere tollkühne entschlüsse wie: könnte ich in einem land fuß fassen, indem ich nichts und niemanden kenne und vermutlich noch viel geringere berufliche chancen habe?

zur feigheit gesellt sich rasch der selbsthass: warum war ich immer zu dämlich für einen naturwissenschaftlichen beruf? warum habe ich nicht die seelische kraft, um wenigstens krankenpflegerin oder lehrerin zu sein oder einem anderen systemrelevanten ausbeuter-job nachzugehen? wie in aller welt habe ich mich bloß zu so einem nutzlosen stück scheiße ohne jeden gesellschaftlichen wert und ohne jegliches interesses an der mehrheit der menschheit (& vice versa) entwickelt? ein bissl schöngeisterei und eine mittelmäßige wortschöpfungsbegabung reichen nun mal leider nicht aus, um zu überleben. jedenfalls nicht, wenn man nicht an grenzenloser selbstüberschätzung leidet und sich seinen weg nach oben erdreistet und erdummschwätzt wie manch andere.

das alles macht mich sehr müde: keinen sinn zu sehen. keine herausforderung zu spüren. keine verbundenheit zu fühlen. währenddessen anderen dabei zuzusehen, wie sie mit ihrer skrupellosen gier und ihrer lächerlichen selbstdarstellerei alles zerstören, was einst der hoffnung wert war. einzig gut ist, dass ich keine kinder versorgen muss. die hätten dann vielleicht auch noch meine versager-gene geerbt. und ich dürfte ihnen letztlich ratlos beim scheitern und dem lamentieren darüber zugucken.

vielleicht sollte ich doch wieder medikamente nehmen. dann kann ich mir wenigstens einreden, dass dieser ganze krasse wahnsinn irgendwie normal so ist. 

grüße from se bottom of se serotoninloch.

Samstag, 2. November 2024

kalifat, hexenverbrennung und 1000-jähriges reich reloaded

 es kommt derzeit echt alles zusammen

das einzige, wofür ich noch bete, ist, dass all diese geisteskranken in zukunft lebenslänglich sicherheitsverwahrt werden. ich bin sicher, dass auch jesus dafür wäre. und mohammed. und gott und allah sowieso. und wahrscheinlich sogar frau holle, das schneewittchen und die hexe aus hänsel und gretel.

volkswagen oder der fisch stinkt vom kopf

trendwende verpennt, globalisierung und klimakrise ignoriert, bequem auf dicke vorstandsgehälter gebettet komatös geschlummert, kapitallokation vermasselt: weil der vw-vorstand aus einer riege von vollversagern besteht, sollen die angestellten jetzt den kopf hinhalten. so richtig pläne gibt es keine, eher drohungen. alles noch recht vage, des mittelschönen scheins wegen. und wegen der psychologie, weil das verbreiten von unsicherheit im zweifelsfall auch hübsch gefügig macht.

vor allem aber wird mächtig gejammert: 

- diese böse politik (also eigentlich der robert, der ist schon mal von vornherein an allem schuld)! 
- diese bösen e-autos (die chinesische mauer ist so hoch, da kann man als geistiger zwerg nicht drüberschauen und sehen, wie zukunft geht)! 
- diese schrecklichen energiepreise (die zwar jeder privathaushalt ebenfalls wuppen muss, aber so ein wichtigtuer-konzern ist natürlich ganz was anderes, nämlich viel viel wichtiger)! 
- und natürlich die schlimmen steuern (siehe klammer zuvor)!

jedes unternehmen trägt ein risiko. das nennt man auch unternehmerrisiko. wer das vergisst, hat in der führungsriege eines unternehmens nichts verloren. da darf es kein heimliches fallnetz geben: wer verkackt, geht. wer nicht geht, fliegt. und zwar mit arschtritt.

doch es ist inzwischen leider so en vogue wie widerlich: dieses unschuldsgetue. dieses grenzenlos unglaubwürdige überrascht-tun. diese selbststilisierung zum bedauernswerten opfer. dieses konsequente vermeiden von verantwortungsvollem handeln. verglichen mit dem vw-vorstand ist die ampel-koalition eine hocheffiziente, zielgerichtet agierende schnellmerker-elitetruppe mit kuschelneigung.

fest steht, es werden noch köpfe rollen. allerdings nicht die der schuldigen. zunächst sind die angestellten dran. danach wird noch der steuerzahler geschröpft. geht der plan auf, werden spätestens 2026 wieder vorstands-boni und dividenden erhöht. und noch ein schampus drauf gegossen, dass diese volksverarsche so reibungslos geklappt hat. so wie bei winterkorn, dessen angebliche gesundheitsprobleme eine verhandlung nicht mehr möglich machen. die masche kennt man schon von warburg-olearius, sie funktioniert vorzüglich. wengstens als übergangslösung bis zur verjährung.

lasst uns trinken auf eine glorreiche zukunft. also zumindest für unsere vorstandsversager.

Freitag, 25. Oktober 2024

schwere jungs, leichte beute

immer wenn ich junge männer sehe, die ihr gangsta-outfit - turnschuhe, jogginghose, kapuzenpulli, tief in die stirn gezogene mütze, goldkettchen, fusslige rotzbremse, finsterer blick - mit einer damenhandtasche kombinieren, denke ich: der hat bestimmt gerade eine arme alte omi überfallen und ihr die tasche geklaut! oder aber der kommt gerade vom einbrechen und hat tantchens damenhandtasche mitgehen lassen, um die geraubten klunker drin zu verstauen!

an diesen anblick kann ich mich deutlich schwerer gewöhnen als an perlenketten und nagellack bei gen z-jüngelchen. das finde ich irgendwie ok: ein bisschen bunt, ein bisschen lustig, ein bisschen konservative bratwurst-fressen und nazi-jünger schocken. revolte light in regenbogenfarben. das passt in mein weltbild. zumal die träger der weiblichen accessoires dann meist auch zarte gestalten mit lockenköpfchen oder längerer matte sind. das ist ein insgesamt stimmiges bild, das ruht in sich.

bei damenhandtaschen für teenie-gangstas weiß ich einfach nicht recht. dabei sollte ich doch eigentlich froh sein: endlich eine generation mann, die nicht mit einer frau über den flohmarkt oder zum shoppen geht und dann alle fünf minuten sagt: kannste mal einstecken? kann ich mal n taschentuch? gibst du mir mal den geldbeutel?

irgendwie schade, dass so eine sinnvolle entwicklung optisch so falsch rüberkommt. aber man wird sich dran gewöhnen. so wie an vieles. gewohnheit ist die große konstante der menschheit.

Freitag, 18. Oktober 2024

kürbissuppe burning hellfire

"soll ich heute meine kürbissuppe kochen?" frage ich, normalerweise anti-köchin von ganzem herzen, liebenswürdig den ebenso kochfaulen wie verfressenen mann.
"au ja", ist der gleich begeistert.
ich kann und mag nicht viel kochen, aber meine kürbissuppe ist in der tat dermaßen lecker, dass sie sogar überkritische gourmets überzeugt. das rezept wurde von mir selbst erfunden und enthält vor allem viel chili, ingwer und kokosmilch, was alles irgendwie bombe mit dem fruchtig-süßen kürbisaroma harmoniert.
 
"wir haben übrigens noch frische chilis im gefrierfach", weist mich der luxus-mann hin. "die kannst du dann mal verbrauchen."
"super", sage ich. "wie viele sind da noch?"
der luxus-mann holt sechs dicke schoten aus dem gefrierfach.
"das ist zu viel", sage ich.
"quatsch", sagt der luxus-mann. "hau rein!"
"ich weiß nicht, ob das so eine gute idee ist", wage ich einzuwenden. 
"macht nix, das zeug muss weg. außerdem stehen wir doch auf scharf", grinst der mann zweideutig und tätschelt meinem hintern.
"na gut, aber dann will ich nachher keine klagen hören."

eine halbe stunde später ist das mahl zubereitet. ich mache ingwer und ein bisschen curry rein, streue noch geröstete kürbiskerne drüber und probiere dann zum ersten mal. es schmeckt in der ersten sekunde so fabelhaft wie immer, doch nach der zweiten steigt ein feuerstrahl aus meiner speiseröhre auf. sechs schoten, das war eindeutig zu viel.

"und, wie isses", fragt der mann, der schon seit minuten gierig um den pott schleicht.
"scharf", sage ich. "sehr scharf. zu scharf, finde ich."
"macht nix", bekräftigt der mann nochmals und hält mir seine suppenschüssel hin. "los, hau rein!"

dann sitzen wir am tisch und ich beobachte vorsichtig, wie der mann den ersten löffel zu sich nimmt.
"geil", sagt er sofort. dann schluckt er und beginnt zu husten: "alter!"
"zu scharf, nä?" sage ich.
"wirklich scharf, aber nicht ZU scharf", beteuert der mann tapfer, während ihm das wasser aus den augen schießt.
"mir schon, ich mach mir mal noch ein bisschen wasser und kokosmilch rein", beschließe ich. "willst du auch?"
"nee, das geht so!"

auch verdünnt ist die suppe noch äußerst gewürzig und verspricht, mehr als nur einmal zu brennen. mein magen fühlt sich sehr warm an und meine nase läuft ununterbrochen. auch der luxus-mann löffelt seine suppe mit hochrotem kopf und tränenden augen.
"bist du sicher, dass du keine kokosmilch willst?" frage ich. "nicht, dass du nachher durchfall kriegst."
"ich bekomme doch keinen durchfall von scharfem essen! damals in thailand, da habe ich extra scharfes curry bestellt. und ich sag dir, das war so heftig scharf, dass mein ganzer mund nachher taub war. da kam sogar der koch aus der küche und hat geguckt, ob ich als naiver deutscher touri das wirklich esse! "
"und hast du aufgegesssen?"
"logo, ich bin doch kein weichei."
"da wär ich ja nicht so sicher."
"du und dein freches mundwerk!"
 
"willst du noch", frage ich den luxus-mann, als er aufgegessen hat. 
"hau rein!", sagt der mann großspurig zum dritten mal an diesem tag und streckt mir den leeren teller entgegen. tapfer löffelt er auch die zweite portion in sich rein.

später sitzen wir im bett und gucken einen film.
"ich glaub, ich hol mir mal ne talcid", sagt der mann plötzlich.
"wegen meiner suppe oder was?"
"nee nee, das ist nur, weil ich gestern abend so viel alkohol getrunken habe. davon bekomme ich neuerdings immer sodbrennen."
"soso, der alkohol von gestern also", sage ich zu den luxus-theorien.
 
die nacht wird unruhig. der luxus-mann wälzt sich umher und steht noch zweimal auf, um zum medikamentenschrank im bad zu laufen.
als ich gegen neun erwache, ist das bett neben mir leer: der luxus-mann sitzt bereits auf der couch im nebenzimmer und liest.
"wasn los", sage ich. "wieso sitzt du hier und liest?"
"ich konnte nicht mehr schlafen. ich musste seit sechs schon zweimal auf klo", gibt der mann zu.
"das war bestimmt nur der alkohol von vorgestern abend", kichere ich. 

