ich komme mit dem luxus-mann in meine neue wohnung.
"guck mal, ich habe die vorhangschienen ganz allein angebracht!" sage ich ein wenig stolz.
"cool", findet der luxus-mann, der dieses vorhaben angesichts bröseliger wände für "unmöglich" erklärt hatte.
dann schiebt er die vorhänge ein wenig beiseite und sagt plötzlich: "oh!"
in der scheibe klafft ein loch. drum herum ist das glas gesprungen.
"WHAT THE FUCK", rufe ich.
der luxus-mann hat derweil den fensterflügel geöffnet und begutachtet den schaden.
"da hat dir jemand die scheibe eingeworfen. die innere ist noch heil, aber die äußere ist durch. das musst du deiner verwaltung melden."
ich starre auf das loch.
"so ein dreck."
der luxus-mann betrachtet das loch aufmerksam von allen seiten.
"das sieht gar nicht nach einem steinwurf aus", meint er. "eher.... fast wie ein schuss."
"ein schuss?!" ich bin entsetzt.
"naja, nix größeres... das geschoss ist ja offenbar an der inneren scheibe auch wieder abgeprallt. aber vielleicht ein luftgewehr oder was kleinkalibriges?"
"oder irgendwelche dreckskinder. mit einer steinschleuder."
"schleuder könnte auch sein. aber guck dir mal dieses winzige loch an! da muss auf jeden fall ein sehr kleines geschoss mit unheimlicher wucht aufgetroffen sein!"
ich bin beunruhigt.
"was mach ich jetzt?"
der luxus-mann zuckt mit den schultern.
"erstmal der verwaltung bescheid sagen. du musst ja klären, wer die kosten dafür trägt."
"bei meinem geklauten fahrrad musste ich aber auch erstmal anzeige erstatten, bevor die versicherung irgendwas gezahlt hat."
"frag einfach die verwaltung."
ich überlege: "also wenn das eventuell ein schuss gewesen sein könnte, würde ich das schon ganz gern ausschließen. stell dir mal vor, da läuft ein irrer draußen mit einer waffe rum und ballert auf mich oder andere leute!"
der luxus-mann hält eine direkte gefahr für unwahrscheinlich. ich prinzipiell ebenfalls, aber eine grundunsicherheit ist geweckt.
tagsdrauf informiere ich die verwaltung.
"ja, ähm, also das haben wir jetzt nicht so oft", stammelt der mitarbeiter. "am besten, sie rufen die polizei."
"ja, das hab ich auch vor", sage ich. "und was ist mit den kosten?"
"ähm, ähm, das müssten sie dann ihrer versicherung melden."
"haftpflicht?"
"denke, ja."
das ergebnis meiner nachfragen ist niederschmetternd.
die haftpflicht sagt nein.
die hausrat sagt ebenfalls nein.
"dafür brauchen sie eine extra glasbruchversicherung", erläutert man mir. "die ist in einer hausratversicherung nicht automatisch erhalten."
ich frage beim luxus-mann nach, der die hausratversicherung für mich abgeschlossen hat.
"nee, glas haste nicht. ich mein, wie wahrscheinlich ist das, dass mal so ein fenster kaputt geht, wenn du nicht im erdgeschoss wohnst und auch keine kinder hast?"
"aber da SIND kinder in meiner umgebung! um die ecke ist so eine schule! da herrschen SODOM UND GOMORRHA!" rege ich mich auf.
"das konnte ich damals ja wohl nicht ahnen. außerdem glaub ich nicht, dass das kinder waren."
"kinder haben aber manchmal schleudern! und die denken auch nicht drüber nach, welche versicherung da zahlen würde und auf welchen kosten ein mieter da sitzenbleibt! genau das würde für so ein dämliches balg sprechen."
"muss nicht sein. ein erwachsener würde daraufhin auch nicht bei dir klingeln und sich entschuldigen. dann müsste er ja nicht nur sachbeschädigung, sondern auch waffenbesitz zugeben. und er wäre in erklärungsnot, warum er um sich schießt."
das klingt logisch.
der luxus-mann findet, ich solle gar nichts unternehmen.
"lass das loch doch einfach, ist eh nur die äußere scheibe. regnet doch nicht rein."
"und wenn da feuchtigkeit reinkommt? im winter könnte das glas dann springen. oder es bildet sich schimmel. dann wird das am ende richtig teuer."
"würde mich nicht jucken. notfalls handelst du das vor gericht aus."
"hahaha! vor gericht! bei so einem sachwert zahl ich doch drauf, selbst wenn es auf einen vergleich hinausläuft! weißt du, was da je instanz an gerichtskosten anfallen?!"
"müssten wir dich halt noch schnell gut rechtsschutzversichern."
"boah nee. das ist nix für meine nerven. und der schaden besteht ja schon. wenn die das rausfinden, is auch nix mit rechtsschutz."
"dann zahlst du halt die scheibe. sind aber bestimmt 300 oder 400 €."
am ende beschließe ich, meine verwaltung nochmal richtig unter feuer zu nehmen. schließlich habe ich das glas nicht selbst zerbrochen.
diesmal habe ich einen anderen mitarbeiter an der strippe.
"ich denk schon, dass wir in diesem fall die kosten tragen", sagt der ohne große umschweife und bevor ich mich richtig aufregen kann.
"wirklich?"
"ich frage noch mal eben eine kollegin. moment."
ich warte.
"hören sie?" sagt der mitarbeiter kurz darauf in den hörer. "das ist schon richtig so. wir beauftragen einen glaser für sie und übernehmen selbstverständlich auch die kosten."
"ihr kollege hat mir gestern aber ganz was anderes erzählt", sage ich misstrauisch.
"der arbeitet erst ein paar monate bei uns, der hat das vermutlich falsch eingeschätzt."
na bitte. geht doch.
und so einfach löst sich ein problem zumindest teilweise in luft auf.
nächste woche kommt die polizei und klärt hoffentlich die ursache des schadens auf und ob ich künftig besser in deckung leben sollte.
bis dahin bleibt es also noch spannend.
Mittwoch, 29. Mai 2019
Mittwoch, 22. Mai 2019
schuld und sühne
übermorgen wird mein vater 71. wie so oft hatten wir gestern eines dieses langwierigen telefonate zum thema "mysteriöse vorgänge am pc", bei dem ich irgendwann den geduldsfaden verloren habe. ja, ich bin keine mary poppins und mein kopf ist voll mit arbeit, umzug, objekt- und beziehungspflege. ich werde dann gern mal pampig.
so wenig, wie ich pamigkeit bei anderen mag (ich reagiere auf pampigkeit bisweilen sogar sehr ungehalten), mag auch ich mich pampig überhaupt nicht. dennoch scheint es bei mir eine automatische reaktion auf das gefühl der überforderung zu sein. da ich nicht die resilienteste bin, dauert es auch nicht extrem lange, bis dieses gefühl eintritt - wenn nicht geistig mit einer erkenntnis wie "boah, bin ich gerade gestresst!", dann eben körperlich in form von schlaflosigkeit, schlafparalysen, depression und rückenschmerzen.
während der luxus-mann meine pampigkeiten in der regel humorvoll kontert, was es mir leicht macht, mich zu entspannen und bei bedarf auch zu entschuldigen, geht das bei meinem vater nicht. mein vater reagiert nicht humorvoll, wenn ich eskaliere. er nimmt es sich zu herzen.
