Dienstag, 26. April 2016

gewöhn dich

gewöhn dich.
alles nivelliert sich.
pendelt sich ein.
du hast es doch schon geschafft:
nach außen ein fast normales leben.

doch ich will es nicht.
ich gewöhne mich nicht.
ich will nicht nur nicht geben
ich will vor allem auch nichts empfangen.

Montag, 18. April 2016

gleiten & springen

fassen wollen. und nicht können.
erinnern, dass man es manchmal gleiten lassen muss.
auch gleiten ist eine bewegung: eigentlich immer vorwärts.
denn die richtung ist nur eine interpretation der eigenen matrix.

überhaupt, die matrix mal nicht so ernst nehmen.
dem gedankengefängnis die gitterstäbe wegignorieren.

man kann jederzeit springen.
absolut jederzeit.


Sonntag, 17. April 2016

dinge fürs leben lernen

"wie sehen denn deine stiefel aus?!"
dass der luxus-mann mit der pompösen wohnung ein wenig etepetete ist, hatte ich befürchtet.
"wir gehen gleich auf ne punk-party!" erwidere ich. "da ist es dunkel und keiner schaut auf meine stiefel!"
"das geht so nicht, los, komm her."

der luxus-mann holt erst eine bürste, dann eine strumpfhose und kniet sich vor mich.
"was wird das, willst du mein schuhputzsklave in nylons sein?!"
der mann grinst mich amüsiert an.
"da sieht man mal, du hast keine ahnung von den fundamentalsten dingen!"
er streift die strumpfhose über die bürste und beginnt dann, meine stiefel zu schrubben.
im nu glänzen sie wie neu.
"wow. das ist ja genial!"
"hat doch was, wenn man so nen spießigen familienvater kennt, oder?"
"sagt der typ in der armee-hose und den springerstiefeln!"
"sieht das okay so aus?"
"ja doch."
"na dann los. ich spendiere uns ein taxi, sonst werden deine stiefel gleich wieder dreckig, bei dem sauwetter."

wir fahren mit dem taxi durch den regen bis an die elbe. dann entern wir den club.
"oh, das ist ja nett hier", findet der luxus-mann.
"das kennst du aber doch, als gebürtiger hamburger."
"nein, das ist mein erstes mal."
"du verarschst mich."
"kein bisschen."
der luxus-mann grinst schüchtern und drückt mir dann ein getränk in die hand.

ich tanze ein paar songs, dann lande ich bei dem luxus-mann, der schon recht besoffen ist, auf der couch.
"macht wirklich spaß, mit dir auszugehen", sagt er.
"ich hatte schon die befürchtung, du langweilst dich."
"nö. woran machst du das fest?"
"du tanzt nicht."
"ich tanze nie."
"ach so."
"findest du das jetzt spießig?"
"ich glaube, du hälst dich vorwiegend selbst für spießig und kommst damit nicht so recht klar."

der luxus-mann guckt mich überrascht an.
"das ist tatsächlich so mein innerer konflikt, den ich mit mir rumtrage. einerseits bin ich wirklich konservativ erzogen worden und habe das auch so gelebt: ordentlicher job, familie... aber da gibts eben auch noch eine andere seite. die scheißt auf alles, mag schräge musik und stürzt sich ins nachtleben. der job und das geld, das ist mir so wumpe, deswegen rede ich da auch nie drüber."
"das hat jeder, glaub ich. ich und über-ich oder so. und ich finde leute gut, die erkannt haben, dass ein job nur ein job ist und nichts, was deine persönlichkeit ausmacht. ich kenne so viele leute, die mit ihrer jobscheiße ständig hausieren gehen müssen."
"du scheinst dich mit psychokram auszukennen."
"ich habe ja auch reichlich klapsmühlenerfahrung."
der mann schaut mich promilleschwanger an und meint dann unverschämterweise:
"dass du nicht ganz normal bist, hab ich mir schon gedacht."

ich schlage zu und lande einen empfindlichen treffer.
"ey!" der luxus-mann ist sichtlich schockiert von meiner attacke. "das hat weh getan!"
"sorry. gehts wieder?" frage ich, weil mir meine impulsivität peinlich ist.
"schon okay, ich muss mich entschuldigen. ich rede manchmal scheiße, wenn ich besoffen bin. das war unsensibel von mir."
"das kann ich jetzt leider nicht dementieren."
der luxus-mann schweigt, nippt an seinem bier und fragt dann:
"darf ich dich dazu mal was fragen? irgendwann?"
"kommt drauf an. ich kenn dich ja nicht. und manchmal macht wissen die dinge nur kompliziert, weißt du."
"clevere denke. aber auch ein bisschen arm."

