Montag, 29. Mai 2023

wgt-special

nein, nicht was sie denken. meine wenigkeit meidet festivals wie der teufel das weihwasser - vor allem, seit sie alt ist. zu laut, zu viele menschen, zu viel alkohol und tägliche ausufernde partys - das habe ich schon jeden tag in hamburg vor der haustür.

aber der mann ist ein traditioneller wgt-geher. und er hat trotz seines sehr fortgeschrittenen alters diese ich-verpass-was-angst. die er nun vielleicht ablegen wird. sein wgt-besuch 2024 ist jedenfalls in ernsthafter kein-bock-mehr-auf-diesen-kack-gefahr.

und das kam so:

freitagmorgen sollte wie jedes jahr die reise losgehen. wir frühstückten noch gemütlich zusammen. zwischen zwei happs brötchen sagte ich: "bin ich froh, dass ich jetzt nicht gleich 5 oder 6 stunden im auto sitzen muss!"

der mann grummelte in seinen bart: "und das bei diesem scheiß-lineup dieses jahr! da sind echt nur 3 bands, die ich sehen will. deshalb hab ich eigentlich gar keine lust. aber die karte ist ja gekauft und das hotel gebucht. und vielleicht wird es ja ganz nett."

ich verkniff mir den kommentar, dass mir für vielleicht-ganz-nett sowohl der monetäre als auch der logistische aufwand zu viel wären. "ich wünsche euch viel spaß",  sagte ich stattdessen und küsste den mann zum abschied. dann stieg der mann mit seinem kumpel ins auto und machte sich auf den weg.

ich spülte ab, machte die wohnung klar schiff, ging einkaufen und fuhr dann zu mir. inzwischen war es 15 uhr und ich linste auf mein handy. eigentlich müsste der mann jetzt angekommen sein und ein lebenszeichen von sich geben. zu diesem ist er seit dem objektiven unfall verpflichtet.

das erlösende ping kam erst gegen 18 uhr. es stellte sich heraus, dass der mann in eine vollsperrung geraten war und fast 8 stunden für den weg gebraucht hatte. dadurch hatte er eines der drei konzerte verpasst, das er gerne sehen wollte. 

trotz dieser umstände war der mann noch guter hoffnung, denn um 21 uhr sollte sein highlight-konzert stattfinden. diese band hatte kurzfristig noch zugesagt und die laune des mannes in den letzten tagen erheblich verbessert: "die wollte ich schon immer mal sehen. da habe ich so lange darauf gehofft", sagte er selig, als er sie im programm entdeckte. "allein dafür lohnt sich das wgt dann vielleicht doch."

da er das highlight nicht verpassen wollte, war der mann in eile und hatte auch keine zeit zu telefonieren. duschen, essen, umziehen und los. das highlight-konzert sollte am anderen ende der stadt stattfinden, und der öpnv-unaffine mann musste dafür über eine halbe stunde straßenbahn fahren. 

um 21:30 uhr plingte mein handy erneut: das highlight-konzert war kurzfristig ausgefallen. der mann war so enttäuscht, dass er mich anrief, um eine weile entrüstet ins telefon schnaufen zu können. "jetzt spielt da so eine gruselige dark-schlager-band, ich fahre jetzt zurück ins hotel und lass mich vollaufen."

"habt ihr wenigstens ein schönes zimmer?" fragte ich. 

"nein", sagte der mann.  

"aber warum denn, ihr steigt doch immer im selben hotel ab?" wollte ich wissen. 

"ich wollte ein zimmer mit zwei einzelbetten!"

"ja und?"

"wir haben eines mit einem 1,40m-bett bekommen."

"hast du das denn nicht gesagt, das mit den einzelbetten?"

