nein, nicht was sie denken. meine wenigkeit meidet festivals wie der teufel das weihwasser - vor allem, seit sie alt ist. zu laut, zu viele menschen, zu viel alkohol und tägliche ausufernde partys - das habe ich schon jeden tag in hamburg vor der haustür.
aber der mann ist ein traditioneller wgt-geher. und er hat trotz seines sehr fortgeschrittenen alters diese ich-verpass-was-angst. die er nun vielleicht ablegen wird. sein wgt-besuch 2024 ist jedenfalls in ernsthafter kein-bock-mehr-auf-diesen-kack-gefahr.
und das kam so:
freitagmorgen sollte wie jedes jahr die reise losgehen. wir frühstückten noch gemütlich zusammen. zwischen zwei happs brötchen sagte ich: "bin ich froh, dass ich jetzt nicht gleich 5 oder 6 stunden im auto sitzen muss!"
der mann grummelte in seinen bart: "und das bei diesem scheiß-lineup dieses jahr! da sind echt nur 3 bands, die ich sehen will. deshalb hab ich eigentlich gar keine lust. aber die karte ist ja gekauft und das hotel gebucht. und vielleicht wird es ja ganz nett."
ich verkniff mir den kommentar, dass mir für vielleicht-ganz-nett sowohl der monetäre als auch der logistische aufwand zu viel wären. "ich wünsche euch viel spaß", sagte ich stattdessen und küsste den mann zum abschied. dann stieg der mann mit seinem kumpel ins auto und machte sich auf den weg.
ich spülte ab, machte die wohnung klar schiff, ging einkaufen und fuhr dann zu mir. inzwischen war es 15 uhr und ich linste auf mein handy. eigentlich müsste der mann jetzt angekommen sein und ein lebenszeichen von sich geben. zu diesem ist er seit dem objektiven unfall verpflichtet.
das erlösende ping kam erst gegen 18 uhr. es stellte sich heraus, dass der mann in eine vollsperrung geraten war und fast 8 stunden für den weg gebraucht hatte. dadurch hatte er eines der drei konzerte verpasst, das er gerne sehen wollte.
trotz dieser umstände war der mann noch guter hoffnung, denn um 21 uhr sollte sein highlight-konzert stattfinden. diese band hatte kurzfristig noch zugesagt und die laune des mannes in den letzten tagen erheblich verbessert: "die wollte ich schon immer mal sehen. da habe ich so lange darauf gehofft", sagte er selig, als er sie im programm entdeckte. "allein dafür lohnt sich das wgt dann vielleicht doch."
da er das highlight nicht verpassen wollte, war der mann in eile und hatte auch keine zeit zu telefonieren. duschen, essen, umziehen und los. das highlight-konzert sollte am anderen ende der stadt stattfinden, und der öpnv-unaffine mann musste dafür über eine halbe stunde straßenbahn fahren.
um 21:30 uhr plingte mein handy erneut: das highlight-konzert war kurzfristig ausgefallen. der mann war so enttäuscht, dass er mich anrief, um eine weile entrüstet ins telefon schnaufen zu können. "jetzt spielt da so eine gruselige dark-schlager-band, ich fahre jetzt zurück ins hotel und lass mich vollaufen."
"habt ihr wenigstens ein schönes zimmer?" fragte ich.
"nein", sagte der mann.
"aber warum denn, ihr steigt doch immer im selben hotel ab?" wollte ich wissen.
"ich wollte ein zimmer mit zwei einzelbetten!"
"ja und?"
"wir haben eines mit einem 1,40m-bett bekommen."
"hast du das denn nicht gesagt, das mit den einzelbetten?"
"ich dachte schon. vielleicht aber auch nicht."
nun musste der mann also vier nächte mit seinem ebenfalls 1,90m großen kumpel kuscheln. wenn man bedenkt, dass der mann zuhause ein 1,80m breites bett hat und es regelmäßig schlafend schafft, mich dort hinauszuschubsen, lässt sich das ausmaß der katastrophe in etwa abschätzen: voraussichtlich sehr wenig schlaf für zwei.
nun blieb dem mann noch ein konzert, auf das er sich freuen konnte. dieses sollte am sonntag stattfinden. aber weil es dem mann meist so geht wie mir - konsequentes pech auf allen ebenen - musste er auch auf dieses vergnügen verzichten. wie es dazu kam, erzählte er mir abends am telefon:
"ich hatte ein band-shirt an, weißt du, das von dieser russischen metal-band, die ich ganz gerne mag. an der tür der location war dann eine frau, die offenbar lesen konnte, was da in russischen hieroglyphen auf meinem t-shirt stand. wohl irgendwas heimatverbundenes, was weiß ich, ich kann ja kein russisch. auf alle fälle regte sich die tante total auf und sorgte dafür, dass ich nicht reingelassen wurde."
"das erinnert mich an einen früheren kumpel, der hat mal in der straßenbahn von einem nazi aufs maul bekommen, weil er so ein kommunistisches zeichen auf der jacke trug", kicherte ich.
"jedenfalls hab ich nun keines der konzerte gesehen, wegen denen ich eigentlich hingefahren bin. und ich dachte so, naja, treffe ich vielleicht ein paar bekannte und trink ein bierchen mit denen. aber weißt du was? mir geht´s inzwischen wie dir - diese ganzen verkleideten feier-leute gehen mir sowas von auf den senkel. aber zu solchen oberflächlichen gestalten passt dann auch so ein beschissenes mainstream-lineup mit ein bisschen bummbumm und ein paar naiven texten."
"sag ich doch immer."
"irgendwie glaube ich nicht, dass ich nächstes jahr da noch mal hin muss. da finde ich so einen öden und sinnlosen tag im büro ja fast noch erquicklicher."
wer den mann und seine einstellung zu seinem beruf kennt, weiß nun: es ist ihm todernst. ich werde sehr gespannt sein, wenn nächstes jahr die ersten bands bekannt gegeben werden, ob er noch mal loszieht oder nicht.