die zeiger der uhr rücken auf vier. ich fühle mich müde und beduselt.
"ich werds dann mal packen", sage ich zum luxus-mann.
"willst du jetzt alleine los?"
"ja klar."
"das ist doch blödsinn, du hast es doch ewig weit. wir nehmen gleich ein taxi zurück und dann kannst du bei mir schlafen."
nachtigall, ick hör dir trappsen.

in der luxus-wohnung des luxus-mannes lasse ich mich in die rote seidenbettwäsche sinken.
"willst du so schlafen? in klamotten?" fragt der mann. "du kannst auch ein t-shirt haben oder so."
"ich nehme das oder so."
der luxus-mann guckt besoffen-verwirrt und geht ins bad. als er wiederkommt, habe ich mich aus den klamotten gepellt. der luxus-mann ist so überrascht wie begeistert. er küsst mich, dann wälzt er sich über mich und holt ein kondom aus der schublade. und wir vögeln.

irgendwann am mittag erwache ich vom telefonklingeln. der luxus-mann erhebt sich seufzend und geht ran. aus dem hörer dringt das plappern einer kinderstimme. stimmt, da war ja was.
"meine tochter", stöhnt der luxus-mann, als er auflegt und sich wieder zu mir ins bett fallen lässt.
"die kommt in einer stunde rum."
"dann hau ich mal besser ab."
"nur die ruhe. wir können ja noch kaffee trinken."

kurz darauf sitzen wir in der auf hochglanz gewienerten, mit allen erdenklichen geräten ausgestatteten küche. ich trinke kaffee, der luxus-mann isst ein nutella-brot.
"weißt du eigentlich, was für einen scheiß du dir da reinziehst?"
"ich weiß, ich bin zu fett, aber ich steh da so drauf."
"wo bist du bitte fett?"
"ich habe seit januar nicht mehr trainiert", sagt der luxus-mann und reibt sich über den bauch, "das ist sonst alles ein bisschen definierter."
"was trainiert du denn?"
"so das übliche, rücken und ein bisschen cardio, zwei- oder dreimal die woche. meistens zusammen mit meinem sohn. ich gehe mindestens einmal im jahr bergsteigen, dafür brauche ich kraft und kondition. im moment kann ich das vergessen."
"ich gehe immer laufen, das ist super entspannend. mach das doch auch mal."
"ich hasse laufen."
"dann bleib halt fett", sage ich böse grinsend.
"wenn du weiterhin so frech bist, stopf ich dir gleich noch mal die muschi."
"darf ich dich dran erinnern, dass in zehn minuten deine tochter vor der tür steht?"
"verdammt."

ich steige in meine stiefel und verabschiede mich.
"und, weißt du jetzt, wie man schuhe richtig putzt?" sagt der luxus-mann.
"oh ja. bei dir lernt man dinge fürs leben!"





Sonntag, 10. April 2016

absturz

der freitag wird ungesund, das spüre ich bereits beim aufstehen. friendly fire der botenstoffe. tagsüber hält mich die struktur: umsatzsteuer machen, dann einen bekannten zur mittagspause abholen. danach noch eine halbe stunde lang um die alster laufen.

am frühen abend allerdings beginne ich zu saufen. so auf die unvorsichtige. zwischendurch kommt mir der gedanke, dass das ja nun gleich aus dem ruder läuft, weil alk sämtliche hemmschwellen senkt. also werfe ich noch ein paar pillen ein, um mich zu bremsen. die mische führt schließlich dazu, dass die endorphine rasen. mir ist nach tanzen.

ich verabrede mich also mit meinem kumpel v. zum clubbing. v. kommt und hat gras dabei, und wir kiffen uns die birne zu. v. ordert außerdem einen wodka nach dem anderen, 
"kannsch bei dia schlafffn", nuschle ich irgendwann, weil ich es mir nicht mehr zutraue, nachhause zu kommen. 
"klaaaaa", lallt v., aber so klar ist das gar nicht, denn v.s ex ist da, und kurze zeit später ist v. weg.
so zuverlässig v. im nüchternen zustand ist, so vorhersehbar ist es, dass auch er eskaliert, wenn genügend alk und vor allem seine ex im spiel sind.

der rest des abends verschwimmt in hochprozentigem.

als ich am samstagmittag wach werde, habe ich den schädel des jahrhunderts. langsam öffne ich die augen. ich träume, denke ich. ich liege in einem riesigen bett in einem roten zimmer, das das objektschlafzimmer hätte sein können, wäre es nicht ungefähr fünfmal so groß, pikobello aufgeräumt und mit enormen fenstern und weißen flügeltüren ausgestattet. durch schwarze, mit kleinen halbmonden durchzogene vorhänge dringt sonnenschein. das ist nicht real. ein traumtraum, denke ich, also ein traum, in dem man träumt, dass man aufwacht.