"ich weiß, dass du mich für blöd hälst", klagt er dann ins telefon.
"nein, papa, mit blöd hat das nichts zu tun", beschwichtige ich ihn dann. "du bist nur einfach nicht... lösungsorientiert. anstatt einfach mal das zu machen, was ich sage, und dir das am besten einmal aufzuschreiben, damit du nicht dauernd wieder fragen musst, stellst du noch 5000 fragen drum herum und steigerst dich dabei in absurdeste überlegungen hinein!"
wenn wir auflegen, habe ich schuldgefühle. wie kann ich nur. da hat mein 71-jähriger vater, bei dem ich nicht mal weiß, ob ich ihn beim nächsten besuch noch lebend sehe, das gefühl bekommen, er sei blöd! naja, ok, das gefühl gibt er sich ja selbst, muss man ehrlicherweise sagen. aber ich hätte auch nett bleiben können. so nett wie mein ex-chef, der auch bei den schwierigsten kunden immer locker blieb und sogar auf ausgemachte frechheiten mit einem lässigen spruch reagierte. mir fehlt diese grundentspanntheit. ich explodiere dann.
und wie auch ich, wenn mich jemand anfährt, ist mein vater jedesmal geknickt:
"ich trau mich halt nicht so mit dem pc wie du, ich denk dann immer, ich mache was falsch."
(wieder einmal erklärt sich, woher mein schwaches selbstwertgefühl kommt: ich habe gleich zwei elternteile, die sich nichts zutrauen und lieber nichts ausprobieren, wenn es auch nur die leiseste gefahr gibt, dass man dabei auf die fresse fallen könnte.)
wie schon hunderte mal zuvor antworte ich:
"papa, was soll denn passieren? ok, was wäre denn das allerallerschlimmste, was passieren könnte? dann sagen wir mal, der pc geht irreparabel kaputt. aber dann kaufst du dir einen neuen und schmeißt die alte rumpel endlich mal weg. das wäre noch nicht mal wirklich schlimm, sondern was gutes."
"ja, aber schon blöd", findet mein vater.
"erstmal ist es blöd, aber du hast selber gesagt, euer betriebssystem ist inzwischen so alt, dass nicht mal mehr updates dafür auf den markt kommen. und der pc war von aldi, der war doch nicht mal teuer."
"aber wenn ich jedesmal den pc kaputt mache..."
ich seufze schwer beherrscht:
"du WIRST ihn nicht kaputt machen. es sei denn, du schmeißt ihn versehentlich aus dem fenster."
"meinst du."
"ganz sicher. was glaubst du, was ich schon alles dämliches mit meinen notebooks angegestellt hab."
"du hast auch ständig neue!"
"ja, aber weil ich gern aktuelle technik habe. und so nach vier jahren gibts halt immer was besseres und schnelleres. ich habe noch nie ein notebook kaputt gemacht durch irgendwelche dummheiten."
wie sehr mich das gespräch mitgenommen hat, erfahre in der nacht. ich träume, dass meine mutter schwerkrank ist und nur noch zwei wochen zu leben hat.
dass meine mutter vor meinem vater stirbt, erscheint mir im realen leben nicht sehr wahrscheinlich, weshalb ich darüber so gut wie nie nachdenke. im traum allerdings bin ich plötzlich konfrontiert damit, dass ich dann mit meinem komplizierten, unselbstständigen und altersstarrsinnigen vater alleine bin. die gefühlrange ist beeindruckend: wut, überforderung, ablehnung. denn neben meiner eigenen trauer muss ich im traum:
- die trauer meines vaters auffangen
- meinen vater voll versorgen und aufpassen, dass er nicht verwahrlost (mein vater kann sich alleine kein spiegelei braten)
- das haus auflösen
- mich um die beerdigung kümmern und alle ämtergänge alleine erledigen
als ich wach werde, bin ich vollkommen aufgelöst. ich schaffe das nicht alleine, spüre ich. gleichzeitig weiß ich, dass ich in diesem fall nicht drum herum kommen werde. meine mutter wäre, falls mein vater als erstes stirbt, sicherlich sehr traurig, aber sie ist selbstständiger und hat ein gewisses gespür für meine grenzen. mein vater würde sich an mich klammern, sich mit seinem vollen gewicht an mich hängen und mir für alles die volle verantwortung übertragen, wobei es extrem unwahrscheinlich wäre, dass ich ihm auch nur eine sache recht machen kann.
falls es zu dieser situation kommt, werde ich also einen heiklen balanceakt zwischen fürsorge und abgrenzung absolvieren und dabei irgendwie mit meinen dämlichen schuldgefühlen klarkommen müssen. woher ich die kraft dafür nehmen soll, weiß ich allerdings noch nicht.
so wenig, wie ich pamigkeit bei anderen mag (ich reagiere auf pampigkeit bisweilen sogar sehr ungehalten), mag auch ich mich pampig überhaupt nicht. dennoch scheint es bei mir eine automatische reaktion auf das gefühl der überforderung zu sein. da ich nicht die resilienteste bin, dauert es auch nicht extrem lange, bis dieses gefühl eintritt - wenn nicht geistig mit einer erkenntnis wie "boah, bin ich gerade gestresst!", dann eben körperlich in form von schlaflosigkeit, schlafparalysen, depression und rückenschmerzen.
während der luxus-mann meine pampigkeiten in der regel humorvoll kontert, was es mir leicht macht, mich zu entspannen und bei bedarf auch zu entschuldigen, geht das bei meinem vater nicht. mein vater reagiert nicht humorvoll, wenn ich eskaliere. er nimmt es sich zu herzen.
"ich weiß, dass du mich für blöd hälst", klagt er dann ins telefon.