Samstag, 12. Oktober 2024

dystopia

traum der letzten nacht:

die nazis haben die macht in deutschland übernommen und führen unter anderem krieg gegen israel. die israelis kommen mit schneeweißen bombern, die ein bisschen aussehen wie passagierflugzeuge. man muss auf der hut sein, man kann das verwechseln.

im traum lebe ich in berlin und bin mit einer freundin gerade in der nähe des tiergartens unterwegs. da wir kinderlos sind, werden wir von den nazis gejagt, die uns als nutzlose entartete frauen remigrieren oder noch schlimmeres wollen. da sehen wir israelische bomber über dem tiergarten schweben. meine freundin rennt in den tiergarten hinein, sie kennt wohl einen bunker dort. ich bin zu langsam und muss hoffen, dass mich die israelis zwischen büschen und bäumen nicht entdecken. bzw. dass sie keine bomben für den tiergarten verschwenden, wenn es woanders doch viel interessanteres zu zerstören gibt.

tatsächlich geht der angriff für uns glimpflich ab. aber meine freundin ist verschwunden. ich erfahre, dass im bunker nazis waren, die sie direkt gefangengenommen haben. ich weiß, dass ich jetzt in großer gefahr bin, denn die nazi werden meine freundin foltern und sie wird ihnen verraten, wo ich und andere kinderlose sich verstecken. und ich weiß leider auch, dass massenvergewaltigungen zu den beliebten nazi-foltermethoden zählt, aus hohn, weil frauen wie wir keine kinder wollen.

ich habe also totale panik und renne durch die stadt. krampfhaft überlege ich, wo ich mich verstecken könnte. ich komme zu einer tankstelle, als ich bemerke, scheiße, da sind gerade ein paar hochrangige nazis mit ihren dicken autos. eine rennende frau ohne kinder kommt denen bestimmt hochverdächtig vor. ich quetsche mich schnell hinter ein mäuerchen, aber der obernazi hat mich schon gesehen. seine schergen zerren mich hervor und der obernazi tötet mich kurzerhand per kopfschuss.

ich weiß nicht genau, was dann passiert, aber als ich wieder zu mir komme, bin ich an einem fremden ort, der wohl auch mitten in berlin liegt, der aber geheim und unsichtbar ist. dort treffe ich meinen mann wieder, der schon länger dort ist. ein sehr hübscher mann, ich bin gleich feuer und flamme für ihn. 

der ort, an dem wir sind, ist äußerst merkwürdig. alle menschen dort sind ungeheuer reich und bauen sich eine art parallelgesellschaft auf - mit dem ziel, irgendwann die herrschaft über deutschland und vielleicht noch weitere länder zu erlangen. die genaueren politischen tendenzen (demokratisch, sozialistisch, fortführen der nazi-diktatur) sind unklar, aber es ist ein märchenhaft schöner ört. jedes haus ist ein schloss oder eine burg, und alle menschen tragen prächtige kleider. vom mittelalter-kostüm bis zu extravagenten edel-fetisch-outfit ist alles dabei. 

anfangs sehe ich vor allem weiße reiche säcke. aber je weiter wir durch diese welt gehen, desto mehr menschen jeder couleur lerne ich kennen. es sind sogar homosexuelle und transen darunter, und alle sind akzeptiert und atemberaubend schön.

besonders mein mann wird auffällig hofiert und scheint sich in all dem prunk wohlzufühlen, während ich bezweifle, hierher zu gehören. ich trage auch immer noch den alten mantel, in dem ich hingerichtet wurde. 

einer der anführer aus der edel-gesellschaft nimmt mich schließlich mit auf eine art rundgang und erklärt mir diese wundersame welt. meinem mann, so erfahre ich, sei hier ein fester platz vorbestimmt, und als seine frau dürfe ich mich deshalb voll und ganz zuhause fühlen. der anführer zeigt mir eine art wappen, das wiederholt neben vielen anderen wappen auf die wände der schlösser und burgen gemalt ist. dieses wappen, sagt er, sei das wappen der familie meines mannes. und die gehöre schon immer hierher.

von meinem mann wird allerdings erwartet, dass er sich undercover durch das zerbombte berlin bewegt und bei der vorbereitung der neuen welt mithilft. das ist ein problem, denn mein mann scheint ein kriegstrauma zu haben. er bekommt in der stadt panikattacken und springt jedesmal mit einem satz zurück in die unsichtbare geheim-parallelwelt. man stellt ihm sodann einen helfer zur seite, der sich in berlin auskennt, aber das nützt nicht viel. 

sein scheitern wird zur unerwarteten gefahr. trotz der familiären zugehörigkeit des mannes droht uns der ausschluss aus der noblen gesellschaft, die inzwischen genauso totalitär wie die nazis auftritt. ich biete den anführern an, ich könne doch die aufgabe meines mannes übernehmen, aber mir wird erklärt, dass ich als frau nur zweierlei sein könne: ehefrau und mutter oder sexsklavin. und da mein mann in den augen der feinen herren und damen kein mann ist und nicht zum beschützer von reich und familie taugt, muss ich wieder flüchten und mich verstecken. in der letzten traumsequenz werde ich gefangen, von vier der noblen herren vergewaltigt und so öffentlich entehrt. 

aus der traum.

ich hoffe wirklich sehr, dass ich keine hellseherischen fähigkeiten für die zukunft dieses landes besitze. dinge wie diese beunruhigen mich jedenfalls sehr. wir sind auf dem weg der gleichschaltung in eine engstirnige, verbotsbestimmte gesellschaft, die wahrscheinlich bald von noch mehr hass und denunziationen geprägt sein wird.

Montag, 7. Oktober 2024

alles neue macht der oktober

zackdibumm. ein anruf, eine jobzusage. ab demnächst also wieder bildungsmarketing bzw. hochschulmarketing, sobald meine weiterbildung abgeschlossen ist. vielleicht kehrt damit ein wenig sinn in mein desillusioniertes jobleben zurück. leider ist es nur eine teilzeitstelle. also wieder armut trotz arbeit. aber es ist wahrscheinlich eine gemütliche warte, um weiter ausschau zu halten, ohne am tropf des amts für irrsinn zu hängen. besser ein bisschen arm als abhängig.

der luxus-mann hat sich nach seinem urlaub und mit auferstehung unseres sexlebens fast spontan von den nachwirkungen seiner op erholt. sex beschleunigt die heilung, wer hätte das in diesem fall gedacht. "erzähl das mal deinem geschäftstüchtigen arzt, der macht gleich einen puff auf", rate ich dem luxus-mann.

ich selbst habe seit drei tagen brustschmerzen. beim abtasten einen dicken knubbel gefunden. da ich vor vier wochen aber erst beim brustultraschall war, halten sich meine ängste zunächst in grenzen. was weh tut, ist normalerweise kein krebs. ebenso wenig beunruhigt mich derzeit der polyp in meiner gebärmutter, der demnächst entfernt werden soll. "das jahr der unterleibsoperationen", nennt der luxus-mann 2024.  

der luxus-sohn feiert geburtstag mit seiner patchwork-familie. ernste themen kommen dabei auf den tisch. "wo sollen wir uns eigentlich verstecken, wenn hier mal krieg ist?" will er von uns wissen. seine eltern wiegeln ab: so schlimm wird es doch sicher nicht kommen. "wenn wir ein viertes reich bekommen, wäre kein krieg für mich das schlimmste", sage ich. "denn dann bin ich dankbar, wenn uns jemand so richtig gründlich plattmacht. so platt, dass wir die nächsten 50 jahre erstmal mit was anderem beschäfigt sind als zu hetzen und zu hassen. vielleicht braucht ein verwöhntes land das ab und an... eine totale niederlage, um wieder demut zu lernen."

oktober, ach, mein zweitliebster monat. an dessen ende der traditionelle dänemark-urlaub als höhepunkt steht, kalt und golden und zeitweise auch mal grau. so mag ich es. für immer herbst, das wär´s.

Montag, 30. September 2024

it´s simply home

nicht mehr regelmäßig, aber ab und an zieht mich die nacht noch in ihr glitzerleben. insbesondere alleine in der heimat sind meine kleinen expeditionen voller aufregender und schöner momente. denn hier gibt es nicht nur eine vielfältigere und interessantere subkultur, sondern ich treffe fast überall auch unverabredeterweise alte freunde und bekannte.

so begegnete mir samstagnacht auf einem kleinen minimal-festival der wahnsinnige doc, der trotz wahnsinn, drogen-experimentierfreude und seiner allgemeinen unberechenbarkeit altersgeläutert eine sehr angenehme und etwas vernünftigere persönlichkeit entwickelt hat. als ich die tanzfläche kreuzte, tippte er mich an und wir fielen uns in die arme. 

der wahnsinnige doc fragte mich sogleich nach meinen eltern, denn das familiendrama war zuletzt das größte gemeinsame thema zwischen uns gewesen. ich fasste den status quo kurz zusammen - schlecht, ohne große veränderungen und vor allem auch ohne jeglichen willen zu irgendeiner positiven veränderung. dann erfuhr ich, dass sich mama doc einen oberschenkelhalsbruch zugezogen hatte.

"ohje, aber dann ist es ja gut, dass ein arzt in der familie ist", sagte ich leichthin.
"nee", erwiderte der wahnsinnige doc. "die braucht keinen arzt, die braucht pflege. und die bekommst du nicht, wenn du sie dringend brauchst."
"dein papa kann nicht helfen, oder? der ist ja auch schon recht tüdelig meines wissens?" fragte ich.
"mein vater hat quasi überhaupt kein kurzzeitgedächtnis mehr", sagte der doc und fuhr dann fort: "für deinen vater brauchst du auch unbedingt eine pflegestufe. organisiert das mal rechtzeitig!" 
"er hat schon eine. aber als der mdk da war, lief das alles ziemlich schief, weil sich meine eltern natürlich vorher nicht wie von mir geheißen mit den fragen befasst hatten. da hieß es dann, jaja, ach, das können wir alles noch, das geht schon. als ich den fragetest machte, kam pflegestufe drei heraus, aber der mdk hat nur pflegestufe eins vergeben. jetzt bedränge ich sie die ganze zeit, das noch mal zu beantragen, weil sich der zustand ja sowieso verschlechtert hat. und sie sollen am besten einen termin machen, bei dem ich dabei sein kann. ich kenne die fragen und ich kann auch die verschlechterungen besser beurteilen, weil ich mehr abstand habe. aber da heißt es dann immer, jaja, warten wir mal ab, was passiert."
"jedenfalls solltest du dir das mit der demenz am besten mit einem ärztlichen attest bescheinigen lassen."
"das kann ich gerne so weitergeben, aber ich glaube nicht, dass meine eltern das anleiern werden."

