Samstag, 8. April 2017

heuchler und konsorten

"weißte, was ich so heuchlerisch finde? mit jedem neuen anschlag in europa gehen die leute schneller zur tagesordnung über", sagt der luxus-mann.
"normal", sage ich. "man gewöhnt sich dran. da müssten jetzt schon mal ein paar tausend auf einmal weggebombt werden, dass das noch mal eine größere welle schlägt. eigentlich ist das aber sogar was gutes. je weniger panik und aufruhr, desto weniger triumpf auf seiten der täter."

"aber wie schnell da sowas wie mitgefühl abnimmt!"
"welches mitgefühl?"
"so auf facebook und so zum beispiel."
"auf facebook und so findet kein mitgefühl statt, sondern selbstdarstellung. narzissmus in reinform. die inszenierung als gruppe der guten und so. irgendwann wird das auch langweilig und ist nicht mehr so schick und trendy, "je suis paris" oder anderes gedöns zu posten.ich denke sogar, dass menschen generell kein mitgefühl besitzen. das sind nur instinktive verhaltensweisen, die durch temporäre positive oder negative identifizierung entstehen - und die auch fix wieder verpuffen. obwohl... so zwischen eltern und kindern beispielsweise verpufft das vielleicht nicht so schnell. da stehen noch ein paar hormone im weg."

der luxus-mann geht schweigend neben mir her.
"glaubst du, du könntest jemanden töten?"
"denk schon. das ist übungssache."
"du meinst, dass man also beim morden abstumpft?"
"gewissermaßen. das erste mal kostet bestimmt eine riesenüberwindung, vor allem, wenn der zu ermordende kein echter bösewitsch ist, sondern vielleicht sogar jemand, den du kennst. aber irgendwann geht das mit dem töten bestimmt so automatisch, so, wie sich morgens vor der arbeit ein paar schuhe anzuziehen. vielleicht kann morden sogar spaß machen, ich weiß es nicht."

"hätte ja nicht geglaubt, dass ich mal jemanden treffe, der noch schlechter von den menschen denkt als ich."
"ich denke nicht schlecht, ich erkenne bloß funktionsweisen. das hat nichts mit gut oder schlecht zu tun, auch wenn ich zugebe, dass mich das persönlich enttäuscht. aber ich nehme mich da nicht aus, ich bin auch nur ein arschloch."
"aber keine heuchlerin, wenigstens."
"ich geb mir zumindest mühe."

4 Kommentare:

  1. Meiner Meinung nach, bzw. ich habe die Vermutung, dass es keinen intimeren Akt gibt als einem anderen Menschen sein Leben zu nehmen. Ich fürchte sogar, da kommen nicht mal Sex und Orgasmus in die Nähe.
    Natürlich nicht im Sinne von persönlichem Erleben (Typen, denen beim Erschießen anderer Leute buchstäblich einer abgeht, sind wohl in der absoluten Minderheit), sondern im Sinne einer...hm... einer Art metaphysischen Verbindung, einer Eintragung, einer Art Querverweis im Protokoll der absoluten Raumzeit.
    Würde ich ein Arschloch von Massenmörder töten, wäre ich auf diese Weise auf ewig mit ihm vebunden, unwiederbringlich, unabänderlich; eine gruselige, ja geradezu abscheuliche Vorstellung.
    Die Alternative, nur gute Menschen zu töten, bietet sich aus diversen, naheliegenden Gründen, allerdings auch nicht wirklich an. Also lässt man das Ganze wohl doch besser ganz bleiben ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. ich hab in meiner jugend die biografie von sophie scholl gelesen, die über das thema hitler-attentat sagte: "wenn es kein mann tut, muss es eben eine frau tun", und sich selbst auf diese weise nicht ausgenommen hat. da habe ich mich erstmals gefragt, ob töten männersache ist, ob frauen genauso leicht töten wie männer und was sie dabei unterscheidet.
      das mit der intimität, ohja. sex ist wahrscheinlich ein gutes beispiel. auch sex ist ja etwas, was man einem anderen menschen im weitesten sinne antut, und das mehr oder weniger schön sein kann.
      und in der tat ist vermutlich so, dass man eine verbindung zum opfer eingeht, ob arschloch oder nicht. das finde ich beispielsweise an horrorfilme immer so defizitär: der bösewitsch wird abgemurkst, erlösung tritt ein, happy end. das wars. ein bisschen kurz gegriffen.

      Löschen
  2. Ich finde es traurig, dass hier in Europa diese Phase der relativen Sicherheit seit dem Krieg zu Ende geht und vor allem dass diese Sicherheit ohne Zwang weggeworfen wird. Im Namen einer zweifelhaften Humanität, welche, wie oben angedeutet, im Menschen nicht vorhanden ist. Sondern höchsten unter einer dünnen Schale von Zivilisation versteckt liegt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. stellvertreterkriege sind grundsätzlich auch kriege, und nur weil hier keine bomben fallen, heißt das nicht, dass wir in frieden leben. seit dem paris-attentat ist deutschland ganz offiziell aktiv dabei.
      eigentlich hat der krieg strenggenommen nie oder nur kurz aufgehört - er wurde nach dem 2. wk in form des kalten krieges weitergeführt. jetzt mischen sich glaubenkriege und politische kriegsführung miteinander, eine tatsache, woran man schon sehen kann, dass es nicht um eine entscheidung oder den frieden geht, sondern alleine um mitmischen. das ist dämlich und schadet jedem einzelnen volk, passt aber leider ins bild.

      Löschen

danke für deinen kommentar. ist er hilfreich, fair und sachlich, wird er nach freischaltung veröffentlicht. kontextfreie, rassistische und sonstige arschloch-scheiße wird sofort gelöscht.