Freitag, 31. März 2023

körperlicher verfall, klappe die x.te

mein geschenk zu meinem 40. geburtstag war eine fuß-op mit langwieriger reha und schmerzen von fast einem jahr. bis heute ist die flosse nicht mehr voll belastbar.

im sommer letzten jahres kam dann corona, im winter passend dazu die diagnosen long covid und long qtc. zwei lustige kleine, nicht unbedingt ganz unbedrohliche probleme, die mich bis heute und wahrscheinlich für immer beschäftigen werden.

dieses jahr hat sich mr. murphy noch mehr engagiert und meinen herannahenden 42. geburtstag mit der diagnose glaukom gekrönt. schon etwas fortgeschritten, mit der amüsanten aussicht auf erblindung.

mir ist feierlich zumute. bin gespannt, was mr. murphy noch so auf lager hat. bisher hat er mich ja noch nicht dahingerafft, nur immer neue kräftezehrende schwierigkeiten in mein leben gebracht. als nächstes dann vielleicht krebs?

es bleibt wie immer spannend bis nervenzerfetzend.

zum geburtstag wünsche ich mir dann so ein tablettenkästchen, damit ich noch einen überblick über meine tausend pillen bewahren kann. 

Freitag, 24. März 2023

warum ich nicht lehrerin wurde und das bis heute nie bereut habe

ich habe vor vielen, vielen jahren mal lehramt studiert. bis zum bitteren ende. weil ich dachte, och, das ist ja ganz sinnvoll, jungen menschen schöne dinge beizubringen.

im studium findet allerdings wie schon bekannt keinerlei echte vorbereitung auf den job statt. meine schulpraktika waren eher hospitationen, die anschließende besprechung mit der betreuenden lehrkraft für diese spürbar eine belastung und pflichtübung. mein betreuungslehrer ging total auf dem zahnfleisch und gab einmal zu, die ersten jahre im fach deutsch bedeuten ungefähr eine 70-stunden-woche. rosige aussichten, will man meinen.

ich hatte einige mitstudierende, die schon ein paar semester weiter waren und irgendwann ihr referendariat begannen. ein ref bekommt man fast unter garantie nachgeschmissen, denn referendare sind wie praktikanten: sie machen einen vollzeitjob mit voller verantwortung für lau. und weil vaddi staat so viel geld sparen kann, sinken die anstellungsaussichten nach dem ref ins bodenlose - denn der nächste referendar kann die stelle schließlich viel kostengünstiger besetzen. 

arbeitslosigkeit nach dem ref trifft dabei vor allem unliebsame gestalten, die irgendwie durch sowas wie konstruktive vorschläge zur verbesserung des systems aufgefallen waren. also immer dran denken: karriere geht nur bei absoluter konformität! bringe keine eigenen ideen ein! entwickle am besten gar keine! sie könnten das ende deiner laufbahn als lehrer sein.

eine meiner freundinnen jobbte nach dem ref an bis zu drei schulen gleichzeitig. ihre gesamte freizeit verbrachte sie im auto, um von schule zu schule zu pendeln. ein großer batzen des verdienten ging für sprit drauf. pünktlich zum sommer wurde sie jedesmal arbeitslos, bekam aber kein arbeitslosengeld, weil ihr vertrag nur vom september bis juli ging und so keine 12 monate ausfüllte. macht vaddi staat sehr geschickt!

eine verbeamtung gar bleibt vielen auf ewig verwehrt. um in die private krankenkasse einzutreten, muss man topfit sein - körperlich und mental. ich hatte zum zeitpunkt meines studiums bereits einen bandscheibenvorfall in meiner akte - damit war ich chancenlos. eine kollegin, von natur aus sehr zierlich gebaut und mit einem entsprechenden bmi, wurde wegen angeblicher magersucht nicht für eine beamtenlaufbahn zugelassen. ein anderer hatte während seines studium wegen prüfungsangst einen psychologen aufgesucht - und weg vom fenster war er.

wer nun das glück hat, gesund zu sein und durch gefügig-unauffälliges verhalten eine planstelle mit verbeamtung zu ergattern, darf nicht zimperlich sein. denn auf die wahl des arbeitsplatzes hat man kaum einfluss. bayrische dorfschule in hinterdumpfing? alles klar. organisiere in zwei wochen deinen umzug, richte eine neue wohnung ein und fühle dich wohl ohne deine freunde und deine familie!

dir gefällt es dort nicht und du willst gerne zu deinem partner in ein anderes bundesland (zurück)ziehen? dann mach dich darauf gefasst, dass das vielleicht nie passiert. denn um das bundesland zu wechseln, hat vaddi staat eine schicke bürokratische hürde gebastelt. ein aufwändiges bewerbungsverfahren, endlose wartezeiten - und kein zwangsläufiger erfolg am ende der ganzen prozedur.

all dies sind m.e. sehr triftige gründe, nicht lehrer zu werden. von übergriffigen eltern, fehlender erziehung der kinder und der burnout-gefahr ganz zu schweigen. auch nach 15 jahren sinnloser marketing-kacke kann ich daher sagen: ich bin immer noch froh, nie ins ref gegangen zu sein. prinzipiell würde ich kinder super gerne unterrichten - aber nicht in diesem system und nicht mit dieser grottenschlechten ausbildung.

ab und an überlege ich mal, mich an privatschulen zu bewerben. einfach, weil so ein gesellschaftlich relevanter job schon ganz geil sein kann. allerdings verdiene ich aktuell fast besser als ich es im fall eines wechsels tun würde. damit sinkt die motivation immer wieder ziemlich schnell. denn ich arbeite für geld - wie wahrscheinlich alle von uns. und für einen so anstrengenden und fordernden job wie das lehramt will ich zumindest ordentliches schmerzensgeld.