"nein, papa, mit blöd hat das nichts zu tun", beschwichtige ich ihn dann. "du bist nur einfach nicht... lösungsorientiert. anstatt einfach mal das zu machen, was ich sage, und dir das am besten einmal aufzuschreiben, damit du nicht dauernd wieder fragen musst, stellst du noch 5000 fragen drum herum und steigerst dich dabei in absurdeste überlegungen hinein!"
wenn wir auflegen, habe ich schuldgefühle. wie kann ich nur. da hat mein 71-jähriger vater, bei dem ich nicht mal weiß, ob ich ihn beim nächsten besuch noch lebend sehe, das gefühl bekommen, er sei blöd! naja, ok, das gefühl gibt er sich ja selbst, muss man ehrlicherweise sagen. aber ich hätte auch nett bleiben können. so nett wie mein ex-chef, der auch bei den schwierigsten kunden immer locker blieb und sogar auf ausgemachte frechheiten mit einem lässigen spruch reagierte. mir fehlt diese grundentspanntheit. ich explodiere dann.
und wie auch ich, wenn mich jemand anfährt, ist mein vater jedesmal geknickt:
"ich trau mich halt nicht so mit dem pc wie du, ich denk dann immer, ich mache was falsch."
(wieder einmal erklärt sich, woher mein schwaches selbstwertgefühl kommt: ich habe gleich zwei elternteile, die sich nichts zutrauen und lieber nichts ausprobieren, wenn es auch nur die leiseste gefahr gibt, dass man dabei auf die fresse fallen könnte.)
wie schon hunderte mal zuvor antworte ich:
"papa, was soll denn passieren? ok, was wäre denn das allerallerschlimmste, was passieren könnte? dann sagen wir mal, der pc geht irreparabel kaputt. aber dann kaufst du dir einen neuen und schmeißt die alte rumpel endlich mal weg. das wäre noch nicht mal wirklich schlimm, sondern was gutes."
"ja, aber schon blöd", findet mein vater.
"erstmal ist es blöd, aber du hast selber gesagt, euer betriebssystem ist inzwischen so alt, dass nicht mal mehr updates dafür auf den markt kommen. und der pc war von aldi, der war doch nicht mal teuer."
"aber wenn ich jedesmal den pc kaputt mache..."
ich seufze schwer beherrscht:
"du WIRST ihn nicht kaputt machen. es sei denn, du schmeißt ihn versehentlich aus dem fenster."
"meinst du."
"ganz sicher. was glaubst du, was ich schon alles dämliches mit meinen notebooks angegestellt hab."
"du hast auch ständig neue!"
"ja, aber weil ich gern aktuelle technik habe. und so nach vier jahren gibts halt immer was besseres und schnelleres. ich habe noch nie ein notebook kaputt gemacht durch irgendwelche dummheiten."
wie sehr mich das gespräch mitgenommen hat, erfahre in der nacht. ich träume, dass meine mutter schwerkrank ist und nur noch zwei wochen zu leben hat.
dass meine mutter vor meinem vater stirbt, erscheint mir im realen leben nicht sehr wahrscheinlich, weshalb ich darüber so gut wie nie nachdenke. im traum allerdings bin ich plötzlich konfrontiert damit, dass ich dann mit meinem komplizierten, unselbstständigen und altersstarrsinnigen vater alleine bin. die gefühlrange ist beeindruckend: wut, überforderung, ablehnung. denn neben meiner eigenen trauer muss ich im traum:
- die trauer meines vaters auffangen
- meinen vater voll versorgen und aufpassen, dass er nicht verwahrlost (mein vater kann sich alleine kein spiegelei braten)
- das haus auflösen
- mich um die beerdigung kümmern und alle ämtergänge alleine erledigen
als ich wach werde, bin ich vollkommen aufgelöst. ich schaffe das nicht alleine, spüre ich. gleichzeitig weiß ich, dass ich in diesem fall nicht drum herum kommen werde. meine mutter wäre, falls mein vater als erstes stirbt, sicherlich sehr traurig, aber sie ist selbstständiger und hat ein gewisses gespür für meine grenzen. mein vater würde sich an mich klammern, sich mit seinem vollen gewicht an mich hängen und mir für alles die volle verantwortung übertragen, wobei es extrem unwahrscheinlich wäre, dass ich ihm auch nur eine sache recht machen kann.
falls es zu dieser situation kommt, werde ich also einen heiklen balanceakt zwischen fürsorge und abgrenzung absolvieren und dabei irgendwie mit meinen dämlichen schuldgefühlen klarkommen müssen. woher ich die kraft dafür nehmen soll, weiß ich allerdings noch nicht.
Freitag, 17. Mai 2019
elphi, elphi über alles
knapp 800 millionen hat die elphi hamburg gekostet.
"wie viele kitas und schulen hätte man damit sanieren können", jammere ich wie immer, wenn wir auf das thema zu sprechen kommen.
"ich finds gut", meint der luxus-mann. "als wirtschaftsstandort braucht man attraktionen. hauptsache, die touris drücken ordentlich ab, dann fließt die kohle schon wieder rein."
wie es der zufall will, kommen wir an karten für ein konzert. wir kennen weder das ensemble noch die komponisten, doch "avantgarde" als stilrichtung klingt irgendwie cool. also einfach mal spontan tickets gekauft und rein ins musikalische vergnügen.
bei der ankunft staune ich nicht schlecht: der eingangsbereich der elphi ist richtig toll geworden. elegante rolltreppen und weiße wände mit runden spiegelelementen. das hat etwas feierlich-futuristisches. oben dann ein sagenhafter ausblick über den hafen. sogar ich als ewige skeptikerin bin beeindruckt, mache postkarten-bilder, wie die sonne langsam versinkt und die elbe dunkelblau und orange-gold glitzern lässt.
dann gehen wir hinein, wollen ein glas wein trinken.
der luxus-mann schaut kritisch:
"das sieht aber billig hier drin aus! für nen schönen fußboden hats offenbar nicht mehr gereicht."
ich sehe näher hin.
"scheint ne art laminat oder so zu sein."
der luxus-mann schnaubt verächtlich:
"laminat?! eher plastik."
wein gibt es nur mit selbstbedienung. wir löhnen über 20 € einschließlich pfand für zweimal mittelmäßigen, schlecht gekühlten weißwein im plastik-weinglas-imitat.
"ich komm mir vor wie auf nem festival, bloß in teuer", mault der luxus-mann und stürzt den wein schnell hinunter.
dann nehmen wir im großen saal platz. der ist recht imposant, wenn man auf grauweiß und beige steht. der luxus-mann findet, das wanddesign sieht aus wie recycling-klopapier.
die beinfreiheit in den sitzreihen entspricht in etwa der economy class in einem billigflieger, die sitze haben passenderweise ebenfalls nicht mehr als holzklasse-komfort. hierin wurden die millionen also auch schon mal nicht investiert.
"wenn der klang so ist wie die sitze, geh ich gleich wieder!" droht der luxus-mann.