"ich dachte schon. vielleicht aber auch nicht."

nun musste der mann also vier nächte mit seinem ebenfalls 1,90m großen kumpel kuscheln. wenn man bedenkt, dass der mann zuhause ein 1,80m breites bett hat und es regelmäßig schlafend schafft, mich dort hinauszuschubsen, lässt sich das ausmaß der katastrophe in etwa abschätzen: voraussichtlich sehr wenig schlaf für zwei.

nun blieb dem mann noch ein konzert, auf das er sich freuen konnte. dieses sollte am sonntag stattfinden. aber weil es dem mann meist so geht wie mir - konsequentes pech auf allen ebenen - musste er auch auf dieses vergnügen verzichten. wie es dazu kam, erzählte er mir abends am telefon:

"ich hatte ein band-shirt an, weißt du, das von dieser russischen metal-band, die ich ganz gerne mag. an der tür der location war dann eine frau, die offenbar lesen konnte, was da in russischen hieroglyphen auf meinem t-shirt stand. wohl irgendwas heimatverbundenes, was weiß ich, ich kann ja kein russisch. auf alle fälle regte sich die tante total auf und sorgte dafür, dass ich nicht reingelassen wurde."

"das erinnert mich an einen früheren kumpel, der hat mal in der straßenbahn von einem nazi aufs maul bekommen, weil er so ein kommunistisches zeichen auf der jacke trug", kicherte ich.

"jedenfalls hab ich nun keines der konzerte gesehen, wegen denen ich eigentlich hingefahren bin. und ich dachte so, naja, treffe ich vielleicht ein paar bekannte und trink ein bierchen mit denen. aber weißt du was? mir geht´s inzwischen wie dir - diese ganzen verkleideten feier-leute gehen mir sowas von auf den senkel. aber zu solchen oberflächlichen gestalten passt dann auch so ein beschissenes mainstream-lineup  mit ein bisschen bummbumm und ein paar naiven texten."

"sag ich doch immer."

"irgendwie glaube ich nicht, dass ich nächstes jahr da noch mal hin muss. da finde ich so einen öden und sinnlosen tag im büro ja fast noch erquicklicher."

wer den mann und seine einstellung zu seinem beruf kennt, weiß nun: es ist ihm todernst. ich werde sehr gespannt sein, wenn nächstes jahr die ersten bands bekannt gegeben werden, ob er noch mal loszieht oder nicht.

Sonntag, 14. Mai 2023

this must be love

der luxus-mann und ich sitzen auf dem balkon und trinken wein. ich bin erst vor 2 stunden in luxus-hausen angekommen und total angespannt, denn ich muss gleich wieder los nach altona, katzen sitten, meine mutter anrufen, die getrocknete wäsche reinholen und last be not least meine wenigkeit auf den miesen montag einstimmen.

"mir macht das voll was aus, jetzt gleich loszufahren", sage ich zum luxus-mann. "irgendwie bin ich gerade echt anhänglich. ich vermiss dich schon jetzt!"

der mann lächelt: "ich bin auch total gerne mit dir zusammen."

so viel offen bekundete zuneigung ist selten. der sonst so kühle mann toppt das heute sogar noch, indem er den arm um meine schultern legt und mich zärtlich drückt.

"total schön, so nach über sieben jahren", sage ich selig.

"ja, total irre, dass das jetzt schon sieben jahre sind", erwidert der mann andächtig.

"du?"

"ja, was denn?" der luxus-mann schaut mich offen an.

"vielleicht möchte ich später wiederkommen."

"du willst jetzt losradeln nach altona und dann für die nacht nochmal herkommen?"

"vielleicht. kann passieren. ich weiß noch nicht. ich bin... verwirrt."

der luxus-mann lacht: "du bist echt eisenhart! aber mach wie du magst. ich freu mich. nur schade, dass ich morgen ins büro muss, ich würde ja viel lieber mit dir homeoffice machen und zusammen kaffee trinken."

 "oh nein! ich dachte, du musst dienstag ins büro?"