"und wann kommst du zurück", fragte der wahnsinnige doc dann. die frage traf mich wie eine kleiner freundlicher punch in die magengrube. ich musste einmal kurz schlucken.
"ich habe mich so in den gedanken verliebt, meine rente hier zu verbringen."
"ist doch super. dann hast du das haus deiner eltern."
"du weißt nicht, wie wenig rente ich mal kriege. die reicht wahrscheinlich gerade mal für die nebenkosten. ich weiß nicht, ob ich das haus halten kann. ich bin ja zur sanierung verpflichtet, und dann muss ich es für 20 jahre oder so gut vermietet kriegen."
"dann vermietest du einfach ne etage, wenn du wieder einziehst. dann geht das schon. oder du verkaufst das haus und ziehst in ein zelt", schlug der doc vor.
"genau, ich wohne dann im zelt im stadtpark und du kannst morgens vorbeikommen und mir ein paar almosen vorbeibringen. ne warme decke und nen kaffee oder so."

"warum willst du denn eigentlich bis zu deiner rente warten?" fragte der doc.
"mein freund lebt halt schon immer in kackstadt und will da nicht weg."
"warum das denn? wenn er gar nichts anderes kennt?"
"seine kinder wohnen da, und besonders sein sohn ist sehr familien-affin. und ich glaube, inzwischen ist er geistig auch zu unflexibel, sich etwas anderes wirklich vorzustellen. also hab ich mir gesagt, ich halte das bis 67 durch, dann ist er über 80. dann weiß er wahrscheinlich eh nicht mehr da, wer ich bin."
"genau. dann schiebst du ihn einfach in seinem rollstuhl auf die straße und gehst."
ich musste ein wenig kichern, was mir die wehmut nahm, dass ich in wenigen tagen wieder im zug richtung wirtschaftsasyl sitzen würde.

"ich muss gleich los", sagte der doc. "ich bin morgen auch leider schon verabredet. sonst hätten wir uns weiter unterhalten können."
"ich bin tatsächlich auch schon recht ausgebucht bis zu meiner abreise. aber ich sag dir bescheid, wenn ich das nächste mal da bin. vielleicht trinken wir nen kaffee irgendwo oder gehen auf ein konzert.“
"ja, mach das. und wenn du irgendwie mit irgendwas hilfe brauchst... sag bescheid."
 
der doc umärmelte mich und ich fühlte mich dankbar, so unendlich dankbar, dass ich in meinen jungen jahren so tolle und wichtige menschen wie den wahnsinnigen doc kennengelernt hatte - und dass diese menschen noch heute fest und loyal zu mir stehen. der freundeskreis in meiner heimat ist und bleibt mir ein fels in der brandung. 

Mittwoch, 25. September 2024

amt für irrsinn, version 2024

schon 2008 als noch-studentin habe ich irre momente mit dem arbeitsamt und der agentur für arbeit erlebt. lesen sie hier des dramas neusten akt, version 2024.

vor drei wochen hatte ich eine akute frage zu meinem arbeitslosengeldbescheid. der war nämlich nur für vier monate ausgestellt worden, obwohl ich nach 17 jahren durchgängig arbeit doch eigentlich anrecht auf ein jahr arbeitslosengeld hätte. ich vermutete, dass das etwas mit meiner derzeit stattfindenden weiterbildung zu tun hatte, ohne genauere logische erklärungen dafür im bescheid finden zu können. da ich muffensausen hatte, dass ende des jahres abrupt und vielleicht irrümlicherweise schluss mit der knete sein könnte, wollte ich dringend jemand kompetentes sprechen.

ich versuchte es zunächst per e-mail, aber ich wusste bereits aus vorheriger leidvoller erfahrung, dass das arbeitsamt auf digitale anfragen in der regel nicht reagiert. also rief ich in der zentrale an. am telefon sagte mir eine dame, sie könne mir leider nicht weiterhelfen, da nur meine betreuerin vor ort diese meine hochspezielle frage beantworten dürfe. ich meinte, kein problem, dann solle sie meiner beraterin bitte bescheid sagen, dass ich einen termin bei ihr wünsche, und das gerne ein wenig zackig.

als ich zwei wochen später immer noch keinen vor-ort-termin hatte - termine werden grundsätzlich per reitendem boten, sprich per brief verschickt, hatte man mir gesagt, und mich um geduld gebeten, da bote und pferd dafür auch in stimmung sein müssen - rief ich erneut an, sagte mein sprüchlein auf und bat darum, meine beraterin kurzerhand hier am telefon sprechen zu dürfen. das ginge nicht, sagte man mir. man könne mich nicht einfach so durchstellen, denn da könne ja jeder kommen und herumfurzen und den beratern die zeit stehlen. so im übertragenen sinne die aussage. ich kochte innerlich kurz auf, bat dann jedoch höflich darum, dass meine beraterin mich zurückriefe. das ginge klar, sagte mir der mann am telefon, ich würde innerhalb der kommenden 48 stunden einen rückruf erhalten.

48 stunden vergingen, kein rückruf erfolgte. ich zähmte meine wut und sagte mir, dass die beraterin gerade vielleicht sehr viel zu tun hat. nach 72 stunden rief ich dann doch lieber noch einmal in der zentrale an. die dame dort bestätigte mir, dass mein rückrufwunsch bei meiner beraterin in der to-do-liste verzeichnet sei. er würde sicherlich bald geschehen.

am nächsten vormittag - ich lag gerade halbnackt auf der liege in der physiotherapie - klingelte mein handy. ich wollte hinspringen, war jedoch zu langsam. natürlich stammte der anruf von meiner betreuerin. sie hatte mir auf den ab gequatscht, ich möge sie bitte zurückrufen.

kaum zuhause tat ich wie mir geheißen, erreichte über die in der anrufliste angezeigte nummer jedoch nur einen roboter. der sagte mir, ich müsse in der zentrale anrufen. also gut. der mann am anderen ende der leitung verkündete jedoch erneut, er könne mich leider nicht durchstellen, aus besagtem da-könne-ja-jeder-kommen-grund. ich musste ein wenig hyperventilieren, um keinen rumpelstilzchentanz am telefon aufzuführen. dann drängte ich den kooperativen herrn, meine beraterin unbedingt über meinen auf ihren wunsch erfolgten, aber leider nicht zielführenden rückruf in kenntnis zu setzen, und dass sie mich bitte am kommenden tag anrufen möge. ich würde dann extra dafür den gesamten tag am handy lauern und sie keinesfalls verpassen. leicht säuerlich versprach der telefonist, dies so zu handhaben.

gestern dann rief mich meine beraterin tatsächlich noch einmal an. endlich konnte ich meine frage loswerden. dachte ich dummerweise. denn ich irrte mich. die beraterin teilte mir mit, dass sie nicht befugt sei, diese meine hochspezielle frage zu beantworten. dies könne nur die zentrale tun, und zwar auch nur dann, wenn ich dort eine entsprechende durchwahl wählte. ich wies darauf hin, dass ich bereits unzählige male mit der zentrale telefoniert hatte und man dort meine frage sicherlich schon als mehrstrophiges gedicht auswändig aufsagen oder im chor singen und dazu tanzen könne, man mir aber immer wieder versichert hatte, die antwort dürfe mir ausschließlich meine beraterin vor ort geben. die beraterin hielt dagegen, dass dem nicht so sei - sie könne noch nicht einmal auf meinen bescheid zugreifen. ich bot ihr an, ihr diesen kurz per e-mail rüberzubeamen, aber natürlich ging das nicht, wegen datenschutz.

kurzum, wir kamen keinen zentimeter weiter. irgendwann gab ich auf. sollte die kohle im dezember tatsächlich auslaufen, könnte ich mich ja dann immer noch aufregen und das amt für irrsinn notfalls einfach anzünden.

heute passierte dann gleich noch einmal ein lang herbeigesehntes wunder: ich hatte einen brief mit einen vor-ort-termin beim arbeitamt zwecks frageklärung im briefkasten! der termin war gestern um 13:15 uhr. 

et voilà, so funktioniert das amt für irrsinn immer noch sehr erfolgreich seit mindestens 2008. 

Montag, 23. September 2024

zur lüge gehören immer zwei

indem trump behauptet, haitianer äßen katzen, schafft er es, eine ganze stadt gegen ihre einwanderer aufzubringen. da fragt man sich als erstes natürlich: warum sind so viele amis so dumm?

1. zur lüge gehören immer zwei: einer, der lügt, und einer, der sie glaubt

wir zeigen nur zu gerne mit dem finger auf denjenigen, der lügt. und lachen dann noch viel lieber über die durchschaubarkeit dieser lüge - und diejenigen, die ihr dennoch glauben. um leicht zu durchschauende lügen zu glauben, muss man jedoch keineswegs unterbelichtet sein.

natürlich trägt ein gewisser intellekt dazu bei, lügen zu erkennen und sich folgerichtig dafür zu entscheiden, sie nicht zu glauben. die frage am ende ist jedoch, ob man den lügen glauben WILL. das heißt, man kann lügen intellektuell betrachtet durchaus entlarven, sie aber trotzdem für wahr halten, da man sie für wahr halten MÖCHTE.

2. lügen zu glauben hat mehr mit feigheit und bequemlichkeit als mit dummheit zu tun

wenns kompliziert wird, wollen feige menschen ihren verstand unbedingt ausschalten und bisweilen recht wahllos erlösungsbotschaften glauben. weil nachdenken bei komplizierten problemen leider unkomfortabel ist. der glaube an das selbstständige denkenvermögen und dessen resultate ist dann außerdem oft geringer als der glaube an die lüge. und es ist verdammt schwer, wenn eine mehrheit das eine behauptet, dann nicht an den eigenen gedanken zu zweifeln, sondern selbstbewusst die eigene, ganz andere ansicht zu vertreten.

