Sonntag, 28. April 2019

wonneproppen

ich besuche das objekt heute zum vierten mal, und oh wow, es hat 6 kilo zugenommen.
der grund dafür ist etwas weniger cool. "wir haben ihm aus versehen eine zeitlang die doppelte menge nahrung verabreicht", sagt mir der pfleger. "3000 kilokalorien täglich! viel zu viel!"
trotzdem, der ästhetische effekt ist super, das objekt hat wangen bekommen und die haut an den oberschenkeln hängt endlich nicht mehr so schlaff herab.

"wollen wir ein bisschen rausgehen", versuche ich das objekt zu motivieren, das wie immer im bett liegt.
"au ja", meint es wider erwarten. "das ist... gut... gut."
also hole ich noch mal den pfleger, denn das objekt muss in den rollstuhl und eine hose braucht es auch. beides kann ich nicht übernehmen.
"soll ich rausgehen", frage ich vorher höflich, weil ich das objekt nicht in verlegenheit bringen will.
"wie du willst", grinst der pfleger.
"och, du, wir kennen eigentlich alles aneinander, das schockt mich nicht", sage ich supercool.
"du bist die exfreundin oder so, ne", fragt der pfleger.
"so ähnlich. also wir kennen uns jetzt fast 10 jahre und sind jedenfalls sehr eng befreundet", sage ich.
geschockt bin ich dann aber schon, jedenfalls habe ich noch nie zugesehen, wie ein erwachsener mensch eine windel verpasst bekommt. aber macht ja sinn, wäre schließlich blöd, wenn das objekt unterwegs in den rolli pullert.

dann schieben wir uns nach draußen.

auf dem flur versperrt uns eine frau mit rolli den weg und fragt nach zigaretten.
"hammwa nich", sage ich.
"du bist eine blöde sau", sagt die frau zu mir oder zum objekt.
ich falle fast vornüber: alter! was sind die insassen aggro!
da beginnt das objekt die frau anzubrüllen wie ein wikinger auf raubzug.
mir ist das alles mordspeinlich.
flugs schiebe ich uns aus der battlezone. glücklicherweise beruhigt sich das objekt sofort wieder.

draußen ist zum glück fast niemand und wir haben den kleinen park für uns.
"schön, dass wir hier unter uns sind", finde ich und das objekt stimmt mir zu.
"lass uns... ganz weit... weg", wünscht sich das objekt.
"dann mal los", sage ich. ein bisschen fordern will ich das objekt schon, also lasse ich es den rolli erstmal eine weile selber anschieben.

und los geht es.
"du....ich bin... so langsam", entschuldigt sich das objekt, das sich im zeitlupentempo vorwärtsbewegt.
"kein problem. das wird schon noch. hauptsache, du machst und trainierst."
"hmhm."
"weißt du noch.... du hast mir mal was erzählt... du warst damals mit deinen borderline-patientinnen im park vor der klinik, wo du gearbeitest hast... und du hast mit denen sport gemacht. und da gibts so nen kleinen berg in dem park... also eher nen hügel... und du hast mir erzählt, wie du die mädels da hochgescheucht hast. immer und immer wieder. und wie die gejammert haben: nee, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr! - und du hast ihnen immer wieder sagt: geh an deine grenzen! und dann noch ein kleines stück darüber hinaus!"
das objekt lacht schallend.
"also gib jetzt ruhig mal alles", sage ich. "auch, wenn du morgen dann bestimmt muskelkater in den armen hast."
"hab ich... jetzt schon... muskelkater", schmunzelt das objekt.
 trotzdem robbt es sich den ansteigenden weg bis fast zum ende hinauf. erst dann sagst es zu mir:
"du... ich kann... nicht mehr."

also schiebe ich das objekt noch eine runde herum, bis wir noch einmal um den park sind und wieder vor dem eingang stehen.
"jetzt wird... mir aber... kalt", sagt das objekt.
tatsächlich hat es ganz kühle hände. ich packe es sofort in meine jacke.
"wir sind gleich drin", sage ich.

vor der tür wieder die mitinsassen, die das objekt nicht mal grüßen. auch das objekt guckt stur geradeaus und sagt kein wort. also schiebe ich es fix in sein zimmer.
drinnen ist es sichtlich erleichtert.
ich gehe wieder den pfleger holen, schließlich kann ich das objekt nicht alleine aus dem rolli heben.
"moment", sagt der. dann kommt er und hilft mir, das objekt wieder ins bett zu bringen.