"jetzt warte doch mal ab", entgegne ich.
musiker und dirigent trippeln auf die bühne. das publikum klatscht, dann hebt der dirigent den taktstock. die geigen quietschen auf, ein xylophon scheppert. im hintergrund trommelt jemand arhythmisch. die ersten zehn minuten akustische folter erwarten uns - wofür die elphi allerdings nichts kann.
"alter, wasn das für ne mukke", seufzt der luxus-mann, als das stück zu ende ist.
"hier steht, der komponist wollte krieg und terror vertonen", lese ich aus dem programmheft vor.
"terror trifft es ganz gut."
"keine wellness-musik", lese ich lachend die letzte passage der beschreibung vor.
"damit haben wir die totale arschkarte gezogen!"
"du stehst doch gar nicht auf wellness."
"auf terror für die ohren aber auch nicht."
pause.
wir haben das gefühl, als hätten wir eine elektroschock-behandlung hinter uns.
"mir stehen die haarwurzeln zu berge", sage ich. "ich hab richtig gänsehaut auf dem kopf."
"mein tinnitus spielt verrückt", klagt der luxus-mann. "das ist total der anstrengende, atonale scheiß."
"wollen wir gehen? jetzt wäre die gelegenheit."
"ich weiß nicht. vielleicht wird die zweite halbzeit ja besser."
"ich fürchte, nicht. das ist zwar ein anderer komponist, aber im programmheft steht, er war vom komponisten eben inspiriert."
"oh nein..."
ich will auf toilette gegen. es gibt drei toilettenkabinen pro etage für die damen, davor warten jeweils ca. 50 pipimüssende mädels. minimalistische planung also. garantiert war der architekt ein mann. der hat wahrscheinlich kurz nachgedacht: ok, schniedel rausholen, pinkeln, abschütteln, schniedel wieder reinstopfen, händewaschen brauchenwa nicht, fertig. dauert 45 sekunden im schnitt. dass frauen einen toilettengang oftmals mit umziehen und neu schminken verbinden, hat er nicht bedacht.
drinnen, so sehe ich, wenn die tür aufschwingt, posieren überschminkte instagramerinnen zwischen spiegel und handy. ich entschließe mich, lieber meine volle blase zu ertragen, als erst ewig in der schlange stehen und dann noch dämliche instagram-teenies mit zu viel lippenstift ertragen. das übersteigt meine masochistischen kapazitäten.
als die pause vorbei ist und wir uns wieder in die großzügigen sitzgelegenheiten zwängen, bleiben viele sessel leer: geschätzt ein drittel der gäste ist gegangen. ganz offensichtlich ist die musik nicht massentauglich, oder wir sind zumindest nicht die einzigen kulturbanausen. da die reihen vor mir angenehm leer sind, kann ich mich etwas entspannen und die füße durch das eisengestäng strecken. so wird das sitzen etwas komfortabler.
die zweite halbzeit beginnt fast schön. die musik ist etwas ruhiger, zeitweise getragen. ich kann mich halbwegs auf das stück einlassen und finde es eine gute idee, geblieben zu sein. dann allerdings gibt es wieder viel experimentell-atonales mit schrillen zwischentönen und abruptem getrommel.
"ich will nachhause", stöhnt der luxus-mann neben mir.
kurz nach 22 uhr dann die erlösung: das konzert ist vorbei.
"nächstes mal gucken wir genauer, was wir da an tickets kaufen", sagt der luxus-mann.
"kein wunder, dass man für die veranstaltung eben so leicht karten bekam!" erwidere ich.
"und wie fandest du die akustik?" fragt der luxus-mann.
"ehrlich gesagt kann ich das überhaupt nicht beurteilen. ich würde sagen, persönlich fand ich, es waren zu viele schrille höhen und zu wenig tiefe, dunkle klänge. aber es kann auch sein, dass das bei dieser musik genau so gedacht war."
"ich kanns auch schwer sagen. jedenfalls hört man absolut alles. zwei ränge weiter saß eine, die hat immerzu mit ihrem bonbon-papier geraschelt, das hat man sehr deutlich mitbekommen."
"tja, wenn ich jetzt klangbauexpertin wäre, könnte ich dir sagen, ob das gut ist oder ob man räume besser so konzipiert, dass geräusche wie bonbon-papier-rascheln geschluckt werden."
"für den ausblick hat sichs aber gelohnt", resümiere ich, als wir in der bahn sitzen. "und für ein gutes konzert würde ich vielleicht sogar noch mal vorbeischauen."
"die sitze sind aber echt ne katastrophe", wendet der luxus-mann ein.
"das stimmt."
"und wir nehmen was zu trinken mit. dieses überteuerte plastik-gesöff geht gar nicht."
"jo, und dann sitzen wir mit ner 1,5-liter-flasche wodka-energy-mische und einer großen tüte popcorn im saal."
"genau", grinst der luxus-mann. "und wenns langweilig ist, mach ich ein schlümmerchen."
"bei der akustik klingt dein schnarchen bestimmt beeindruckend."
"und mein pupsen erst."
"wie viele kitas und schulen hätte man damit sanieren können", jammere ich wie immer, wenn wir auf das thema zu sprechen kommen.
"ich finds gut", meint der luxus-mann. "als wirtschaftsstandort braucht man attraktionen. hauptsache, die touris drücken ordentlich ab, dann fließt die kohle schon wieder rein."
wie es der zufall will, kommen wir an karten für ein konzert. wir kennen weder das ensemble noch die komponisten, doch "avantgarde" als stilrichtung klingt irgendwie cool. also einfach mal spontan tickets gekauft und rein ins musikalische vergnügen.
bei der ankunft staune ich nicht schlecht: der eingangsbereich der elphi ist richtig toll geworden. elegante rolltreppen und weiße wände mit runden spiegelelementen. das hat etwas feierlich-futuristisches. oben dann ein sagenhafter ausblick über den hafen. sogar ich als ewige skeptikerin bin beeindruckt, mache postkarten-bilder, wie die sonne langsam versinkt und die elbe dunkelblau und orange-gold glitzern lässt.
dann gehen wir hinein, wollen ein glas wein trinken.
der luxus-mann schaut kritisch:
"das sieht aber billig hier drin aus! für nen schönen fußboden hats offenbar nicht mehr gereicht."
ich sehe näher hin.
"scheint ne art laminat oder so zu sein."
der luxus-mann schnaubt verächtlich:
"laminat?! eher plastik."
wein gibt es nur mit selbstbedienung. wir löhnen über 20 € einschließlich pfand für zweimal mittelmäßigen, schlecht gekühlten weißwein im plastik-weinglas-imitat.
"ich komm mir vor wie auf nem festival, bloß in teuer", mault der luxus-mann und stürzt den wein schnell hinunter.
dann nehmen wir im großen saal platz. der ist recht imposant, wenn man auf grauweiß und beige steht. der luxus-mann findet, das wanddesign sieht aus wie recycling-klopapier.
die beinfreiheit in den sitzreihen entspricht in etwa der economy class in einem billigflieger, die sitze haben passenderweise ebenfalls nicht mehr als holzklasse-komfort. hierin wurden die millionen also auch schon mal nicht investiert.