aber dann kommt ein blonder mann ins zimmer, grinst mich unverfroren an und fragt:
"na, wieder unter den lebenden?"
ich bekomme einen tierischen schrecken.
der mann beginnt schallend zu lachen:
"du hast keine ahnung, wo du bist, was? aber du warst auch echt voll!"
"haben wir gefickt?" kommt mir der erste gedanke.
der blonde mann schüttelt amüsiert den kopf.
"ich hab dich nur mitgenommen, weil klar war, dass du nicht mehr nachhause kommst."

ich habe inzwischen erleichtert festgestellt, dass ich bis auf die stiefel noch alle meine klamotten anhabe.
"ok... danke... dann geh ich mal besser, was", sage ich.
"willst du gar keinen kaffee haben?" will der mann wissen.
"kaffee wäre toll", antworte ich. "aber ich müsste erstmal ins bad."
"ich zeig dir wo. kannst auch ein handtuch haben."
"oh, prima. hast du zufällig auch eine zahnbürste?"
"zufällig ja", lacht der mann.

dann stehe ich in einem riesigen badezimmer mit pompöser eckbadewanne, bidet, tropischer regendusche und einem ganzkörperspiegel, und schrubbe mir total belämmert die zähne.
"bist du reich oder was", frage ich den mann, als ich fertig bin.
"nö", sagt der mann. "aber ich lege sehr viel wert auf schönes wohnen."
"das merkt man", sage ich. "hier siehts auch aus, als käme jeden tag eine putzfrau."
"ich hab gar keine putzfrau", sagt der mann.
"echt nicht? aber das ist doch eine riesenwohnung."
"ich bin spießig, ich putze gern."
"ich auch. putzen entspannt mich. und ich mag es, wenn ich in die wohnung komme und alles riecht gut und frisch. "
"dann komm mal mit in die küche, da isses auch sauber, und es gibt kaffee."

als ich die küche betrete, bekomme ich noch mal einen schreck, denn da sitzt schon jemand und isst cornflakes.
"hi", sage ich schüchtern."
der cornflakes-esser sieht kurz auf und nickt und widmet sich dann weiter seinem frühstück.
"das ist mein sohn", sagt der mann. "nick, bitte sei höflich zu unserem gast."
"guten morgen", sagt der junge ziemlich sarkastisch, denn der morgen ist schon längst vorbei, und ich merke, dass er keinen bock auf durchgefeierte fremde trusen hat.

der mann schenkt kaffee in zwei tassen und setzt sich dann zu mir und seinen sohn an den tisch.
"schleppst du öfter volle weiber aus bars ab?" frage ich.
"normalerweise mache ich das nur dann, wenn ich kinderfreies wochenende habe, dann muss ich mich auch nicht so zurückhalten", scherzt der mann mit blick auf seinen sohn, dem das ganze sichtlich unangenehm ist.
"ich hoffe, ich hab nichts peinliches gemacht", sage ich kleinlaut.
"nö. sonst hätte ich dich schon rausgeschmissen."
"haben wir uns gestern denn noch unterhalten? oder wie haben wir uns kennen gelernt?"
"du hast auf meinem mantel geschlafen. und irgendwann wollte ich den halt wiederhaben."

"ich geh mal los zum training." der sohn schiebt seine cornflakes-schüssel von sich und erhebt sich.
"stell das bitte in die geschirrspülmaschine", sagt der mann streng.
"jaja", sagt der sohn, dann verkrümelt er sich.
"wie alt ist der denn", will ich wissen.
"der wird jetzt 18. und findet es total peinlich, einen vater zu haben, der sich die nächte um die ohren schlägt."
"wow. dann bist du aber früh vater geworden!"
"mit 24."
"krass."
"ich hab auch noch eine tochter. die ist erst sechs."
"enormer altersunterschied."
"ist auch von einer anderen frau. ich war zweimal verheiratet."
"und jetzt lebst du hier mit deinem sohn in dieser wahnsinnswohnung?"
"der wohnt nicht hier, der hat hier aber ein zimmer, und er kommt halt vorbei, wenn er lust hast."
"aha. und deine frauen?"
"die nerven", lacht der mann. "ist halt immer streit wegen unterhalt, dabei bezahle ich sowieso fast alles."

ich sehe aus dem fenster.
"wo sind wir hier eigentlich?"
"schanze."
"boah nee, du siehst aber gar nicht aus wie son hipster-daddy oder medien-mensch."
"ja, ich weiß, ist ein klischee. aber ich fand die wohnung gut."
"was zahlst du dafür?"
"so 1.200."
"warm oder kalt?"
"kalt", lacht der mann. 
"du musst echt reich sein."
"nee. also ich verdiene schon gut, aber die miete und die beiden kinder, das allein schluckt schon rund 2.500 euro pro monat. und davon hat noch keiner was großartiges gehabt."
"ich hätte da so keinen bock drauf."
"ich liebe meine kinder, aber ich denk mir oft, wahrscheinlich wärs besser gewesen, ich hätte sie nicht bekommen."
"kann ich mir vorstellen."
"und du? hast du kinder oder willst du welche?"
"weder noch."
"echt nicht? alle frauen, die ich kennen lerne, wollen immer kinder."
"ich nicht. ich finde kinder total scheiße."
der mann sieht mich nachdenklich an:
"du bist ganz schön hart. aber ich glaube, du hast auch eine weiche seite."
ich muss lachen.
"messerscharf erkannt."