danach liegt es wieder in den kissen und will kuscheln. ich schmiege mich ein bisschen an und lasse mich zärtlich streicheln.
"soll ich dir noch ein bisschen vorlesen?" frage ich.
"ok. ja. gutgut."
also lese ich ihm wie immer blog-geschichten von uns beiden vor. ein paar mal lacht es herzlich, doch nach rund einer weiteren stunde sagt es:
"ich... kann nichmehr."
ich verstehe - die körperliche anstrengung war vermutlich doch etwas ungewohnt.
"willst du dich ein bisschen ausruhen?" frage ich.
"ja. ok. gut gut."
"alles klar. dann geh ich jetzt, ok? oder soll ich bleiben, bis du eingeschlafen bist?"
"nee.... weil dann... ich will... einen kuss!"
immerhin weiß das objekt stets, was es will, und das macht es mir einfach.
"gut, ich kann so in zehn minuten los."
"dann... lass uns... die zeit... nutzen." sagt das objekt und breitet die arme aus.
ich krieche hinein.
das objekt streichelt mich zart. haare, schultern, rücken, po. dann schiebt es die hand plötzlich in mein kleid und verharrt mit ihr zwischen achselhöhle und brust.
ich halte die luft an. was nun?

doch dann entscheidet die zeit für uns, oder vielmehr: gegen uns.
"ich muss los", sage ich, denn ich habe nur noch 5 minuten.
"gut gut", sagt das objekt und küsst mich zärtlich.
"bis dann", sage ich. "ich komme bald wieder."
"ja... bitte... wiederkommen", sagt das objekt zum abschied.
"ich tu mein bestes", sage ich. "halt die ohren steif!"
"das... musst du... mir... nich sagen", entgegnet das objekt, und das ist so arschcool, dass ich schmunzelnd gehen kann.

draußen stehe ich unter einem brüllend blauen himmel, in einer duftenden, abgasarmen april-luft, als mein handy plingt und ich eine nachricht erhalte:
"und wie wars? gehts ihm irgendwie besser?"
der luxus-mann.

und mein herz wird ganz weit.
"das ist so wunderbar, dass du anteil nimmst", schreibe ich zurück. "das rechne ich dir hoch an."


Samstag, 27. April 2019

schattenspringen

meine wochenenden gehören dem luxus-mann. es ist schwierig, ihm zu verklickern, dass ich samstag oder sonntag manchmal an meinen freien projekten arbeiten muss, und noch schwieriger ist es, wenn ich einfach so mal etwas alleine machen will - wie beispielsweise auf eine party gehen, die der luxus-mann nicht mag. wochenende ist beziehungszeit, so steht das im luxus-gesetz. sogar besuche seiner kinder hat er inzwischen auf die wochentage geschoben.

dieses wochenende ist ein besonders heikles, denn ich will das objekt besuchen. immer, wenn ich davon rede, dies zu tun, sagt der luxus-mann "wieso denn schon wieder" und "kannst du das nicht wannanders machen". diesmal bin ich hart geblieben, habe ihm klipp und klar erklärt, wie unheimlich schwierig und fragil das verhältnis zur gespielin ist und dass ich jede chance nutzen möchte, die sich bietet.

der luxus-mann hat daraufhin etwas beleidigt verkündigt, dass er mich doch eigentlich sonntag mit zu seinem neffen hätte nehmen wollen. ich hatte dies schon im vorfeld abgelehnt - mit der begründung, dass mir das letzte wochenende familiengeklüngel genug gewesen sei und dass ich mit seinem neffen doch nichts zu schaffen habe. eltern und geschwister ok, aber die hunderttausend anderen luxus-verwandten können mir echt gestohlen bleiben. die will ich gar nicht kennenlernen, weil ich weiß, wo das endet: eine geburtsfeier hier, eine hochzeit da, eine taufe woanders, und schwuppdiwupp, hat man ultraspießige zwangsfamilienwochenenden statt lustigem party-saufen-ficken.

das objekt ist natürlich ein besonders rotes tuch. aber ich freue mich so auf diesen menschen. er ist mein einziger wahrer freund. er ist es wert, dass ich dafür disharmonien riskiere. und über meinen schatten zu springen tut auch mir gut. trainiert mich für größere sprünge, die sich künftig noch zu machen sind.




Montag, 22. April 2019

ein muh, kein mäh, und kein kikerikiki

am osterwochenende brennt die sonne herunter, als wolle sie uns alle mit hautkrebs strafen.

wir sind auf dem hof der luxus-eltern, der luxus-mann gurkt mit dem frisch lackierten mustang seines schwagers übers gelände, während ich die neuen hühner seines vaters kennenlerne.

putt-putt-putt, sage ich, bok-bok-boook machen die huhnis und kommen alle zum zaun gerannt.
sechs puschelige, prachtvolle rhodeländer-damen, aber kein hahn dabei.