3. feigheit + krise = hochkonjunktur für fake news

deshalb haben fake news in krisen hochkonjunktur. nicht, weil es diese fake news gibt. sondern weil man sie GLAUBEN WILL. und dieser glaube macht das leben einfacher, denn fake news funktionieren meist genau gleich: schuld sind immer andere - ich selbst bin nur ein opfer, und gleichzeitig aber ein echter held, weil ich das durchschaut habe und dem sündenbock nun das leben so schwer mache wie es nur geht! die sündenbock-theorie kommt geborenen hosenscheißern mit hang zur selbstüberschätzung in jedem fall sehr entgegen. und arrogante hosenscheißer gibt es nun mal zuhauf.

4. wer das evangelium glaubt, missioniert häufig bereitwillig.

fake news und religion haben gewisse parallelen. wer lügen glaubt, verbreitet sie gerne auch weiter. indem man möglichst viele anhänger gewinnt, möchte man die lüge massentauglich machen und sie im zweifelsfall mit vermeintlicher schwarmintelligenz oder notfalls auch militärischer überlegenheit verteidigen. deshalb müssen anhänger einer lüge auch unbedingt die wissenschaft und alles andere lügenfeindliche verdammen.

4. gewalt und das selbsterhaltungsprinzip der lüge

lügen können radikal und totalitär sein. sie wollen geschützt werden - und das um jeden preis. jemand, der fanatisch an eine lüge glaubt, trägt dadurch ein erhöhtes risiko, zum verbrecher zu werden. das beseitigen des vermeintlichen feindes (egal ob real oder nicht) gehört immanent zur lüge dazu. der feige lebt dabei das vermeintliche recht aus, nichts anderes gelten lassen zu müssen. seine gesamte ethik steht im dienst der lüge - bis zur selbstaufgabe, notfalls bis in den märtyrertod.

5. der lüge entkommt so schnell keiner

die zugrunde liegende feigheit macht es letztlich extrem schwer, der lüge wieder zu entkommen. sich feigheit einzugestehen ist deutlich härter als dummheit zuzugeben. dummheit kann die folge fehlender information und damit entschuldbar sein. feigheit aber ist eine charaktereigenschaft. man müsste also so stark sein, seine eigene persönlichkeit differenziert unter die lupe zu nehmen, die feigheit zu entlarven - und den eigenen ängsten entgegenzutreten. das ist ein enormer schritt, den so schnell niemand geht. daraus resultiert die oft erlebte "unbelehrbarkeit" von fake news-gläubigen.

6. die wirklichkeit ertragen lernen

die realität ist für viele für uns schwer zu ertragen. insbesondere, wenn man sich selbst als minderheit und insgesamt recht hilflos erlebt (unabhängig davon, ob man es tatsächlich ist). aber es gibt gestaltungsfreiräume im leben. verglichen zu einigen jahrhunderten zuvor leben wir in einer derzeit recht freien gesellschaft. derzeit können wir noch immer den beruf ergreifen, den wir möchten. wir können uns auf der straße versammeln und meinungen äußern. noch müssen wir auch keine sorge haben, dass die polizei uns wegen bestimmter äußerungen ins gefängnis wirft, wo wir dann vielleicht gefoltert werden. und noch schreibt uns niemand vor, jeden sonntag eintopf zu essen.

die kunst, die wirklichkeit zu ertragen, besteht vermutlich darin, differenziert und tapfer zu bleiben. vieles ist nicht perfekt. es gibt auch genug arschlöcher, die uns das leben schwer machen. aber mit etwas mumm können wir zumindest unser eigenes leben selbstbestimmt anpacken - und uns auch gegen die lauten, dreisten und brutalen wehren. so gilt es wahrscheinlich am ende, das unperfekte und mühsame als teil der normalität zu akzeptieren und das beste daraus zu machen. die selbstwirksamkeit beschert uns im gegenzug eine gewisse immunität gegen lügen und fake news.

Samstag, 14. September 2024

empathy not agony

mitgefühl ist bekanntlich eine gute sache, mitleid(en) hingegen eher nicht. mitgefühl bedeutet, das leid des anderen kognitiv nachvollziehen zu können. mitleid bedeutet, selbst in den gemütszustand des anderen zu verfallen - mit allen negativen folgen.

bislang dachte ich, ich sei ganz gut in sachen mitgefühl. ich kann mir probleme anderer anhören, relativ rational darüber nachdenken und lösungen vorschlagen - oder in fatalen fällen behutsam dosierten galgenhumor einsetzen und grundsätzliches da-sein signalisieren. zumindest wenn ich selbst stabil laufe, fällt mir es nicht schwer, mich nicht zu sehr emotional zu involvieren.

aktuell leidet der luxus-mann stark unter den nachwirkungen seiner op, die - wenn man seinem arzt glaubt - auch nicht ganz gewöhnlich sind. eine lösung ist derzeit nicht in sicht, vor allem keine schnelle. das alles deprimiert den luxus-mann sehr und provoziert bisweilen sogar suizidale unkenrufe. und ich weiß nicht, ob es an den seit juli abgesetzten psychopharmaka oder der eigenen unsicheren lebenssituation liegt: ich leide mit. die inzwischen seit drei wochen stark gedrückte luxus-stimmung hat mich regelrecht infiziert. 

das verursacht mir schuldgefühle. denn der luxus-mann braucht jetzt dringend eine ordentliche portion zupackende zuversicht, radikale akzeptanz und besagten galgenhumor. auf jeden fall die sicherheit, dass ich ungebrochen und tatkräftig an seiner seite bin und wir das kind gemeinsam schon schaukeln werden. aber nein. ich verfalle lieber in depressive anspannung, rast- und schlaflosigkeit. fieberhaft arbeitet sich das hirn tags wie nachts ab, was zu keinerlei sinnvollen ergebnissen führt. was wiederum das gefühl lähmender hilf- und nutzlosigkeit befeuert.

heute ist der luxus-mann in seinen alljährlichen kumpel-urlaub geflogen, den er desmal vor lauter frust und beschwerlichkeiten beinahe gecancelt hätte. und ich? nach einem wohlig-entspannten nachtschlaf erlebe ich einen wahren produktivitätsschub. ich stehe früh auf, führe mir die letzten fortbildungskapitel zu gemüte, absolviere recht souverän ein bewerbungsgespräch, verschicke eine weitere bewerbung, mache die wohnung klar schiff und besuche später noch meinen englischkurs. dann bin ich erschöpft, aber auf eine gute art. ich merke, wie es mir gefehlt hat - dieses mich-um-mich-kümmern. das war vor lauter mitleid viel zu kurz gekommen.

und ich stelle wieder einmal fest: mehr ich bedeutet nicht weniger liebe, sondern ein stärkeres und unabhängigeres wir anstelle diffus verschmolzener (ver)wir(r)-gefühle. so zu denken fühlt sich vielleicht manchmal ein wenig egoistisch an, ist aber wohl eine sehr gesunde sache, stelle ich fest.

der luxus-mann ruft mich am zweiten abend an. er klingt zufrieden und meint, es sei gut, dass er mitgefahren ist - und bedankt sich, weil ich ihn angesichts seiner zweifel dazu ermuntert hatte. "manchmal hast du schon recht, auch wenn ich sonst natürlich immer recht habe", foppt er mich.

Mittwoch, 4. September 2024

negativitissimus

am ersten september 1939 begann der zweite weltkrieg. irgendwie irritierend, dass dieses unrühmliche jubiläum mit den landtagswahlen in sachsen und thüringen zusammenfiel.

***

moderne politik dient parteiübergreifend nicht mehr zum nachdenken und gestalten, sondern nur noch der unterhaltung. emotional-inhaltslose phrasen und lügen befriedigen dabei zweierlei: die sucht nach entertainment und die bequemlichkeit, in der persönlichen komfortzone verharren zu können.

***

warum einem beim lesen der "welt" die ganze trostlosigkeit des deutschen journalismus bewusst wird.

***

die jobsuche war erfolgreich. leider. es wird ein furchtbarer job, noch viel schlimmer als der alte: 50 % reisen, 50% präsenzarbeit, kein homeoffice, keine überstundenregelungen, ein gesetzliches minimum von urlaub, dumpinglohn. ich muss ihn annehmen. was bleibt mir schon anderes übrig? höchstens der strick, denn im marketing herrscht immerzu arbeitgebermarkt. 

geht niemals ins marketing, ich bitte euch! werdet lieber altenpfleger, da bleibt mehr würde - und auch nicht weniger geld übrig. (ich überlege mir das mit dem strick noch.)

***

"es gibt echt nichts, was du nicht scheiße findest", sagt der mann manchmal anklagend. damit könnte er recht haben, denn meine enttäuschung ob der menschheit und der ganzen welt ist schier grenzenlos. "mit so einer grundlos dauerfröhlichen stinotante kämst du aber doch gar nicht klar", erwidere ich. womit ich recht haben könnte, gibt der mann zu. kleinste gemeinsame nenner sind so wertvoll!

Mittwoch, 28. August 2024

kriminalität um 80 % reduzieren - und zwar langfristig

warning! ein für sehkrank-verhältnisse extrem feministischer text, der in seiner radikalität nicht ganz humorbefreit konsumiert werden sollte! verständnis für ironie und bewusstes polarisieren sollte vorhanden sein, bevor sie jetzt weiterlesen. sonst gehen sie bitte. danke.

ereignisse wie in solingen rufen nach konsequenzen. fest steht, wir haben ein problem. und zwar mit männern. und das nicht erst seit gestern und seit der verstärkten zuwanderung aus staaten mit etablierter macho-kultur.

statistiken untermauern diese tatsache: ohne männer hätten wir rund 80 % weniger kriminalität im land, denn frauen sind deutlich seltener kriminell als männer. beim delikt mord ist der geschlechtliche unterschied am größten: "... es gibt beispielsweise (fast) keine amokläuferin, sexualmörderin, raubmörderin oder massenmörderin. männliche gewalt ist der gesellschaftlich akzeptierte maßstab für normverletzungen und unterdrückung, die tötende frau hingegen ist der betörende und verstörende gegenentwurf. (...) in konkreten zahlen heißt das: nur 15 prozent der bei mord überführten täter sind frauen, bei den delikten totschlag und tötung auf verlangen sind es lediglich 12 prozent."

vielleicht denken einige nun: die armen männer können aber doch gar nichts für ihren hang zu kriminalität und gewalt. die haben schließlich viel mehr testosteron als frauen! die können sich leider nicht so im zaum halten. entsprechend muss man ihnen das eben nachsehen, wenn ihnen mal die faust oder das messer ausrutscht. oder auch der erigierte penis.

oder etwa nicht?