"diese woche ist es ein bisschen anders. weil ich dienstag doch zum arzt muss."

eine halbe stunde später fahre ich zu m.s katzen und verbringe dort eine ganze weile. ich bin vollkommen durcheinander vor lauter zuneigung und dem immanenten selbstanspruch, frei und unabhängig und eigenständig handeln zu müssen. später fahre ich weiter zu mir, nehme die wäsche noch ab und ärgere mich dann darüber, nicht meinem herzen gefolgt zu sein.

morgen, gleich morgen will ich wieder in den luxus-armen einschlafen! 

wie so ein bekloppt verliebter teenager.

Montag, 1. Mai 2023

sorgenkind

am freitag freuen sich der luxus-mann und ich auf ein langes, schönes wochenende: ein gemeinsamer kumpel aus k. würde in kürze aufschlagen, wir wollten zusammen essen und dann feiern gehen. 

doch nachmittags klingelt das luxus-telefon. der sohnemann ist dran und schockt uns mit der nachricht, er sei im krankenhaus.

"wie, wegen ner schramme?!" fragt der luxus-mann völlig konsterniert. nach etlichen nachfragen stellt sich heraus, dass der sohnemann eine kleine, leider aber heftig entzündete und eiternde verletzung hat und ihm nun eine blutvergiftung droht. er hängt am antibiotika-tropf und braucht klamotten für 2 oder 3 tage. 

wie immer ist der luxus-mann nicht gerade ein feuerwerk von empathie: "ähm, das ist jetzt aber schlecht", sagt er angesichts von arbeit und der pläne für den abend.
"papa, das ist echt ein notfall", sagt der sohnemann verzweifelt und sauer, und ich weiß, wie schwer es für den an sich sanften und zurückhaltenden 25-jährigen ist, das so klar zu artikulieren. aber nun fällt der groschen beim luxus-mann und er setzt sich stante pede in bewegung, um das auto zu holen, in der sohnemann-wg vorbeizufahren, dem kind eine tasche zu packen und dann das krankenhaus anzusteuern.
 
"kannst du dann bitte inzwischen g. vom bahnhof abholen?" fragt mich der luxus-mann. "er muss hier in die wohnung reinkommen, er schläft ja hier."
"nö", sage ich. "ich hab in einer stunde dieses super wichtige meeting. ich muss gleich los."
"fuck", brüllt der luxus-mann. dann beginnt er, bei den nachbarn im haus zu klingeln. zum glück sind die jungen eltern unter uns mit dem baby zuhause. der frischgebackene vater hat verständnis und nimmt den schlüssel für g. an.
 
sehr viel später am abend dann treffen wir uns zu dritt in der luxus-wohnung. auf ausgehen und saufen hat nach diesem dramatischen tag keiner so recht lust.
"ich bin im total eimer! dieses verfickte krankenhaus ist echt am arsch von hamburg", erzählt der luxus-mann. "ich hab zwei stunden da hingebraucht, ich stand nur im stau! und mein sohn war total sauer, weil ich vorhin am telefon gesagt hatte, das sei jetzt gerade schlecht."
g., der den sohnemann von klein auf kennt, grinst: "das war kein super-daddy-moment."
"er sagte mir, er habe eine schramme. was soll ich denn denken?!" verteidigt sich der luxus-mann. "erst als er meinte, das sei ein notfall, habe ich gemerkt, dass es ernst ist. und jetzt ist er wieder so nachtragend, dabei war das einfach ein missverständnis! immer ist es so kompliziert zwischen uns!"
 
samstag besucht die kindsmutter den luxus-sohn. am telefon erzählt sie uns, dass es dem sohnemann zum glück mittlerweile schon etwas besser geht, dass er aber noch die antibiotika-therapie zu ende machen muss.
 
sonntagmittag bin ich gerade auf einem kurs der volkshochschule, als mein handy klingelt und der luxus-mann dran ist. er ist ganz aufgeregt, denn der luxus-sohn musste soeben notoperiert werden. die entzündung hatte wohl über nacht um sich gegriffen und es musste ein großer teil des beins aufgeschnitten werden. 

