seit dem erneuten entzugsbedingten abrauschen in die depression habe ich keine gefühle mehr für den luxus-mann. ich möchte nicht kuscheln, ich möchte nicht angefasst und schon dreimal nicht penetriert werden. sogar ganz normale alltagsdinge wie gemeinsam einen film gucken stoßen bei mir auf ablehnung: wie banal! wie bei meinen eltern! DAS können wir ja wohl auch noch in 30 jahren tun! und: wieso ist mir vorher nicht aufgefallen, wie wahnsinnig mich diese banalität stört?
das nichtgefühl ist stärker als bei den letzten depressiven tauchgängen während der luxus-zeit. entsprechend verbringe ich viel zeit damit, herausfinden zu wollen, wie viel stärker genau und ob das anlass für eine trennung ist oder nicht. natürlich führen diese gedankenkreisel ins nichts. man kann sie auch einfach ziehen lassen und ignorieren. was vermutlich das gesündeste wäre. aber der kritiker in mir ist laut. verdammt laut. so laut, dass mich manchmal ohnmächtige verzweiflung überkommt, die mir sagt: du musst hier raus. du erstickst. pack deine koffer. fahr irgendwohin, nirgendwohin.
nach über zehn jahren im stollen der depression weiß ich: das ist alles eine scheinwelt. die depression stellt dem hirn quasi eine falle: alle schöne zieht ungesehen vorbei, während jede winzige schlechtigkeit für 1000 jahre ans firmament gepinnt, dramatisch mit textmarker angestrichen und 24 stunden am tag dauerbeleuchtet wird.
eine dieser schlechtigkeiten lautet: liebt dich der luxus-mann eigentlich? merkt er, was in dir vorgeht? vermutlich nein, sonst würde er ja vielleicht mal was sagen! oder versuchen, dich anzufummeln. der findet dich also bestimmt längst so alt und hässlich und abstoßend wie du dich selbst.
schlechtigkeiten haben klauen und zähne. sie multiplizieren sich permanent mit neuen zermürbenden fragestellungen, die eigentlich nur das eigene miese selbstwertgefühl widerspiegeln. am ende summiert sich der berg auf zur immer gleichen aufforderung: nimm dir das leben! worauf wartest du noch? es gibt NICHTS, auf was jemand wie du noch hoffen sollte. das ist zeitverschwendung. DU BIST ZEITVERSCHWENDUNG.
ich trau mir nicht. weder dieser matrix, aber irgendwie auch nicht dem, was ich mir in den letzten jahren aufgebaut habe. ich traue dem luxus-mann nicht. traue ihm nicht zu, dass er mich liebt. aber auch nicht, dass er mich nicht liebt.
45 % aller partnerschaften scheitern, wenn einer von beiden depressiv ist, sagt die statistik.
alles ist ein großer zwiespalt. der klafft und will mich verschlucken.
am samstagabend liegen wir zusammen im bett. ich wage es, meine abstoßende person anzunähern und den arm um den mann zu legen. es fühlt sich fremd an.
"wie ist das eigentlich gerade für dich... so mit mir?" frage ich todesmutig.
"naja, anders", sagt der luxus-mann anklagend.
"tut mir leid, wenn ich gerade lieblos bin."
der luxus-mann schnauft: "ja."
"weißt du, ich bin so stumpf... also das ist nicht mal traurigkeit. alles ist... wie unter so einer glasglocke. das ist so die matrix, in der ich dann festhänge."
"aber wenn du das weißt, kannst du es ja ändern?" sagt der luxus-mann leicht fragend.
"ich hab keine ahnung, wie ich da rauskomme. oder wann. bislang hats immer irgendwann wieder aufgehört. das ist meine hoffnung. also vielleicht nur noch 3 tage. oder 5 monate. oder 2 jahre."
"hm." ratlosigkeit schwingt in diesem laut mit.
das gespäch führt zu keiner lösung, aber ich bin froh, dass ich es gesucht habe. ein bisschen nähe herstellen per kognitiver anstrengung.
am nächsten tag geht der mann mit mir in den eichhörnchen-park, obwohl wir da schon tausendmal waren und ihn das inzwischen langweilt. danach laufen wir über einen weihnachtsmarkt. es ist 13 uhr, aber der luxus-mann spendiert mir einen überteuerten glühwein und betreibt ein wenig aufmerksamkeitssteuerung, fast wie einst das objekt. er kommentiert die spießerfamilien und eine gruppe sehr angestrengt-hipper studenten, den nutzlosen kitsch an den ständen und erzählt dann noch ein paar religiös inkorrekte witze.
er erwähnt meinen zustand mit keinem wort. aber ich verstehe, dass er mir auf eine hilflose art und weise gut tun will.
als ich am abend zu mir zurückfahren will, gibt er mir zum abschied einen kleinen kuss.
ich halte inne und schaue ihn an.
"was denn?" fragt der mann verwirrt.
"ich lieb dich immer noch", sage ich, weil ich es weiß, dass es so sein muss, ganz tief drin in mir, irgendwo unter der verklumpten lavamasse der depression.
der mann weiß wie immer nicht, wohin schauen und grinst sehr verlegen, weil er liebesbekundungen nicht aushält und sie auch nicht erwidern kann.
"ja", sagt er schließlich völlig verunsichert, während ich kichern muss, weil die szene so luxus-typisch ist.
und verdammt, so ein kleines lachen prickelt kurz ums herz, als könne es etwas totgeglautes wiederbeleben.