das institut für kriminologie der universität heidelberg geht davon aus, dass der überhang männlicher delikte vorwiegend eine frage persönlicher werte ist: "männer sind gewalttätiger als frauen, weil sie in größerem umfang delinquenz fördernde werte präferieren und delinquenz hemmende werte ablehnen." kurzum, kriminalität und gewalt sind eine bewusste persönliche entscheidung und keineswegs determiniert. soweit, so traurig. und so anspruchsvoll hinsichtlich der übernahme von verantwortung.

was mich persönlich dabei am meisten stört, ist die tatsache, dass die gesellschaft diese auffallend übermäßig ausgeprägte männliche kriminalität offenbar ganz ok so findet und sie quasi als naturgegeben hinnimmt. der großmäulige macker, der unreflektiert draufhaut, ist immer noch das standardmodell, während ein mann, der sich zurückzunehmen weiß, schnell als lahmer lutscher gilt. die evolution des mannes hinsichtlich gesellschaftlicher verträglichkeit geht insgesamt nur langsam vonstatten - und scheint momentan sogar rückläufig, wenn man beispielsweise die gestiegenen zahlen von häuslicher gewalt betrachtet. oder eben die von messerattacken.

verstehen sie mich nicht falsch. ich liebe die meisten männer von ganzem herzen - für ihre häufig naive ehrlichkeit, ihre unverstelltheit sowie ihre spontane und vielseitige energie. ich ziehe ihre gesellschaft deshalb oftmals der von frauen vor. ich bin auch keine anhängerin von frauenquoten und sonstigem regulativen quatsch. aber männer machen ein land - statistisch betrachtet und speziell in hinblick auf friedlichkeit, harmonie und sicherheit - leider nicht unbedingt besser. zumindest nicht derzeit. das ist ein großes defizit, das uns nicht nur innere sicherheit, sondern auch jede menge geld kostet. riesige polizeiaufgebote, komplexe überwachungsmaßnahmen, unzählige gerichtsprozesse und die kosten für bau und unterhaltung von gefängnissen - all das sind ausgaben, die sich unsere patriachalistische gesellschaft ohne nachzufragen leistet, während anderswo haufenweise geld fehlt. was mich persönlich fassungslos macht.

strengere gesetze, messerverbotszonen oder schnellere abschiebungen sind nicht mehr als ein medien- und publikumswirksames pflaster zur symptombekämpfung. die beendigung des selbstverständlichen hinnehmens von männern als täter hätte hingegen ein potenzial von theoretisch bis zu 80 % reduktion der gesamtkriminalität. 

just saying. 

zum glück hat die alte aber ja auch nix zu melden, denken jetzt sicherlich einige. aber wartet mal ab - zukunftsforscher tristan horx sagt das zeitalter der frauen voraus. zumindest rein theoretisch und immerhin auf sehr diplomatische art und weise. 

p.s.: die schreiben doch hier ab!


 

Freitag, 2. August 2024

müffelalarm und fortschreitender geistiger verfall

auf heimatbesuch. mit vatern geht es weiterhin bergab. das laufen ist nicht mehr sooo viel schlechter geworden, er kann sich noch mühsam mit dem rollator fortbewegen. aber es scheint fast permanent ein nebel in seinem kopf zu wabern. ähnlich wie das objekt lebt er in zuständen endloser tagträumerei unter verlust des zeitgefühls. mein vater kann den tag nicht strukturieren, lebt von mahlzeit zu mahlzeit und von toilettengang zu toilettengang. dazwischen sitzt er auf dem sofa, starrt vor sich hin oder schläft.

zwischendurch gibt es seltene helle momente. immer dann, wenn ihn etwas interessiert - zum beispiel sein auto. als er neue reifen braucht, organsiert er das so flugs wie früher, läuft sogar ohne rollator zur garage und wieder zurück in einem für ihn schier unfassbarem tempo. wir sind verblüfft: wie geht das? meine mutter, inzwischen vollkommen verbittert über meinen vater, spekuliert, dass er simuliert, um sich weiterhin alles anreichen lassen zu können. ich bezweifle das, kann mir aber psychologische komponenten dieses merkwürdigen krankheitsbilds immer besser vorstellen.

sonst braucht er mittlerweile hilfe bei fast allem. auch alleine anziehen geht nicht mehr. soll er beispielsweise in ein t-shirt schlüpfen, zieht er es dreimal falsch herum an. dann hängt es irgendwo oberhalb seines dicken bauchs, weil er nicht versteht, dass er sich mit dem rücken kurz von der stuhllehne lösen muss, um das t-shirt über den bauch bis nach unten ziehen zu können. meine mutter zieht und zerrt derweil an ihm und schimpft dabei.

neu ist, dass mein vater stinkt - und das nicht zu knapp. das liegt vor allem an seiner inkontinenz und dass er seine einlagen zu lange trägt, da er volle einlagen stante pede zum mülleimer bringen soll. ein gang, den man sich natürlich auch sparen kann, wenn man in kauf nimmt, dass die vollgesogene einlage in kleidung und polstermöbel suppt. meine mutter verteilt überall handtücher und alte sitzauflagen, um das schlimmste zu verhindern, und putzt und wäscht den lieben langen tag. trotzdem riechen alle räume, in denen sich mein vater länger aufhält, wie ein obdachlosenheim. 

ich habe mich gefragt, wie urin so schrecklich stinken kann. aber vermutlich liegt es daran, dass mein vater kaum trinkt. am schlimmsten ist es nachts. wenn er nachts auf toilette war, muss man mindestens eine halbe stunde warten und alle fenster aufreißen, damit der gestank wieder abziehen kann. ich selbst nehme meist die toilette im zweiten stockwerk, die er nie benutzt, da ich sonst vor lauter ekel nicht mehr einschlafen kann. dort liegen auch keine versifften einlagen herum, die ja eigentlich in den mülleimer sollen, aber leider selten dort landen. oftmals sind es nette souveniers für denjenigen, der das bad nach meinem vater benutzt.

eine weitere ursache des stinkens ist auch, dass mein vater beim duschen kein duschgel nimmt, sondern nur ein bisschen wasser über sich laufen lässt. laut eigener aussage hat er das immer so gemacht, aber das kann unmöglich stimmen. bis vor ein paar jahren roch mein vater nach dem duschen immer taufrisch nach seife. fast täglich benutzte er rasierwasser oder parfums. nun stinken vor allem die füße  schlimmer als harzer käse. sämtliche aufklärungsmaßnahmen zu diesem thema sind gescheitert. ich habe vorgeschlagen, eine pflegekraft hinzuziehen, die ihn duscht, aber mein vater hat erst pflegestufe 1. meine eltern bekommen nur 40 € monatlich für hilfsmittel.

ärztlicher rat bleibt aus. demenz, parkinson, vaskuläre oder wirbelsäulenschäden? all das steht nach wie vor im raum und scheint doch nicht für alle symptome auszureichen. wir bestürmen meinen vater, sich doch einmal für zwei oder drei wochen in eine reha zu begeben, wo intensiv mit ihm gearbeitet wird. schon allein, um meine mutter zu entlasten, die kurz vorm nervenzusammenbruch steht. aber er weigert sich beharrlich. es sei ja alles nicht so schlimm, meint er, im alltag klappe doch alles. zwischen seiner wahrnehmung und der realität klafft ein weltall.

vor zwei wochen war er bei einem rudimentären demenztest, der überraschend gut ausfiel. wenn er sich keine blöße geben will, funktioniert tatsächlich viel. wieder rätseln wir: ist es wirklich eine krankheit? oder doch nur faulheit? und wenn es eine krankheit ist, wie viel anteil trägt die faulheit an ihrer permanenten verschlechterung?
"kannst du es nicht besser - oder ist es dir einfach egal?", frage ich immer wieder. "niemand wird dir vorwürfe machen, wenn du etwas einfach nicht mehr kannst. aber du musst uns helfen, damit wir dir helfen können!" meine vater kann oder will diese frage nicht beantworten. 

morgens geht es ihm am schlechtesten, insbesondere psychisch. er hat mehrfach verschiedene antidepressiva verordnet bekommen, die seinen antrieb steigern und ihn aus seiner totalen passivität holen sollen. ich hatte fast gejubelt, als mir meine mutter sagte, sie hätten endlich ein rezept dafür bekommen. mein vater weigert sich jedoch, auch nur ein medikament zu versuchen. "du kommst aber doch morgens vor lauter depressivität kaum aus dem bett", sage ich. nein, er habe keine depressionen, behauptet mein vater dann.

meine bereitschaft zu helfen schwankt. ich versuche, meinen vater zum spazierengehen und anderen bewegungsarten zu motivieren. gehe kleine strecken mit ihm, lobe und treibe ihn an. bringe ihm ein paar kniffe am computer bei, die er sich sogar überraschenderweise merkt. doch immer wieder übernehmen auch verzweiflung und wut das ruder. als ich wieder einmal über vollgepisste einlagen und unterhosen stolpere, explodiere ich. sage ihm, wie ich mich für ihn schäme und dass ich niemanden mehr in dieses haus mitbringen könne. dass ich gottfroh sei, dass der luxus-mann keinen urlaub bekommen hat und anders als geplant in kackstadt geblieben ist. eine zumutung sei das, überall seine exkremente herumfliegen zu lassen, und dass er doch sonst schon keinen finger rühren müsse. mein vater wirkt erst zerknirscht, dann wieder vollkommen unbekümmert. mir ist klar, dass er das ereignis sofort wieder ausblendet. ich mache mir indes vorwürfe: ich reagiere schon so zickig und entnervt wie meine mutter! wie kann ich nur einen alten, kranken mann so behandeln!

montag geht es wieder zurück in den norden. fortbildung beantragen, bewerbungsgespräch wahrnehmen, steuererklärung machen, den luxus-mann wiedersehen. mehr als genug zu tun. normalerweise bin ich immer traurig, wenn ich wieder in kackstadt bin. diesmal bin ich fast erleichtert, obwohl ich hier und heute mein elternhaus wahrscheinlich zum letzten mal besucht habe. das stimmt mich wehmütig. längst denke ich nicht mehr in jahren, sondern in monaten. ich lasse meine blicke sehr lange durch mein altes kinderzimmer streifen, überlege, was ich weggebe und was ich mitnehmen werde und wie ich den transport dafür organsiert bekomme. und immer wieder, was wir mit dem haus machen könnten. wahrscheinlich werde ich es nicht halten können, allein die nebenkosten sind höher als meine spätere monatliche rente. so gerne ich hier alt werden würde - die finanzielle situation erlaubt eigentlich nur einen verkauf.

der gefühlsmix aus wehmut, ungewiss, mitleid und zorn wühlen mich auf und verwirren mich. seit drei wochen nehme ich keine antidepressiva mehr, da ich ohne kackjob kaum mehr psychische probleme habe. diese realitäten erlebe ich jedoch ungefiltert und unschön. mal sehen, wie lange ich sie ertrage.