"wieso habt ihr denn keinen hahn", frage ich den luxus-vater.
"das klappt auch so", sagt der. "bei größeren hühnerherden, wie wir sie früher hatten, waren die natürlich schon nützlich. wenn da ein greif angesegelt kam, haben die hähne ordentlich radau gemacht."
















dann erzählt er mir, wie er als junger bursche mal seine schweinherde über nacht draußen vergessen hatte.
"das war im frühjahr, da hatten wir nachts noch ordentlich minusgrade, und ich hab abends nicht drangedacht, die tür aufzumachen, damit die wieder in den stall konnten. mitten in der nacht fällt mir das ein, ich sitz senkrecht im bett, denke so, scheiße, die viecher sind vielleicht schon erfroren. geh ich raus, was ist? stehen die alle dicht zusammengekuschelt auf einen haufen. nicht eins hat sich erkältet, alle sind gesund geblieben!"

wenn der luxus-papa so erzählt, kann man sich nicht vorstellen, mit welcher unglaublichen härte er seine kinder großgezogen hat. ein freundlicher älterer herr, der ab und an auch mal einen schnoddrigen scherz macht.

später, nachdem wir alle torte gegessen haben, nimmt mich der luxus-mann mit auf den milchhof nebenan, denn dort gibt es angeblich kälbchen.
"hier musste ich als kind immer milch holen", erzählt er.

ich darf in den stall gehen, und da sind sie. zwischen vielen weißen und schwarz-weißen steht ein kälbchen, das komplett schwarz mit einer kleinen weißen blesse auf der stirn ist.
ich strecke die hand aus und das schwarze kalb beginnt, sie mit seiner großen zunge hingebungsvoll abzuschlecken.
"fass mir bloß nachher nicht mit deinen kuh-schleim-fingern an den schwanz", lacht der luxus-mann.

später, als wir auf dem luxus-balkon in der schanze sitzen und uns großstadtlärm und -gestank wiederhaben, sagt der luxus-mann:
"vielleicht hab ich später doch bock, mal eine zeit lang auf dem land zu wohnen. so im sommer. drei monate in den schweizer bergen oder so. du könntest ja mitkommen. müssen wir nur schauen, dass wir dann wlan haben, damit du arbeiten kannst."
ich muss kichern: "du machst aber sehr langfristige pläne!"
da schaut mich der luxus-mann ungewohnt zärtlich an und meint: "irgendwie hab ich mich halt schon an dich gewöhnt."

Freitag, 12. April 2019

richtige freunde

anlässlich des luxus-geburtstages haben sich seine schweizer freunde extra einige tage urlaub genommen und sind nach deutschland gereist.
 ich bin so angetan wie neidisch:
"zu meinem geburtstag ist noch nie jemand einfach so angereist. noch nicht mal meine eltern."
der luxus-mann grinst:
"du hast auch keine richtigen freunde. dich ruft doch noch nicht mal jemand an."

in der tat habe ich keine festen freundeskreis, schon gar nicht in hamburg. auch der bundesweite freundeskreis befindet sich im steten wandel. sortierungs- und säuberungsaktionen sind immer wieder nötig, weil ich freundschaften ohne eine bestimmte intensität als sinnlos empfinde und nach einiger zeit ad acta lege. zugleich lerne ich hin und wieder auch neue menschen kennen, die einen zweiten blick wert sind und die - zumindest für eine gewisse zeit - eine immens wichtige rolle spielen. geburtstagen kommt dabei in der regel eine untergeordnete rolle zu, schon allein deshalb, weil mir solche traditionellen festtage selbst gern mal entfallen.

der luxus-mann hingegen führt gewachsene freundschaften, die teils über 30 jahre alt sind. schön und sicher scheint mir das. gleichzeitig schockiert mich bisweilen, dass er dennoch wenig intimes über diese menschen weiß.
"das könnte ich die oder den nie fragen", heißt es dann, wenn ich etwas bestimmtes wissen will. "über sowas reden wir nie!"
während ich also eher tiefe freundschaften pflege, so sind es beim luxus-mann breite bzw. lange freundschaften, wenn man es mal geometrisch ausdrücken möchte.

mithilfe der geometrie finde ich mich wieder aus den kategorien richtig und falsch und damit aus dem gefühl von minder- und höherwertig heraus. der vergleich führt in den zweifel, das annehmen in den genuss. und ja, ich genieße es, in den luxus-freundeskreis einzutauchen. es ist nicht immer tief dort, aber nicht minder schön.