"wir wollten ja eigentlich heute ausgehen, weil wir das gestern nicht mehr gemacht haben", sagt der luxus-mann. "aber ich muss morgen früh unbedingt zu ihm fahren. heute ist seine mutter da. morgen besuche ich ihn."
"du, kein problem. dann gehen wir heute früh schlafen und fahren morgen zusammen hin."
"echt, kommst du mit?"
"na klar. kannst ihm sagen, seine stiefmutti kommt auch", kichere ich. "ich entspanne dann die lage zwischen euch streithammeln."
 
abends reist g. ab. 
später liegen der luxus-mann und ich bedröppelt im bett. 
"eigentlich hätte ich jetzt total bock, noch auszugehen", sage ich.
"ich irgendwie auch", gibt der luxus-mann zu. "aber wenn ich jetzt zu trinken anfange und morgen um 11 uhr ins krankenhaus gurken muss, ist das schlecht."
"ja, verstehe ich total. kein problem."
"hm, und wenn wir für so ein stündchen? also nur ein kleines stündchen..." fragt der luxus-mann.
"von mir aus gerne, aber ich mach dir auch keinen stress, wenn du verzichten willst."
"nee nee, alles gut. aber dann lass uns jetzt gleich los."
 
um ein uhr schlagen wir auf der geplanten party auf. um zwei melde ich dem angetrunkenen luxus-mann, dass das stündchen jetzt um sei. um halb fünf schwanken wir rotzehackedicht nachhause.
 
nach fünf post-alkohol-unruhigen stunden schlaf klingelt mein wecker. wir exen jeder drei tassen kaffee, dann setzt sich der luxus-mann ans steuer. zum glück ist diesmal kein stau und wir sind nach 45 minuten am ziel.
 
der operierte luxus-sohnemann sieht gequält aus. aber er freut sich. auch, weil ich da bin und als vater-sohn-katalysator fungieren kann.
"ich war erst total verwirrt, als papa meinte, er solle mir sagen, meine stiefmutter käme auch mit", kichert er. "ich dachte, er meint die mutter meiner schwester."
"da siehste mal. unverhofft kommt oft. ich hab dir aber nix zu kiffen mitgebracht", sage ich.
 
der nachmitttag bleibt dennoch unerwartet entspannt. der luxus-mann fragt dieses und jenes und warum es denn nun genau zur op kam. 
"und wann kommst du wieder raus", will er zum schluss wissen.
"weiß nicht, donnerstag vielleicht", sagt der luxus-sohn.
"soll ich dich abholen? so mit krücken ist doch scheiße."
"ja, unbedingt. das ist super."
"und willst du dann erstmal bei mir wohnen?" fragt der luxus-mann mit ungewohnter väterlicher sorge. "weil du kannst ja so wahrscheinlich erstmal nicht viel selber machen."

der luxus-sohn und ich wechseln einen überraschten blick. das sind ja mal ganz neue töne.
"dein vater meint, er möchte gern deine wunde behandeln, deine körperpflege übernehmen und zweimal täglich für dich kochen", stichle ich angesichts der sonst eher mäßig ausgeprägten fürsorglichkeit und der noch weniger ausgprägten kochkünste des luxus-mannes.
"nee, lass mal", kichert der luxus-sohn. "ich will lieber nachhause. mein kumpel macht das schon, einkaufen und so."
"wahrscheinlich hast du die ganze scheiße bekommen, weil ihr immer zu wenig putzt da in eurem männerhaushalt", scherzt der luxus-mann - ein wenig erleichtert, dass er seinen erwachsenen sohn doch nicht pflegen muss, und noch viel erleichterter, weil der belastende streit aus dem raum ist.

jedenfalls sind wir nun unglaublich froh, dass der luxus-sohn trotz notfall und not-op offensichtlich nun doch auf weg der besserung ist. und sehr müde sind wir ebenfalls, denn kumpel-besuch, bildungsveranstaltungen, party, saufen und krankenbesuche am anderen ende der stadt sind zusammen doch recht anstrengend. morgen muss ich erstmal im homeoffice chillen.