Samstag, 27. Juli 2024

beinig an outsider: die jahre am gymnasium

therapeutisches schreiben, klappe die 2. 

als ich in die fünfte klasse ans gymnasium wechselte, war es zunächst für mich, als könne ich neu anfangen. die meisten kinder aus meiner grundschulklasse gingen auf die haupt- oder realschule. ich beschloss daher, dass ich ab sofort anders sein würde: cool und lustig und vor allem keine streberhafte einser-schülerin mehr.

ich hatte aber auch horror vorm gymnasium, das eine riesige schule mit integrierter realschule war. ein enormer kasten aus beton mit einem ziemlich großen einzugsgebiet an schülern. einige aus meiner alten klasse gingen auf das kleine, sehr renommierte gymnasium im nachbarstadtteil. dort hätte ich mich vermutlich wohler gefühlt. 

doch dann erzählte mir a. - eine 17-jährige aus meinem turnverein, die ich zu meiner großen wahl-schwester auserkoren hatte - dass sie auch auf meinem gymnasium sei. "wenn was ist, kommst du in der pause einfach zu mir", sagte sie aufmunternd. das fand ich toll und half mir sehr bei meinem start. gleichzeitig lockte es mich wieder in die falle. denn was machte ich natürlich? ich stand in den pause mit a. und den anderen zwölftklässern herum, anstatt mich mit den leuten aus meiner klasse zu befassen.

zu a.s clique gehörte einmal ihr freund, der riesengroß und spindeldürr war. für ihn war ich wie eine kleine schwester. außerdem war da eine hübsche blonde, die genauso hieß wie ich. sie konnte irrsinnig gut zeichnen. als ich wieder einmal neben ihr saß und vor bewunderung sabbernd beobachtete, wie sie den stift übers papier fliegen ließ, erzählte sie mir, ihre kleine schwester i. sei eigentlich noch viel talentierter. sie habe das große michelangelo-gemälde gemalt, das die schulaula zierte. ich staunte noch viel mehr und brannte natürlich darauf, i. kennenzulernen. 

i. war ein jahr jünger als ihre schwester und ging in die elfte klasse. in meinen augen war sie eine verheißung. sie trug ihr hellblondes haar knallrot, was ihre leuchend blauen augen und ihre helle haut noch mehr strahlen ließ. sie ging fast immer barfuß, wenn es das wetter auch nur ansatzweise erlaubte. das beste war ihre kleidung: sie trug lange, schwingende röcke aus verschiedenen stoffmustern. sie nähte sie alle selbst. sie war in meinen augen das schönste mädchen der schule und das auffälligste noch dazu.

anfangs war i. wenig begeistert, dass ich ihr fortan hinterherlief. ich war zehn, von mutti spießig eingekleidet und auf den ersten blick einfach nur ein langweiliges kind. aber wir kamen in den flow - und da ihr zuhause auf meinem weg lag, gingen wir oft zusammen, wenn wir mittags zur gleichen zeit aus hatten. ich lernte wahnsinnig viel von i.: wie man haare mit henna färbt. wie man coole bilder malt. wo man gute stoffe für selbstgenähte kleidung bekommt. sie interessierte sich auch für philosophie, woraufhin ich mir zu weihnachten "sophies welt" von jostein gaarder wünschte.

das alles fand ich sehr viel spannender als das, was mir beispielsweise meine banknachbarin so erzählte. sie war in einen der sitzenbleiber in unserer klasse verknallt, den ich oberpeinlich und superdämlich fand, und sie hörte michael jackson, während ich klassische musik bevorzugte. trotzdem nahm ich sie öfter mit zu mir, wenn sie eine schlechte note geschrieben hatte. schlechte noten bedeuteten für sie zuhause prügel, und das tat mir leid.

die anderen mädchen in meiner klasse blieben eher entfernte bekannte für mich. ich beschäftigte mich wenig mit ihnen. ab und an bekam ich mit, dass sie über mich lästerten, aber das fand ich nicht so schlimm. meist ließen sie mich in ruhe. die jungs waren da weniger zimperlich. sie zogen alle register: sie verunglimpften meinen namen, versteckten meine sachen oder warfen mein fahrrad in die böschung, wenn ich morgens vergaß, es an den ständer zu schließen.

ich ertrug es relativ stoisch, da ich einfach keinen wunsch hegte, mich mit ihnen in irgendeiner form abzugeben. den klassenclown hatte ich ebenfalls nur kurze zeit gespielt. diese wenig interessanten menschen waren es mir nicht wert, meine guten noten zu gefährden oder mir sonstigen ärger einzuhandeln.

was mich wesentlich mehr belastete, spielte sich in der siebten und achten klasse ab. ich war damals 12 bzw. 13 und keine schönheit. ich trug immer noch eine feste zahnspange, inzwischen auch noch eine brille und hatte schlimme akne. darüber hinaus trug ich bevorzugt alte kleidung aus den jugendjahren meiner eltern und großeltern - in wilden und absolut nicht stilsicheren kombinationen. 

auf meine sichtbare absonderlichkeit sprang eine gruppe jungs aus der elften klasse an. sie waren in der regel zu dritt: ein anführertyp mit vorlauter klappe, ein zweiter typ, der den anführer unterstützte, und ein schüchterner, der vermutlich ebenfalls eher ein opfer war. der anführertyp kam eines tages kurz nach der pause in unser klassenzimmer zu mir und bat mich recht höflich, doch bitte mal mitzukommen. draußen vor der tür standen die anderen beiden. der anführer behauptete, der schüchterne typ sei in mich verliebt. der schüchterne wollte weglaufen, aber der unterstützer-typ hielt ihn fest - und der anführer-typ mich. wir sollten uns küssen. wir wehrten uns natürlich. irgendwann kam ein lehrer und die typen musste abzischen.

ich war komplett verstört, da ich mit jungs noch nichts am hut hatte. der schüchterne war sicherlich überhaupt nicht in mich verliebt war, allenfalls ein mitläufer und wollte vermutlich auch nur seine ruhe. aber die beiden anderen waren fies. ich ahnte, dass dies nicht unsere letzte begegnung war - und sollte recht bekommen.

fortan wurde ich regelmäßig in der pause oder nach der schule abgefangen, festgehalten, verspottet und manchmal auch bedroht. ähnlich wie in der grundschulzeit suchte ich alternative wege, die schule zu verlassen, versteckte mein fahrrad, damit die jungs nicht sahen, wo ich parkte, oder versuchte, an der seite eines lehrers zu entkommen. aber die jungs wussten, wo ich wohnte und welche straßen ich nutzen würde, um nachhause zu kommen. sie passten mich ab und versperrten mir den weg. 

das ging locker ein jahr so. die jungs wurden des spiels nie müde. irgendwann, als sie mir wieder einmal mit ihren rädern den weg versperrten, gab ich gas. ich krachte heftig ins vorderrad des teuren rennrads des anführers, konnte mich dabei aber im sattel halten und fuhr stolz wie eine königin davon, während der anführer bedröppelt guckte und sein vorderrad begutachtete. ich hoffe, dass er nun den fettesten achter der welt darin hatte.

am nächsten tag nach schulschluss war mein fahrrad verschwunden. ich wusste nicht mehr, ob ich es angeschlossen hatte oder nicht. ich hatte zuerst die jungs aus meiner klasse im verdacht, aber da diese dumm und unkreativ waren, fand ich mein rad sonst berechenbarerweise in der böschung neben den fahrradständern wieder. diesmal war dem nicht so. davon abgesehen passte die aktion viel zu gut zum vorfall am vortag. 

zuhause bekam ich wegen des verschwundenen fahrrads ärger. für meine eltern war sonnenklar, dass ich die sache verschuldet hatte, weil ich mein rad nicht ordentlich abgeschlossen hatte. mich überkam nackte verzweiflung. ich hasste die ganze schule und meine eltern ebenfalls. ich schrieb schlechtere noten als sonst, da ich nachts wachlag und grübelte, wie ich aus der situation herauskommen könnte. ohne fahrrad war ich jetzt dummerweise auch noch langsamer und die jungs hatten ein noch leichteres spiel. 

irgendwann im frühsommer der achten klasse kam die unerwartete wende. ich traf den unterstützer-typen auf dem nachhauseweg alleine an. er sagte höflich hallo und machte keine anstalten, fies zu werden. ich nutzte seine friedlichkeit und beschuldigte ihn, mein fahrrad gestohlen zu haben. er versicherte mir, dass dem nicht so sei. sie hätten es nur woanders hingebracht - in das wäldchen auf der anderen seite des schulgeländes. ich würde es bestimmt wiederfinden. für mich läuteten alle weihnachtsglocken. am nächsten tag fand ich mein rad tatsächlich wieder. es war unversehrt und ordentlich an einen baum gelehnt. 

als ich den unterstützer einige tage später noch einmal alleine traf, wollte ich von ihm wissen, warum sie mich verfolgten. "das war doch nur spaß", meinte er. "das war nicht so gemeint." ich vermutete, dass in dieser antwort viel wahrheit steckte und dass sich mobbing und ähnliche aktionen auf diese weise im allgemeinen gut erklären lassen: es ist für die täter einfach ein riesenspaß - und sie machten sich keinerlei gedanken darüber, wie es dem opfer dabei ging.

noch etwas sehr merkwürdiges passierte an diesem nachmittag: ich fand den unterstützer-typen plötzlich heiß. er war groß, blond und athletisch - und jetzt sogar irgendwie nett zu mir. vielleicht war ihm tatsächlich klar geworden, dass sie zu weit gegangen waren. ich träumte, dass er mich künftig vor dem anführer beschützen würde. meine ersten romantischen kleinmädchen-fantasien!

tatsächlich ebbte das nachstellen ab. das lag allerdings wohl weniger am engagement meines schwarms als vielmehr daran, dass die jungs in die kollegstufe kamen. dies bedeutete an unserem gymnasium individuelle stundenpläne bis zum späten nachmittag - und somit selten gemeinsamer schulschluss um 13 uhr. nach der neunten klasse sah ich keinen der drei jungs wieder. 

bis zum abitur hatte ich das schlimmste hinter mir. meine klasse und ich wurden nie freunde, auch wenn mich ein schüleraustausch mit den usa mit einigen von ihnen näher zusammenbrachte. zu beginn der kollegstufe lernte ich dann meine erste große liebe kennen, was mich zutiefst entspannte. endlich liebte mich jemand - da konnte mich der rest der welt mal am arsch lecken.