"wenn der klang so ist wie die sitze, geh ich gleich wieder!" droht der luxus-mann.
"jetzt warte doch mal ab", entgegne ich.
musiker und dirigent trippeln auf die bühne. das publikum klatscht, dann hebt der dirigent den taktstock. die geigen quietschen auf, ein xylophon scheppert. im hintergrund trommelt jemand arhythmisch. die ersten zehn minuten akustische folter erwarten uns - wofür die elphi allerdings nichts kann.
"alter, wasn das für ne mukke", seufzt der luxus-mann, als das stück zu ende ist.
"hier steht, der komponist wollte krieg und terror vertonen", lese ich aus dem programmheft vor.
"terror trifft es ganz gut."
"keine wellness-musik", lese ich lachend die letzte passage der beschreibung vor.
"damit haben wir die totale arschkarte gezogen!"
"du stehst doch gar nicht auf wellness."
"auf terror für die ohren aber auch nicht."
pause.
wir haben das gefühl, als hätten wir eine elektroschock-behandlung hinter uns.
"mir stehen die haarwurzeln zu berge", sage ich. "ich hab richtig gänsehaut auf dem kopf."
"mein tinnitus spielt verrückt", klagt der luxus-mann. "das ist total der anstrengende, atonale scheiß."
"wollen wir gehen? jetzt wäre die gelegenheit."
"ich weiß nicht. vielleicht wird die zweite halbzeit ja besser."
"ich fürchte, nicht. das ist zwar ein anderer komponist, aber im programmheft steht, er war vom komponisten eben inspiriert."
"oh nein..."
ich will auf toilette gegen. es gibt drei toilettenkabinen pro etage für die damen, davor warten jeweils ca. 50 pipimüssende mädels. minimalistische planung also. garantiert war der architekt ein mann. der hat wahrscheinlich kurz nachgedacht: ok, schniedel rausholen, pinkeln, abschütteln, schniedel wieder reinstopfen, händewaschen brauchenwa nicht, fertig. dauert 45 sekunden im schnitt. dass frauen einen toilettengang oftmals mit umziehen und neu schminken verbinden, hat er nicht bedacht.
drinnen, so sehe ich, wenn die tür aufschwingt, posieren überschminkte instagramerinnen zwischen spiegel und handy. ich entschließe mich, lieber meine volle blase zu ertragen, als erst ewig in der schlange stehen und dann noch dämliche instagram-teenies mit zu viel lippenstift ertragen. das übersteigt meine masochistischen kapazitäten.
als die pause vorbei ist und wir uns wieder in die großzügigen sitzgelegenheiten zwängen, bleiben viele sessel leer: geschätzt ein drittel der gäste ist gegangen. ganz offensichtlich ist die musik nicht massentauglich, oder wir sind zumindest nicht die einzigen kulturbanausen. da die reihen vor mir angenehm leer sind, kann ich mich etwas entspannen und die füße durch das eisengestäng strecken. so wird das sitzen etwas komfortabler.
die zweite halbzeit beginnt fast schön. die musik ist etwas ruhiger, zeitweise getragen. ich kann mich halbwegs auf das stück einlassen und finde es eine gute idee, geblieben zu sein. dann allerdings gibt es wieder viel experimentell-atonales mit schrillen zwischentönen und abruptem getrommel.
"ich will nachhause", stöhnt der luxus-mann neben mir.
kurz nach 22 uhr dann die erlösung: das konzert ist vorbei.
"nächstes mal gucken wir genauer, was wir da an tickets kaufen", sagt der luxus-mann.
"kein wunder, dass man für die veranstaltung eben so leicht karten bekam!" erwidere ich.
"und wie fandest du die akustik?" fragt der luxus-mann.
"ehrlich gesagt kann ich das überhaupt nicht beurteilen. ich würde sagen, persönlich fand ich, es waren zu viele schrille höhen und zu wenig tiefe, dunkle klänge. aber es kann auch sein, dass das bei dieser musik genau so gedacht war."
"ich kanns auch schwer sagen. jedenfalls hört man absolut alles. zwei ränge weiter saß eine, die hat immerzu mit ihrem bonbon-papier geraschelt, das hat man sehr deutlich mitbekommen."
"tja, wenn ich jetzt klangbauexpertin wäre, könnte ich dir sagen, ob das gut ist oder ob man räume besser so konzipiert, dass geräusche wie bonbon-papier-rascheln geschluckt werden."
"für den ausblick hat sichs aber gelohnt", resümiere ich, als wir in der bahn sitzen. "und für ein gutes konzert würde ich vielleicht sogar noch mal vorbeischauen."
"die sitze sind aber echt ne katastrophe", wendet der luxus-mann ein.
"das stimmt."
"und wir nehmen was zu trinken mit. dieses überteuerte plastik-gesöff geht gar nicht."
"jo, und dann sitzen wir mit ner 1,5-liter-flasche wodka-energy-mische und einer großen tüte popcorn im saal."
"genau", grinst der luxus-mann. "und wenns langweilig ist, mach ich ein schlümmerchen."
"bei der akustik klingt dein schnarchen bestimmt beeindruckend."
"und mein pupsen erst."
Sonntag, 12. Mai 2019
vorbildlicher vater
auf der gestrigen party taucht auch der luxus-sohn mit seiner neuen flamme auf.
"tusse", findet der luxus-mann. "da war mir die alte freundin sympathischer."
wie vorauszusehen trinkt der luxus-mann im laufe von knapp vier stunden mehrere gläser bowle, bier, wein und zuletzt noch einige wodka-lemon-mischen. irgendwann finde ich ihn in der küche der party-location, wo er an der wand lehnt und lallt:
"mirissssss... schlääääääch."
da kommt es ihm gerade recht, dass der luxus-sohn hereinschneit, um sich zu verabschieden.
"lasssunnnssss... au... nachhause. ichhhh... bin...brei", findet der luxus-mann.
also wanken wir zu viert zur bahn. der sohn und ich haben den luxus-mann fest untergeärmelt, während die freundin hinter uns hertappt. es wird ein recht beschwerlicher heimweg.
heute morgen erwacht der luxus-mann entsprechend verkatert und meint:
"ich hab total den filmriss, ich kann mich an überhaupt nix mehr erinnern. wie sind wir gestern nachhause gekommen?"
"mit der bahn, mit deinem sohn und dessen freundin."
"echt? davon weiß ich nichts mehr."
"doch doch."
"hat mein sohn noch irgendwas gesagt, weil ich so besoffen war?"