Freitag, 5. April 2019

geschenke, geschenke

da war nun also der tag meines älterwerdens, korrelierend mit dem jahrestag mit dem luxus-mann.

ich kam übellaunig und müde in luxus-hausen an und wurde dann sehr positiv überrascht.

ein riesiger strauß roter rosen wartete auf mich.

rote rosen hatte mir zuletzt meine erste große liebe vor exakt 20 jahren geschenkt.
ich war gerührt und sprachlos.

weiterhin bekam ich die gesammelten werke von frau sybille berg, die ja so eine art seelenverwandte von mir sein muss, wie mein mann findet, sowie einen silbernen anhänger.

mein größtes geschenk ist aber nach wie vor dieser mensch. wer oder was auch immer das so inszeniert hat: das war ein geschickter schachzug. dieser blonde alt-punk mit dem spießer-job, der wilden patch-work-family und dem schrägen humor passt wie arsch auf eimer zu mir.

später am abend gingen wir essen, wobei wir ja noch das dfb-desaster verfolgen mussten, nach dessen der ende der mann so frustriert war, dass er sich nicht einmal mehr zu einem fick aufraffen konnte.

"wir sind langweilig", jammerte der luxus-mann.
"schon ok", fand ich. "das wichtigste haben wir ja."
"was denn?"
"dass wir mit jemandem zusammen sind, der uns eigentlich nicht weiter stört. ich glaube, das ist so ziemlich das maximum dessen, was man verlangen kann."

Montag, 1. April 2019

kinderkacke

ich will keine kinder. nie. das steht für mich fest.

an manchen tagen mache ich mir deswegen gedanken: dann sitz ich ja im alter mal ganz alleine rum! niemand wird mir mit irgendwas helfen, es sei denn, ich bezahle den oder biete ihm granny-sex an. mit freundschaften sieht es wahrscheinlich auch nicht besser aus: ich kenne zwar viele leute, aber es verbindet mich in der regel nichts oder nicht genug mit ihnen.

wenn ich mir die luxus-kinderkacke allerdings so ansehe, bin ich wiederum heilfroh, dass ich mir das ganze nie angetan habe.

nachdem wir bis vor ca. einem jahr die sorge hatten, dass der luxus-sohn als jugendlicher hartzer ohne ausbildung endet und zudem ewig jungfrau bleibt, spinnt aktuell die luxus-tochter rum.

die grundproblematik ist rasch zusammengefasst: mama und auch papa pudern madame permanent den arsch, weil kein elternteil vor dem anderen irgendwie schlechter abschneiden will. das übliche buhlen um die kinderliebe. entsprechend hat töchterchen leider nullkommanull frustrationstoleranz. wenn sie nicht bekommt, was sie will, wird geheult, bis sie es kriegt. wenn nicht, geht sie zu mama oder papa und erzählt, wie doof papa oder mama sind. diese form kindlicher manipulation wirkt zuverlässig.

neulich beim essen beispielsweise fielen mir mal wieder fast die ohren ab: auf die bitte des vaters hin, sie möge ihre teller wegräumen, sagte töchterlein ganz einfach:
"nö, ich will nicht."
ich sah meinen mann ermunternd an, erwartete einen satz wie "das machst du jetzt bitte trotzdem!", notfalls auch eindrucksvoll untermalt mit einer faust, die auf den tisch niederrauscht.
aber nichts passierte. stattdessen nahm der luxus-mann den teller und räumte ihn selber weg.
mir fiel die kinnlade auf die brust: das hätte ICH mal machen sollen, dann hätte er mir aber was  erzählt!

inzwischen ist sogar die mutter, die ihrem kind sonst wirklich jeden wunsch von den augen abliest und 24/7 mit hingabe über ihm helikoptert, frustriert. so durfte sie neulich nicht duschen, weil töchterlein befand, dass sie dann zu wenig zeit zum spielen haben.

abgesehen von diesen allüren plagen das luxus-töchterlein massive angst und eifersucht. mit ihren sachen darf kein anderes kind spielen. mit ihrer besten freundin auch nicht. mittlerweile ist der luxus-mann vollkommen frustriert und ratlos und denkt sogar über einen besuch beim kinderpsychologen nach.

"sei froh, dass du nicht noch ein kind kriegen kannst", sage ich leichthin.
das ist meinem mann kein trost.
aber ein müdes lächeln ist es trotzdem wert.