ein ähnlicher fall

Donnerstag, 23. März 2023

da sein, weg sein

gestern ruft mich die lederjacke an. seit sie eine freundin hat und eine stelle an einer hochschule, ist der kontakt selten geworden. wir quatschen zwei stunden und ich freue mich ein loch in den bauch. weil wir gleich wieder dieselben tiefschürfenden themen haben wir früher. auch monate des schweigens können uns offenbar nichts anhaben. 11 jahre kennen wir uns nun, und das fühlt sich stark und gut an.

wie bescheuert abhängig man in solchen phasen davon ist, dass jemand die hand ausstreckt. diese kleinen, feinen verbindungen zur welt da draußen aufrecht erhält. dich bezieht, indem er sich bezieht. 

das möchte ich auch wieder können.

ich selbst geisle mich seit zwei wochen, weil ich es nicht fertigbringe, dem objekt endlich sein päckchen mit neuen filmen zu schicken. nicht, weil ich es nicht zur post schaffen würde. die packstation ist um die ecke, keine gefahr, dass ich mich unter menschen begeben und eine panikattacke risikieren müsste. 

aber jedem päckchen lege ich einen brief bei, und da fängt das hadern an. es kommt mir falsch vor, dem objekt fröhlichkeit vorzuspielen, weil es mich früher in 3 sekunden durchschaut und für eine solche aktion hart gerügt hätte. ebenso falsch komme ich mich aber dabei vor, ihm zu schildern, wie ich mich tatsächlich fühle. denn das objekt ist am arsch, viel mehr am arsch als ich. außerdem liest seine mutti die briefe vor, und ich möchte nicht, dass seine mutti sich auch noch um mich sorgt. 

derzeit habe ich einen kompromiss-brief formuliert, der mir ganz schrecklich verlogen erscheint, und der keine form von verbindung oder beziehung darstellt. er ist ein dokument meines weg-seins, und schiebt das objekt in eine sorglos-sichere ecke.

die fenster putzen. ein bewerbungsgespräch (das x-te) kommende woche führen. vielleicht einen hübschen grauen kater für zwei wochen bei mir aufnehmen. sich nicht so viel grämen.

ja, das kann ich mir vornehmen, das kann ich durchziehen. vielleicht hilft es mir dabei, aus dem weg-sein in ein da-sein zurückzukehren.

Donnerstag, 9. März 2023

krisenmanagement

schon am gestrigen abend merke ich: die schwarze welle rollt. noch weiß ich nicht, wie groß sie werden wird. am heutigen morgen ist sie so mächtig wie ein tsunami. dazu schmerzen aus der hölle vom rücken bis zu den füßen.

ich brauche eine stunde, um das bett zu verlassen, zähne zu putzen und den rechner anzuschalten. noch bevor ich die erste e-mail lesen kann, kommen die tränen. danach die wut auf die tränen, auf mich, auf die ganze welt.

das übliche sich-endlich-tot-wünschen. und das ankämpfen, rational: tu das deinen eltern nicht an. es ist nicht schön, wenn das kind vor den eltern stirbt. du hast verantwortung, also reiß dich gefälligst zusammen. diese art der selbst-erpressung funktioniert leidlich, zu viel wut heute, auch alte wut auf die eltern, die ziemlich niederträchtig aus dem off flüstert: vielleicht hätten sies ja aber auch verdient.

die verzweiflung hat etwas rastloses. kurz der impuls, den luxus-mann anzurufen. schnell wieder verworfen, denn dann müsste ich mir bloß anhören, dass es mir ja so wahnsinnig gut geht. oder er würde es schweigend übergehen und mir dann was von seinen bundesliga-tippspielen erzählen. 

notaufnahme wäre wahrscheinlich richtig, aber da weiß ich leider auch schon, was passiert: erst stundenlang warten, dann sinnlose verwahrung in der krisenintervention, wo auch keiner einen plan hat, was man mit mir anstellen könnte. also keine alternative.

zurück zu den happy pills scheint mir der einzige ausweg. aber was soll man auf einer welt, die man nur zugedröhnt erträgt? sich selbst beim alt- und hässlichwerden zusehen? beobachten, wie die mundwinkel jedes jahr tiefer hängen, weil man so selten lächelt oder nur eine angestrengte grimasse zieht?

mein selbstmitleid kotzt mich am meisten an. aber wie schon mein erster luschen-psychologe sagte: wer hat denn sonst schon mitleid mit ihnen?

also schlucke ich letztlich doch mein notfallmedikament, das mir jedesmal vorkommt wie eine warme umarmung einer person, die nichts von mir will, außer mir guttun.

Montag, 6. März 2023

hinter den bergen

luxus-urlaub in der schweiz.

strahlende sonne, saubere luft. nach nur drei tagen erreiche ich einen zustand, den ich als gesund bezeichnen würde. kaum niedergeschlagenheit, keine ständigen schmerzen, keine medikamente, wenig alkohol. ich esse sogar gut, obwohl ich normalerweise nicht besonders auf käseüberbackene kohlenhydratberge stehe. 

wandern auf über 2000 metern. ich sauge das blau des himmels und das weiß der verschneiten berge in mir auf. farben, die ich speichern will gegen das immergraue hamburg. und dann diese stille, unterbrochen vom leisen knirschen unserer schritte im schnee. die hallt nachts in mir nach als ein echo vollkommener schönheit.