"nö. nur, dass wir aufpassen müssen, dass du uns nicht auf die gleise fällst."
"hab ich denn eigentlich nen fahrschein gekauft?"
ich zucke die achseln.
"wahrscheinlich nicht."
der luxus-mann seufzt:
"scheiße, das war meinem sohn jetzt bestimmt wieder total peinlich vor seiner freundin. die denkt jetzt garantiert, was für ein cholerischer alter säufer von vater!"
"wieso cholerisch? du warst gestern total entspannt."
"gestern schon. aber das erste mal, als mein sohn sie mitbrachte, war ich war total auf zinne, weil mein sohn wieder mal viel zu spät dran war. ich hab ihn ziemlich krass zusammengefaltet, während sie so etwas verlegen danebenstand und sich vermutlich ihren teil dachte."
ich muss grinsen:
"wahrscheinlich telefoniert sie morgen mit dem jugendamt."
"hör mir auf mit sowas. einmal, das war in der grundschule, da sollten die kinder erzählen, was ihre eltern so an hobbys haben. da meinte mein sohn, mein papa trinkt immer schnaps und hört monstermusik. kannste dir denken, wer in die elternsprechstunde musste!"
ich kichere.
"oder auch meine tochter", fährt der luxus-mann fort. "als die eingeschult wurde, hat die lehrerin den kindern den leisefuchs gezeigt, so mit zwei fingern nach oben gerichtet als ohren, weißt du. was macht meine tochter? ruft in die klasse: das stimmt nicht, das ist doch das wacken-zeichen, das kenn ich von meinem papa!"
"das ist doch nicht schlimm."
"nö. aber besonders vorbildlich wirkt das auch nicht."
ich lege den arm um den luxus-mann:
"ich erinnere mich noch gut, als ich nach dem zweiten semester ein mehrmonatiges schulpraktikum machen musste. da hab ich abends dann meine schüler auf party getroffen."
"ach, das fanden die bestimmt cool!"
"die schon. aber ich hab mich kaum getraut, alkohol zu trinken oder gar mit jemandem rumzuknutschen. das wär sonst nämlich DAS schulgespräch der nächsten woche gewesen."
"stimmt. also doch ganz gut, dass du keine lehrerin geworden bist", grinst der luxus-mann.
das luxus-handy plingt.
"na, wer schreibt dir?" frage ich.
"mein sohn. der will am donnerstag vorbeikommen und mit mir burger essen gehen."
"na siehst du, dann bist du also doch kein so schrecklicher vater..."
"tusse", findet der luxus-mann. "da war mir die alte freundin sympathischer."
wie vorauszusehen trinkt der luxus-mann im laufe von knapp vier stunden mehrere gläser bowle, bier, wein und zuletzt noch einige wodka-lemon-mischen. irgendwann finde ich ihn in der küche der party-location, wo er an der wand lehnt und lallt:
"mirissssss... schlääääääch."
da kommt es ihm gerade recht, dass der luxus-sohn hereinschneit, um sich zu verabschieden.
"lasssunnnssss... au... nachhause. ichhhh... bin...brei", findet der luxus-mann.
also wanken wir zu viert zur bahn. der sohn und ich haben den luxus-mann fest untergeärmelt, während die freundin hinter uns hertappt. es wird ein recht beschwerlicher heimweg.
heute morgen erwacht der luxus-mann entsprechend verkatert und meint:
"ich hab total den filmriss, ich kann mich an überhaupt nix mehr erinnern. wie sind wir gestern nachhause gekommen?"
"mit der bahn, mit deinem sohn und dessen freundin."
"echt? davon weiß ich nichts mehr."
"doch doch."
"hat mein sohn noch irgendwas gesagt, weil ich so besoffen war?"
"nö. nur, dass wir aufpassen müssen, dass du uns nicht auf die gleise fällst."
"hab ich denn eigentlich nen fahrschein gekauft?"
ich zucke die achseln.
"wahrscheinlich nicht."
der luxus-mann seufzt:
"scheiße, das war meinem sohn jetzt bestimmt wieder total peinlich vor seiner freundin. die denkt jetzt garantiert, was für ein cholerischer alter säufer von vater!"
"wieso cholerisch? du warst gestern total entspannt."
"gestern schon. aber das erste mal, als mein sohn sie mitbrachte, war ich war total auf zinne, weil mein sohn wieder mal viel zu spät dran war. ich hab ihn ziemlich krass zusammengefaltet, während sie so etwas verlegen danebenstand und sich vermutlich ihren teil dachte."
ich muss grinsen:
"wahrscheinlich telefoniert sie morgen mit dem jugendamt."
"hör mir auf mit sowas. einmal, das war in der grundschule, da sollten die kinder erzählen, was ihre eltern so an hobbys haben. da meinte mein sohn, mein papa trinkt immer schnaps und hört monstermusik. kannste dir denken, wer in die elternsprechstunde musste!"
ich kichere.
"oder auch meine tochter", fährt der luxus-mann fort. "als die eingeschult wurde, hat die lehrerin den kindern den leisefuchs gezeigt, so mit zwei fingern nach oben gerichtet als ohren, weißt du. was macht meine tochter? ruft in die klasse: das stimmt nicht, das ist doch das wacken-zeichen, das kenn ich von meinem papa!"
"das ist doch nicht schlimm."
"nö. aber besonders vorbildlich wirkt das auch nicht."
ich lege den arm um den luxus-mann:
"ich erinnere mich noch gut, als ich nach dem zweiten semester ein mehrmonatiges schulpraktikum machen musste. da hab ich abends dann meine schüler auf party getroffen."
"ach, das fanden die bestimmt cool!"
"die schon. aber ich hab mich kaum getraut, alkohol zu trinken oder gar mit jemandem rumzuknutschen. das wär sonst nämlich DAS schulgespräch der nächsten woche gewesen."
"stimmt. also doch ganz gut, dass du keine lehrerin geworden bist", grinst der luxus-mann.
das luxus-handy plingt.
"na, wer schreibt dir?" frage ich.
"mein sohn. der will am donnerstag vorbeikommen und mit mir burger essen gehen."
"na siehst du, dann bist du also doch kein so schrecklicher vater..."
Freitag, 10. Mai 2019
spießerin
morgen muss ich zur nächsten luxus-familienfete. irgendeine nichte des luxus-mannes wird 30 und feiert mit ihrer besten freundin. ich habe es befürchtet, es geht also los mit den dämlichen family-events.
"da hab ich überhaupt keinen bock drauf", sage ich meinem mann heute. "was issn das überhaupt für ne tusse?"
"das ist die tochter meiner schwester!" sagt der luxus-mann gewichtig.
"bietet sich an, so als deine nichte", sage ich. "ich meine, wie ist die drauf, dass ich meine zeit für sowas verschwenden soll?"