Donnerstag, 18. Juli 2024

teased and bullied: mobbing in meiner kindheit

weil es im vergangenen post in den kommentaren zur sprache kam, hier ein kleiner ausflug in meine weniger schönen kindheitserinnerungen.

am tag meiner einschulung war ich stolz wie bolle: ich trug mein rosa rüschenkleidchen und lackschühchen mit weißen kniestrümpfen. dazu eine schultasche mit bunten herzen, mit passendem federmäppchen und turnbeutel. sogar meine schultüte hatte dieses design. es war alles genau nach meinem geschmack: ein 1000%-iger mädchen-traum. süß, lieb, rosarot.

ich konnte bei meiner einschulung bereits lesen und freute mich insgesamt sehr auf die schule und das lernen. ich mochte auch meine klassenlehrerin auf anhieb, eine sehr kleine, ältere dame mit einem strengen gesicht. sie strahlte keine große herzenswärme aus, aber das versprechen auf weisheit. ich verspürte bei ihr - wie so oft bei erwachsenen - sofort den drang, mich mit ihr zu unterhalten und sie in meine kleinen naturwissenschaftlichen und kinderliterarischen entdeckungen einzuweihen.

die kinder aus meiner klasse waren für mich weniger interessant. spielen mit anderen kindern fand ich schon im kindergarten langweilig. ich bevorzugte den kontakt mit meinen erzieherinnen, half in der teeküche und band den jüngeren kindern die schleifen ihrer schuhe, wenn sie nach draußen wollten. die erzieherinnen hatte meine hilfsbereitschaft und fürsorglichkeit immer begeistert. heute würde man kinder wie mich wahrscheinlich eher zum psychologen schicken.

ich weiß nicht mehr, wann es das erste mal passierte. vielleicht nach ein paar tagen oder auch wochen, nachdem die jungs mich genauer abgecheckt hatten. gesehen hatten, dass ich im unterricht mühelos mitkam und fast immer die richtige antwort wusste. verstanden hatten, dass ich wirklich immer meine rosa mädchenklamotten und niemals jeans trug. herausgefunden hatten, dass ich insgesamt eher langsam, vorsichtig und manchmal recht ungeschickt war und grundsätzlich weniger dazu neigte, in einem sich formenden freundeskreis aufzugehen.

irgendwann nach schulschluss war es soweit. sie waren zu viert oder zu fünft, meist mit zwei zweitklässern im schlepptau. sie lauerten mir hinter der turnhalle auf und stürzten sich auf mich wie löwen auf der jagd. sie zerrten mir die schultasche herunter und warfen sie in den dreck. sie rissen an meinen kleidern, schubsten mich umher und schlugen mich grün und blau. 

ich war zu schockiert von dieser brutalität, um mich zu wehren. ich war vor angst und schreck erstarrt und begann schnell zu weinen. das war natürlich eine grandiose einladung fürs nächste mal.

und dann ging es richtig los. ich war in keiner pause mehr sicher. und wenn die glocke zum schulschuss läutete, war mir kalt vor angst. ich überlegte mir jedesmal andere wege und möglichkeiten, wie ich der gang entkommen konnte - das schulgelände durch den hinterausgang oder mit der lehrerin zusammen verlassen, oder mich im schulgebäude zu verstecken, bis die angreifer keine lust mehr hatten, auf ihr opfer zu warten. manchmal klappte es. oft auch nicht. die jungs waren zu mehreren, sie konnten sich aufteilen und mich aufspüren.

meiner mutter entging nicht, was los war. wenig amüsiert über verdreckte und zerrissene kleidung begab sie sich zu meiner lehrerin in die sprechstunde. da könne sie nichts machen, sagte diese, das müssten die kinder unter sich regeln. 

meine mutter beschloss daraufhin, mich von der schule abzuholen. doch wenn sie glaubte, ihre anwesenheit würde die jungs davon abhalten, auf mich loszugehen, dann lag sie falsch. sie waren zu mehreren und scherten sich nicht weiter, dass eine erwachsene person daneben stand und hilflos "aufhören!" kreischte, während sie mich vermöbelten.

meine mutter zog ihren letzten joker. sie besuchte die mutter des anführers der gang und bat sie, ihrem sohn ins gewissen zu reden. doch die anführer-mutti war eine zarte alleinerziehende mit stressigem vollzeitjob, die keinerlei authorität besaß und ihrerseits meine mutter vollheulte, dass ihr ihr sohn nur auf der nase herumtanzte.

mein glück war, dass eine familie in die straße nebenan zog, die einen für sein alter recht großen, bulligen sohn hatten. der kam in meine klasse und war sehr nett. mein vater - recht clever - sprach ihn eines tages an und erzählte ihm von meinen problemen. der junge war überraschend schnell bereit, mir zu helfen. mit seinen beiden schmächtigen kumpels waren wir fortan zu viert. das half, dass sich die gang nicht mehr an mich herantraute. hin und wieder konnte ich ihnen natürlich nicht entkommen und ich bekam meine abreibung. aber insgesamt wurden die attacken seltener. mein vater hatte hier eine wirklich kluge, vom glücklichen zufall befeuerte lösung gefunden.

ein echtes ende dieses mobbing-kapitels zeichntete sich in der zweiten klasse ab. wir bekamen eine neue mitschülerin. sie war dick und trug eine irrsinnig starke brille. instinktiv wusste ich, dass ich nun aufatmen konnte - und ich lag richtig. fortan war die neue das ziel der jungs. da sie hochnäsig und unfreundlich war, entwickelte ich auch kein großartiges helfersyndrom. ich hatte mich zudem inzwischen mit einigen der anderen mädels lose angefreundet und war somit mehr teil der gemeinschaft geworden. zumindest in den pausen spielten wir zusammen verstecken und gummitwist oder kästchen-hüpfen.

ein weiterer glücksfall war, dass der gang-anführer so dumm war, irgendwann ein messer mit in die schule zu bringen. das flog schnell auf und führte zu einem verweis. weniger später musste er die schule verlassen.

in der zweiten hälfte der vierten klasse begannen erneut probleme, allerdings anders geartet. diesmal hatten mich zwei jungs aus der zwei straßen entfernten hauptschule als opfer auserkoren. sie verprügelten mich nicht, klettteten aber nach schulschluss regelmäßig an mir und machten blöde sprüche über meine kleidung oder meine zahnspange. sie waren schon zwölf bzw. 13, ich erst neun. eine zeitlang hatte ich große angst, bis ich eines tages den einen der beiden alleine antraf. er wohnte auf meinem nachhauseweg. alleine machte er keine dummen sprüche, sondern war sehr nett zu mir. er war etwas dick und nerdig, und ich vermute, dass er sich deswegen einen "starken" kumpel gesucht hatte, mit dem er gemeinsam den bad boy spielen konnte. dieses kapitel endete, als ich aufs gymnasium kam und mittags nicht mehr an der hauptschule vorbeimusste.

obwohl ich äußerlich betrachtet also heil aus meiner grundschulzeit herausgekommen war, hatte ich meine lektion gelernt: ich war definitiv falsch. und dieses falschsein musste ich vor anderen kindern künftig dringend besser verbergen. am liebsten hätte ich mich ganz geändert, äußerlich und innerlich. aber da ich nicht recht wusste, was dieses "falschsein" genau ausmachte, was mich also so hassenswert machte, war tarnung nicht ganz einfach. ich machte letztlich das, was ich auch zuhause tat: mich möglichst total anpassen. je nach laune meiner mutter war ich vollständig unsichtbar, vordergründig lustig und fröhlich oder aber fleißig, mitfühlend und eine stütze im haushalt. so verhinderte ich meist recht erfolgreich wutausbrüche und sicherte mir lob und zuneigung. kein sehr empfehlenswerter weg, um sich selbst, seine wünsche und seine grenzen kennenzulernen und auch durchzusetzen.

was mir angesichts meiner fehlerhaftigkeit kraft und trost gab, waren meine träume. in meinen tagträumen konnte ich mich komplett von der welt abkoppeln. ich bekam nicht mit, wie die zeit verflog oder wenn meine eltern mich riefen. in mir war meine perfekte zuflucht. was, wie ich später erfuhr, sehr typisch für mädchen mit adhs ist.

bis heute tauche ich gerne in diese geistige welt ab - je größer die äußeren widerstände, desto intensiver. das funktioniert am besten, indem man sich ein komplett unrealistisches projekt sucht und dort sämtliche sehnsüchte hineinprojiziert. dazu ist der passende soundtrack wichtig und eine strecke, die man als hyperaktiver mensch schnell gehen oder rennen kann. nach ein bis zwei stunden tritt so etwas wie ein leichtes, schwebendes glücksgefühl ein, das nichts und niemand so schnell antasten kann. körpereigene drogen at its best.

meine träume haben mir immer unheimlich geholfen, die realität zu überleben. sie sind aber auch nicht ungefährlich, weil sie dazu führen, dass sich mein leben nicht weiterentwickelt, weil ich grundsätzlich wenig interesse an der realität habe. das hatte mir einst auch das objekt angekreidet - womit es leider wie so oft ins schwarze traf. bis heute muss ich mich zwingen, nicht zu flüchten, sondern wirklichkeit aktiv zu gestalten - und träume so behutsam wie drogen zu dosieren.

soweit für heute. vielleicht schreibe ich noch ein kapitel zum thema mobbing in meiner gymnasialzeit. bis dahin könnt ihr mir gerne auch eure erfahrungen und gedanken schildern.

Samstag, 13. Juli 2024

befreiungsschlag

als ich gestern schon wieder verzweifelt und den tränen nahe im büro saß und zu arbeiten versuchte, nachdem mir erneut wichtige informationen vorenthalten und sogar falsche zugespielt und infolge dessen mein entsprechend fehlerhafter entwurf für die neue website in der luft zerrissen worden war, rief mich der chef zu sich.

wie es denn geht, wollte er wissen. schlecht, sagte ich, es ist immer dasselbe und es wird zunehmend schlimmer, da die angriffe durch mein team mehr und mehr auf persönlicher ebene erfolgen und ich das inzwischen als mobbing empfinde. der chef nickte wissend, er kannte die gegenseite natürlich bereits von meinem team, das wohl regelmäßig über mich herzog.

"mit den anderen beiden teams ist alles fein, das läuft, da darf ich nicht klagen", ergänzte ich, "einige setzen sich sehr für mich ein in der aktuellen situation und haben sogar die teamleitung darüber informiert, wie unfair ich behandelt werde. aber die zusammenarbeit mit meinem team ist wirklich eine qual, und innerhalb dieses unternehmens wechseln kann ich ja nicht. jeder rät mir entsprechend zu gehen. ich habe auch bereits angefangen, mich anderweitig zu bewerben."

der chef überlegte und schlug dann vor, meinen vertrag zu kündigen. er sah mich dabei so vorsichtig an, als müsse er gleich vor einer hochemotionalen reaktion in deckung gehen. aber alles, was ich empfand, war grenzenlose erleichterung - und ich stimmte zu. nur weg, einfach weg! sich dieser beständigen herablassung und demütigung bloß nicht mehr aussetzen müssen!