auf dem fensterbrett liegt ein max-goldt-buch.
"guter geschmack", sage ich.
"ich lese nicht viel", sagt der mann, "aber manches sehr gern. ihn hier eben auch."
"ein dummkopf bist du jedenfalls schon mal nicht."
der mann grinst:
"du aber auch nicht, offenbar. auch wenn du eine fatale neigung zum totalabsturz zu haben scheinst."
"passiert mir eher selten, inzwischen."
"ist nicht schlimm, in meinen augen. ich trinke auch viel und kann dann manchmal nicht aufhören."

wir leeren schweigend unseren kaffee, dann sage ich:
"ich werde mal los."
"soll ich dich irgendwo hin bringen?"
"nein danke", sage ich etwas schroff.
"hey, keine angst, ich vergewaltige dich nicht... ich bin vater... und ich hab ein auto... ich biete dir das einfach so mal an, ich weiß ja nicht, wo du hin musst."
"danke, aber so weit habe ich es nicht."

ich schlüpfe in stiefel und jacke:
"ja dann... danke noch mal für den schlafplatz... und den kaffee."
"gern geschehen. du bist ein interessanter mensch."
ich muss geschmeichelt grinsen.
"das hörst du aber bestimmt nicht zum ersten mal", ergänzt der mann lachend.
"tschüß", sage ich verlegen lächelnd.
"tschüß... vielleicht begegnet man sich ja mal wieder."
"lässt sich so pauschal nicht ausschließen, so groß ist die szene ja nicht."

als ich zuhause ankomme, wartet die katze ungeduldig und hungrig, und ich fülle schnell den napf, während sie laut mauzt und mir auf die füße tritt. dann sitze ich auf dem boden, streichle ihr warmes, weiches fell. die sonne scheint ins zimmer, und meine kleine welt fühlt sich ganz im gegensatz zum vortag durchweg sehr in ordnung an.






Donnerstag, 7. April 2016

karriereweib

die erste woche auf arbeit war hart. ich bin es nicht mehr gewohnt, neun stunden irgendwo zu sitzen und quasi durchgehend zu schreiben. die rechte hand lässt sich kaum mehr bewegen, der kopf nicht mehr drehen. das liegt am vollkommen unergonomischen schreibtisch und dem bürostuhl, der eigentlich keiner ist, sondern ein harter ledersessel, auf dem man sich nicht bewegen kann.

schick ist das büro ja. ein loft in eppendorf, wo lauter hippe medien und medienmenschen untergebracht sind. in den gängen riecht es immer nach vanille. ich mag das. und ich mag die leute, mit denen ich arbeite. außer meinem cheffe gibt es da noch einen grafiker, einen vertriebler, einen e-shop-spezialisten, eine art buyerin sowie eine immobilienmaklerin und deren kollegen. sie sind alle nett. es gibt außerdem zwei hunde im büro, was die arbeitsatmosphäre wirklich pusht. 

die aufgaben sind durchschnittlich spannend und intellektuell leicht bewältigbar bisher. alles, womit ich kampfe, ist der informationsfluss. es gibt kaum feste regeln für die pressearbeit, alles soll neu strukturiert werden. mit freiräumen arbeiten kann ich ja gut, das ist das wenigste. nur ein paar eckdaten brauche ich schon, die kommen eher langsam, und das, wo ich doch immer schnell machen möchte. agentur-tempo.

am mittwoch gleich die erste dienstreise. um 4 uhr klingelte der wecker, dann folgte ein 14-stunden-tag. heute dafür minimalprogramm. mein chef ist ziemlich großzügig, was vielleicht daran liegt, dass er gerade vater geworden ist und selber gern mal zuhause ist.

ich bin ganz glücklich, insgesamt. das merke ich daran, dass es mir gut geht, wenn ich abends nach hause komme und die katze schier ausflippt vor freude, dass ich da bin. kitty ist mir eine große stütze in diesen tagen. sie hilft mir abschalten. sobald die tür ins schloss fällt, gibt es nur noch diese kleine schwarze flauschewesen, das sich in meinen arm kuschelt. 

Sonntag, 3. April 2016

35

so (er)wachsen (werden) können. das muss schön sein.







Samstag, 2. April 2016

frühling

... und die katze lässt sich die sonne auf den pelz scheinen.