"weiß nich, ich hab die auch ewig nicht mehr gesehen. eigentlich wohnt die in hessen."
"dann hätte sie ihren scheißgeburtstag auch mal ruhig da feiern können", maule ich.
"das wird bestimmt nett", meint der luxus-mann.
"du meinst, du kannst dann unbegrenzt kostenlos saufen", gebe ich zurück.
"genau", grinst der luxus-mann.
bei sämtlichen geburtstagen lässt sich der luxus-mann immer hemmungslos volllaufen. einfach, weil er dafür nichts zahlen muss. anschließend habe ich das vergnügen, ihn rotzehackedicht irgendwie nachhause zu verfrachten. weil das immer sehr anstrengend ist und der luxus-mann dann vollkommen unzurechnungsfähig und renitent ist, bleibe ich inzwischen meist nüchtern. irgendwer muss die reißleine schließlich noch ziehen können. abgesehen davon muss ich am sonntag noch arbeiten.
während ich es früher oftmals ganz lustig fand, wenn sich meine partner und ex-partner die kante gaben, empfinde ich es heute als peinlich, belastend und energiefressend. vielleicht, weil ich meine emotionen und bedürfnisse inzwischen besser spüre.
oder einfach spießig geworden bin.
"da hab ich überhaupt keinen bock drauf", sage ich meinem mann heute. "was issn das überhaupt für ne tusse?"
"das ist die tochter meiner schwester!" sagt der luxus-mann gewichtig.
"bietet sich an, so als deine nichte", sage ich. "ich meine, wie ist die drauf, dass ich meine zeit für sowas verschwenden soll?"
"weiß nich, ich hab die auch ewig nicht mehr gesehen. eigentlich wohnt die in hessen."
"dann hätte sie ihren scheißgeburtstag auch mal ruhig da feiern können", maule ich.
"das wird bestimmt nett", meint der luxus-mann.
"du meinst, du kannst dann unbegrenzt kostenlos saufen", gebe ich zurück.
"genau", grinst der luxus-mann.
bei sämtlichen geburtstagen lässt sich der luxus-mann immer hemmungslos volllaufen. einfach, weil er dafür nichts zahlen muss. anschließend habe ich das vergnügen, ihn rotzehackedicht irgendwie nachhause zu verfrachten. weil das immer sehr anstrengend ist und der luxus-mann dann vollkommen unzurechnungsfähig und renitent ist, bleibe ich inzwischen meist nüchtern. irgendwer muss die reißleine schließlich noch ziehen können. abgesehen davon muss ich am sonntag noch arbeiten.
während ich es früher oftmals ganz lustig fand, wenn sich meine partner und ex-partner die kante gaben, empfinde ich es heute als peinlich, belastend und energiefressend. vielleicht, weil ich meine emotionen und bedürfnisse inzwischen besser spüre.
oder einfach spießig geworden bin.
Donnerstag, 9. Mai 2019
never fuck the neighbourhood
seit zwei tagen bin ich stolze mieterin einer quasi makellosen wohnung im fetten hamburger westen. zum haus gehören zu meiner freude ein garten und offenbar gleich drei katzen.
gestern haben der luxus-mann und ich die ersten sachen rübergebracht - werkzeug, vorhangstangen und lampen. schließlich ward in der schöpfungsgeschichte auch als erstes licht, das der liebe gott von der dunkelheit schied. jut, der liebe gott hatte natürlich erstmal keine handtücher und klopapier im gepäck, die scheiße fing schließlich erst später mit den menschen an, aber bei der stuhlgangfrequenz des luxus-mannes muss frau gewappnet sein.
"wenn ich nicht so viel geld hätte, würde ich mir auch so ne süße kleine wohnung holen", sagt der luxus-mann und schaut aus dem fenster. "das ist ja auch so schön hier. alles grün und idyllisch und ruhig, und trotzdem hast du fast alles, was es an einkaufsmöglichkeiten gibt, gleich um die ecke."
"ist schon was anderes als die betonwüste der schanze, wa", sage ich.
"aber ich kann ja meine wohnung nicht aufgeben", jault der luxus-mann. "ich könnte mich nur verschlechtern."
"was die wohnung an sich betrifft, ja, was die lage betrifft... naja. wenn du mal nicht mehr ständig saufen gehst, kotzt dich das bestimmt irgendwann an."
"ich weiß, ich weiß", jammert der luxus-mann.
als wir aus dem haus gehen, kommt uns ein junger mann entgegen. er lächelt uns freundlich an und grüßt.
"bist du der neue mieter", fragt er den luxus-mann.
"nee, das ist meine freundin", sagt der und legt ganz luxusuntypisch fest den arm um mich.
"ja... dann... herzlich willkommen und viel spaß beim einräumen", wünscht mir der mann und verschwindet im haus.
der luxus-mann nimmt mich streng ins visier und deutet mit zeige- und mittelfinger erst auf seine, dann auf meine augen.
"ey, keine sorge, never fuck the neighbourhood", sage ich grinsend.
"ich kenn dich! das ist dein typ!"
"naja..."
"doch, doch! streite das mal nicht ab!"
"er ist ja ganz hübsch. aber ich steh nun mal auf alte knacker wie dich."
"das will ich hoffen", grinst der luxus-mann. "sonst kann der auch gleich deine lampen aufhängen."
"das macht doch sowieso dein kumpel c."
"und den fickst du bitte auch nicht!"
auf dem nachhauseweg schauen wir noch bei einem dvd-laden vorbei.
"du sag mal, kannst du mir irgendwelche actionfilme und blockbuster und sowas empfehlen", frage ich den luxus-mann. "so eher leichte kost?"
"wieso? du schaust dir doch sowas sonst nicht an."
"ich frag ja auch nicht für mich, sondern für das objekt. das steht jetzt nicht so wie wir auf david lynch und sowas."
der luxus-mann zieht die augenbrauen hoch:
"und das schnallt der?"
"wie meinst du?"
"ich denke, der hat ein schädel-hirn-trauma?"
"ja, aber er ist doch nicht gaga! der hat probleme mit dem kurzzeitgedächtnis, und das ist in diesem kontext sogar super, dann kann er nämlich filme immer wieder gucken, ohne zu wissen, wie sie ausgehen!"
der luxus-mann schaut skeptisch, geht dann aber mit mir an den grabbelstand und sucht dvds heraus, die dem objekt gefallen können.
"super", sage ich, als ich 20 dvds in den händen halte. "das sollte erstmal reichen."
"das alles willst du dem kaufen?"
"wenn du den ganzen tag im bett liegen würdest und kein wlan hättest, würdest du dich auch freuen!"
der luxus-mann begutachtet meine beute nicht ohne neid.
"den einen oder anderen film hätte ich auch gern noch mal geguckt."