"gut", meinte der chef. "ich kann ja nichts negatives über dich über dich sagen. daher habe ich überlegt, ob nicht eine andere, soeben freigewordene stelle zu dir passen könnte." er fasste kurz zusammen: bildungsbereich, pionierarbeit, mehr projektleitung, weniger marketing. es hörte sich hochspannend an, passte aber strenggenommen nicht auf mein profil. ich verwieß auf dieses qualifikationsdefitzit, aber der chef meinte, er würde mich trotzdem vorschlagen, wenn ich interesse hätte - immerhin sei er dort im vorstand. also erlaubte ich ihm, dass er meinen lebenslauf an die hr-abteilung dort senden dürfe. ich rechnete mir rein fachlich keine großen chancen aus, aber wenn der chef an mich glaubte und sich so für mich einsetzte, würde ich ihn natürlich auf keinen fall daran hindern.

"hast du eigentlich noch resturlaub?" wollte der chef dann wissen. "den kannst du natürlich noch nehmen, der steht dir ja zu."

wir rechneten durch und stellten fest, dass ich - zahlreicher überstunden sei dank - im prinzip direkt gehen konnte. "das ist doch jetzt gut so, dann musst du dich jetzt auch nicht mehr mit den anderen herumärgern. soweit ich das richtig verstanden habe, ist das hier für dich kein großes vergnügen", schmunzelte der chef. "mach einfach deine übergabe und reiche das urlaubsformular ein, meine mündliche freigabe dafür hast du." "ich bin in der tat dankbar für jede stunde, in der ich nicht mehr mit meinem team zusammen sein muss", erwiderte ich frank und frei.

jetzt habe ich also einen langen spontanurlaub. und bin bald arbeitslos. aber kein bisschen träurig für den moment. ich werde durchatmen, neue möglichkeiten sondieren, mich währenddessen möglichst intensiv fortbilden - und auf bessere zeiten hoffen.

Freitag, 5. Juli 2024

macht endlich euren job!

profillosigkeit und bürokratie kosten der politik inzwischen viel ansehen und zugleich bares geld. denn manchmal muss man auch auf den ersten blick unangenehme entscheidungen treffen und sich akzeptanz in der bevölkerung ERARBEITEN. 

ein beispiel für eine solche unangenehme entscheidung wäre die wiedereinführung der vermögenssteuer, unter helmet kohl (cdu) im jahr 1996 ausgesetzt. 380 milliarden euro fehlen dadurch aktuell in der staatskasse. summen, die dieses land dringend braucht. summen, die investiert werden und gerechtigkeit sicherstellen könnten - für zufriedenere bürger.

aber das wort "arbeit" kennen politiker ja nicht. nur vom steuerzahler, auf dessen kosten man sein bequemes gala-leben finanziert, wird stets unendlicher fleiß gefordert. 

schade, denn unangenehme, aber glasklare gesetze und regeln für eine nachhaltige zukunft könnten der politik wieder den respekt verschaffen, den sie zum regieren nötig hätte. ich kann tatsächlich verstehen, wenn die öffentlichkeit zunehmend aggressiv auf politiker reagiert - obwohl ich solche übergriffe natürlich sehr bedenklich finde. aber sie auch nicht ganz unverdient. damit meine ich nicht unbedingt die aktuelle regierung, denn die probleme liegen überwiegend an fehlentscheidungen der vergangenen 20 jahre.

fakt ist aber: die politik muss auf die bürger zugehen, denn für diese trägt sie die verantwortung. nicht umgekehrt. und schon gar nicht ist politik dazu da, um sich bei privilegierten grüppchen wie superreichen oder lobbyisten anzubiedern. solange die politik jedoch diesen schritt auf den bürger zu nicht geht, bewegen wir uns umso rasanter richtung 1933.

also, liebe politiker: macht endlich euren scheiß job! und zwar mit eiern in der hose! und wenn ihr ihn nicht machen wollt: verpisst euch aus der politik. denn die ist nicht dazu da, sich auf tiktok mit grillwürsten oder seiner aktentasche zu präsentieren. das ist nur lächerlich und armselig - und scheißlangweilig noch dazu.

Freitag, 28. Juni 2024

when i´m dead and gone

der luxus-mann und ich wandern über unseren lieblings-friedhof. 

"wie isn das eigentlich, wenn ich nicht in der kirche bin, kann ich dann trotzdem ein grab auf einem friedhof haben? also wenn ich mich verbrennen lassen will?" will der mann wissen.
"klar. ist ja nur eine frage der kosten. wenn du verbrennung nimmst, kannst du in eine urnenwand gehen oder in so ein kleines urnengrab."
"urnenwand klingt langweilig. ich würde schon gern ein richtiges grab haben. musst mir auch keine blumen draufmachen. aber ein cooler grabstein, das wär was. kannst du das bitte mit meinen kindern so ausmachen?"
"sag das denen doch selber", finde ich. "ich hab da ja nicht viel zu bestimmen."
"ja, mal schauen, muss ich mal machen."

wir wandern weiter durch das kleine grüne paradies, in dem wir heute fast komplett alleine sind.

"weißte, was mich manchmal echt beschäftigt?", setzt der mann wieder an. "dass ich so rein gar nichts erreicht habe im leben. ich meine jetzt nicht unbedingt beruflich... das ist mir schnuppe. aber dass nichts von mir bleibt!"
"geht wohl den meisten so. deshalb auch immer dieser eifer, sich mit irgendwas zu schmücken, und sei es noch so peinlich. nur ganz wenige menschen schaffen tatsächlich etwas, das sie überdauert. gestern beispielsweise hab ich ein klavierkonzert gesehen mit einer 83-jährigen pianistin... die war so inspiriert, so lebendig... die weiß genau, wofür sie das alles macht. und sehr viele menschen werden sich noch lange an sie erinnern, weil sie ein erlebnis mit ihr hatten. ich hingegen... ich hab keine ahnung, wofür ich lebe. leben ist für mich wie eine graue, undurchdringbare wand... ich bin immer irgendwie draußen. ich weiß nicht, wie mich jemand groß bemerken oder sich gar an mich erinnern sollte."
"so ganz so trist empfinde ich das nicht. aber jetzt, wenn ich bald nicht mehr arbeite, da häng ich dann den ganzen tag zuhause rum. ich hab dann nicht mal mehr was, was ich widerwillig machen muss."
"das fehlt mir auch sehr. irgendeine form von sinn... oder befriedigung. in mir ist alles leer. du hast wenigstens deine kinder."
"die brauchen mich ja nicht."
"aber die kommen wenigstens an dein grab. das tut bei mir mal keiner. ich bin die letzte, ich bleibe übrig, ich werde ganz alleine sterben und niemanden haben, der mich in seiner erinnerung liebt. und manchmal macht mir das echt angst."
 
"vielleicht müssen wir das mal regeln. ich brauch auch unbedingt eine patientenverfügung. das wird jetzt echt zeit", findet der luxus-mann.
"ja, unbedingt. da wir ja auch nicht verheiratet sind, kann ich im ernstfall nichts für dich entscheiden. ich müsste dann zwar deinen kindern sagen, was du dir gewünscht hast. aber die haben vielleicht noch ganz eigene interessen."
"die würden schon auf dich hören."
"aber es wäre schon praktischer, wenn du das vorher genau regelst."
"ja, ich weiß."
 
wir kommen zu einer wiese, auf der junge menschen begraben liegen. auf dem grabstein eines 17-jährigen lesen wir: "es war seine entscheidung."
"krass, der hat sich bestimmt umgebracht", sagt der luxus-mann.
"ziemliches brett, so eine aufschrift", erwidere ich. "also recht anklagend. das hätte ich als seine eltern anders gemacht."
"finde ich auch. kannst du mir bitte was schöneres draufschreiben lassen?"
"sowas wie 'beim anblick von spinnen hat er stets lustig schreckhaft gequiekt'?"
"schreib doch gleich drauf: von milch musste er immer furzen."
 
ich lache und lege den arm um meinen mann.
"wär das ok für dich, wenn ich mit in dein grab komme? so anstatt heiraten und gemeinsames eigenheim und all das?"
"klar. hauptsache du nervt dann nicht rum da drin. aber das tust du ja eigentlich nie", sagt der luxus-mann mit einem weichen, fast zärtlichen unterton.
"vielleicht sterbe ich ja aber auch vor dir", sage ich. "dann hast du noch ein paar lustige jahre, bevor du zu mir ins grab kommst und ich rumnörgle, wo du solange geblieben bist."
"mit deinen ganzen krankheiten kann das durchaus passieren."
"und was schreibst du dann auf meinen stein?"
"das muss ich mir noch überlegen. aber ich hoffe, das hat noch etwas zeit."

Freitag, 14. Juni 2024

48 stunden

wenn sich die helligkeit des morgens durch die geschlossenen lider presst, ist die noch unsichtbare welt ganz rosarot. fleischwurstrosarot, mit einer feinen prise satreschen ekels. die ersten gedanken haben die konsistenz von kühlschrankkaltem, säuerlichem wackelpudding, geschmacksrichtung mundgeruch.

der hals fühlt sich an wie nach einer langen partynacht, trocken und rau vom zigarettenrauch. dann wandert immer mehr kalt-muffige gedankengötterspeise richtung frontallappen und erinnert dich, dass du ja gar nicht mehr rauchst. dass du kaum mehr partys besuchst. und dass du nun eigentlich aufstehen musst, um den neuen arbeitstag abzureißen wie ein kalenderblatt, mit der üblichen geringschätzigen geste.

während du noch daliegst und der wunsch aufkommt, es möge etwas dazwischenkommen, meldet der körper fieber und schnodder. ein wunderbarer grund, die bettdecke bis unters kinn zu ziehen, sich noch einmal umzudrehen und die realität zum arschlecken abzukommandieren.

der fiebrige halbschlafkopf macht sich derweil auf, bühne fantastischer bewegtbilder zu werden. längst begrabene tagträume kehren kraftvoll zurück: wirklichkeitsferne wohltaten, durch körpereigene drogen befeuert. ein 48-stündiger trip, den sogar das gewissen schweigend genießt, die sonst so vorlaute fresse mit einem gelben schein gestopft.