"nimm dir die doch mit. dann bringe ich dem objekt erstmal einen teil vorbei. so habt ihr beide was davon."
damit ist der luxus-mann schon fast wieder befriedet.
an der kasse legt er plötzlich 20 euro hin.
"dann hat dein objekt auch was von mir, ich hab ihn ja zumindest kennen lernen dürfen", sagt er. "und dann musst nicht alles alleine bezahlen, wenn ich die auch gucken darf."
ich bekomme ein sehr warmes gefühl in der brust und küsse den luxus-mann, was er in der öffentlichkeit eigentlich hasst.
"warum werd ich jetzt bestraft", fragt er grinsend.
"sorry, ich konnte nicht anders. du bist einfach toll."
"auch wenn ich nicht so gern lampen aufhänge?"
"ja. ich liebe sogar deine faulheit."
"und ich liebe dich sogar, obwohl ich immer noch denke, wenn das objekt mal gesund werden sollte, bist du weg."
"und trotzdem kaufst du ihm dvds. das finde ich so großartig, dass ich dich glatt heiraten würde, wenn du auf sowas spießbürgerliches stehen würdest."
"mir reicht es schon, wenn du nicht mit deinem neuen nachbarn fickst."
ich gebe dem luxus-mann einen klaps auf den po.
"so, wenn du möchtest, gehen wir jetzt noch in den supermarkt und dann koche ich ausnahmsweise für dich. das muss dann aber abgesehen von einer asexuellen beziehung zu meinem neuen nachbarn erstmal liebesbeweis genug sein."
gestern haben der luxus-mann und ich die ersten sachen rübergebracht - werkzeug, vorhangstangen und lampen. schließlich ward in der schöpfungsgeschichte auch als erstes licht, das der liebe gott von der dunkelheit schied. jut, der liebe gott hatte natürlich erstmal keine handtücher und klopapier im gepäck, die scheiße fing schließlich erst später mit den menschen an, aber bei der stuhlgangfrequenz des luxus-mannes muss frau gewappnet sein.
"wenn ich nicht so viel geld hätte, würde ich mir auch so ne süße kleine wohnung holen", sagt der luxus-mann und schaut aus dem fenster. "das ist ja auch so schön hier. alles grün und idyllisch und ruhig, und trotzdem hast du fast alles, was es an einkaufsmöglichkeiten gibt, gleich um die ecke."
"ist schon was anderes als die betonwüste der schanze, wa", sage ich.
"aber ich kann ja meine wohnung nicht aufgeben", jault der luxus-mann. "ich könnte mich nur verschlechtern."
"was die wohnung an sich betrifft, ja, was die lage betrifft... naja. wenn du mal nicht mehr ständig saufen gehst, kotzt dich das bestimmt irgendwann an."
"ich weiß, ich weiß", jammert der luxus-mann.
als wir aus dem haus gehen, kommt uns ein junger mann entgegen. er lächelt uns freundlich an und grüßt.
"bist du der neue mieter", fragt er den luxus-mann.
"nee, das ist meine freundin", sagt der und legt ganz luxusuntypisch fest den arm um mich.
"ja... dann... herzlich willkommen und viel spaß beim einräumen", wünscht mir der mann und verschwindet im haus.
der luxus-mann nimmt mich streng ins visier und deutet mit zeige- und mittelfinger erst auf seine, dann auf meine augen.
"ey, keine sorge, never fuck the neighbourhood", sage ich grinsend.
"ich kenn dich! das ist dein typ!"
"naja..."
"doch, doch! streite das mal nicht ab!"
"er ist ja ganz hübsch. aber ich steh nun mal auf alte knacker wie dich."
"das will ich hoffen", grinst der luxus-mann. "sonst kann der auch gleich deine lampen aufhängen."
"das macht doch sowieso dein kumpel c."
"und den fickst du bitte auch nicht!"
auf dem nachhauseweg schauen wir noch bei einem dvd-laden vorbei.
"du sag mal, kannst du mir irgendwelche actionfilme und blockbuster und sowas empfehlen", frage ich den luxus-mann. "so eher leichte kost?"
"wieso? du schaust dir doch sowas sonst nicht an."
"ich frag ja auch nicht für mich, sondern für das objekt. das steht jetzt nicht so wie wir auf david lynch und sowas."
der luxus-mann zieht die augenbrauen hoch:
"und das schnallt der?"
"wie meinst du?"
"ich denke, der hat ein schädel-hirn-trauma?"
"ja, aber er ist doch nicht gaga! der hat probleme mit dem kurzzeitgedächtnis, und das ist in diesem kontext sogar super, dann kann er nämlich filme immer wieder gucken, ohne zu wissen, wie sie ausgehen!"
der luxus-mann schaut skeptisch, geht dann aber mit mir an den grabbelstand und sucht dvds heraus, die dem objekt gefallen können.
"super", sage ich, als ich 20 dvds in den händen halte. "das sollte erstmal reichen."
"das alles willst du dem kaufen?"
"wenn du den ganzen tag im bett liegen würdest und kein wlan hättest, würdest du dich auch freuen!"
der luxus-mann begutachtet meine beute nicht ohne neid.
"den einen oder anderen film hätte ich auch gern noch mal geguckt."
"nimm dir die doch mit. dann bringe ich dem objekt erstmal einen teil vorbei. so habt ihr beide was davon."
damit ist der luxus-mann schon fast wieder befriedet.
an der kasse legt er plötzlich 20 euro hin.
"dann hat dein objekt auch was von mir, ich hab ihn ja zumindest kennen lernen dürfen", sagt er. "und dann musst nicht alles alleine bezahlen, wenn ich die auch gucken darf."
ich bekomme ein sehr warmes gefühl in der brust und küsse den luxus-mann, was er in der öffentlichkeit eigentlich hasst.
"warum werd ich jetzt bestraft", fragt er grinsend.
"sorry, ich konnte nicht anders. du bist einfach toll."
"auch wenn ich nicht so gern lampen aufhänge?"
"ja. ich liebe sogar deine faulheit."
"und ich liebe dich sogar, obwohl ich immer noch denke, wenn das objekt mal gesund werden sollte, bist du weg."
"und trotzdem kaufst du ihm dvds. das finde ich so großartig, dass ich dich glatt heiraten würde, wenn du auf sowas spießbürgerliches stehen würdest."
"mir reicht es schon, wenn du nicht mit deinem neuen nachbarn fickst."
ich gebe dem luxus-mann einen klaps auf den po.
"so, wenn du möchtest, gehen wir jetzt noch in den supermarkt und dann koche ich ausnahmsweise für dich. das muss dann aber abgesehen von einer asexuellen beziehung zu meinem neuen nachbarn erstmal liebesbeweis genug sein."